Nr. 80.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Naturwissenschaftliche Bücherschau.

Seit wir das leztemal eine Umschau über die Neuerscheinun­gen auf dem naturwissenschaftlichen Büchermarkt hielten, sind viele Monate verflossen. Durch den Ausbruch des Krieges hatte das all­gemeine Denten plötzlich eine so andere Wendung genommen, daß dahinter alle anderen Interessen zurüdtraten. Wer dachte noch an Literatur, Kunst, Wissenschaft? Das sprach sich auch sofort auf dem Büchermarkt aus, und wie im gesamten Wirtschaftsleben bedeutet der 2. August 1914 auch für die Hochflut der literarischen und wirtschaftlichen Erscheinungen zunächst einen Stillstand, dann einen Wendepunkt. Erst war es die Kriegskarte, die die Schau­fenster und Läden der Sortimenter füllte; dann folgte eine wahre Sintflut von mehr, meistens leider weniger wertvollen Kriegs­schriften, die, vom Tage geboren, mit dem Tage auch wieder ver­gehen. Doch auf die Dauer läßt sich eine derartige Einschränkung des geistigen Lebens nicht ertragen, und so regt sich- obwohl das Ende des Krieges noch nicht abzusehen ist doch überall erneut das Interesse an all den Fragen, die vorher unseren Geist be schäftigten. Auf die Aktion folgt die Reaktion, diesmal aber eine gesunde und wertvolle Reaktion; denn nichts hilft uns ja beffer über die Schwere der Zeit hinweg als die Beschäftigung mit guten Büchern, seien sie literarischen oder wissenschaftlichen Inhalts.

-

-

Der Preis der einzelnen Bände beträgt in elegantem und geschmackvollem Halbfranzband 12 M., was in Hinsicht auf die reiche illustrative Ausstattung nicht zu hoch gegriffen scheint. So ist zu hoffen, daß der Brehm" auch in seiner neuen Bearbeitung das alte liebenswerte Volksbuch bleibt, das er seit einem halben Jahrhundert war.

-

Mittwoch, 7. April.

Das ist der Krieg.

Erwähnt sei

Th

jährige Tätigkeit als Tiergärtner ihm eine auf direkter Beobachtung beruhen. Auch die illustrative Ausstattung ist gut und zwed­ruhende Erfahrung, speziell auf dem Gebiete der Säugetierkunde, entsprechend. verschafft hat, wie sie sonst wohl kaum jemand befißt. Daneben zm Schluß möchte ich noch auf die zahlreichen Buchveröffent­verfügt Hed über eine glänzende Darstellungsgabe, so daß die lichungen der Deutschen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft" hin­Lektüre gerade dieser Bände für jeden Naturfreund eine Quelle weisen, sowie auf die naturwissenschaftlichen Veröffentlichungen der bekannten Teubnerschen Sammlung: Aus Natur und Geisteswelt", reinen Genusses bildet. die man im allgemeinen als gute Einführung in spezielle Gebiete bezeichnen kann. Besonders erwähnt sei bei dieser lebten Samm­lung die in zwei Bänden erschienene AII gemeine Wölfer­kunde von Dr. A. Heilborn, in der er mit viel Geschick versucht, den Entwickelungsgedanken auch im Werden der mensch­lichen Kultur herauszuarbeiten. Die kleinen gut ausgestatteten Eine zweite literarische bedeutsame Erscheinung, die inzwischen Bücher geben einen ausgezeichneten Ueberblid und können als fertig vorliegt, ist das groß angelegte Werk von den Professoren Einführung in das Studium umfassenderer Werke, wie z. B. der Richard Hesse   und Franz Doflein  : Tierbau und Rabelschen Völkerkunde, warm empfohlen werden. Tierleben"( 2 Bände geb. a 20 M., Verlag von B. G. Teubner, noch, daß die Teubnersche Sammlung seit Erscheinen des vier­Leipzig). Bereits bei Besprechung des ersten, von Richard Hesse   hundertsten Bändchens in einer neuen von Professor Tiemann ge­bearbeiteten Bandes im Jahre 1910 find wir ausführlich auf den zeichneten sehr geschmackvollen Gewandung auftritt. gesamten Plan zu sprechen gekommen; heute möchten wir nur fobiel im allgemeinen sagen, daß dieses Werk zweifellos das beste Hilfsmittel ist, um sich als Laie wirklich gediegene biologische Kenntnisse zu erwerben. Die darstellerischen Fehler, die wir neben den großen Vorzügen beim ersten Bande zu rügen gezwungen Unser Rieler Parteiblatt bringt folgenden Feldpostbrief: waren, daß sich nämlich der Verfasser nicht immer ganz klar über Noyon  , 7. März 1915. Wir müssen in unserer Uebersicht etwas zurückgreifen, da gerade sein Lesepublikum war, und daß demzufolge im besten Sinne Liebe Genoffen! in den Monaten vor Ausbruch des Krieges eine Reihe wichtiger populäre Kapitel mit Abschnitten abwechseln, die nur für den Fach­Werte erschienen sind, die wir noch nicht gewürdigt haben. An mann von Interesse und verständlich sind dieser Fehler ist in Auch nach dem Kriege wird Nohon, gleich mancher anderen er­erster Stelle ist hier die Neuauflage von Brehm3 Tierleben, dem jetzt vorliegenden 2. Bande Das Tier als Glied des immerungsreichen Stätte, wohl das Reiseziel vieler Deutschen   wer­bon dem gegenwärtig bereits 9 Bände vorliegen, zu nennen. Die Naturganzen" von Doflein auf das glücklichste vermieden den. Von den Massengräbern in fremder Erde führen starte Fäden  Abteilung Vögel", die nach den hinterlassenen Vorarbeiten des worden. Schon in seinen prächtigen Ostafienfahrten" hat sich nach der Heimat, von hier, wo sich das sechste Hundert der Gefalle leider zu früh verstorbenen William Marshall   feine Spazier- Doflein als ausgezeichneter Schilderer bekannt gemacht und die nen rundet, namentlich nach unserer Provinz. Wie viele Werte für gänge eines Naturforschers" haben ihn ja den weitesten Kreisen Vorzüge seiner Darstellungsgabe treten in diesem Werte noch mehr die Allgemeinheit, wie viele Hoffnungen, Jdeale sind hier frühzeitig zu einem lieben Freunde gemacht von F. Hempelmann und dem hervor. Gerechterweise muß man freilich auch anerkennen, daß zu Grabe getragen worden! Herausgeber gemeinsam bearbeitet ist, liegt in 4 Bänden voll- der Stoff dieses 2. Bandes in sich weit anregender und leichter Langsam, begleitet von den getragenen längen der Kapelle, ständig vor. Als eine sehr wertvolle Bereicherung muß bei der dem Verständnis nahezubringen ist, als die von Hesse im 1. Bande naht sich der uns schon wohlbekannte Zug aus der Stadt. Sachte neuen Auflage die Hinzufügung eines allgemeinen einleitenden behandelten, im wesentlichen anatomischen und physiologischen Tat- tragen bärtige Landwehrleute ihre Kameraden zur letzten Ruhe Teiles bezeichnet werden: Blid auf den Bau und das Leben der fachen. in die offene Gruft. Die Musik spielt die alte Weise, mit der sie Gesamtheit", in dem unterstützt durch ein ausgezeichnetes Ab­In dem ersten Kapitel werden die Lebensgemeinschaften schon so manchen zur letzten Ruhe geleitet: Jesus  , meine Zuber­bildungsmaterial die allgemeinen biologischen Verhältnisse, die oder wie der von Möbius geprägte wissenschaftliche Ausdrud lautet: ficht". Die Begleitmannschaften präsentieren, die Offiziere legen Entwidelungsgeschichte, die Stammesgeschichte, die Anatomie und die Biocönosen". behandelt. Man versteht darunter die Gesamt- salutierend die Hand an den Helm, Vertreter beider Landeskirchen die Psychologie der betreffenden Gruppen geschildert werden. heit aller Organismen, welche an dem Ort, an welchem sie vor- stehen vereinigt am Grab. Solch einschneidende Ereignisse bringt Ueberhaupt verdient die illustrative Ausstattung dieser Bände, die kommen, alle Bedingungen für ihre Entstehung und Erhaltung eben nur der große Umgestalter Krieg zuwege. Während sich rings­mit einer Reihe neuer Farbentafeln, hauptsächlich von W. Kuhnerts finden". Das 2. Kapitel umfaßt die Ernährungsbiologie. Hier um der Frühling regt, neues Leben erwedend, während grollend Sünstlerhand, sowie mit zahlreichen photographischen Naturauf- finden wir die interessanten Erscheinungen der Symbiose, der der Kanonendonner herüberschallt, fallen, dumpf aufschlagend, nahmen geschmückt sind, höchste Anerkennung. Die textliche Be- Synoecie, des Parasitismus usw. In dem 3. Kapitel: Organismen Schollen auf die Särge, auf Blüten, die der Krieg rauh gebrochen. arbeitung fann leider nicht in gleicher Weise als gelungen be- als Feinde der Tiere" werden die zahlreichen Schuhanpassungen, Im Schoße der Natur ein Erwachen und Werden, hier Vernichtung, zeichnet werden. Vor allen Dingen haben sich zahlreiche Un- die einerseits den Tieren die Erlangung ihrer Beute ermöglichen, Berwesung. genauigkeiten und Widersprüche, namentlich in bezug auf Bahlen- andererseits die Beutetiere schüßen, besprochen. Dann folgen Noch ist die Trauerweise kaum verhallt, da ertönen aus der angaben bei dem Brutgeschäft, usw. eingeschlichen. Sehr zu Kapitel über das Geschlechtsleben der Tiere, Tierwanderungen, Stadt die packenden Klänge eines Marsches. Frisch und fröhlich begrüßen ist dagegen das gerade in diesen Bänden hervortretende Versorgung der Nachkommenschaft, Gesellschaftsbildung im Tier- geht es hinein in den Kampf. Wie oft kehren die Ausziehenden Bestreben, die in dem alten Brehm in so großer Fülle vorhandenen reich und Staatenbildung bei Insekten. schon nach Tagen, ja Stunden, bleich und stumm des Weges wieder anwissenschaftlichen Tiergeschichten" auszumerzen und an ihre Der 2. Hauptteil des Bandes beschäftigt sich mit den unbelebten zurüd. Das ist der Krieg! Stelle die durch die spätere tierpsychologische Forschung erhärteten, Elementen und ihren Einflüssen auf das Leben der Tiere eines exakten Beobachtungen über das Leben und Treiben und die gei- bestimmten Lebensraumes. Den Schluß und vielleicht den inter­stigen Fähigkeiten der Vogelwelt zu sehen. Bei aller Kritik im essantesten Teil des Bandes bildet endlich der Versuch, die zahl­einzelnen muß man überhaupt die große Arbeit in der Bewältigung reichen Zweckmäßigkeiten im Bau und Leben der Tiere in ihrer und Verwertung der in dem fast zwanzigjährigen Zeitabschnitt, Entstehung zu erklären. Mit besonderer Liebe und großem der zwischen der letzten und dieser Auflage liegt, erschienenen Verständnis ist die Auswahl der Abbildungen, die zum größten Teil wissenschaftlichen Literatur anerkennen und bewundern. für das Werk neu gezeichnet wurden. Einen hervorragenden Eine außerordentlich fachkundige und sorgfältige Bearbeitung Schmuck bilden dabei die prächtigen Schwarz- und Farbentafeln, hat uns Franz Werner in Wien   in den beiden die urche unter denen die Zeichnungen von Kißling, Liljefors und Neuenbern und die Kriechtiere" umfassenden Bänden beschert, von hervorragen. denen der erste die Lurche und von den Kriechtieren die Brücken- Mit Freude werden die zahlreichen Imker und Bienenzüchter echsen, Schildkröten und Panzerechsen, der zweite die Schuppen- ein im Verlage von Friedrich Vieweg u. Sohn erschienenes Wert friechtiere, mit anderen Worten: Eidechsen, Wurmzüngler und des bekannten Bienenforschers Buttle- Reepen: Leben Schlangen umfaßt. Auch in diesen Bänden fallen einem die und Wesen der Bienen" begrüßen( Preis in Leinenband wundervollen Naturaufnahmen und die zum größten Teil gut geb. 8 M.), das eine in darstellerischer und wissenschaftlicher Hin­gelungenen Schwarz- und Farbentafeln auf. Bon weiteren Ab- ficht ganz ausgezeichnete Arbeit ist. Die ersten fünf Kapitel geben teilungen ist endlich noch der von Vittor Franz und Otto eine auf sorgfältigem Literaturstudium beruhende Darstellung der Stehe bearbeitete Band Fische" erschienen, und in der Urheimat der Bienen, ihrer geographischen Verbreitung sowie der Bearbeitung von Ludwig Hed und Max Hilzheimer   die stammesgeschichtlichen Entstehung des Bienenstaates, während der beiden ersten Bände der Abteilung Säugetiere". Man fonnte Hauptteil des Wertes der eigentlichen Biologie gewidmet ist. Von für die Säugetiere schwerlich einen geeigneteren Bearbeiter finden besonderem Interesse sind die Abschnitte über die Sinne der Bienen als Ludwig Heck  , den Direktor des Berliner   Zoo, dessen zwanzig- und ihre Instinkte, die zum großen Teil auf eigenen Beobachtungen

80]

-

-

Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

Aber eines Tages entblößte Mutter Erde drüben auf den Hügeln ihren Busen ein ganz klein wenig. Und das Erdreich sprang hier und da über das Land hervor, die Flecke dehnten fich aus und liefen auf den Höhen zusammen, eroberten die Böschungen und drangen abwärts vor. Das falte, weiße Zeichentuch wurde stocfledig, verwitterte und verschwand; und wo es gelegen hatte, sah man einen schwachen grünlichen Schein, während die nackten Bäume schwarze Perlenreihen gegen die blaue Luft zur Schau trugen. Der Engel des Frühlings hatte den Stein vom Grabe gewälzt und hinein­gerufen, und das Leben, das ewige, regte und rüstete sich- zum großen Auferstehungstage des Fleisches.

Was jetzt noch vom Schnee übrig war, das war schmutzig, mit Erde und Dred vermischt, als wollte es der Sonne einen Possen spielen, indem es die Farbe der Erde annahm. Es fämpfte, solange es ging, hielt sich nördlich von allem, kroch unter Büsche, Hänge und Waldesränder hinein, versteckte sich unter Brüden und Steinfärgen.

-

,, Bedeckt mit ehrenvollen Wunden hat hier ein Held sein Grab gefunden", so lautet die Widmung auf dem Kreuz eines jugend­frischen Pionieroffiziers, und sie hat wohl Geltung für alle. Meist sind es Kameraden, Freunde, Landsleute, die dem Verstorbenen den lebten Liebesdienst erweisen, sein Grab schmücken. Hin und wieder liest man aber auch Widmungen von näheren Angehörigen, die der Krieg zufällig in die Nähe geführt hat. So fanden Deine beiden Brüder Dich wieder", steht auf einem Kreuz schlicht und ergreifend. ,, Gewidmet von Deinem Schwager, Vizefeldwebel E.", auf einem anderen. Wiedersehen im Felde, wie sie der Krieg mit sich bringt.

Gerade in ihrer Schlichtheit wirken die Massengräber. Um­geben von dunklem, immergrünem Buschwert, ragen die Kreuze in der Dämmerung des Frühlingsabends Aus dem stahlblauen Abendnebel treten maffig und wirkungsvoll die bewaldeten Höhen­fetten hervor, während auf dem davor ausgebreiteten Talgrund gespenstige bleiche Nebel emporwallen. Die sinkende Sonne, schon verschwunden, zaubert mit letter Kraft eine fatte Farbenpracht als abschließenden Hintergrund. Dämmerung, Ruhe liegt aus gebreitet über dem Ganzen, fie leiten hinein zu schmersstillendem Bergessen. Wir wissen, nun tehrt die Sonne nochmals wieder. Die Zeit der Ruhe ist noch nicht gekommen. Und sehet Ihr nicht das Leben ein, nie wird Euch das Leben gewonnen sein!"

glühenden Bewerber, jedes Strahlenbündel war eine Lieb-| aber nicht. Vielleicht wendete ihr Sinn sich ihm wieder zu, kosung, jede Wärmewelle eine neue Befruchtung. Und die iezt, wo er gesund wurde; vielleicht äußerte sich darin auch Erde, die unersättliche, wuchs bei jeder Begegnung an Ueppig- nur ihre Unsicherheit; ihre Stellung war ja schwierig nach keit, Farbe und Verlangen, und die Sonne, die unermüdliche, dem, was zwischen ihnen vorgefallen war! Aber er würde spannte ihren Tag weiter und weiter, konnte sich am Abend nichts davon haben, wenn er sie zurüderoberte im Bunde nicht losreißen, sondern hing in der Luft als flammende mit der alten Vertraulichkeit. Von nun an war das Leben Freude, kündigte ihre Ankunft am Morgen an mit golden- neu- neu! quellendem Hauch. In der Mittagsstunde ging er langsam vorm Hause auf Und das Leben brach hervor aus der Lende der Erde in und ab, ließ sich von der Sonne bescheinen und atmete die Tausenden von Gruppen, in Myriaden von Wesen, und ein säuerliche, kräftige Luft ein, beobachtete die Blumen, die längs iedes hatte seine Gestalt, seine Farbe, seine kleine Eigentüm- der Mauer hervorschauten, und fühlte sich als neuen Men­lichkeit.- schen, der von dem reichen Frühling gezeugt und dem Schoße der Erde entsprungen war wie all das übrige. Noch nie auch war er so unbesorgt über die Erde gegangen wie jest, noch nie hatte er Blid, Sinn und Gedanken so in fie versenkt wie ießt!

In diesen Tagen bekam Bauder die Erlaubnis aufzu­stehen. Am ersten Tage mußte er sofort wieder ins Bett; ihm wurde schwindlig, und die Füße weigerten sich, ihn zu tragen; doch am nächsten Tage war er über eine halbe Stunde auf, stützte sich auf die Wand und die Möbel und übte sich im Gehen, ein wenig niedergeschlagen darüber, daß die Erde ihn nicht recht anerkennen wollte.

--

Er war zwar von allem, was in der Stadt vorging, unterrichtet, aber ohne daß es ihn im allgemeinen stark be­schäftigt hätte.

Es tauchten wie gewöhnlich Gerüchte auf, machten andern Platz oder tauchten von neuem auf. Immer war irgendeine Familie auf dem Tapet. Bald war da ein Mann, der einen neuen Ueberzieher bekommen hatte; die Stadt fragte erstaunt nach dem Wie, und das Gerücht begann seinen Tanz: von einem reichen Bruder, der im Lande Australien   gestorben sei und soundso viel hinterlassen habe, von einem größeren Lotteriegewinn. Oder ein junges Mädchen reiste zu Ver­wandten, und die Stadt fragte verwundert, warum. So durchhechelte man ihre ganze Vergangenheit, fand hier milie in der letzten Zeit gewesen sei; während die eine von ihren Freundinnen sie hatte weinen sehn und die andere wußte, daß sie sich nicht mehr schnürte.

Aber von Tag zu Tag ging es ihm besser, das Schwindel­gefühl verließ ihn völlig, und es bereitete ihm kein Unbe­hagen mehr, sich aufrecht zu bewegen. Der Vater half ihm die Treppe hinuntergehen, und er saß wieder unten in der Auf dem Wege draußen hielt der Schnee sich am läng- Stube und verfolgte die Arbeit der beiden Frauen, ganz wie ften. Er lag aufgeschichtet zu beiden Seiten, und in der in alter Zeit vor überaus langer Zeit, schien ihm. Mitte der Fahrbahn lief ein hartnäckiger Strom zur Stadt Mit jedem Tage fühlte er, wie er dem Dasein einver­hin, schnitt den Schnee los und machte unterwegs Brei daraus, leibt wurde. Der Gegensatz zwischen dem starken Licht des schuf den Brei zu Wasser um und riß es mit sich fort. Die Fensters und dem Dunkel des Zimmers umnebelte ihn nicht Fußgänger mußten den Weg übers Feld nehmen, und mehr, die Emsigkeit und der Lärm, der klamme Stärkegeruch, strahlenförmig sprißte der Schmuk um die Fuhrwerke auf, ia selbst der Dampf des Plätteisens belästigte ihn nicht, und da Flecken und erinnerte sich, wie sonderbar ihre Fa­so daß sie an kleine Raddampfer erinnerten. er mußte nachdenken, um zu wissen, daß das alles vorhanden Mutter Erde hielt Frühlingswäsche. Sie verschwendete war. Es gab nichts mehr, das ihn auszuschließen versuchte, das Wasser in übermütiger Freude, es war feine trockene indem es sich ihm widersezte; der Gejagte, Friedlose- der Stelle an ihr. Es rann von allen Höhen hinab, sprang aus Auswurf fühlte, wie er, Punkt für Punkt, in den großen dem aufgetauten Grunde, folgte Gräben und Niederungen, Lebensbund aufgenommen wurde. wurde aufgehalten und stiftete auf den Wegen Ueberschwem- Oft saß er still und schweigsam da und betrachtete Else mungen an, fam unten aus den Drainröhren unter den Saat- bei der Arbeit, folgte jeder ihrer Bewegungen mit den Augen. feldern und bildete kleine Seen, sprengte plöglich alle Hinder- Ihre drallen Arme, das Kinn, ihre ganze junge Gestalt ent­nisse oder fand neue Schleichwege, leckte die Wiesen rein, zündeten die Wollust in ihm; aber sein Verlangen blieb nicht füllte die Ackerfurchen mit feinem Schlamm, tropfte, rieselte haften, glitt vorbei, nach außen, fort. Sie oder eine andere, und rann, bis es den Fiord erreichte. das war keine Lebensfrage! Keine Frau sollte sein Schicksal werden, mochte sie noch so frisch und blühend sein, so weich und rot, da doch eine ganze Welt von Leben ihn er­wartete. Er hatte alles zugute und mußte an allem teilhaben. er konnte sein Wohl und Wehe nicht von Bruchteilen abhängen lassen. Er begriff überhaupt nicht, daß es unglückliche Liebe geben könne, da doch beide Geschlechter so zahlreich vertreten waren.

-

Und die Erde, die millionenmal geboren hatte, entstieg dem Bade, funkelnd und unbefleckt; sie streďte sich unter dem lichten Himmel, lebenswarm, unberührt und empfänglich wie nie.

-

-

Die öffentliche Meinung faute immer an diesem oder jenem. War kein Nährstoff in jemandem, so wurde er mit einer verächtlichen Grimasse ausgespien; war da aber bloß das geringste, woran man sich halten konnte, so zerfaute der Klatsch diesen Menschen so fein wie Schnupftabat.

-

Im Lauf der letzten zwei Monate hatte der Abstinenzler­wirt Sörensen immer wieder herhalten müssen; es hieß, er trinke heimlich. Auch in alten Zeiten war diese Beschuldi­gung gegen ihn erhoben worden vor allem, weil seine Nase so rot war, sie war aber immer wieder als grundlos fallen gelaffen worden. Jest dagegen wagte dieser und jener, den Teufel zum Zeugen dafür anzurufen, daß Sörensen Und die Sonne beschien sie, tagaus, tagein; niemals auf weite Entfernung hin aus dem Halse nach Alkohol ge­hatte Karl so wundervollen Sonnenschein gekannt. Sie glitt rochen habe und häufiger und mehr, als selbst der kränkste am Himmel hin wie ein gewaltiges, glühendes Herz, dessen Magen rechtfertigen konnte. Er war verdächtig und in dieser Pulsschlag die ganze Welt erfüllte und im feinsten Roggen- Else hatte fich, ihm gegenüber, seitdem er nicht mehr Eigenschaft interessant, aber der entscheidende Beweis fehlte. feim flopfte. Jeder Tag brachte ein Stelldichein zwischen bettlägrig war, ein klein wenig Rofetterie zugelegt ganz Darum wurde er auch nicht ausgespien, sondern behutsam der ausgestreckten, gierigen Erde und dem gewaltigen, unbewußt, schien ihm. Er lächelte nachfichtig, ermunterte fie beiseite gelegt, wie Rautabat, der zum Wegwerfen zu gut ist.