Nr. 71.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dounerstag, 25. März.

Von der Einarmschule.

Von Privatdozent Dr. b. Künßberg, Leiter der Einarmschule in Heidelberg. [ Nachdruck gestattet.]

Der Gedanke, eine besondere Schule für Einarmige zu gründen, entstand in Desterreich, in Wien , wo der Architekt Großelfinger bald nach Kriegsausbruch mit diesem Plane in die Oeffentlichkeit trat und im Spätherbst 1914 seine Schule im Reservespital Aka­demisches Gymnasium eröffnete. Da er selbst seit 30 Jahren nur noch den linken Arm besißt, trotzdem seit Beendigung der Hochschul­studien seinem technischen Berufe ungehindert nachgeht, so wußte er am besten zu beurteilen, was für Willensanstrengung es foffet, fich selbst zu überwinden und gegen die Vorurteile der anderen anzufämpfen, und so ist in ihm der Gedanke gereift, seine Er­fahrungen in den Dienst des Vaterlandes zu stellen, indem er anderen Einarmern zur Berufsmöglichkeit und Berufsfreudigkeit verhilft. Wer ihn im Kreise seiner Schüler gesehen hat, dem ist die Berechtigung, ja die Notwendigkeit einer Einarmschule nicht mehr zweifelhaft. Es lag nahe, auch im Deutschen Reiche eine solche Schule zu gründen. Zuerst hat sich dieser Gedanke in Heidelberg verwirklicht, wo im Vereinslazarett Reser die Einarmigen gesammelt und schul­mäßig ausgebildet werden. Die Schule entstand im Zusammen­wirken von Stabsarzt Prof. Dr. Wilmanns vom Sanitätsamt des 14. Armeekorps in Karlsruhe und mir. Aehnliche Einrichtungen werden an anderen Orten geplant. Die Einarmschule dient einem doppelten Zweck: In erster Linie soll sie dem Einarmigen be. hilflich sein, sich wieder im täglichen Leben zurecht zu finden, in zweiter Linie soll sie es ihm ermöglichen, seinen bürgerlichen Beruf möglichst gut weiterzuführen. Wo daran nicht mehr zu denken ist, foll sie ihn mit Kenntnissen und Fähigkeiten ausstatten, die einen Berufswechsel vorbereiten.

Vor allem muß der Lebensmut, der Glaube an sich selbst geweckt, gefördert und gestärkt werden. Ein so schwerer Verlust, wie es namentlich der des rechten Armes ist, der treuen arbeitenden und verdienenden Hand, des besten Freundes, bringt begreiflicher­weise vielfach eine außerordentliche Hemmung der Arbeitslust, ja cine Lähmung des guten Willens mit sich, so daß der Glaube an die eigene Arbeitsfähigkeit erheblich gemindert ist, die Zukunft nur grau in grau gemalt erscheint. Leider wird diese Lähmung oft noch gefördert durch eine gedankenlose Umgebung, die unsinniger­weise glaubt, durch weichliches Bemitleiden und laute Klagen diesen ernsten Kriegsschäden die gebührende Rücksicht entgegengebracht, wohl gar die Betroffenen getröstet und erleichtert zu haben. Und doch ist der Verlust einer Hand oder selbst eines Armes durchaus noch kein Grund, auch den Kopf zu verlieren. Auch die Fähig keiten des Handwerkes hatten ihren Siß nicht ausschließlich in der Hand, sondern im Gehirn. Im eigenen Interesse unserer ganzen Volkswirtschaft liegt es, das Kapital, das in der erworbenen Be rufsbildung, in den Berufskenntnissen jedes Einzelnen stedt, nicht einfach mutlos aufzugeben, wenn das bisherige Hauptwerkzeug, die Hand, verloren geht. Kann der Stopf feine Fähigkeiten nicht mehr durch die rechte Hand in Arbeit umsehen, so muß er eben von nun an der linken seine Aufträge erteilen. Die linke Hand muß und kann dazu ausgebildet werden, die rechte zu vertreten und für beide zu arbeiten.

noch

der Krieg die Zahl der Einarmigen beträchtlich, es stehen viele vor lebendigen und der Kunsthand eine lebungswerkstätte zu besuchen. der Aufgabe, zur Einhändigkeit umzulernen. Wenn aber mehrere Jedenfalls wird als Leitsatz festzuhalten sein, daß die Kriegs­solcher Kameraden, die dasselbe zu überwinden haben, in einer verletzten nicht wieder sich selbst überlassen sein dürfen, wo sie den Schule vereinigt sind, so gilt für fic nicht bloß das Sprichwort, Mut verlieren und in unpassende Stellungen gedrängt werden daß geteiltes Leid halbes Reid ist, daß der Einzelne sein Unglück könnten, sondern, daß ihnen möglichst bei Austritt aus der Schule nicht mehr für das größte halten kann, wenn er andere das eine feste Arbeitsstelle und Broterwerb neben ihrer Rente, die Gleiche fragen sieht, sondern, was mindestens ebenso wichtig ist, darum nicht geschmälert wird, offen steht. Die Stelle wird ihnen fic fommen in gemeinsamer Arbeit schneller vorwärts. Dazu kommt von der Schule besorgt oder vom Ausschuß für Erwerbsfürsorge, noch ein anderes, der einarmige Lehrer. zu dem die Schule engste Fühlung hat und dessen Erfahrungen Sich selbst überlassen, wird mancher Einarmige wohl jahrelang und Beziehungen unseren Schülern zugute kommen. brauchen, bis er sich in allen Vorkommnissen des täglichen Lebens Es wäre ein großer Vorteil, wenn sich die Einarmschule zu selbst zu helfen weiß. Er wird auf die nötigen kleinen Handgriffe einer Versuchsstelle von Gegenständen für Einarmige und zu einer und Vorteile je nach Bildung, Willenstraft, Erfindergabe früher Sammelstelle und Austauschstelle für Erfahrungen Einarmiger oder später, oder auch gar nicht von selbst kommen. Wenn ihm ausbildete. Ich möchte jedermann, der da in irgend einer Weise aber von vornherein langjährige Erfahrung zur Seite steht, wenn nüßlichen Rat zu geben weiß, herzlichst auffordern, uns Mitteilung jemand sein Lehrer und Ratgeber ist, der selbst alle diese Versuche zu machen. Dies kann nun so geschehen, daß ein Geschäft einen erprobt hat, dann wird ihm von Anfang an viel Mühe und Arbeit, Gebrauchsgegenstand, Messer, Werkzeuge aller Art, Bekleidungs­manche Enttäuschung und Entmutigung erspart. Es ist gelungen, stüde usiv. vertreibt, der für unsere Zwecke bestimmt und ge­für die Einarmschule einen solchen erfahrenen Ratgeber zu geeignet ist, und uns davon verständigt und Gelegenheit zur Probe winnen, der in der Schule wohnt und so in der Lage ist, auch gibt( z. B. welche Fabrit hat bereits Links- Sensen?) außer der Unterrichtszeit die ganze Tätigkeit zu überwachen, nach- wertvoller wird es sein, wenn Einarmige der verschiedensten Berufe zubessern, vorzumachen. uns bekannt machen, in welcher Weise sie sich in der Ausübung In der Einarmschule werden also die Schüler zur Selbständig - ihres Berufes behelfen. Von besonderer Wichtigkeit wären da keit in allen Hantierungen des täglichen Lebens angehalten. Sie Ratschläge des arbeitenden Standes, vor allem einarmiger Hand­sollen lernen, ohne jede Hilfe sich anziehen, sich waschen, rasieren, werker, die hiermit gebeten sind, nicht nur über ihre besonderen essen usw. zu können. Ferner wird durch förperliche Uebungen Werkzeuge, sondern auch über die Einrichtungen ihrer künstlichen dafür gesorgt, daß sowohl der Stumpf fich fräftigt, als auch vor Hand Mitteilung zu machen. Ja schon die Nachricht, daß jemand allem der gesunde Arm besondere Gewandtheit und Straft erwirbt. einen bestimmten Beruf tatsächlich einhändig ausübt, kann für Gelehrt und geübt wird sodann das Schön- und Schnellschreiben einzelne Kameraden von Wert sein. Bei der Ermittelung könnten ( mit der linken Hand), Rechtschreiben, Rechnen, Stenographic, sich die Bandagisten verdienstlich machen. Die Schule ist gern Maschinenschreiben. Dazu kommt noch Buchführung, Zeichnen und bereit, auch ihrerseits Anfragen Einarmiger zu beantworten. Es andere faufmännische und gewerbliche Fächer. wird z. B. manchem Linkshänder von Nußen sein, zu erfahren, velche Federn sich besonders für Linksschrift eignen. Daß die Schule um so mehr Auskünfte geben fann, je mehr sie ein Sammelplatz wird, ist offensichtlich. Schon jetzt haben wir wert­volle Winke dieser Art bekommen. Diese Kriegshilfe der Gin­armigen, zu der, wie ich eben erfahre, in Ungarn und Desterreich Graf Zichy mit sehr großem Erfolge aufgerufen hat, wäre auch für spätere Zeiten von dauerndem Segen.

Daß die Erlernung der Sturzschrift als eine vortreffliche Schulung und Zucht zur sicheren genauen Linienführung viel bei trägt, zur llebung der Hand und auch nebenbei zur Verschönerung der gewöhnlichen Handschrift, weil das überhaftige Schreiben des Nichtstenographen entfällt, das ist ja offenkundig. Nicht alle Ein­armer werden Stenographie lernen, die Teilnahme soll freiwillig sein( in unserer Schule etwa ein Drittel); einer schweren Zimmer­mannshand wird nach jahrzehntelanger harter Arbeit niemand den hurtigen Stift aufdrängen. Linkshändigkeit aber an fich ist tein Hindernis für die Stenographie ich hatte einen linkshändigen Stenographielehrer, ebensowenig ist es ausgeschlossen, mit einer künstlichen Hand ein flotter Jünger Gabelsbergers zu sein, wie ein mir kürzlich bekannt gewordener Fall dartut.

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Noch näher liegt dem Einarmigen die Maschinenschrift. Die zahlreichen Tasten fordern geradezu heraus, an ihnen zu tippen, auf ihnen die Finger spielen zu lassen.. Auf Fingerfertigkeit, auf Gelentigkeit jedes einzelnen Fingers fommt es aber jemand, der von nun an mit fünf Fingern ausreichen muß, außerordentlich an. Die Gewandheit des Klavierspiels fann auch auf der Schreib­maschine erreicht werden, und oft wird die lettere die nüblichere sein. Es ist begreiflich, daß die große Mehrzahl unserer Schüler fich für den Schreibmaschinenunterricht gemeldet hat. Die einstigen Slavierspieler und Geiger haben natürlich einen Vorsprung. Die erprobte Opferbereitschaft eines Handelslehrers hat es möglich gemacht, in der Einarmschule selbst Buchhaltungsunter­richt zu bieten. Eingehendere Ausbildung in kaufmännischen Ueberzeugende Beispiele dafür, daß Geduld, Ausdauer und Fächern wird, wenn sie im Einzelfalle wünschenswert ist, zived­fester Wille imftande sind, den einen Arm so auszubilden, daß mäßig außerhalb stattfinden. Dafür haben wir die Zusage der der fehlende andere nicht mehr entbehrt wird, gibt es wohl in offenen Tür in der Handelsschule. Ebenso steht es mit den ge­allen Berufen. Daß man sie nicht allgemein fennt, ist ein Bewerblichen Fächern( Beinen, Rechnen, praktischen Arbeiten), für weis dafür, wie unauffällig solche Erscheinungen im Leben sind. Die ein dringendes Bedürfnis vorhanden ist. Da hat uns die Ge­Dem Soldaten am nächsten stehen die bekannten Beispiele des werbeschule mit warmem Herzen und offenen Armen aufge Ritters Göz von Berlichingen, des englischen Admirals Nelson und des französischen Generals Bau; der jezige Weltkrieg wird diese foldatischen Beispiele vermehren, las man doch bereits vor einiger Zeit von einem deutschen Adjutanten, der, obwohl jest einarmig, wieder seinem Dienst nachkommt. Das Büchlein des Grafen Zichy, das durch lebendige Sprache und überzeugende Bilder so außer ordentlich geeignet ist, Mut zu machen, hat ihn zum allbekannten brüderlichen Freund aller Einarmigen gemacht. Es gäbe noch viele andere zu erwähnen, aus allen Berufen und Ständen, Offiziere, Architekten, Rechtsanwälte, Eisenbahner, Kanzleibeamte, Kaufleute, Stenographen, Schlosser, Schreiner, Steinbruder, Uhr­macher, Maurer , Schuhmacher, Schneider, Landwirte, Forstleute usw. Verschiedene anschauliche Bilder enthält die Aufklärungs­schrift Biesalstis Kriegstrippelfürsorge".

Jeder einzelne von den erwähnten Einarmern hat sich selbst, durch eigene Kraft frei und unabhängig gemacht, manchmal in jahrelangem Ringen, nach mancherlei Hindernissen. Nun mehrt

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Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

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Um ihn war es klebrig, elend und unheimlich ein Graben etwas mit Schlamm. Er lag auf dem Rücken, wurde festgehalten von diesem klebrigen Stoff und knirschte in schnöder Ohnmacht mit den Zähnen. Aber in weiter Ferne cntzündete sich ein Licht und wanderte, wie Sonne über gelbe Stoppeln hin. Das war das Leben, golden und sonnenbe­leuchtend fuhr es über die weiten Wecker wie ein hochbeladener Erntewagen, es schwankte und bog sich unter seinem Ueber­fluß und ließ ihn an allen Wegen und Gräben entlang zu Boden rieseln, es schleifte die goldnen Aehren unter die brei­ten Räder, rührte sie tief in den Schmutz und zermalmte fie. In der Brust verspürte Karl einen üppigen Freudenkißel, er reckte die Hände empor, um eine einzige goldene Garbe zu sich ins Elend hinabzunehmen. Aber die Fuhre schwankte vorbei, und nicht weit davon sah er die Garbe hinunterfallen und im Schmuß überfahren werden. Da begann er bitterlich über diese grenzenlose Willkür zu weinen

Sein eigenes Schluchzen weckte ihn, und er entdeckte, daß er große Tränen auf den Wangen hatte. Er wischte sie nicht fort, sondern verhielt sich ganz still; dieser Zustand nach dem Weinen tat so eigentümlich wohl; er fühlte sich so erleichtert, so frei von allem Kummer und aller Schwere, als hätte sein Elend nur von einer Spannung in den Tränendrüsen her­gerührt.

nommen. Gerade da ist die Hilfe besonders wertvoll, weil namentlich zur Ausübung gewerblicher Berufe beide Hände er­forderlich zu sein scheinen. Daß sie es tatsächlich nicht sind, das zeigen die zahlreichen Beispiele einarmiger Handwerker, dazu helfen die kunstreichen Prothesen, die künstlichen Arbeitshände. Und wer wirklich den erlernten und ausgeübten Beruf nicht mehr mit der Hand fortführen kann, kann ihn vielleicht leitend mit Stopfarbeit fortseßen, wenn er noch Gelegenheit hat, sich etwas weiter auszu bilden. Es wird auf solche Weise in vielen Fällen eine Hebung innerhalb des Berufes möglich sein.

Benig befähigte ungelernte Arbeiter wird man bald an einen leichten Posten stellen können, während es sich lohnt, an den Be­gabten und Lerneifrigen zur Hebung in seinem Berufe oder zum Ümlernen einen Schulbesuch von längerer Dauer anzuwenden. Vielfach wird der Wiedereintritt in den Beruf eingeleitet werden durch praktische Arbeit bei einem Meister oder auf dem Lande, mitunter wird es sich als zwedmäßig eriveisen, zur Uebung der ruhig- bekümmert, in den Armen trug. Bater!" rief er und richtete sich auf.

Seine Wirtin legte ihn hastig und entschieden nieder und deckte ihn zu, dann zog sie sich leise scheltend zurück.

Es geht Dir wohl ernstlich schlecht, mein Freund?" sagte der Vater und betrachtete ihn aufmerksam. Uebrigens finde ich nicht, daß Du besonders abgenommen hast."

Nein, den Vorzug hat ein Schwächling nun mal," er widerte Karl aufgeräumt. Aber was willst Du hier?"

Ja, sich, das läßt sich gar nicht so einfach erklären. Aber nun hab ich das Geschäft ja abgegeben und treibe mich ohne Tätigkeit herum, und da hab ich Lust gekriegt, mich ein wenig in der Welt umzuschauen und meinen Sprößling aufzusuchen." " Sag mal, waren unten in der Stube noch andere Männer außer Dir, Vater?"

,, Nein, warum?"

,,, ich fragte nur so. Ich dachte bloß, ich hätte die Stimme des Doktors gehört."

Nein, dagegen war ein allerliebstes junges Mädchen da. Das ist wohl die, von der Du geschrieben hast?" Er blickte den Sohn forschend an.

Karl nickte.

Die Mutter berührten sie mit keinem Wort. Es war wie ein stillschweigendes Uebereinkommen zwischen ihnen, daß sie aus dem Dasein der beiden getilgt sein sollte.

Willst Du nun den Rest Deines Lebens auf dem Alten­teil verbringen?" fragte Karl. " Du findest vielleicht, daß das nicht genug Beschäfti­gung ist?"

Ja, auf die Dauer dürfte es leicht langweilig werden." Aber plößlich durchzuckte ein Stoß sein Herz, und er" Ich hab auch schon mal daran gedacht, eine Kinder­Tauschte gespannt; er hatte eine Männerftimme unten gehört. bewahranstalt zu errichten," rief der Vater lachend. War es wieder Aage,- ohne heraufzukommen und nach ihni" Das oder was andres," sagte Karl, ohne sich beirren zu zu sehn? Freilich war er in der letzten Zeit abstoßend gegen lassen. Man muß irgendetwas tun Man muß irgendetwas tun um seiner selbst den Freund gewesen; aber man rächte sich doch nicht an einem, willen; wenn man nicht zerbrochen ist." der frank war und vielleicht auf dem Sterbebette lag. Und" Ich habe auch große Pläne, ich will hinaus und die Welt wenn Aage sich nichts mehr aus ihin machte, warum fam er kennen lernen. Namentlich habe ich Mut zu einer Fahrt nach

dann andauernd ins Haus?

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Und nun eine Bitte an das Publikum. Es möge sich von den Ginarmigen wie von allen anderen Kriegsverlebten recht eindring­lich sagen lassen: Wir stellen uns nicht zur Schau, drum wollen wir nicht begafft werden. Wir jammern nicht, drum wollen wir nicht bemitleidet werden. Wir betteln nicht, drum wollen wir keine Almosen."

Aus den Berliner Kunstsalons.

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Einen Augenblid zögert man, ob es sich wohl berlohnt, auch in diesen Zeiten von den Ereignissen in den Kunstsalons zu be­richten. Es ist dort nichts Neues zu sehen, nichts ungewohntes in dem Sinne, wie jest täglich hundertfach Neues und ungewohntes über uns fommt. Die Kunst schreitet langsamer als das Leben. Wenn dieser Krieg überhaupt das fünstlerische Geschehen irgendwie beeinflussen wird, so kann das sich erst offenbaren, nachdem die rauhe wirklichkeit längst zur Ruhe gekommen ist. Die Kunst braucht Abstand. Darum darf es uns nicht verdrießen, in den Ausstellungen immer noch denselben uns gewohnten Malern zu begegnen. wäre es auch möglich, daß über Nacht neue Persönlichkeiten reiften. Die, die vielleicht einmal die fünstlerische Ernte dieser Blutjahre in die Unsterblichkeit der Form zwingen werden, können heute besten­falls Heranwachsende sein. So freuen wir uns also, die Zukunft erhoffend oder fürchtend, uns längst Vertrauten zu begegnen. Bei Schulte( Unter den Linden 75) gibt es eine Grinne rungsausstellung für den verstorbenen Otto v. Faber du Faur. Sie ist dorum besonders zeitgemäß, weil fie friegerische Bilder, Reiter- und Kampfszenen zeigt. Dieser Faber du Faur ist im Jahre 1829 in der Nähe von Stuttgart geboren. Er starb 1901 şu München . Er hat bei Piloty studiert, empfing aber seinen ent­scheidenden Einfluß von Delacroix , dem revolutionärsten und leiden­schaftlichsten der französischen Maler. Es ist sehr interessant zu fehen, wie das blutige Temperament und die gepeitschte Nervosität des Franzosen sich bei dem Deutschen in eine phantastische Romantik berwandelt hat. Delacroix war ohne Zweifel ein wesentlich stärkerer Maler als Faber du Faur ; dieser ist mehr Boet gewesen. Dröhnt durch die Bilder des Delacroir das Fanfarenpathos der Oper, io webt in den zärtlich gepflegten Tafeln Fabers das. Lied wie ein Grinnern an irgendwelche Zaubermärchen. Die Bilder des Deut­ schen sind dünner, vielleicht auch sterblicher, zaghafter, und gewiß weniger ureigentlich als die des großen Franssen. kommen uns näher und wirken auf uns inniger als die braufenden

Aber sie

" Genug gekriegt- Du vielleicht? Ich fange ja erst an." Einen Augenblick schaute er ernst vor sich hin und begann dann, von den Schwierigkeiten zu erzählen, die es ihn gekostet hatte, das Geschäft ordentlich zu verkaufen.

Karl lag mit geschlossenen Augen da und hielt seine Hand. Er antwortete nicht, hörte auch nicht auf die Worte, sondern lauschte bloß der Stimme, die weiter brummte, so bekannt, so beruhigend und sich mehr und mehr entfernte, bis das feine Gesumm eines Insekts daraus wurde.

schlafenden Sohn. Endlich erhob er sich, machte vorsichtig Lange faß der alte Bauder da und betrachtete seinen seine Hand frei und schlich hinaus.

fragte er Dortea Hansen, als er hinunterkam. ,, Sie haben noch ein Zimmer, kann ich das bekommen?"

"

Mit dem größten Vergnügen."

" Aber Sie. müssen sich darauf gefaßt machen, daß Sie mich fürs erste nicht wieder loswerden. Ich bleibe hier, bis die Dinge eine andere Wendung genommen haben, entweder so oder so."

Ja, und ich danke Gott , daß Sie gekommen sind! Er fann fast auch meinen Anblick nicht ertragen, und alle andern iagt er sofort hinaus. Was ist das für ein Hammer, frank zu sein. Unsereins, der seine Gesundheit hat, begreift es gar nicht, sondern hält es für Unvernunft. Das Wasser kommt mir sonst nicht so leicht in die Augen, aber ich habe oft darüber geweint, wie er zu leiden hatte; es war, als müßte er sterben, tönnte aber nicht, als vermöchte sich die Seele nicht vom Körper loszureißen. Es war für mich recht bös, das mitanzusehen und gar nichts tun zu können, wo ich ihn wie einen Sohn lieb gehabt habe. Manchmal fuhr er auf und drohte, und wenn es am schlimmsten um ihn stand, knirschte er mit den Zähnen; dann durfte überhaupt feiner bei ihm im Zimmer sein, obwohl er im nächsten Augenblick sterben fonnte." Die träftige Frau weinte. Doch jezt sind Sie ja hier und können ihn zur Vernunft bringen."

Aber diesen Eindruck habe ich nicht von ihm bekommen." ,, Nein, denn in den letzten Tagen hat er sich gewisser­maßen zufammengenommen. Aber so war er früher auch " Es wird jest gewiß besser mit ihm werden, glauben

Amerifa, um einmal Menschen arbeiten zu sehen! Aber Karls Gemüt wurde finsterer und finsterer, während er nicht bevor Du gesund bist und mitkommen kannst." Tauschte, den Kopf über den Bettrand gebeugt; aber er konnte Wenn dann nur etwas draus wird." die Stimme nicht erkennen. Jezt gingen die da unten über" Sicherlich! Du mußt ja bald abgehärtet sein von all schon, und es ist doch wieder gekomunen bloß viel ärger." den Korridor, und es kamen mehrere die Treppe herauf; den Krankheiten,- dann verleben wir den Winter in Kali­Dortea Hansen sprach über seinen Zustand. Die Stimme ant- fornien; da soll es ganz großartig sein, ein wunderbares Sie nicht?" fragte der alte Bauder eindringlich. wortete, und vor seinem Bewußtsein flatterte es im Nu wie Klima und noch schöner als im Süden. Und schöne Frauen."" Ich würde dem lieben Gott auf den Knien dafür danken. der Schlag großer weißer Flügel; all das Traute in seinem" Hast Du davon nicht genug gefriegt?" fragte Karl Aber wenn es nicht sein soll, dann wünschte ich ihm baldige Leben überflutete ihn mit weicher Woge, die ein Gesicht, ernst, lächelnd. Erlösung; es ist nicht auszudenken, daß ein Mensch so viel