Mr. 145.- 1915.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Die Chemie der Zelle.
Von Dr. A. Lipschüß.
Es war ein großer Schritt in der Erkenntnis des Lebens getan, als vor mehr als 75 Jahren die Zelle entdeckt wurde. Alle viel gestaltigen Probleme der Biologie( Lebenserkenntnis) waren auf ein Problem zurückgeführt, auf das Problem der Belle. Die Belle wurde zum Brennpunkt der ganzen Lehre vom Leben.
Donnerstag, 24. Juni.
Körperchen, Kernkörperchen genannt, da sind Fäden und Neße im gezeigt. Er hat im Schwammgerüst des Protoplasmas kleine StörnProtoplasma und im Kern, und kleine Kügelchen im Protoplasma, chen entdeckt, die die Eigenschaft haben, sich mit bestimmten Anilindie man Granula nennt. farben zu färben, so daß man sie im Brotoplasma gut unterscheiden
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Aber damit, daß wir den einen Teil der Zelle Protoplasma und kann. Und noch etwas anderes hat Unna über die kleinen Körnchen den andern Kern heißen, und daß wir im Stern Kerntörperchen im Protoplasma festgestellt. Er hat nämlich gefunden, daß die unterscheiden, oder daß wir statt Kügelchen Granula fagen, haben Körnchen sich in ganz gewöhnlichem Wasser aufzulösen vermögen. wir wahrhaftig noch nicht viel gewonnen für ein Verständnis des Behandelt man z. B. einen Schnitt durch die Haut, bei dem man in Lebens. Wir müssen weiter forschen, wir müssen uns fragen, aus den Zellen der Oberschicht die kleinen Körnchen gut zu ſehen bewelchen chemischen Stoffen die einzelnen Teile der Zelle zusammen- tommt, mit Wasser, so lösen sich die Körnchen auf, und versucht man gesetzt sind und wie die einzelnen Teile der Belle in den Stoff- nun eine Färbung des Schnittes, so sind die Körnchen nicht mehr zu Aber auch noch in einer anderen Richtung ward mancher Schritt wechsel der lebendigen Substanz eingreifen. Das Spiel der sehen. Da war ein ganz neuer Weg für die Mikrochemie gewiesen: getan in der Erkenntnis des Lebens. Der Biologe war zum chemischen Stoffe in der Belle, das ist jetzt unser zu prüfen, wie sich bestimmte Bestandteile der Belle gegenüber den Chemiker in die Schule gegangen, oder, wenn man der historischen Biel : wir müssen Zellchemie treiben. verschiedenen Lösungsmitteln verhalten, wie es der Chemiker tut, der Entwickelung der Biologie mehr gerecht werden will, der Chemiker hatte seinen Einzug in die Biologie gehalten. Der Chemiker mieicher getan, der vor etwa 20 Jahren verstorbene geniale Färbung kann Einen der ersten großen Vorstöße in der Mikrochemie hat da feine Substanzgemenge zu extrahieren pflegt. Mit Hilfe der man ja dann kontrollieren, ob man mit Wöhler hatte im Jahre 1828 den Bann gebrochen, indem er zeigte, Physiologe von Basel . Miescher hatte sich zum Ziel gesetzt, diesem oder jenem Lösungsmittel den fraglichen Bestandteil daß ein Stoff, dessen Vorkommen man bisher nur in der belebten bie chemische Zusammensetzung des Sternes der Belle zu unter der Belle herausgelöst hat. Die erwähnten fleinen KörnNatur gekannt hatte, sich mit den Hilfsmitteln des chemischen LaboSie können also fuchen. Er mußte nun einen Weg suchen, wie er Stern und chen im Protopiasma sind wasserlöslich. ratoriums aus den Stoffen der leblosen Natur darstellen lasse. Und Protoplasma von einander trennen könnte. Das ist aber nicht aus denselben Eiweißstoffen bestehen, aus denen das Protoder große Chemiker Justus Liebig batte mit wuchtiger Hand zahl- leichter gefagt als getan; denn Protoplasma und Kern sind ja immer plasma sonst aufgebaut ist. Es muß ein wasserlöslicher Eiweißstoff reiche Probleme der Chemie des Lebens angegriffen. Im Schmelz - beisammen in der Zelle, die wir mit Händen nicht fassen können. fein. Zahlreiche Untersuchungen, die Unna in Gemeinschaft mit topf des chemischen Laboratoriums wurden die Organe von Tier Miescher griff für seine Untersuchungen zu einem chemischen Mittel, feinen Schülern über diese Frage ausgeführt hat, haben ergeben, und Pflanze verarbeitet, um auf ihre chemische Zuſammenſegung das sich gegenüber Protoplasma und Kern verschieden verhält, zu daß diese Körnchen aus sogenannter Albumose bestehen, einem untersucht zu werden. Und welche gewaltigen Triumphe hat die pepsinhaltigen Flüssigkeiten, mit denen er Eiterzellen behandelte. Spaltprodukt der Eiweißstoffe, wie es auch bei der Verdauung der biologische Chemie, Chemie, oder wie man sie auch zu nennen Mit Hilfe verschiedener mikroes find weiße Blutkörperchen, die Eiweißstoffe im Darm entsteht. Aus dem Eiterzellen sind sehr fernreich pflegt, die physiologische Chemie feiern fönnen! sehr viel Kernmasse besigen. Behandelt man Eiterförperchen chemischer Methoden ist es Unna gelungen, auch im Kern einige verEffeff sind wir über die chemische Zusammensetzung bon mit einer Flüssigkeit, die Pepsin oder Magensaft enthält schiedene Eiweißkörper von einander zu trennen. Tier und Pflanze unterrichtet. In großen Tabellenwerken kann so wird das Protoplasma berdaut, zerstört, während die Von ganz besonderem Interesse sind die Untersuchungen, die ein jeder, der Auskunft in diesen Dingen braucht, darüber nach Kerne sich ziemlich unverändert erhalten. Auf diese Weise Unna und seine Schüler darüber angestellt haben, wie die einzelnen schlagen. Genaueste Kenntnis besigen wir auch über die Wandlungen, die die Stoffe bei der Berdauung in unserem Körper gelingt es, Protoplasma und Kern voneinander zu trennen Teile der Zelle in den Stoffwechsel der Zelle eingreifen. Es ist ihm Auch Samen- der Nachweis gelungen, daß der Kern in ganz bestimmter Weise erfahren, in großen Zügen find wir unterrichtet über all die und Kernsubstanz in die Hand zu bekommen. zellen hat Mieicher zu seiner Untersuchung benutzt. Samenzelleu in den Atmungsprozeß der Belle eingreift: der Kern„ altichemischen Prozesse, die in ihrer Gesamtheit den Stoffwechsel der haben ungeheuer viel Sternfubstanz im Vergleich zur Protoplasma- viert" den aufgenommenen Sauerstoff der Luft. Wenn Eiweiß lebendigen Substanz von Tier und Pflanze ausmachen. und Fett bont Sauerstoff von der Aber beinahe alles, was wir über die chemische Zusammen- masse, und so sind sie ein äußerst günstiges Objekt für eine Unter- oder Kohlehydrate sollen, wenn sie verbrennen sollen, fegung der lebendigen Substanz und über ihren Stoffwechsel wissen, machte die Entdeckung, daß der Kern chemisch anders zufammen- ohne suchung über die chemische Zusammenießung des Kernes. Wiescher Luft angegriffen werden daß die Temperatur des Dfens herricht, so muß haben wir aus der Untersuchung der vielzelligen Tiere gewonnen: als Ganzes sind die Organe von Pflanze und Tier in den gesetzt ist als das Protoplasma, daß im Stern höchst komplizierte der Sauerstoff in einer anderen Form vorhanden sein, als sie der Eiweißtörper vorkommen, die durch ihren Gehalt an Phosphor aus- Sauerstoff in der Luft bietet. Hühnereiweiß und Zucker verbrennen Schmelztopf des chemischen Laboratoriums gewandert, als Ganzes gezeichnet sind. Die Entdeckung von Miescher ist für die Chemie beim Stehen an der Luft keinesfalls. Dazu müssen die Sauerstofffind Pflanze und Tier auf ihren Stoffwechsel hin im Laboratorium der lebendigen Substanz von der größten Bedeutung gewesen, moleküle, wie sie in der Luft enthalten sind, in Sauerstoffatome untersucht worden. Die Belle hatte man dabei ganz vergessen. und auch in der wissenschaftlichen Medizin hat sie außer aufgespalten werden. Das eben besorgt der Kern der Zelle, wie Also müssen wir uns heute besinnen und 3 e Il chemie treiben: ordentlich fruchtbringend gewirkt. Die Lehre von der Gicht z. B. Unna gefunden zu haben glaubt. Unna hat auch gezeigt, daß Denn alles Leben ist ja in letzter Linie ein Leben von Zellen. Und Inüpft an die Lehre von den Nukleoproteiden an, den die kleinen Störnchen im Protoplasma, die, wie wir gesehen haben, wenn wir uns ein allgemeines Bild machen wollen über jenes chemische Spiel, das das Leben ist, so müssen wir die große Summe phosphorhaltigen Eiweißkörpern im Kern der Zelle, die Miescher ent- aus eiweißähnlichen Albumosen bestehen, Sauerstoffipeider in der Zelle sind: fie fangen den aktiven" oder freigewordenen Sauerunserer Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung und über den Eigentlich war die Kenntnis von dem Vorkommen phosphor- stoff, den der Kern ihnen zuschiebt, auf, und halten ihn bereit für Stoffwechsel von Pflanze und Tier auf die Belle anzuwenden verfuchen. Jede einzelne Belle ist schon der Tummelplag für all die baltiger Eiweißkörper im Zellkern die einzige gut gelannte Tatsache all' die vielen Verbrennungsprozesse, die sich in jeder Belle dauernd mannigfaltigen chemischen Vorgänge, die den Stoffwechiel aus- aus der Chemie der Zelle die langen Jahre hinaus, wo man nur abspielen. So ist es doch schon etwas, was wir heute von der Chemie machen. Jede einzelne Belle ist ein lebendiges Laboratorium für wenig Mikrochemie( Chemie des Kleinen) getrieben hat. Aber in einer Beziehung gab es doch schon eine Mikrochemie. Der der Zelle wissen, und wenn man nur die neuen Wege gehen wird, fich. Wie greifen da die einzelnen chemischen Glieder in der Kette Mikroskopiker, der sich über die Struktur der Zellen orientieren will die hier gewiesen sind, dann wird man schon zu weiteren Zielen des Stoffwechsels ineinander? Die Chemie der Belle, das ist die allgemeine Form des Problems vom verfährt in der Weise, daß er die Organstücke, die er mikroskopisch lommen. untersuchen will, in verschiedene chemische Flüssigkeiten ver- Groß ist das Ziel der Mikrochemie, und manch' neuen GesichtsDer Chemiker, der die Organe von Pflanze und Tier in seinen fett. Er bringt sie in Alkohol, in Salze, in Säuren, um sie zu punkt wird sie eröffnen, den man früher gar nicht geahnt hat. Auf " figieren", damit ihre Struktur bei der Untersuchung nicht Veränderungen ein Beispiel fei hier hingewiesen: Unna hat gefunden, daß die Schmelztopf hat wandern lassen, um sie auf ihre chemische zu erleidet, und dann tut er sie in verschiedene Farblösungen, um sie fleinen Störnchen, die er im Protoplasma der Zellen der vielzelligen sammensetzung zu untersuchen, der sagt uns, daß alle lebendige Substanz aufgebaut ist aus Eiweißstoffen, aus Fetten und aus Kohle- 34 färben. Es färben sich die einzelnen Bestandteile der Belle, Drganismen vorfand, Gebilde darstellen, wie sie in der Amöbenzelle Nun haben wir erfahren, daß diese Körnchen hydraten, und dann noch aus Wasser und Salzen. Kern und Protoplasma, Sternförperchen und Protoplasma- Ein- nicht vorkommen. schlüsse in ganz verschiedener Weise. Und es ist ein buntes Bild, eine wichtige Rolle bei der Atmung der Zelle spielen, daß sie die das sich uns unter dem Mikroskope darbietet, wenn wir uns einen Sauerstoffspeicher in der Belle sind. Im vielzelligen Organismus, Schnitt durch die Haut, durch die Leber, durch die Nieren oder in dem die meisten Zellen sehr weit von der Quelle des Sauerstoffs durch das Gehirn ansehen, der mit den heute üblichen Färbe - entfernt find, braucht es eben besondere Einrichtungen in der Zelle, methoden im Laboratorium des Mikroskopikers behandelt worden um sie mit dem für den Ablauf des Lebens nötigen Sauerstoff gut war. Es ist von vornherein klar, daß das verschiedene Verhalten der versorgen zu können. Ganz anders als bei den Einzelligen, die von einzelnen Bellbestandteile gegenüber den Farbstoffen darin seinen dem sauerstoffhaltigen Waifer direkt umipült werden. Grund haben muß, daß sie chemisch verschieden zusammengefest find. Jeder Farbstoff man benugt in der Negel Anilinfarbstoffe ist ein gut gekannter chemischer Stoff, und das verschiedene Berhalten der einzelnen Bellbestandteile gegenüber den Farbstoffen ist ein verschiedenes Berhalten gegenüber chemischen Stoffen. An dem Verhalten bei der Mischung mit anderen Stoffen beurteilen wir aber die chemische Zusammensetzung der zu untersuchenden Stoffe. Ohne daß man recht darüber nachdachte, hatte man lange Jahre schon Mikrochemie getrieben.
Leben.
Nun nehmt euch Eiweiß, Fett und Zuder, Wasser und Salze, wie sie in der lebendigen Substanz vorhanden sind, und mischt sie
miteinander:
"
Es leuchtet 1 febt!- Nun läßt sich wirklich hoffen, " Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen
"
Durch Mischung
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denn auf Mischung tommt es an Den Menschenstoff gemächlich komponieren, In einen Kolben verlutieren
„ Und ihn gehörig kobobieren,
" So ist das Werk im Stillen abgetan."
( Faust, II. Teil.)
Onein, das Werk ist noch nicht abgetan, Leben regt sich nicht im Kolben! Die Belle ist fein einfaches Gemisch von Eiweiß, Buder, Fetten, Wasser und Salzen, wie eine Uhr fein einfaches Gemisch von Stahl und Messing ist. Hübsch säuberlich und fein organisiert ist alles in der Zelle, auf Protoplasma und Kern verteilt. Und neben Kern und Protoplasma gibt es in den meisten Zellen noch zahlreiche andere Bestandteile. Da find im Kern ein oder mehrere fleine
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Die Erweckung der Maria Carmen.
Von Ludwig Brinkmann.
deckt hat.
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Eine ganze Menge fürwahr, was die Mikrochemie uns erschließt.
Mehr noch als die Kämpfe im Trentino haben für den italienisch- österreichischen Krieg die Ereignisse am Isonzo eine hervorEs galt nunmehr, die Mikrochemie in dieser Weise bewußt ragende Bedeutung. Das Kriegsziel Italiens richtet sich zwar in zu treiben. Und wie das am besten zu machen ist, das hat uns vor gleicher Weise nach Norden wie nach Osten. Aber bei einem Vorfurzem der hervorragende Hamburger Gelehrte Prof. P. G. Unna gehen gegen Tirol winkt ihnen selbst bei Aufwendung bedeutendster Unterdessen war das schlichte Abendbrot bereitet; ich| Herzen geworden, daß mir der etwas unerwartete Anblick des sandte nach langem vergeblichen Warten José, der von dem Sternenhimmels wie ein seliges Geschenk der Unsterblichen Kaplane mit dem Bescheid, daß das Leichenbegängnis am erschien. nächsten Tage um neun Uhr früh erfolgen fönne, zurückkam, Allmählich kehrten meine Gedanken zu den näher liegenzu Stuart. Nach geraumer Zeit erschien der Bursche wieder den Dingen zurück, und mir fiel die Aufgabe ein, den Freund und erklärte, daß Don Juan befohlen habe, ihm etwas Fleisch), in weniger als zwölf Stunden zu bestatten. Brot und Tee in den Berg hinauszubringen; der Herr fönne aber felbst nicht kommen.
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Zunächst waren infolge des Hinscheidens unseres Freundes allerlei Briefe zu schreiben, an Wards Bater zur Ergänzung meiner gestrigen Depesche, an Powell, an den Kaplan von Taviche wegen einer Begräbnisstelle in irgend- Ich trug selbst die Speisen fort ich mußte Stuart einem Winkel des Kirchhofes, der für Andersgläubige be- sprechen. stimmt ist, und noch einige furze Benachrichtungen an Er stand, überallhin Anweisungen gebend, mitten unter Dickinson und andere Freunde in Taviche, die sich um Leben seiner Schar von Leuten. Wie dumpfer Donner rollte seine und Sterben der Besizer der Maria Carmen vielleicht gebieterische Stimme durch die Felsenwände des Berges. fümmern mochten. Dann hatte ich, wie mit Stuart ver- Üleber die Schachtöffnung ließ er ein Gerüst zimmern, um abredet, eine neue Pumpe samt Motor zum Ersatz des ver- den Querbaffen, der die große Seilscheibe trägt, zu verstärken Iorenen Aggregates bei der D. E. G. zu bestellen, wobei ich und die seltsam kistenförmigen Eimer zu verankern, jedesmal der Firma die Größengebung in weiten Grenzen überließ, wenn sie ihre vertikale Reise beendigt haben würden. wenn sie nur schnell liefern würde; wieder eine durch die Ich sagte ihm, daß Ward morgen vormittag beerdigt Ueberstürzung doppelt und dreifach verteuerte Transaktion, werden solle. die sehr viel billiger für uns hätte sein können, wenn Powell Sehr wohl," murmelt Stuart und nimmt einem Manne, vernünftigen Vorstellungen ein klein wenig zugänglicher wäre. der sich etwas ungeschickt anstellt, den Balken ab und reicht Doch in Zukunft werden wir uns nicht mehr viel um sein Veto ihn selbst dem oben auf dem Gerüst stehenden Gehilfen zu. fümmern; wir haben genug Schaden bislang dadurch erlitten! Gegen Mittag trat ich auf den Hof hinaus, wo unsere beiden Zimmerleute mit dem Bau eines schlichten Sarges beschäftigt sein sollten; aber das letzte Gemach des armen Freundes lag unfertig in einem Winkel auf dem Boden, während Stuart mit den beiden Schreinern und noch zwei anderen Arbeitern ein paar mir zunächst unerklärbare Gestelle aus alten Risten, in denen im Laufe des Jahres unsere Maschinen angekommen waren, zusammenfügte. Auf meine Frage erwiderte er:
Eimer sollen es werden, weiter nichts; die Haspel ist ja noch heil; wir müssen es damit schaffen! Kannst Du etwas Pech oder dergleichen auftreiben, um die Fugen auszuschmieren?"
Mir fiel eine Büchse mit Mennige ein, die wir für unsere Rohrkonstruktionen brauchten, und Hanf war auch vorhanden. „ Aber der Sarg!" wandte ich ein.
" Der kommt heute nacht oder morgen früh an die Reihe: dann lasse ich Dich schalten und malten; aber meine Eimer müssen bis heute abend fertig sein!"
Befümmert ließ ich Stuart seinen Millen.. Sein Gesicht war aschgrau, die Augen schwarz umrändert; ich fühlte, wie er namenlos litt
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Die beiden Eimer waren wirklich bei Sonnenuntergang fertig und wurden in den Berg geschafft, in dem auch Stuart mit seinen Leuten verschwand.
Ich muß aber jetzt die beiden Zimmerleute haben, damit der Sarg fertig wird."
„ Das geht nicht, geht durchaus nicht an," erwidert Stuart, ich brauche die Leute die ganze Nacht!"
Er hat in der Erregung spanisch gesprochen. Einer der beiden Männer, von denen die Rede ist, hört das und stöhnt: Sch kann bald nicht mehr; ich bin jetzt schon so müde!" John springt mit einem Sake auf ihn zu; der Mann weicht scheu zurück; dann lächelt Stuart verächtlich, ohne daß ein Wort meiter zwischen ihnen gewechselt worden wäre. Herr und Diener haben sich verstanden.
Dann nehme ich meine Sache wieder auf: John, der Sarg muß gemacht werden!" Er zischt mich an, aus einer unverhüllten Feindseligkeit heraus:
,, Was fümmern mich die Toten! Morgen bekommst Du die Zimmerleute! Mag Ward übermorgen begraben werden dieses Geschäft hier geht vor!"
Ich war tief verlegt über die Gefühllosigkeit, die Stuart dem dahingeschiedenen Freunde und auch dem lebenden-- mir gegenüber bewies. Zudem fühlte ich, daß aller Widerspruch den Rasenden nur noch mehr reizen könnte, und ich ließ Stuart stehen.-
Als ich aus dem Berge herausgekommen war, strahlten die Sterne vom Himmel hernieder. Ich war so arm im
Stuarts Vorschlag, damit bis zum übernächsten Tage zu warten, war natürlich Torheit; wenn alles andere noch zu ändern gewesen wäre, die Tropensonne ließ sich doch nicht zum Stillstand bringen. Aber der Sarg, der Sarg! Die Bretter waren geschnitten und gehobelt, aber noch nicht zufammengefügt, und ich hatte keine Zimmerleute; sie waren im Berge zurückgehalten.
Endlich fand ich eine Lösung; es war die einfachste, auf die man aber stets zuletzt kommt. Ich weďte José aus seinent Schlafe; er sollte mir behilflich sein, vor allen Dingen die Lampe zurechtrücken, damit die nächtliche Arbeit mir durch die Dunkelheit nicht allzu sehr aufgehalten würde.
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So gingen die letzten Stunden dahin, in denen die sterbliche Hülle Wards noch unter uns weilte. Ich riß mit der Nadel in die Kanten der Bretter die Schwalbenschwanzverzinkung ein, sägte die Schnitte, einen nach dem andern, und stemmte die Enden mit dem Meißel aus. Seit zehn Jahren hatte ich keine derartige Arbeit mehr getan, und alles war mir daran ungewohnt geworden; aber wie die Stunden dahin flossen, schritt das Werk vorwärts, und mit dem Morgengrauen konnte ich Sarg und Deckel zusammenfügen, den Boden und die obere Planke auf den Rahmen nageln.
Ich weiß mich kaum noch zu erinnern, welche Empfin
dungen mir die Seele in jener fleißigen und dennoch endlos langen Nacht durchzogen. José nüßte mir nicht viel und störte mich nicht viel; er schlief zumeist, im Siten oder Stehen, und selbst in seinen lebhaftesten Momenten war er mehr als schlaftrunken. Also war ich allein, und allmählich zogen sich meine Gedanken von den Freunden und dem Imparcial zurück.
Werde ich dereinst einen so schönen Sarg besitzen? Wird sich mein letter Freund, wer es auch sein mag, die Mühe geben, die ich mir gab, wird er mir eigenhändig die wirklich lette Ehre erweisen, mir in banger, mühseliger Nacht die sechs Bretter zusammenzufügen? Wird mir ihn nicht vielmehr ein Mietling in eilfertiger Lohnarbeit zusammenschlagen, so rasch wie möglich, um nichts von seinem Feierabendvergnügen zu versäumen, ohne sich je bewußt zu werden, was es bedeutet einen Sarg zu bauen, was das letzte Ziel seiner Arbeit ist, er, der nichts von mir weiß als allenfalls meine Körperlänge? ( Forts. folgt.)
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