lehnen. Steil richten sie sich auf. noch verdeckt das schwärzlicheGrün, dos feiner Kalkjtaub leicht überzieht, den Felsen. Bald istman an dem leuchtend grünen. eiskaltenJEoblacher See. mit einemHotel daran. Nun steigt die Straße langsam, aber stetig weiter.Die Wände werfen eine quälende Hitze zurück, und der Tourist.der ausgeruht von Toblach heraufkommt, mag recht wohl die Kaiser-sckmtzenpatouille bedauern, die da eben von den Bergen auf unsicht-barem, seblstgewähltem Pfad niedersteigt, grau und grün, denStutzen über dem Rücken, den Bergstock oder Eispickel in derRechten und das Edelweiß mit der Spielhahnfeder auf der Kappe.Sie haben wohl da oben Besuche gemacht in den Forts und gehenjetzt auf Bruneck oder Lienz„ein"(hinein), wo zunächst einmalein„Viertele" die Müden erfrischen wird. Denn der TirolerSpezial macht nicht müde, der erfrischt, den kannscht Wolterntrinkh'n!Da braust und donnert von Toblach her'was heran. Kalk-staubig wird die heiße Luft, vorbei saust und hinauf ein mächtigerWagen, das K. K. Postauto der Dolomitenrundfahrt, nach TreCroci, dem Falzaregopaß, dem Pordojjoch, dem Misurinasee undso halt in die schönsten Gegenden hinein. Aber auch der Wandererkommt vorwärts und ist endlich in Landro, von dem ich äugen-vlicklich nicht mehr weiß, ob es auf Deutsch Höhlen-, Buchen- oderDürrenstein heißt. Sehr italienisch ist das Dörfchen schon nicht.denn von den paar Einwohnern sind sicher ein großer Teil An-gehörige der Grenzwächter, Finanzer. Gendarmen usw.. und dableibt für sonstige Bewohner in den paar Häus'In überhaupt kaumnoch Platz. Ader was Landro! vergessen ist's beim ersten Blickrn die Höhe.... Da geben die Wände auf der Linken auf ein-mal den Blick frei, und was für einen Blick! Ein Felsenkesselaus graugrünem, wildem Stein; oben plattet sich's ab. und aus un-endlichem Geröll und Ewigkeitsschutt steigen da die Drei Zinnenauf. daß einer, der es zum erstenmal sieht, schier an Leben undSterben vergißt. Stehen da. breit und mächtig in ihrer steinernenNacktheit, rot glüht der Kalkstein ihrer Massen, stehen und ragenin den südblauen Himmel in der lastenden Sonnenstille. Dreinebeneinander, drei Niesentürme, jeder für sich und alle drei dochzusammen. Und weit hinter ihnen her schaut das Gigantenhauptdes gewaltigen Langkofels hervor....Unten auf der Straße seh ich jetzt auf einmal eine schwarz-gelbe Stange mit einer Schrifttafel drauf: Das Photographierenwird strengstens verboten; Verhaftung. Bestrafung. Warum? No,wer ein paar Schritte weiter geht, merkt es schon....Eine Drehe der Straße entzieht dem Blick die Drei Zinnen.Aber es gibt bald Ersatz— und auch nicht von schlechtern Eltern.Tut sich da an einem kleinen Seelein wieder ein Oertchen auf.Schluderbach genannt— gar nichis Italiensches dabei— einTiroler Dörfl eben. Jetzt noch ein paar Meter Weg— und da ister: der Monto Cristallo. Braunroter Fels sind die zweiungeheuren Türme, zersägt, voller Schroffen, da wie abgefeilt, dortwie gesprengt, und doch in wuchtigem Zusammenhalt wie aus lauterPlatten aller Größen und Formen aufeinander gebaut. Und wenn'»nur das war'! Aber da blitzt und gleißt weiß und grün der Schneevon den Felsen, da breiten sich Eisfelder in der glühenden Sonne,die nur den und jenen grauen Fleck �rst hineingebissen hat. Drobendie Kletterer werden freilich diesen Stellen sorgsam ausweichen....Und jetzt steht unten an der Straße wieder ein Pfahl, aberda ist die Inschrift kürzer:Kaisertum Oesterreich.- Land Tirol./'■* Bezirk Lienz.Und ein paar Meter davon eine rot-weiß-grüne Stange, und«ich ein Schild darauf: Italien.Wieder macht die Straße eine Wendung, sie senkt sich, und fastsieht es aus. als endete sie in einem dunklen Rund von Kalk-wänden und grünen Nadelbäumen; dazwischen ein festgebautes,aber nicht einladendes zwei Stock hohes Haus, das erste italienische.Eine Osteria, ein« Kneipe. An dieser Stelle war damals außerden Pfählen nichts von einer Grenze zu sehen. L-n.Theater.Deutsches Theater:„Die Mitschuldigen" und„Das Jahrmarktsfest von Plunoersweileru" vonGoethe.Der Abend brachte ein Lustspiel des zwanzigjährigen, noch un-bekannten Goethe und eine Farce, in der der Fünfundzwanzig-jährige, nachdem er mit seinem Götz und Werther das ganze�jungeTeutschland zu stürmischer Begeisterung fortgerissen, seiner Freudean moralisch-parodistisch derbem Ulk frei die Zügel schießen läßt.Beides aus der Laune des Tags und für den Tag rasch hingetoorfe-nen Szenen, die heute wesentlich nur noch das Interesse vonliterarischen Reminiszenzen haben.Die„Mitschuldigen", zu denen wohl Erlebnisse der LeipzigerStudentenzeit den Anstoß gaben, bewegen sich mit ihren gereimtenAlexandrinern im Geist und den Geleisen oer damals überall alsVorbild geltenden französischen Komödie. Ivobei der Hahnrei her-gebrachter Weise als komische Figur gilt. Der Goethesche betrunkeneUnd dann die Schwierigkeit mit den Arbeitskräften! Esgibt unter den Indianern meines Dorfes einige ganz ge-schickte Burschen, die wohl die Art zu schwingen verstehen.Aber sonst sind diese Tolteken recht eigenartige Gesellen.Sue sind wie die Kinder: int Guten leicht zu leiten, be-sonders wenn man über ihre allzu große Bequemlichkeit einwenig das Auge zudrückt; doch sie werden störrisch undeigensinnig, wenn man sie etwas schärfer anfaßt, sie energischzu größerer Kraftentfaltung anspornt. In ihrem Charaktersind sie gerade das Gegenteil von Stuarts Mestizen; diesind nur unter der Strenge gutwillig, aber mit freundlicherBehandlung würden sie sich nicht regieren lassen.Wie oft habe ich anfangs die Geduld verloren, wennmir die Leute ihre paar Realen täglich durch allzu geringeDienstleistungen erkaufen Ivollten; manchmal zuckte mir dieReitpeitsche recht sklavenhalterisch in der Hand, aber ich be-zähmte mich; ich stehe allein hier, ohne Hilfe der Freunde.inmitten einer halbwilden Bevölkerung; und Roheit wäreauch das wenigst geeignete Mittel, diese Kinder an sich zufesseln. Ich habe also Gelegenheit genug, die mir schwersteKunst, die Geduld, zu üben. �Ich hatte mir vorgenommen zu meinem ersten Besucheim Minenlager eine Sendung Holz, wenn auch eine nochso geringfügige, mitzubringen. Ich war daher herzlich froh.als ich schließlich ein paar Stämine sauber geschält und ge-schnitten auf dem Platze liegen hatte.Der Transport aber war schier noch schwieriger als dasFällen und Zersägen. Das will eben auch gelernt sein.Ich hatte für diese Reise nicht den gewöhnlichen Pfadtalabwärts und die endlose Straße am Südabhange desGebirges gewählt, die über den Durchbruch des Rio Verdeauf gewaltigem Umwege in unsere Wüste führt, sondern ichentschloß mich zu dem kühnen Unternehmen, fast der Luft-linie folgend über den Grat der Sierra nach Norden vor-zudringen. Dieser Weg ist weit unbequemer, bietet aberaußer der Kürze noch den großen Vorteil, daß die eigent-liche Talfahrt über einen sehr ausgedehnten und sehr steilenBergabhang stattfindet, auf dem die Lasten durch ihre eigeneSchwere hinabgleiten.,,,.(Forts, folgt.)Ehemann ist obendrein ein Liederjan, ein Spieler und Dieb, derdem galanten Kurmacher seiner hübschen Frau dos Geld zur Zah-long einer Spielschuld stiehlt und darin eine Art Revanche steht.An einer Stelle blitzt in den Worten des pfiffigen Lumpen sogarehvas wie eine Figarowendung auf, der Groll des Deklassiertenwider die reichen Aristokraten, denen ihr Geld das Privileg jedwederWillkür leiht. Die Pointe ist, daß jedes Glied der sauberen Ge-scllschaft im Glashaus sitzt und darum nach dem andern, der ihmUnrecht tut, nicht Steine werfen sollte. In der Erkenntnis feiertman Versöhnung. Aber diese Moral tritt nicht als überlegeneironisch-schneidende Satire, viel eher als behaglich schmunzelndeLebensklugheit auf, die an den allgemeinen Gaunereien im Grundenichts auszusetzen findet. Es steckt im Stücke ein gut Teil jenesjugendlichen Zynismus, in dem jugendliche Vertrauensseligkeit nachden ersten harten Enttäuschungen so leicht, für eine Zeitlang um-schlägt. Das wäre zu ertragen. Viel merklicher wird die Lust-spielwirkung beeinträchtigt durch die Gewaltsamkeiten der Er-findung. Wenn der alte Wirt, Sophiens Vater, um einen Brief,der seine hemmungslose Neugier reizte, von dem bestohlenen Gastezu erhalten, die eigene Tochter, die er im Verdacht hat, als Diebinangibt, wird man dabei die peinliche Empfindung krasser, auch nochso weit gesteckte Grenzen schwankmäßiger Karikaturenfteihcitüberschreitender Unnatur nicht los. Waßmanns Versuche,dieser unmöglichen Figur durch possenmätzige Drastik aufzuhelfen,hatten nur mäßigen Erfolg. Biensfeldt war ein guter, derhier so naheliegenden Versuchung des Uebertreibens klug aus-weichender«öller, W i n t e r st e i n ein stilvoller aristokratischerTon Juan, Johanna Terwin eine reizende, rokkokohaft zierlicheSophie.Die Aufführung der Jahrmarktsfarce, der Novität desAbends, zeigte wieder Reinhardts phantasievoll originelle In-szenierungskunst. In fröhlichem Gedränge schwirrten die Jahr-marktstypey, die Ausrufer und Ausruferinnen, unter denenJohanna Termins Eichkätzchenjunge und die Tänzerin derjungen Katharina Steina besonderen Beifall fanden, durch-einander. Eine Extra-Ueberraschung bot das Puppenspiel dertravestierten Esthertragödie, das beim Lesen kaum irgendeinen Ein-druckt macht. Doch gerade diese Episode mochte Reinhardt, denRegisseur, zum Bühnenexperimente am meisten gelockt haben. DerEinfall, die Schauspieler wie richtige Kasperfiguren an Drähtenhängend mit zappelnd eckigen Arm- und Beinbewegungen vorzu-führen, erwies sich als ein außerordentlich lustiger Treffer. DerHamann Biensfeldts, der den Perserkönig teuflisch animiert,den Mardochai samt allen anderen Juden seines Reiches aufzu-hängen, war mit kohlschwarzem Schnurbart, knallendroten Backenund hölzern höhnischem Hahagelächter das Ideal eines verruchtenKasperbösewichts. Glückselig strahlend, die Erregtheit nur durch dierutschend hopsenden Bewegungen auf seinem Thron verratend,nahm Waßmanns korpulenter asiatischer Despot die Drachen-saat, die ihm der andere in die Ohren träufelt, entgegen. Imzweiten Teil der Travestie schoß Leopoldine Konstantins Esther, dieals fürstliche Kebse ihres Gatten Mardochai Beschwörungen, beimKönige für ihn zu bitten, mit zuckersüßem Stimmchen freundlichabweist, den Vogel ab. Die Form, die so der Text erhielt, ent-schadigte für viele heut sonst toten Stellen. Indes das Fehlen jederinneren Beziehung der Parodie zu dem in solcher Breite ausgc-malwn Jahrmarktstreiben, das aphoristisch Skizzenhafte des Ent-Wurfes, das sich zu keiner zusammenfassenden Pointe zuspitzt, ließes im ganzen nicht zu einer vollen ungebrochenen Stimmungkommen. Die Buntheit, in der der Hörer vergebens eine Einheitsucht, erzeugte am Schlüsse ein Gefühl der Leere. ät.Kleines Ieuilleton.Oer Pfingstochse.Neben seiner Bedeutung als kirchliches Fest war Pfingsten langeZeit so recht vaS Fest der Hirten und der Landbevölkerung. ZuPfingsten wurde das Vieh zum ersten Male wieder auf die Weidegelriebe», und die hinausziehenden Ochsen, Kühe und Kälber er-hielten allerlei Putz von Blumen und frischem Grün. Dieses Treibenahmten dann in den mittelalterlickien Städten auch die Metzger nach.Da aber dort für ein großes Viehtreiben nicht so viel Platz war, sobegnügte sich jede Metzgerinnung damit, am Pfingstfeste nur einenOchsen auszuputzen. Dieser wurde aber dafür um so bunter be-hängt. Alles an bunten Farben, was nur überhaupt aufzutreibenwar, Flittergold. Blumen und grüne Zweige wurden aufgehängt,und so ward daS Tier umhergeführt und schließlich auf dem Fest-platz angebunden. So entstand das Wort von dem Pfingstochsen,mit dem man jetzt auch einen Menschen bezeichnet, der sich auffallendbunt und unharmonisch hcrausstaffiert bat. In den Städten istheute der vierbeinige Pfingstochse nicht mehr anzutreffeu. aber aufdem Lande ist vielfach die bunte Ausschmückung eines Ochsen zumPfingstfcst noch immer im Gebrauch. Namentlich die Bewohnereiniger Bezirke Mecklenburgs putzen noch in jedem Jahr einen Pfingst-ochsen aus.Entstehung unü Dauer des pfingstfestes.Bis zu Beginn des vierten Jahrhunderts wurde die gesamtefünfzigtägige Zeitspanne nach Ostern mit dem Namen Penlekoste, derfünfzigste Tag snach Ostern) bezeichnet, und es gab noch kein eigent-liches Psingstfest. Dessen Einführung kam erst durch einen Beschlußdes Konzils von Elvira im Jahre 305 zustande. Von diesem Zeit-Punkt an wurde Pfingsten zu einem hohen Fest, und annähernd achtJahrhunderte lang ist eS dann stets volle acht Tage gefeiert worden.Diese lange Dauer führte aber zu manchen Mißständen, so kam esoft vor, daß die Leute, durch die lange Feier übermütig gemacht, inden Kirchen Unfug trieben und Ausschreitungen begingen. DasKonzil zu Kostnitz vom Jahre 1094 setzte deshalb fest, daß Pfingsten(ebenso wie Ostern) künftighin nur noch drei Tage gefeiert werdensolle. Diese dreitägige Feier bestand dann bis weit ins 18. Jahr-hundert hinein. Friedrich II. von Preußen machte erst im Jahre 1773den Anfang zu einer weiteren Herabsetzung der Pfingstfeiertage aufzwei. Mehr als ein halbes Jahrhundert blieb Preußen daS einzigeLand mit einer zweitägigen Pfingstfeier, im Jahre 1831 aber tratdas Königreich Sachsen der Anordnung Preußens bei. Schließlichgingen auch andere Landeskirchen dazu über.Läufejagü.Im Verbandsblatt der Hut- und Filzwarenarbeiter schildertein Feldpostbrief den„inneren Krieg" folgendermaßen:„Im Dörfchen T... M... waren wir allzu reichlich mitden Quälgeistern versehen. Eines Morgens kam unser Doktorbeim Stellen der Kompagnie in furchtbar zerknittertem Anzug.Wir lachten.„Lacht nicht", sagte er.„Ihr habt Läuse, ich auch.wir müssen was ordentliches dagegen tun; ich habe meine Sachengekocht, so sehen sie nun aus; aber das genügt noch nicht, ich habeDesinfektionsinasse reichlich bestellt, am nächsten freien Tag geht'slos. Das Stroh aus den Stuben mutz rauS, auch Möbel, Betten;der Fußboden wird desinfiziert, dann wäscht sich jeder von obenbis unten mit der verdünnten Lauge, die Kleider werden ebensogründlich gereinigt, aber auch die Polnischen müssen sich gründ-lich waschen und reinigen und Ihr patzt auf,� daß diese das auchmachen!" Na gut. am nächsten Rasttag ging'S los; nachdem wirSoldaten unsere„Kur" vornahmen, wurden die Polen lebendig,sie hatten es doch nun erfahren, daß sie auch daran glaubenmüssen.,Wir waren fertig, jetzt kamen die Polen daran, zuerst dieMänner. Der„Panie"«Herr) mußte anfangen, dann die.Shnh"(Söhne), das ging noch ganz gufi ab« jetzt sollten nun die„Kobietas"(Frauen) und„Panis"(Fräuleins) darankommen.Teufel auch, der Doktor hatte doch gesagt, wir sollten aufpaffen,daß alles richtig gemacht wird. Hm, sollten wir nun vielleichkden polnischen Evas zugucken? Inzwischen rannten diese emsighin und her wie Ameisen, steckten die Köpfe zusammen, zischelten.wie das werden soll. Na. wir hatten unter uns Rat gehalten,den Frauen wurde das Wasser mit der Lauge zurechtgemacht.dann hieß es: Marsch, hinein in die Stube, gründlich waschen.und wir bleiben verweile draußen. Jetzt waren sie fertig, aberihre Blicke verrieten schon, daß sie sich veralbert fühlten. Ichmache den Dolmetscher und fiage nach ihrem Befinden. Antwort:„Swoty Panie(goldener Herr), das machen wir nicht wieder;es hat schrecklich gebissen." Ach Herrje, wir hatten also die Laugefür die Frauen wahrscheinlich etwas zu kräftig gemacht. DieLauge wurde nun dünner zurecht gemacht und nun kamen„w schistke Oziecki"(alle Kinder) an die Reihe.Glücklich war alles vorbei und wir waren eine Zeitlangsauber, selbst die Polen waren jetzt damit zufrieden.Hoffentlich sind wir bald zu Hause, dann sind wir auch wiederzufrieden und die Polen— mögen sich kümmern."Die öeschießung von Dünkirchen.Ein Genfer veröffentlicht im„Journal de Geneve" Stellenaus einem Brief, den er von einem Augenzeugen der Beschießungvon Dünkirchen erhalten hat. Man liest dort:„Die Beschießungvon Dünkirchcn au» solcher Entfernung wird Sie sicher ebenso iiber-rascht haben wie uns. Wer hätte je gedacht, daß man uns von soweit beschießen würde? Die erste Granate fiel auf die Stadt cun28. April um 8,30 Uhr; ihr folgten bald zwei andere und weiteredrei um die Mittagszeit. Schon bei der ersten Explosion gabes eine wahnsinnige Panik und die tollsten Gerüchte: es sindFlieger, Zeppeline; es ist ein Kreuzer; am Ende ist es gar einischietzfehler der Engländer oder der Belgier! Am Nachmittagweiß man es genau: es ist ein Geschütz, das sich vor der belgischenFront befindet und das Dünkirchen aus einer Entfernung vonfast 40 Kilometer beschießt! Am nächsten Morgen, von 11.30 Uhran, fallen in Zeitabständen von fünf zu fünf Minuten 18 Granatenauf die Stadt. Diesmal ist der Schaden groß: das Chor derMartinskirche wird zerschmettert, das Tabaklagerhaus, das alteArsenal, mehrere Häuser werden aufgerissen, und natürlich gibtes auch Tote Ein Splitter der ersten Granate sprang aus einerEntfernung von 500 Meter in eine Schreibstube und traf einenbelgischen Offizier am Arm. Der Splitter hatte glücklicherweisekeine Kraft mehr und wirkte nicht viel anders als ein starkerFaustschlag.... Freitag, um 8 Uhr nachmittags, neue Beschießung.Zehn Granaten, von denen eine mitten im Militärlazarctt cxplo-dierte und etwa fünfzig Personen tötete, verwundete oder unterden Trümmern begrub. Alle Lazarette und zahlreiche Amtsräumewurden geräumt. Was die Zivilbevölkerung angeht, so hatte80 Proz. der Einwohner Sonnabend die Stadt verlassen. Ichvergaß, Ihnen mitzuteilen, daß während der Beschießung Taubendie Stadt überflogen, um die Wirkung der Schüsse zu beobachten.Seit dem 30. ist nichts mehr vorgekommen. Die belgischen Fliegerwaren sehr tätig....Von Dpern ist jetzt fast nichts mehr übrig. Die Stadt istdem Erdboden gleichgemacht, und es ist nicht daran zu denken, daßdie Trümmer der prächtigen Tuchhallen wieder aufgebaut werdenkönnen. Auch Poperinghe wurde beschlossen. Augenblicklich kehrtdie Bevölkerung von Dünkirchen wieder zurück."Die Mückenhaube öes japanischen Soldaten.Die Mückenplage ist in diesem Jahre bereits in sehr starkemMaße aufgetreten, und es ist daher zu befürchten, daß im kom-wenden Sommer auch unsere Soldaten sehr darunter zu leidenhaben werden, wie es bereits in dem vorigen der Fall war.lieber die englischen Matznahmen berichteten wir dieser Tage. Auchder Pariser„Temps" beschäftigt sich mit dieser Frage, und ermacht dabei auf die Mitteilungen aufmerksam, die der ftanzösisch-:Oberstabsarzt Matignon, der während des russisch-japanisch�Krieges bei dem japanischen Heere weilte, über die weitgehendenVorsichtsmaßregeln bei diesem Heer gemacht hat. Man hatte eineArt Mückenhaube hergerichtet, die in der Ausrüstung keines Sol-baten fehlte. Es handelte sich für die Japaner in erster Linie umdie Bekämpfung des Sumpffiebers. und man suchte der Ueber-tragung durch die Mücken vorzubeugen. In allen Dörfern, wodie Truppen einige Zeit weilen mußten, wurde das sumpfige Ge-lände entwässert, da» Austrocknen der stehenden Wasserpsützenwurde von Soldaten oder von chinesischen Kulis ausgeführt. DieFenster der bewohnten Häuser waren fast immer mit Gaze ver-hangen, die am Fensterrahmen befestigt war. Vor den Zimmer-türen waren Decken ausgebreitet. Endlich war jeder Soldat oderOffizier mit einem kleinen Mückennetz versehen, das den� Kopfgegen die Stiche schützt. Dieser Schutz für den Kopf ist einzylindrischer Sack aus gewöhnlicher grüner Gaze, der von zweileichten stählernen Ringen und von einer Spirale von gleichemMetall gehalten wird. Die Ringe haben einen Durchmesser von25 Zentimeter. Der obere Teil des Netzes wird durch ein StückGaze geschlossen, die über den oberen Ring gespannt ist, der untereTeil ist offen, um das Durchstecken des Kopfes zu ermöglichen. Amunteren Ring ist eine 20 Zentimeter lange Hülse aus Leinwand,die mittels einer Schnur am Hals zugezogen werden kann. DerKopf wird in dieser Mückenhaube nicht in seinen Bewegungen ge-hindert, und sie kann daher Tag und Nacht getragen werhen.Der Apparat faltet sich von selbst zusammen und wird durch zweiKnöpfe in dieser Lage gehalten. So zusammengelegt ist da»Mückennetz nur Nh Zentimeter hoch; sein Gewicht beträgt nichtmehr als 50 Gramm._Notize».— Theaterchronik. Im Kleineu Theater geht inAbänderung deS Spielplanes GrabbeS Lustspiel:„Scherz, Satire,Ironie und tiefere Bedeutung" an beiden Feiertagen in Szene.— Musikchronik. Im Theater des Westens wirddie neue Gesangsposse„Der brave Fridolin" am Pfingst-feiertag zum ersten Male gegeben.— Konzertchronik. JameS R o t h st e i n bringt eigeneKompositionen mit dem Philharmonischen Orchester am Donnerstag.den 27., in der Philharmonie zur Aufführung.— Die Kunstausstellung„Der Sturm", PotsdamerStraße 134a, ist an den beiden Psingstfeiertagen von 11—2 Uhrgeöffnet. Ausgestellt sind schwedische Expressionisten.— Der s e l t s a m st e P f i n g st b r a u ch ist die berühmteEchternacher Springprozession, die alljährlich amPfingstdienstag in der luxemburgischen Stadt Echternach stallfindet.Sie ist ein Dankfest für das Aushören des Veitstanzes, derim 8. Jahrhundert in dieser Gegend gewütet hat. Die zahlreichenTeilnehmer des Festes führen, durch festgehaltene Tücher miteinanderverbunden, unter Begleitung der Geistlichkeit und einer Musikkapelleauf ihrem Zug nach der hochgelegenen Pfarrkirche die Prozession be-kanntlich in der Weise aus. daß sie jedesmal nach drei Schritten vor-wärts zwei wieder zurückschrciten. Auf diese Weise geht man um denAltar herum, auf dem jeder seine Spenden niederlegt.— Die nutzbaren Radium Vorräte der Erde. Diegesamten bauwürdigen Radiumvorräte der Erde werde» vonDr. W. Petraschek mit 425 Gramm berechnet, worunter auch diewahrscheinlichen Vorräte fallen. Für die Radiumindustrie sind nachder„Montanistischen Rundschau" nur die Uranmineralien von wirk«licher Bedeutung, und zwar entfällt auf etwa drei Millionen TeileUran nur ein Teil Radium. Fast alle Uranlagerstätten sind an dieNachbarschaft von Granilmassen gebunden. Bekanntlich befinden sichin JoochimSthal die reichsten Vorkommen an radiumhaltigen Erzen.Von Bedeutung sind ferner die Vorkommen an radiumhaltigen Erzenvon Schönficht und Petschau an der böhmischen Fortsetzung derEibenstocker Granitmasse sowie die Lagerstätten von Cornwall undPortugal.Verantwortlicher Redakteur: Slfretz Wielepp, R-ukölln. Für des JnjeratenteU verantw.: Th. Glocke. Berlin, Druck u, Verlag: Vorwärt« Buchdruckern u. Verlagsanstall Paul Singer&«fl, Berlin SW.