Nr. 82.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Frühlingsnacht.

Von Arno Marg.

Unter den neueren Schilderern heimischer Tierwelt hat sich Arno Marr einen guten Namen gemacht. Seine intime Dar­stellungsart regt zum Selbstschauen an. Die Frühlingsnacht ist seinen Neuen Geschichten aus dem Tierleben" entnommen, die bei B. G. Teubner erschienen sind.( Preis gebunden 1,60 M.) Ueber eine Woche schon hatte mich der Sturm um meinen Frühling betrogen. Vom Zimmer aus sah ich das Sprießen und Grünen  , sah der wonnevollen Frühlingsfeier der Natur zu. Doch vor dem Hause wehte der Sturm, fegte bald Regenschauer, bald Staubwolfen auf der Straße dahin, jedem die Freude am frohen Schauen zu nehmen. Da schlug ich dem unfreundlichen Gesellen ein Schnippchen, stahl mich durch den Wald an der Fichtenschonung entlang hin zum Teiche, um hinter schüßenden Baumgruppen den Abend zu genießen.

Als wolle der Wind mir meine List verzeihen, trieb er schnell noch die dichsten Wolfen vom Himmel: dann stillte er sein Blasen. Aufatmend hoben die Bäume ihre tagelang gebeugten Wipfel gerade zum Himmel empor, das Schilf ließ sein Rauschen einschlafen, die fraus huschenden Wellen des Teichs hemmten ihre Unruhe und gaben den blanken, unendlich blauen Teichspiegel frei. Verstohlen kletterte eine Rohrammer im Schilf empor, läßt chien zarten Triller hören, einen zagen Pfeifton und wieder einen Triller. Reizend steht ihr der weiße Kragen unter dem ruß­schwarzen Köpfchen, zaghaft nur ertönt ihr anspruchsloses, ver­schämt gestammeltes Lied. Klarer wird der Himmel, die Farben friegen strahlenden Glanz. Wie in funkelnde Emaille gekleidet blißen die Birkenstämme vor der schwarzen Nacht, die unter den Fichtenstämmen lagert. Funkelnd und lebensvolle Lichter sprühend erglänzen die maigrünen Birkenblätter, ein zarter Schleier vor der düsteren Farbe der Fichten. Das alte, abgestorbene Schilf, eben noch grau und fahl, leuchtet in kräftigem Odergelb und spiegelt sich in der blauen Pracht des Teiches. Langjam sinkt die Sonne hinter Wolfenkulissen, bei ihrem Scheiden einen brennendroten Saum auf die dunkle Wetterwand stickend. Mit dem Aufflammen des Abendrotes wandelt sich die Farbe des Teiches. Wie schimmernde Glut, nein, wie ein einziges, wundervoll getöntes Rosenblatt liegt er da, und einige Enten und Wasserhühner gleiten über ihn hin wie winzige Käfer über eine Blüte. Schreiend jagen sich zwei Bläßhühner, sie schlagen mit den Flügeln und strampeln mit den Füßen, und wo sie den Wasser­spiegel verwunden, sprüht es und flammt und glitert und leuchtet in brennenden Flimmerfarben.

Mitten im glühenden Rot taucht der Haubentaucher auf, und von ihm fort zum Ufer tauchen gespenstische Ringel in seltenen Märchenfarben. Sprühende Wassertropfen schüttelt der Kron­taucher von seiner Haube, die glizernd den Wasserspiegel treffen, noch einmal aufspringen und dann verschwinden. Ein ganzes Gewirr von Kringeln huscht davon und vergeht. Jezt hat mich der Taucher entdeckt, er senkt seinen Leib tief in die rosige Flut und rudert mit Kraft, meiner Nähe zu entfliehen. Hinter ihm strudelt das Wasser, wie glühende Aderschollen erscheinend, die sofort wieder verschwinden, nur ein leis erzitternder Streifen bleibt noch ein Weilchen, bis auch er vergeht. Klingelnden Fluges streichen zwei Stocenten heran und kreisen einigemal um den Tisch, bald wie schwarze Schattenbilder anzusehen, bald in grellen Farben schimmernd. In flachem Bogen senten sie sich zum Wasserspiegel, hemmen mit heftigen Flügelschlägen ihren Schwung, stemmen ihre Ruder dem Wasser entgegen und pflügen gleißende Furchen in die strahlende Flut. Mit hellem Flügelschnurren ziehen einzelne Stare vorüber, brausend kommt ein starter Schwarm heran, pfeifend und lockend schwenken fie, bald im Lichte aufblizend, bald matt und schwarz erscheinend. Sie schwingen sich in die Spike der hohen Pappel ein, wo sie wie dichte Trauben sißen, schwäßen und schreien durcheinander, fliegen brausend auf und nehmen nach einem furzen Rundflug ihre Pläße wieder ein; schwäbend und durcheinander­schreiend tauschen sie die Tageserlebnisse aus. Ein Flug Ringel­tauben zieht auf leise quietschenden Flügeln vorüber, Krähen fireben mit weitausholenden Flügelschlägen quarrend und fräch send ihren Schlafpläßen zu, mit dünnem Lockton eilt ein Gold ammerpärchen vorüber nach dem Fichtendidicht, ein Finkenflug folgt, dann ein Amselhahn in hastiger Gile.

Allmählich verglüht die rote Pracht der Wasser, die grellroten Ziegeldächer des Dorfes schimmern stumpfer, matter durch die Baumgipfel, das Schilf verliert seinen goldenen Feuerglanz, purpurschwarz erscheint die Nacht unter den Fichtenstämmen, und

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Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

Aage setzte sich schweigend auf einen Stuhl am Ofen, fragte die Tonpfeife überm Kohlenkasten aus und stedte sie in die Tasche; dann saß er müßig da, ohne etwas zu sagen; sein Blick, der demjenigen Karls beständig auswich, war sehr bedrückt.

die Birken davor sehen aus wie in mattem Silber getrieben. Gelbgrau wie angelassener Stahl ist der Wasserspiegel, wie me­tallische Bruchflächen schimmern die Wasserschollen, die von zan­fenden Bläßhühnern aufgeworfen werden. Dann zieht die weiße Frau durch den Wald und läßt über die Wiesen zarte, weiße Schleier wehen. Rotfehlchen schwingt sich in die Fichtenkrone und dichtet schmelzende Strophen, die Amsel läßt ihren Frühlings­choral ertönen, und der taktmäßige Schlag der Davidsdrossel schallt aus der Birkengruppe herüber. Zögernd schiebt sich eine alte Häsin aus den Fichten, hoppelt langsam den Teichdamm entlang und nascht von zarten Blättchen. Näher und näher kommt sie; schon kann ich jede locke ihres schä­bigen Balges erkennen. Wie dürr das Tier ist, die Jungen brauchen wohl an tühlen Frühlingstagen doppelt viel Milch. Man kann jeden Knochen aus den dünnen Läufen schimmern sehen, all­zugroß beinahe erscheinen die honigfarbenen Seher in dem hageren Kopfe, über dem die langen, schwarzgefäumten Löffel rastlos for­schend spielen. Langsam sezt die Häsin ihre Vorderläufe vor und schnuppert und nascht am zarten Grün. Ist der Rücken ganz lang gestreckt, dann schnellen wie von selbst die Hinterläufe nach und dann können die Vorderpfoten wieder weiter wandern. Noch immer hat Frau Häsin keine Ahnung davon, daß ich kein Baum­stamm bin, da weht ihr der Wind eine leise Witterung zu. Mit einem Schlage sitzt sie stockstill, ihre Seher werden fait noch weiter, ihr Näschen zuckt fieberhaft auf und nieder, daß ihr Schnurrbart kaum mitkann, die langen Löffel drehen hierhin und dorthin und stehen dann wieder fest wie aus Holz geschnißt. Endlich ist der Häsin klar geworden, woher der feindliche Wind weht, husch ist sie herum und zeigt mir ihre schäbige Blume, winkt mir hastig damit einen höhnischen Abschiedsgruß zu, bis sie zwischen den Fichten­stämmen verschwindet.

Vom Felde herein naht jetzt eine lange Prozession. Langsam in stolzer Haltung wandern die Fasanen dem Holze zu, wie Schleppkleider wehen die langen Schwänze, steif einen weiten Kreis beschreibend bei jeder Drehung des Vogels. Schon fangen einige der bunten Gesellen im Altholze an ihr Nachtlied zu singen. Das Prasseln der harten Schwingen, das metallisch harte Gadern mit dem leisen Seufzer danach verrät, wo die Vögel aufbäumen, um die Nacht zu verbringen. Müden Fluges fehrt ein Turm­fällchen von der Mäusejagd auf dem Brachfelde heim, Enten naken, Blässen belfern und quieken, der Zwergtaucher trillert, und in dröh­nenden Miztönen läßt der Rothalstaucher sein Balzlied erschallen. Im Wasser gurgelt es leise, eine Welle zicht vom Ufer fort, es brodelt und quirlt an einer Stelle, dann taucht der runde Kopf einer Wasserratte auf. Sie verschwindet wieder und sitt dann plöglich mit einer saftigen Wurzel zwischen den Zähnen auf dem Schlammhügel, der neben ihrem Schlupfloche aus dem Wasser ragt. Wie ein Liber in Zwerggestalt erscheint sie, emsig schaben ihre gelben Nagezähne an der Wurzel. Von Zeit zu Zeit dreht sie ihr Schnuppernäschen gegen den Wind und prüft den leisen Luftzug, ihre schwarzen Aeuglein glimmen, ihre im Pelz verborgenen Ohren Tauschen. Plötzlich ist sie mit einem leisen Plumps im Wasser ver­schwunden. Ein großes Wiesel sucht das Teichufer gegen den Wind ab. Dabei kriegt es meine Witterung in die Nase, glaubt zuerst gar nicht recht daran, daß ein Mensch da sizen soll, richtet sich hoch auf und zeigt mir sein weißgelbes Vorhemdchen, hüpft einige Schritte seitwärts und schnuppert und lauscht wieder, macht ein Männchen und zuckt mit seinem schwarzen Schwänzchen, freischt und schnalzt ärgerlich über die dumme Störung, dann wendet es sich und eilt den Weg zurück, den es tam.

Allmählich wird es dunkler, ferne Baumstümpfe reichen sich im Schatten die Hand, ein bleicher Stern guckt durch das Himmels­gewölbe. Ein Vogel flattert über mich weg, scheint eine Eule zu sein, aber noch ehe ich erkannt habe, taucht er aus dem hellen Himmel in die Nacht der Fichtenschatten, doch plötzlich ist er wieder über mir. Alar zeichnet sich sein Schattenbild gegen den Himmel ab, der lange Stecher verrät die Schnepfe. Klein ist das wäldchen, das ihr Unterschlupf bietet, drum glaube ich kaum, daß sie hier brüten will. Sie verlor wohl ihren Gatten vor kurzem: beim lustigen Minnespiel und nedischen Werbeflug zudte ein brüllender Feuerstrahl nach ihm, und er verschwand, fiel in stinkende Nebel­wolken hinein. Nun sucht ihn die leberlebende, streicht in alle Feldgehölze, sucht bebuschte Moore ab und Fichtendickichte, Brom­beerurwälder, die auf feuchtem Grunde stehen und Erlengruppen am Bachufer.

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Steif vom langen Stehen wandere ich heimwärts, auf dem schmalen Grasband neben dem Wege heimlich schreitend. So fomme ich einigen Rehen ungehört allzu nahe, erschreckt poltern sie durchs Unterholz, ich höre ihre Läufe erregt den Boden stampfen, Nein, Mutter bleibt sehr ruhig dabei, wie sie das fertigbringt, begreif ich nicht. Denn sie kann doch die Zeit un­möglich vergessen haben, als Vater total betrunken bald hier, bald da lag und die Leute ihn auf einem Schubkarren brachten wie ein geschlachtetes Schwein. Ein ganzes Vermögen hat er im Lauf der zehn Jahre versoffen, dreißigtausend, wie er selbst sagt. Aber nun hat er sie sich wieder zusammen­verdient, und da kann er ja passenderweise von vorn an­fangen." Aage lachte bitter. Ja, Mutter hat wahrhaftig die Liebe zu fühlen gekriegt; das war keine kleine Arbeit, die Feben einigermaßen zusammenzuhalten und sich und mir etwas Brot zu verschaffen." Aber sie hatte damals eine ver­fluchte Eisennatur- und guten Humor."

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Und ich habe gedacht, Deine Mutter wäre immer so ge­brechlich gewesen, stark nervös?" sagte Karl, mehr und mehr erstaunt.

Ist Dir etwas in die Quere gekommen?" fragte Karl endlich. Zu Haus," erwiderte Aage mit mühsamem Schlucken, ,, zu Haus ist man dabei, uns auf die Straße zu setzen." ,, Aber wer denn?" fragte Karl erstaunt. " Der Vorstand des Abstinenzlervereins! Man hat Vater in einer Hafenkneipe überrascht, nachdem man ihm lange auf gelauert hatte; und da hat man ihn gleich hinausgeworfen,- ,, Damals nicht! Das fam erst später, als sie es gut das kann den Leuten ja niemand verdenken. Aber das Ge- hatte und Vater aufhörte zu trinken. Versteh's, wer fann, meine besteht darin, daß sie selber einen Mann gemietet aber man sollte meinen: sie fonnt es nicht vertragen, daß es hatten, um ihn zum Trinken zu animieren. Kaufmann ihr gut ging. Und nun füttert sie selber den Alten wieder Petersen und Schreiner From haben das Ganze ins Werf mit Getränken und macht ihm weis, er sei schwach und brauche gesetzt." das. Sie hat ihn dazu veranlaßt, seinem Gelöbnis untreu zu werden; man sollte beinah glauben, sie wünschte sich die alten Zeiten zurüd."

Freitag, 9. April.

bis sie laut ihr furchtverratendes Schrecken hören lassen: böh, böh!" Laut aufdringlich schallt es durch den schweigenden Wald. bis sich die Rehe endlich bequemen, abzuspringen und hinaus auf das Saatstück zu Aesung zu wechseln.

Wie wundervoll frisch die Natur jetzt riecht. Tausend sprin­gende Knospen senden ihren feinen Duft, Fichten mischen ihren balsamischen Harzgeruch dazwischen, von der Erde dampft ein her­ber Geruch empor, vom Teiche dringt der Dunst des Wassers her­über. Viel stärker als am Tage macht sich bei sinkender Nacht dieser cigenartige Lenzesgeruch bemerkbar, die Sonne kann jetzt nicht stören, dadurch, daß sie aufdringlich ihre wohlige Glut ins Blut dringen läßt, alle anderen Eindrücke verwischend und über­trumpfend. Alles scheint schweigend zu atmen in der Frühlings­nacht, das lange nicht gehörte Flüstern des leisen Windes in den jungen Blättern tönt wieder, das raschelnde Huschen des dürren, toten Laubes ist verstummt, aufsprießende Waldkräuter haben cs festgelegt.

Wie ich den Wald verlasse, tönen brummende Flügelschläge an mein Ohr, ein Schatten geistert gespenstisch vorüber, klagend ertönt ein langgedehnter Lockruf, von der nebelübergossenen Wiese kommt ihm Antwort, dann gaufeln zwei, drei Schatten vorüber, eigen sich gegen den Himmel, flattern wie Lappen herab und en:- schwinden auf brummenden Flügeln. Die Kivize vermögen auch nachts keine Ruhe zu finden, der Lenz rumort zu stark in ihrer Brust. Zwar hat das Weibchen vielleicht gar schon vier kleine Dunenjunge zu versorgen, deshalb tun die Männchen doch noch. als wären Flitterwochen, gaufeln am Tage und spielen des Nachts über der nassen Wiese, die ihr Glück birgt.

In der Hecke raschelt's und regt sich's; ein Igel macht sich bereit, auf Jagd zu gehen; aber vorerit macht er erst einen ver­geblichen Versuch, einige langrüdige Flöhe aus den rasselnden Stacheln zu kraßen. Auf der Dorfstraße huscht's und fünfelt's grünlich, dann murrt es fauchend und freischt gellend: Kazenhoch­zeit. Am Friedhofsberge brummt die Ohreule, neckisch ruft das Ränzchen in den Obstgärten des Dorfes, ein Hund fläfft müde, pfeifend schlürft ein Knecht seine Holzpantoffeln aus der Kneipe nach Hause, mit gespenstisch wubbernden und knitternden Flügein jagt eine Ohrfledermaus vor den offenen Fenstern meiner Schlaf­fammer. Gulenruf, Kiebißklagen, Kazenschrei, dumpfes Hunde­gebell und Huschen und Flattern weichhäutiger Fledermausflügel weben sich in meinem Traum zu einem wundersamen Tiererlebnis zusammen, bis gegen Morgen, noch ehe der Himmel sich färbt, der Hausrotschwanz auf dem Dachgiebel sein komisches Liedchen aus der engen Kehle hervorwürgt, die Amsel ihr feierliches Lied on­stimmt, Rotfehlchen mit einfällt und der kleinen Grasmücke Mut zum Singen macht.

Wenn die Bachstelze erwacht ist und mit fröhlichem Billi zilli ans Tagewerk geht, finden sich auch die Stare ein, um von der Friedhofslinde herab zu pfeifen und zu schwäßen. Dann fommt der Ringeltauber, besucht seine Gattin und heult ihr einige Strophen vor, auch die Langschläfer, Meisen, Zaunfönig und Sper­linge, finden sich endlich aus ihren molligen Schlafkammern und stimmen in den Frühlingsgefang mit ein. Buchfink und Hänfling fingen und schlagen um die Wette, alle sind schon in vollster Tätig= keit, wenn sich der Städter seinem warmen Bette entwindet und mit verschlafener Stimme nach dem Frühstück ruft.

Theater.

einem vergangenen

Verband der Freien Voltsbühnen( im Theater am Bülowplay):" Der Revisor  " von Nikolaus Gogol  . Mit dem ukrainischen Dichter dieses Namens beginnt eine neue Periode der russischen Literatur, und die Revisor" Komödie bedeutet ihrerseits eine neue Aera der Entwickelung der dramatischen Kunst im 3aren­reiche. Was vorher gespielt wurde, verdiente die Bezeichnung Luft­oder Schauspiel feinesfalls. Seit nunmehr genau achtzig Jahren befigt nicht bloß Rußland   sondern alle Welt im Revisor" eine Komödie, die, obgleich die allda geschilderten Lebensbedin gungen ausschließlich russisch sind und Beitabschnitt angehören, sehr wohl als klassisch" angesprochen werden muß. Alerander Puschkin, der große Lyriker, war es, der Gogol   die Idee sowohl zum Revisor", als auch zu seinem satirischen Roman Die toten Seelen  " suggerierte. Kurz und gut, im Revisor" wird die heute noch ebenso forrupte Bestechlichkeit und Dummheit der ruffischen Beamten mit drastischen Zügen gezeichnet. Es criſtiert faum eine zweite Komödie in der Weltliteratur, die dem Revisor" gleichkäme an beißendem Wiz und dramatischer Spannung. Es steckt darin

auch ein Stüd Altrussentum: neben einem

fügen, denn sie verlangte eine Woche Frist zur Beschaffung des Betrages.

Auf dem Wege nach der Stadt erblickte Karl den Kan­didaten, der zusammen mit zwei Erdarbeitern auf dem hohen Abhang nördlich vom Wege stand. Sie hatten schwarz- und weißgestreifte Stöcke in die Erde gesteckt und maßen mit langen Meßbändern. Karl grüßte, aber der Kandidat sah ihn entweder nicht oder tat wenigstens so.

In dem Buchladen traf er den Vater und erhielt das Geld, und dann ging er sofort wieder hinaus, um Aage auf­zusuchen.

Mechanisch wanderte er nach dem Abstinenzlerheim bin, und erst als er die nackten Fenster sah, die schwarz und er in die Luft gafften, entsann er sich, daß es nichts nüßen konnte, hier zu suchen. Gleichzeitig fiel ihm Aages Drohung ein: nicht mehr nach Hause zurückzukehren; aber da Aage später nichts davon erwähnt hatte, daß er von Hause foit­gezogen sei, maß Karl dieser Drohung weiter fein Gewicht bei, sondern ging über die Straße, um die gegenüber wohnen­den Leute zu fragen, wohin Sörensen gesei. Da be merfte er ein Ende straßaufwärts den Pastor Krag.

Bauder zu.

"

Das fräftige Schauspielergesicht des Pastors war in Ieb­hafter Bewegung, und er kam mit ausgebreiteten Armen onf Willkommen aus dem Reiche der Toten!" rief er und umfaßte Bauders Schultern. Jetzt sind Sie wohl nicht mehr so unzugänglich wie das leztemal, als wir uns sprachen?--­Sehen Sie, sehen Sie, wie hochnäfig Sie jetzt auf die Erde , der gottvergessene Körper! Ja, Sie sind mir ein Netter! doch gut, ein breites Stück zwischen sich und dem Grab zu

Na, die waren eigentlich wohl in ihrem guten Recht. War es nicht schon seit längerer Zeit schlimm mit ihm?" ,, Gewiß, etwas hatte er sich ja zuschulden kommen lassen; aber ich glaube, er hätte darüber wegkommen können, wenn es still abgelaufen wäre und er die Stellung behalten hätte. Aber nun ist er fertig! Er tappt zu Hause zwischen den friegen, Möbeln umher und faselt davon, er werde den alten Funk treten, und dicke Backen haben Sie ja bald! Aha, es tut beerben. Und dann singt er, Du, ich hab ihn früher nie so vergnügt gesehen, es ist geradezu widerwärtig. Er müßte Prügel friegen, müßte totgeschlagen werden!"

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" Es lohnt nicht, sich das so zu Herzen zu nehmen," sagte Karl beschwichtigend. Du solltest lieber dafür sorgen, daß Ihr ein Dach über den Kopf bekommt. Ihr könnt heut nacht doch nicht unter offenem Himmel liegen."

Ich will nicht das geringste damit zu tun haben," sagte Aage hizig. Lieber geh ich nicht mehr nach Hause, höchstens um meine Sachen zu holen! Mutter hat übrigens schon eine Wohnung gemietet und Ziehleute bestellt, also für mich ist keine Verwendung, ich fann recht gut losgehen. Und das will ich auch tun."

" Deine Mutter?" fragte Karl erstaunt. Dann muß sie ja ein ganzer Kerl sein. Ich hatte eigentlich gedacht, sie würde herumrennen und sich den Kopf halten und vor Verzweiflung außer sich sein."

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,, Das ist ja geradezu verdreht! Und nun legt sie selber mit Sand an?" Aage nickte: Aber sie wird wohl bald genug davon jekt los! Hätte ich nur fünfhundert Kronen, dann würde ich wenn er erst wieder richtig anfängt. Und ich geh nach London   reisen und mich zum Athleten ausbilden. Aber der Alte will nicht damit herausrüden, er ist ein gar zu geiziger Kerl."

Karl überlegte: Vielleicht könnte ich sie Dir verschaffen! Wann willst Du fort?" So schnell wie möglich! Ich kann das nicht länger aus­

halten."

32.

Eine Woche später ging Karl am Vormittag zur Stadt. Er wollte den Buchhändler aufsuchen und einige Reisehand bücher und Karten bestellen; bei ihm wollte er auch, wie ver­abredet war, den Vater treffen, der zur Sparkasse gegangen war, um Geld abzuheben. Schon an demselben Tage, an dem Aage den Wunsch äußerte, nach London   zu reisen, hatte Karl Schritte getan, ihm das Geld verschaffen, aber die kleine Sparkasse hatte vermutlich ni ber große Summen zu ver­

haben, was?"

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,, Wahrhaftig, besonders wenn dann die Theologie nicht Bundesgenossen hat," erwiderte Karl lachend. Die Theologie- ach, mein Lieber, wo denken Sie hin! Die Theologie, Hm, hmm, hm,!- Ich komme soeben von einer Dame, die auf dem Sterbebett liegt; mit ihrer Theologie war immer alles in Ordnung, aber meinen Sie, sie wollte sterben? Nicht um alle Herrlichkeiten des Paradieses! Nein, wenn der Tod sich nur an die Freiwilligen halten würde, wäre die Kirchhofserde kaum so fett, wie sic jekt ist. Die einzigen, die zu sterben verstehen, sind die Leute aus dem Volk; die murren fast nie. Jetzt wollen Sie mohl fo recht die Jahreszeit und die Landschaft genießen? Serrli, herrlich sag ich Ihnen, namentlich im Frühjahr." ( Forti. folgt.)

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