Nr. 94. 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Eine Wikingerfahrt.

Da lag denn das Schiff beinahe regungslos auf dem leise atmenden Wasser des Docks. Der Schiffsboden war in den Tagen vorher im Trockendod gereinigt worden, nunmehr sah man die Mannschaft damit beschäftigt, den Rumpf instand zu sehen, der nach sieben Monaten der tollen Fahrt durch Eisfelder des südlichen Polarmeeres wie durch die sengenden Gluten des Aequators viel von seinem früheren Lloydglanz verloren hatte. Am schlimmsten

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Freitag, 23. April.

Nach

ging. Bei den anfänglichen Kreuzfahrten im Gelben Meer begeg- der Westküste von Südamerika durchzubrechen, wurde beschlossen, diese nete man nur japanischen Schiffen, die ja damals noch neutral Fahrt zu unternehmen. Diese lange Fahrt konnte wegen der schlech­waren; doch mußte es merkwürdig erscheinen, daß sämtliche japa- ten japanischen Kohlen nur sehr langsam vor sich gehen. Nachdem Der amerikanische Korrespondent der Kölnischen Zeitung " hat nischen Schiffe Kurs nach heimwärts hielten. Am 9. August wurde der Dampfer aus dem Juselbereich heraus war, verlor sich für kurze in seinem Blatte die abenteuerlichen Fahrten des Gitel Friedrich" das Gelbe Meer verlassen; man passierte die Colnettstraße und Zeit das Funkengetöne, und man fühlte sich zum ersten Male für nach den Mitteilungen seines Kapitäns geschildert. Wir geben sie jetzte Kurs auf Pagan in der Marianengruppe, wohin der Kohlen- ungefähr acht Tage verhältnismäßig sicher, was eine Entspannung im Auszug wieder: dampfer Markomannia" schon früher abgesandt worden war. Am der ewigen Aufregung für die ganze Besatzung bedeutete. Schlim­Amerita war starr, als die Morgenblätter vom 11. März die 12. August wurde Pagan gesichtet; der Geschwaderbegleitdampfer mer indes als das stete Bewußtsein, jemand auf den Fersen zu Kunde brachten von dem Einlauf des Eitel Friedrich " in Newport Titania" bezog Wache, und um 6 Uhr abends wurden im Osthafen haben, war die ewige Frage: Wie steht es zu Hause? Und war die News, und als dieser Kunde die Mitteilung eingefügt war, daß die Anker niedergelassen. Hier traf der Eitel Friedrich " sein Ge- Stimmung auf dem Schiff vorher schon gedrückt, so dachte man jetzt, unter den elf Opfern des verwegenen Wifing auch ein amerikani- schwader, Scharnhorst"," Gneisenau und Nürnberg ", nebst einer da keine Arbeit mehr auf den Nägeln brannte, noch mehr an zu sches Schiff zu finden sei, von dessen Verlust bis zur Stunde noch Anzahl von Kohlen-, Wasser- und Proviantschiffen, die alle dorthin Hause, besonders an die Verwandten, die seit Monaten keine Nach­richt mehr erhalten hatten; die lette Post war ja von Anfang Juli. niemand unterrichtet war. Daß der Kapitän des" Eitel Friedrich " beordert worden waren. selbst diese Meldung erstatten sollte, und zwar in einem amerika­Am 13. August abends wurden auf Befehl des Admirals Am 26. Oktober, nach vierwöchiger Fahrt, näherte sich der nischen Hafen, den er freiwillig angelaufen, das ging den guten Grafen Spee die Anker gelichtet; dem Gitel Friedrich" selbit fiel Gitel Friedrich" der südamerikanischen Küste. Eines Nachts hörte Leuten fo völlig über das Verständnis, daß sie sich zum erstenmal die Aufgabe zu, den Troß als Führerschiff zu leiten, zunächst mit er plötzlich den Anruf eines deutschen Kriegsschiffes, dem er jedoch feinen Reim zu machen imstande waren, und das will etwas heißen, Kurs auf die Marschallinseln. Am nächsten Tage wurde dann die nicht traute, da das Geschwader ganz wo anders vermutet wurde. wenn man die übliche Urteilsfirigkeit gerade dieses Landes in Rech- Emden" mit einem Begleitdampfer zu ihrer so erfolgreichen aben- Nach und nach gewannen jedoch beide Parteien das Vertrauen nung stellt. Amerifa war starr- ein Nebenerzeugnis der Tätig- teuerlichen Fahrt abgezweigt. Das Geschwader auferte am zurück und entdeckten sich gegenseitig. Auf Befehl des Geschwader­feit unseres Gitel Friedrich", das ob seiner Rarheit, seiner Nie- 19. August im Atoll der Marschallinseln, wo es nur kurze Zeit chefs stieß der Kreuzer zu dem Geschwader, das an einer kleinen dagewesenheit nicht gering geachtet werden sollte. liegen blieb; hier fand eine Besichtigung durch den Geschwaderchef Insel in der Nähe der chilenischen Küste vor Anker lag. Die ersten paar Tage waren nicht gerade sehr geeignet zu statt. Am 22. August gingen die Anker auf, und der Gitel furzer Zeit wurde der Eitel Friedrich " jedoch zu einer mehr­cinem ungestörten Plauderstündchen mit dem Kapitän des Geister- Friedrich" fuhr, wieder als Troßführer dienend, mit dem Geschwader tägigen Kreuzfahrt nahe der Küste von Valparaiso ausgeschickt, und fchiffes"; er batte zunächst die Neugier hoher Staatsbehörden zu nach einem andern Atoll, wo am Nachmittag des 26. August Anker wenn es ihm nicht gelang, greifbare Erfolge durch Wegnahme von befriedigen, die ihrerseits sich topfschüttelnd immer und immer geworfen wurden. Hier stieß der inzwischen zum Hilfskreuzer um Brisen zu erzielen, so gelang es ihm doch, den gesamten feindlichen wieder sagen mußten, daß ihnen solch ein Fall in ihrer ganzen gebaute russische Dampfer Rjesan", die erste Prise der Emden ", Handel an der chilenischen Küste für längere Zeit lahmzulegen; Braris noch nicht vorgekommen war. Denn mit dem Eitel unter dem Namen Cormoran" zum Geschwader. Man fohlte, ver- als infolge der Seeeschlacht bei Coronel die Anwesenheit des deuts Friedrich" war ihnen ein ganzer Rattenkönig von völkerrechtlichen vollständigte die Ausrüstung, und am 30. August, einem Sonntag, schen Geschwaders befannt wurde, wurde diese Lähmung noch ver und landesrechtlichen Fragen ins Haus geschneit. Sobald indes die um 7 Uhr morgens, dampfte das Geschwader ab; der Eitel stärkt. Welchen Eindruck das Erscheinen des Eitel Friedrich " in lut der Aufregung abgeebt hatte, schien die passende Besuchszeit Friedrich" aber und der Cormoran" blieben zurüd. Sie nahmen den dortigen Gewässern machte, ist klar zu ersehen aus einem gefommen. noch etwas Kohlen von dem Lloyddampfer" Mark" und verließen Artikel der Deutschen Presse von Valparaiso" in der Nummer vom 2. November, der die Aufschrift trägt:" Das Gespensterschiff am selben Tage das Atoll, um die offene See zu erreichen. Nun begann für die beiden, die vorläufig zusammenblieben, vor den Toren Valparaisos!" Den meisten Spaß machte cs, die eine lange Zeit der Kreuz- und Querfahrten in der Südfee. Sie Küstenstationen, die merkwürdigerweise alle von Engländern befest suchten nach Beute, vor allem aber nach den Kohlenschiffen, die für sind, des Nachts sich gegenseitig trösten zu hören mit den Ausruf: sie bestellt waren. Es ist ein Jammer mit diesen verdammten deutschen Kreuzern! Am 15. September trennte sich der Eitel Friedrich " vom Cor­( Schluß folgt.) moran" und ging nach Angaur in den Balaoinseln, wo eine große man, daß im Hafen von Malakal 2000 Tonnen japanischer Kohlen lägen, die von Japan gebracht worden waren. Am selben Abend noch war unser Gitel Friedrich" auch schon im Atoll von Malakal; doch war die Einfahrt der vielen unbekannten Korallenriffe wegen Von großer Bedeutung für die Qualität der Nahrung, die überaus schwierig. Einmal geriet der Dampfer sogar für kurze wir zu uns nehmen, ist ihr Gehalt an Eiweiß. Denn nur durch das 3eit auf ein Riff, konnte indes schnell wieder abkommen und er in der Nahrung eingeführte Eiweiß kann das der Zerstörung an reichte am 17. September den Hafen mit dem Kohlenschap. Indessen heimfallende Zellenmaterial des Körpers erfekt werden, da den brauchte er die Zeit bis zum 24. September, um die Kohlen in den übrigen Nährstoffen, den Fetten und Kohlehydraten, der in den fleinen Schiffsbooten an Bord zu bringen, dazu war das Wetter Eiweißtörpern vorhandene Stidstoff fehlt. Seitdem es eine vielfach überaus schlecht, so daß die Leute fait Uebermenschliches Ernährungsphysiologic gibt, welche es sich zur Aufgabe stellt, die leisten mußten. Aber der Eifer und die Findigkeit der Mannschaft Normen für die menschliche Ernährung zu ermitteln, ist die Frage bewährte sich glänzend sie brachten es sogar fertig, aus Tischtüchern laut geworden: Wieviel Eiweiß braucht der Mensch, und welches Segel zu gewinnen. Am 24. September machte der Eitel Friedrich " ist das Minimum? Eine Frage, die heute um so brennender ist, ſeeklar, nachdem er den dortigen Deutschen und deutschen Einge als sie zu den weitgehendsten nationalökonomischen Folgen führen borenen die besten Wünsche zurückgelassen hatte. Später erfuhr fann. Man hat zunächst die Kost, wie sie die Menschen zu essen man, daß die Japaner zwei Tage nach der Abfahrt des Eitel gewohnt sind, auf ihren Eiweißgehalt geprüft und gefunden, daß Friedrich" die Insel besetzten. sich in ihr zirka 110 Gramm Eiweiß befinden. Damit ist natürlich Der Kreuzer begab sich nun auf die Suche nach dem Cor- noch nicht gefagt, daß dies die notwendige Menge wäre, sondern moran". Immer hörte man des Nachts die englischen und japanis es ist nur die übliche. Da die eiweißhaltigen Nahrungsmittel, zu schen Schiffe, so daß größte Vorsicht nötig war, um nicht entdeckt denen in erster Linie das Fleisch gehört, sich eines besonderen zu werden. Unter häufigem Kurswechsel kam man endlich un Wohlgeschmads erfreuen, ist ihr Konsumt bei den Kulturvölkern versehrt nach Alerishafen auf Neuguinea , wo man den Cormoran" in den lezten Jahrzehnten tros ihrer hohen Preise erheblich ge­zu finden hoffte. Aber als das Schiff am 28. September dort stiegen. Vergeblich hat der Vegetarismus dagegen Front einlief, tamen sofort die Missionare an Bord mit der Meldung, zu machen gesucht. Endlich begannen auch die Aerzte auf Schäden daß die Kolonien inzwischen von den Engländern in Besitz ge- hinzuweisen, die wie die Gicht ihre Ursache in übermäßiger nommen worden seien, und daß in dem nur sechs Meilen ent- Eiweißfost zu suchen hätten. Allgemein wurde Stimmung für Gin fernten Friedrich- Wilhelmshafen eine englische Besatzung und schränkungen des Eiweißbedarfes gemacht. Versuche, die von An wahrscheinlich sogar englische Kreuzer lägen. Sie erzählten weiter, hängern des Vegetarismus gemacht wurden, schienen zu zeigen, daß der" Cormoran" am 24. eingelaufen sei, daß aber, als er daß man auch mit einem Bruchteil der augenblicklich üblichen Eis kaum Anter geworfen hatte, zwei englische Kreuzer gesichtet wurden, weißmenge im Stoffwechselgleichgewicht bleiben könne, d. h. daß die auf den Hafen zusteuerten. Der" Cormoran" hätte sich sofort man bei einer viel geringeren Zufuhr nicht mehr an Stichstoff in den gewundenen Gewässern der oberen Bucht berstedt; ein eng- ausschied, als man eingenommen hatte. Stidstoff, als Bestand lischer Kreuzer wäre in die Bucht eingefahren, während der andere des Eiweißes, wird in den Ausscheidungen als Maß für das vom sich vor der Einfahrt auf Wache legte; gegen Abend wären die Körper zerstörte Eiweiß gewählt. Da das Giveiß zirka 16 Proz beiden dann abgefahren, und hätten den Missionaren den Befehl Stickstoff enthält, ist das 6,2fache davon die Menge des Eiweiß Hinterlassen, sich am 28. September bereitzuhalten, den Neutrali- So sind der bekannte dänische Ernährungsreformer Hindhede und tätseid zu leisten. Der Cormoran" sei darauf des Nachts unbe- der Amerikaner Chittenden mit Eiweißmengen ausgekommen, dis merkt ausgelaufen; niemand wußte, wohin. 30 Gramm nicht überschritten. Es soll nicht verschwiegen werden.

aber jah es innen aus, im Maſchinenhaus und in den Keſſeln. Die deutſche Phosphatgeſelſchaft eine Wiederlassung hat. Dort erfuhr Neue Forschungen über das Eiweiß­

Wellenlager waren schlotterig geworden, und auf den Kesselböden hatten sich ganze Wälder angesiedelt. Und während wir beim Früh stück in der Messe saßen, brachte der erste Ingenieur eine Schrauben mutter vom Ventil des Dampffefsels herein, die so zerfressen war, daß sie dem Schraubenzieher keine Ansatzfläche mehr bot und des halb mit dem Hammer abgschlagen werden mußte; bei näherer Besichtigung zeigte sie dabei so bedenkliche Risse, daß es von allen als ein wahres Wunder betrachtet wurde, daß sie so lange aus­gehalten hatte, länger als drei Tage hätte sie übrigens dem Drud nicht mehr Widerstand geleistet, und dann wäre uns der Sessel um die Chren geflogen", meinte der Sachverständige! Es war also hohe Zeit; ja, es war die allerhöchste Zeit, daß der Gitel Friedrich"

ins Quartier fam.

Der Gitel Friedrich" war unter der Führung des Lloyd­Kapitäns Mundt auf der Rückreise von Jokohama nach Bremen unterwegs, als er in Schanghai eine Warnung des deutschen Gouverneurs in Tsingtau bekam, daß in Deutschland die Mobil machung angeordnet worden sei. Und kaum war das Schiff voll­ständig beladen und fertig zum Auslauf, da wurde es am 1. August vont Gouverneur nach Kiautschou beordert. Also hieß es sofort wieder ausladen, Reisende und Post, und um halb zwei nachmittags ging es nordwärts, anfangs mit verschleiertem Kurs, um den eng­lischen Lotsen das Fahrtziel zu verheimlichen, sowie mit abgeblende ten Lichtern und allen sonstigen Vorsichtsmaßregeln. Am 2. August, abends sechs Uhr, war man in Tsingtau , wo unverzüglich mit der Löschung der Ladung begonnen wurde; dann folgte die Uebernahme der Geschüße und Munition und Mannschaften von den beiden Kanonenbooten" Tiger " und" Luchs", die inzwischen Längsseit bei gelegt hatten. Sodann gings nach der Werft, wo in den nächsten vier Tagen gefohlt und der Einbau der Schiffsgeschüße vollendet ward; später während der Reise verfiel man noch auf den finns reichen Gedanken, die 300 Tonnen losen japanischen Erzes, die noch an Bord waren, zur Errichtung eines mehrere Meter dicken Panzers um die Maschinen und Kessel zu verwenden und so die empfindlichen Teile des Schiffes fugelsicher zu machen.

Am 6. August, abends sechs, stach der neue Hilfskreuzer unter dem Kommando des Kapitän Thierichens vom Luchs" in Be­gleitung seines berühmten Schwesterschiffes Emden " in See, nach­dem der Gouverneur Meyer- Waldeck sich von beiden verabschiedet hatte, und bis zum 10. März, also für lange acht Monate, hielt der " Gitel Friedrich" die Hochstraßen und die Beiwege des Meeres besetzt; nur eine einzige kurze Rast von 24 Stunden war ihm ver­gönnt, als er am 4. November im Hafen von Valparaiso vor Anter

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Vom Weg meiner Jugend.

Von Clara Viebig . ( Schluß.)

minimum.

Da die bevorstehende Ankunft der Engländer ein längeres Ver- daß ein derartig tiefes Eiweißminimum heftiger Kritik unter bleiben unmöglich machte, lief der Eitel Friedrich " sofort wieder worfen wurde. aus und machte sich weiter auf die Suche nach dem Cormoran", Einen neuen Beitrag zu diesem interessanten Problem liefert ohne ihn zu finden. Ta inzwischen die Kohlenvorräte so weit zu eine in Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie erschienene sammengeschmolzen waren, daß sie gerade noch hinreichten, um nach Experimentaluntersuchung, die der Hallenser Physiologe Emil Tanze wirbeln und bei der Schafschur die rosige Haut des es gehabt, so wäre ich da stehen geblieben, wo ich damals Lammes unter den fallenden Locken der Wolle aufschimmern stand mit meinen kleinen rheinischen Stizzen. sehen. Wieder frebsen am See beim Fackellicht, den dummen Ich war wohl froh, ehrlich froh, Geld zu verdienen, aber Gesellen, der, vom Schein angelodt, unterm Stein am Ufer ein Frohsinn, bei dem die Seele sich freut, bei dem sie jauchzt, hervorkriecht, flink mit zwei Fingern von oben packen und sich erhebt aus dem Alltag, solch ein Frohsein war das nicht. in den Sad auf dem Rücken schleudern; wieder im hohen Unklar fühlte ich: das, was ich schrieb, war fernab von Lite­Als meine Mutter und ich nach Berlin zogen, um dort Röhricht des Sees den Kahn feftfahren, still dort die Angel ratur. Aber wie hin zu ihr kommen, wie sie erreichen, die mein Talent für Musik ausbilden zu lassen, wurde auch mir auswerfen; die Spigen des Schilfes im Winde fich neigen wahrhafte, die einzige, die wirkliche Kunst?! die Heimat der Eltern eine Heimat; durch dreizehn Sommer sehen, sich einfullen lassen vom lispelnden Flüsterhauch, vom Da gab mir ein Freund Zola zu lesen. Er wußte wohl, war ich auf Gütern meiner Verwandten, teils im deutschen , verschlafenen Glucksen der Wellchen am Kiele des Boots. was er unternahm, als er mir den Band in die Hand drückte, teils im polnischen Teile der Provinz, ein monatelanger Gast. Was mir Berlin , das Häusermeer, mit seinen Steinen und hatte Bedenken: würde mir das auch wirklich gut tun? Welche Vorurteile ich auch am Rhein gegen die Provinz und Schloten, mit seinen Dünsten und seinem Staub, mit Er hoffte es; aber was er mir damit getan hat, das hat er in mich aufgenommen hatte, und so seltsam, so fremdartig seinen Sorgen und Kümmernissen jahrsüber auf die Seele freilich doch nicht geahnt." Germinal " wurde mir eine mich auch zuerst diese endlosen Rüben- und Weizenfelder an- geladen hatte, das hat mir der Sommerhauch des Posener Offenbarung. Ich las es heimlich, meine Umgebung hätte muteten, ich lernte doch bald, daß auch dieses Land des Acker Landes allemal wieder heruntergeblasen; und ich bin neu durchaus keinen Gefallen an dieser Lektüre gefunden. Aber baues, der Ebenen und der Seen seine Schönheiten hat. geworden. ich, aber ich! Ich fieberte, ich zitterte, ich war wie nieder­Diese unbegrenzte, sonnenflimmernde Weite, in der das Korn reift, ist schön; diese tauig- kühlen Nächte sind schön, in viel Ringen in ihnen, inneres und äußeres, ein steter Kampf Diefe Gluf der Farben, diese Gewalt der Sprache, diese Fülle Sie waren nicht leicht, diese Berliner Jahre; es liegt gedonnert; ein Blitz hatte mich hell durchfahren, ich lag zer­schmettert, aber jegt jah ich. O diese Kraft, diese Größe, denen es so köstlich ist unter der reichbesäeten Himmels- viele Enttäuschungen und manches Leid, von dem man nicht der Gesichte, diese Leidenschaft der Gefühle! So muß man glocke dahinzufliegen. Die Pferdchen traben. So hoch, so spricht. groß und still wölbt sich das Sternenzelt. schreiben, so! Ohne Rücksicht, ohne Furcht, ohne scheues Be­Die Musik war nicht das Feld, auf dem ich mehr als denken. So, nur so fann man jene Leiter erklimmen, die und fern, fern im Dorf, dessen Lichtlein am Horizonte eine Dilettantin werden sollte; und doch, wäre mein Ohr steil und senkrecht zur Höhe der Literatur hinanführt. flimmern, das Dengeln einer Sense. Man hört so weit in durch sie nicht geschärft und geübt worden für Rhythmus und Was Brutales da war, was des Zuviel bei Zola ist, sab der großen Stille, das Ohr schärft sich, es gewöhnt sich, den Harmonie, wer weiß, ob ich es ie gelernt hätte, das Wort ich damals noch nicht; ich bewunderte nur, staunte an ohne letjesten Laut aufzufangen. Und die Augen schärfen sich auch; nach Klang und Wert, den Saß nach Melodie und Takt ab Stritif, mit fortgerissen von der gewaltigen Kraft dieses der Blick wird sicherer, nicht nur jedes Kirchturmspiklein aumägen. Es ist ein herrliches Instrument, unsre deutsche Riesen. über der blauen Linie des Kiefernwaldes späht er aus, fedes Sprache, aber die Fingern müssen feinfühlig fein, das Ohr Und wenn ich hundert Jahre alt würde, ich würde den Rauchwölfchen, das einsamen Weilern entsteigt, er lernt auch feinhörig, wenn es uns gelingen soll, darauf zu spielen. Tag dieses Eindrucks nie vergessen; er ist bestimmend für das kleinste liebevoll sehen: die Spur des Hasen im sandigen Meine Gesangsstudien waren beendet, aber Erfolg, mich geworden. In den Winkel flogen die rheinischen Skizzen Weg, das Nest des Zauntönigs im struppigen Buschperk. Der volles Gelingen, Befriedigung haben sie mir nicht gebracht nein, nein, nicht mehr so wie früher"! Und wenn auch Fülle und Schwere der Nehren lernt er prüfend achten, und Erfolg, das hieß vorerst: Verdienst. Denn ich sollte, wollte, fein Mensch mehr etwas von mir drucken würde, und wenn wie dem Habicht entgeht auch ihm keines der winzigen Reb- mußte verdienen. Ein Teil unseres fleinen Stapitals war meine Verwandten, meine Freunde sich auch beleidigt von hühnchen, die hinter der Mutter her zierlich die Adferfurche perloren gegangen, bei meiner Mutter meldete sich ein mir wenden würden, und wenn ich verhungern sollte, ich durchtrippeln. schweres Leiden; pefuniäre Sorgen, die grausam drückten würde von jeztab anders schreiben: ohne Phrasen, ohne Zier­

Nichts hörte man als das Locken einer Wachtel im Korn

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Wenn ich jener unbegrenzten Weiten gedenke, durch die und die doch für mich ein Segen waren, trieben mich dazu, lichkeit, ohne Schönfärberet. Ganz nadt meinetivegen follten ich oft ganz allein mit den Ponies futschiert bin, fommt mich neben den wenigen Musikstunden, die ich zu geben hatte, es die Gestalten dastehen, nur ehrlich, ehrlich! Ich war wie im eine Sehnsucht an nach dem mehligen Duft der sonnvergolde mit ein paar fleinen Erzählungen zu versuchen. Sie ge- Taumel; ich jezte mich hin und schrieb in zwei Tagen eine ten Aehrenfeider; nach dem strengen Harzgeruch der blauen- fielen; vielleicht weil sie so anspruchslos warenfreundliche größere Erzählung: Die Schuldige". Es war ein Stoff, den Kiefernwälder, in denen die Räder langsam und lautlos Bilder, rheinische Jugenderinnerungen vielleicht auch, den ich schon lange in mir herumgetragen hatte ungeahnt durch sandige Wege mahlen; eine Sehnsucht nach dem demüti- weil es gute Menschen waren, die sie zuerst in die Finger be-- nun tauchte er plöglich wieder auf; er stammte noch aus gen Gruß fleißig schaffender Wandleute. Wieder möchte ich famen. Vielleicht auch, weil ich felber nicht groß von ihnen jener Zeit, als ich den Onfel Mathieu auf seinen Unter­mir das Achrensträußchen mit flatterndem Band von der dachte. Man sagt oft, man müsse Selbstbewußtsein haben, suchungsreisen begleitete. Inidjenden Marynfa an die Brust heften lassen, mich um es in der Stunst, um es überhaupt im Leben zu irgend Seine Redaftion nahm Die Schuldige" an. Ich war binden" lassen vom lachenden Volf der Schnitter; wieder etwas zu bringen; ich bezweifle das. Ich hatte zu meinem wohl traurig darüber, aber ich schrieb doch so weiter. Und ich einmal die roten Röcke der Mägde, mohnblumengleich, im Glüd fein Selbstbewußtsein, und ich weiß bestimmt, hätte ich habe nie mehr so wie früher" geschrieben.