Nr. 153.- 1915. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Nonnerstag, 8. Juli. Bta Wunsih in öie Zukunft. (Meinen Söhnen.) Du, der auf kurzen Beinen trippelt durch die Welt, hörst nicht das blutige Weinen. das diese Tage durchgellt. Du in der engen Wiege schlummerst in guter Ruh'. Fahnen, Jubel und Siege fallen dir wunschlos zu. Ich aber stehe dazwischen, der schweren Zeiten bewußt, Wonne und Wehe mischen sich seltsam in meiner Brust. Wenn einst die letzte Hülle eurer Kindheit reißt: Wohin euch wohl die Fülle eurer Erinnerung weist? Daß kein Mensch fürder sterbe durch eines Mensche- Hand: Erkennt ihr darin euer Erbe? Fühlt ihr euch dem verwandt? Ein Wunsch für euch, die Spätern, macht mir die Seele weit: werdet mir zu den Vätern einer neuen Zeit! Karl B r ö g e r. Neue Erzählungsliteratur. Gabrhela Zapolka: Der Polizeimeistep.(Berlag i�esterheld u. Comp., Berlin  .) Der Kriegskonjunktur folgend hat der Verlag durch den UntertitelDie russische Knute" dem Roman der bekannten polnischen Schriftstellerin ein aktuelles Aushängeschild ge- geben. Wir kennen seit Gogols Zeiten die maßlose Korruption der russischen Verwaltungsmaschine und die überaus anfechtbare Kultur- stufe der zarisch bevollmächtigten Menschenschinder undMenschenausbeuter im Rock der Polizei, Gendarmerie, bis hinaus zu den Staats- und Regierungsräten, den Ministern und Großfürsten. Die Zopolka erzählt mit dem temperamentvollen Rasienhaß der antirussischen Polin, zugleich mit hervorstechender Sachkenntnis die schauerliche Lokalgeschichte einer kleinen russisch-polnischen Grenzstadt, die unter der Knute eines brutalen Viehes von Polizeimeisters stöhnt und duldet. In diesem Tagcjew, der mit Totschlägern die Beute teilt, große und kleine Erpressungen an der Bürger- und Bauernschaft des Städtchens mit Meisterschaft tagtäglich ausübt, Prostituierte als Spitzel hält, etwelche Mittel für Gehälter und Reformen größten- teils in seine eigenen unersättlichen Taschen verschwinden läßt, lebt ein ausgewachsener Typ russisch-amtlicher Sittenverderbnis vor dem Leser auf. Grell sticht sein von innerer Fäulnis schillerndes Bild in das asiatische Dunkel, dem der Weltkrieg jetzt näher und näher rückt, und wenn sich auch Ohren und Augen sträuben vor Ungeheuerlichkeiten, die die Verfasserin mit der dem Sittenschilderer um des Eindrucks willen gebilligten Unterstreichung, vielleicht auch stellenweise Uebertreibung häuft, so stehen wir doch vor Tatsachen, vor dem russischen System an sich, das mit Knute, Betrug, Knechtung und hohnvoller Rechtserdrosselung regiert. Der alte Tagejew geht nicht ins Gefängnis, wie er es verdiente, sondern in Pension, und der neue Tagejew zieht ein. Wie geprügelte Bauern und Juden, gekaufte Spitzel, zemißbrauchte Geschöpfe beiderlei Ge- schlecht? die ewigen Statisten dieser traurigen Tragödie bleiben, das weiß die Zapolka mit realistischer Gestaltungskraft zu verbildlichen und durchweg künstlerisch mit flammenden Erkenntnislichtern zu erhellen. . Johannes V. Jensen: Das Schiff.(S. Fischer. Berlin  .) Jensen, unzweifelhaft der stärkste und feurigste Denker Die Erweckung der Maria Carmen. u] Von Ludwig Brinkmann. Als wir auf dem Heimwege waren, besprachen wir Stuarts   Entdeckung. Er ist felsenfest davon überzeugt, daß der Matador, wie dieser Stollen heißt Stuart hatte das bereits aus unserem alten Tobar herausgebracht, mit der Maria Carmen im Zusammenhange steht. Erst seitdem wir zur zweiten Sohle in unserem Berge hinabgestiegen sind, ist mir die Gebirgsformation und damit die Lage der Silberadern klar geworden. Wir alle haben in dem Irrwahn gelebt, daß sie sich vom Jnnenhofe nach Norden hinziehen: dem aber ist nicht so: dort ist eine Falte im Berge, und sie hören plötzlich auf. Nach Osten dehnen sie sich aus, und augenscheinlich werden die Lager in dieser Nich- tung immer breiter, bis sie sich auch hier in einer Falte der- lieren. Aber vom Matador aus können wir die Gänge bis zu ihrem Einbrüche verfolgen." Daran anschließend hielt mir Stuart einen großen Vortrag über die geologische� Be- schaffenheit unseres Berges, von dem ich aber das meiste schon wieder vergessen habe. Ich hatte meine großen Bedenken ob der Richtigkeit seiner Wahrnehmungen: mir erschien die Sache gar nicht so einfach, so einleuchtend. Ich bestritt, daß die Maria Carmen und der Matador in irgendwelchem Zusammenhange ständen. Unsere wackeren Spanier müßten ja ganz unglaub- liche Entfernungen in den Berg hineingetrieben haben, wenn sie von unserem Hause bis hierher mitten durch den Fels ge- langen wollten! Soviel Jngenieurkunst traue ich den Leuten aber nicht zu!" Das kannst Du ganz ruhig tun", entgegnete Stuart lächelnd.Die Leute verstanden von gewissen Dingen viel- leicht mehr als wir. Natürlich hatten sie von elektrischen Maschinen keine Ahnung: dazu bedurfte es Deiner euro» väischen Weisheit: aber sich in den Fels einfressen, das konnten sie, denn sie hatten tüchtige Bauleute schier umsonst zur Verfügung und besaßen vor allen Dingen etwas, was wir nur noch aus alten Märchen kennen: sie besaßen Zeit, Jahr- zahnte, wenn es sein mußte. Aber in einem Jahrzehnt wollen wir doch bereits reich sein und auf dem Parado ein- herfahren, nicht wahr Lewis? Zudem ist die Entfernung gar nicht so beträchtlich! Dort oben, seitlich von dem Gipfel des Berges liegt die Mulde, an deren tiefstem Punkte unser Wetterschacht ausläuft. Von da bis zum Eingange des Ma- unter den neueren dänischen Dichtern, gibt auch etwasVölkisches  " und hat schon in seinem früheren Buch: Das Rad, jenem von geistigem Fluidum durchzitterten Chicago  -Roman  , sein leidenschaftlich geliebicö Hauptthema aiigeschnillen. Und noch klingender und selbst- bewußter instrumenliert er diesen Leitgedanken in seinen neuen Büchern, in denen er als Epiker die Geschichte und Kultur seiner Rasse erzählt! Die Besiedelung der Welt durch die germanischen� Nordländer. Amerika   schien ihm die letzte ge- schichlliche Staffel dieser prähistorischen Eroberungszüge zu sein, dann schuf er denGletscher", den roh-derben Heldengesang der Urzeit und jetzt fährr er mit demSchiff" zu seinen Ahnen, den Wikingern, als deren Sproß er sich suhlt. Eine große leuchtende, ja verzehrende Sehnsucht strahlt durch diese herrliche unbändige Landschaflsballade, von frischem Kampfesstolze angeweht. Dichter- klarheit erhellt uns den Blick für die rohe Raubzeit der alten Wikinger  ; wir lesen dieses Buch von Kraft und Trog und Siegesmut jetzt mit um so offenerem Auge, Was aber war der Urgrund und das verborgene Wesen aller weit- stürmenden Kraft und siegesfrohen Roheit? Nur die Sehnsucht! Was zuerst nur Sehnsucht nach Sonne war, aus ihren dunklen Schneehöhlen herauszukommen, das wurde dem Nordländer dann Sehnsucht nach der Ferne, Wandertrieb, und schließlich durch inneres Wachstum zu einem höheren Verlangen, jenseits von Zeit und Raum und allen faßbaren Dingen zu einer Idee.Die nordische Seele ist ein gewaltiges Streben über sich selbst hinaus." Die Träume der krast- strotzenden, meerfahrenden Jugend sind verweht, wie die Abenteurer- lust und der Uebermm der zahllosen Söhne des weißhaarigen heidnischen Königs Regner Lodbrog verweht sind, aber die Taten, zu denen ihre Reise ins Blaue Veranlassung gab und zuletzt den Grundstein zu dem christlichen Fischer- und Händlerhafen Kopenhagen   legte, bleiben als Dokument ringender und kämpfender Menschen ein Stück Geschichte. Mit diesem Stück Geschichte aber gibt Jensen Geschehnis und Symbol zugleich und weitet Entwicklung und Mythos eines Bockes zur Entwicklungsgeschichte der Menschenscele und des Menschen- geistes überhaupt. Die Darstellung und Betrachtung wird AuS- legung, aus den zahlreichen Fäden der Historie webt sich das Netz tieferer Erkenntnis der Zusammenhänge. Das dichterisch prachtvolle Buch ist durchschossen von den Ausstrahlungen eines modernen Geistes, der hinter die Dinge zu sehen versteht. » Hermann JaqueS: Der neue Werther.(Vita, Deutsches VerlagShaus, Berlin  .) Hermann Jaques, der früher Jacques hieß, führt, wie dies vor ihm schon viele romanschreibende GesellschaslSkritikcr mit gleichem Erfolg taten, Träger gegenseitiger Temperamente und widersprechender Weltanschauungen zusammen uird erhält in dialektisch geistreichelnder Art durch die Gespräche dieser Leute, die natürlich alle wie ein Buch reden, den moralisch und sozial vorgebildeten Leser in behaglicher Weise. Freilich, Jaques ist kein Kulturbeobachter nach Jensens Art, der seine Sonde tiefer führt, er kann auch nicht etwa niit Oskar Wildes geschliffenen Dialogen konkurrieren(Wildes Kunst funkelnder Epi- grammc wird durch sein Engländertum nicht tot gemacht), selbst Her- mann Bahr macht solche Konversalion auf der Bühne, mit der JaquesStandpunkte" vertritt mit verblüffenderem Taschenspieler- geschick.Hier meine Weltanschauungsbörse, zum Aussuchen, ge- fällig mit nach Hause zu nehmen?; aber bitte nicht weiter über meine spaßhaften Versuchsobjekte nachzudenken." Wenn wir nicht weiter über Jaques Untersuchungen nachdenken, ist er immer« hin ein kleiner Hermann Bahr  . Er stellt in die genuß  - frohe Münckener Tafel- und Lebensrunde einiger wohlbegüterter und wohlanständiger Akademiker, Sporrsleute, Kunsthistoriker und E. T. A. Hoffmann-Schwärmer Herrn Energos. So nannten die Freunde den unbekannten dezent gekleideten Jüngling, den sie vom Baum erst abschneiden mußten, um ein paar Jahre später ihn durch einen Pistolenschuß k la Werther auf der standesgemäßen Piazza Dan Marco dauernd zu verlieren. Besagter Jüngling soll den Typ des modernen Werther personifizieren, der an Ermüdung, Langeweile, Blasiertheit und Erkenntnis zugrunde geht, wie der romantische Werther Goethes an Liebe und Verlangen starb. In einer Zeit satten Friedens und übersättigter Kultur wird der junge Mann von Erscheinung, gemüt- voll, unbeschäftigt und klug genug, um die Schwächen seiner Zeit unerträglich zu finden, wird Wertber immer wieder leben und sterben. Wirklich? Der in Passivität gehüllte Halbheld erscheint uns nicht mehr tragisch, eher lächerlich. Und nach dem Weltkrieg wird hoffent- lich derTüchtige" das Feld behaupten, wird in sittlicher Neugeburt der Zeit diesenmüden Männern" für immer das Wasser abge« graben werden. Der Verfasser hat offenbar das gleiche Gefühl bekommen. Als er das Buch schrieb, war er wohl mehr'n seinen Typ verliebt. Da er aber in einem im März ISlS geschriebenen Vorwort den neuen Werther selbst zu den Toten wirst, hat das Buch demnach nur eine psychologisch-historische oder auch stilistische Bedeutung. » E. v. K a y s e r l i n g: A b e n d l i ch e H ä u s e r.(S. Fischer, Berlin  .) Der Verfasser, nunmehr ein Sechzigjähriger, sieht in der Nacht seiner halberblindeten Augen immer wieder seine heimatliche Welt, die adeligen Gutshäuser Litauens   mit ihren morschgewordenen Gesetzen, auf die eine niedergehende Generation sich wie auf eine goldene Brücke stützt. Mit seinem Geiste entfernt sich der Dichter von dieser müden Welt steifer Würde, aber mit seinem Herzen liebt er sie, diese Ahnengalerien korrekter Regelmäßigkeit, diele kuriosen Menschenexemplare mit Seelen, zerbrechlich wie Porzellan, diese leidenschaftslose Atmosphäre, in der alles Lebensvolle vom Abendlichen" totgeschlagen wird. Abendlich, wie die Häuser, sind die Herzen jener Leutevon Familie", die wie Schatten in der Welt der Tatkräftigen herumgehen. Immer wieder reizt es Kaysec- ling, in diesen stillen, schaltenhaften Kreisen aristokratischer Eigen- brödelei Einkehr zu halten, wo in verdämmernden Farben, in ver- hauchenden Tönen, lärmloS und subtil, trieblos und mit der Noblesse, die verpflichtet, melancholisch schläfrige, überfeinerte Leben und Geschicke sich abspielen, wo man sitzt und wartet, bis eins Von dem andern abbröckelt. Manchmal kräuselt jäh ein Windstoß die Stille dieser ruhigen Seelenflächen ein Schicksal meldet sich an, will sich entfalten. Ein Ungestüm des Blutes will revoltieren gegen die Gesetze dieser abendlichen Häuser, junge wilde Märchenträume jagen durch die herrschaftlichen Zimmer und toten Parts, eine ver- langende Mannesseele drängt suchend, tastend, strauchelnd, über- schlagend nach Leben und Erleben aber gar bald stoßen sich die Gedanken hart im Räume und die Wünsche am Hergebrachten. Man zerbricht entweder in diesem Lebens- oder Liebesdrang oder wird zurückgeworfen in das ewige Einerlei festwurzelnder Normen. Am Ende sitzen die Alten als Sieger wieder trocken konversterend am Kamin, dem Rauch der Zigarelte nach- blickend, dieweil den Jungen die Flügel zerbrachen, als sie ihren Ausflug aus dem dumpfen Abend der morbiden Familienstammsitze in die Morgenröte sreien Menschentums wagte». Auch hier lesen wir, wie bei Jaques, von überlebten, lebensunlüchtigen Typen, aber wie ganz anders in Echtheit getaucht sind die Porträts bei Kahserling, Dort operiert ein Autor mit angelesener, hier ein Dichter mit erlesener Kultur, dort haben wir Feuilletonistisches, hier feinsten Stimmungszauber. Die Um- risse von Kayserlings Gestalten sind nur eben angedeutet, aber wir verspüren daneben etwas Dahinklingendes, Farbenreize: ein Charakter leuchtet auf, um gleich wieder wie dies der verstorbene Hermann Bang   in seinen Büchern so vorzüglich verstand von den Gewohnheiten des Alltags überschattet zu lvsrdcn. Und dann be­kommt der Alltag eine Seele, einen Charakter, und wir sehen und fühlen, wie die kleinen Verrichtungen des Tages zum Former der Menschen werden. Psychologie des Milieus, und tvie auf einer alten Radierung mit feinen Strichelchen gibt das ein Bild zugleich, gibt das jene reizvollen Bilder voll Grazie und Bcrgilbtheit Kayserling- scher Schaffensart, um die der Dämmerschein milder Melancholie und ein leiser Geruch von Lavendel weht. S e l m a Lagerlöf: Jans Heimweh.(Albert Langen Verlag, München  . Um gleich mit den Einschränkungen anzufangen: der Titel des Buches ist so wenig treffend, wie die Zelchnlingeir dazu geschmacklos sind und die Uebersetzung wohl mehr als einmal über das Original stolpert. Umsomehr darf man sich nach dieser tadelnden Feststellung der Schönheit des neuen Lagerlöfbuches freuen. Was bedeutet in den Geschichten der nordischen Er- zählerin die Fabel? Immer gleitet die Wirklichkeit ins Reich der Mythe hinüber, und wo sie die� Türen zu den Hütten der Aermsten austut. leuchtet ein goldner Schein heraus. Die Lagerlöf   erfindet und empfindet, sie fabuliert und träumt, legt über die Wirkichkeit des armen, beweisbaren uninteressanten menschlichen Lebens den Schimmer mystischer Verklärtheit, und der einfachste Bauer wird zum Heiligen durch sein Herz, das in der Dichterin legendenhafter Art immer aus allen Begebenheiten in Reinheit herausleuchtet. Wer ist Jan Andersson, von dessen Heimlveh Sehn- sucht müßte es sinngemäß heißen das Buch handelt? Ein armer Knecht aus Skrolyka da oben im nordischen Wärmland, der letzten einer, der dumpf sein schweres Arbeitsleben dahinlebt. Aber mit einem Male fühlt er sein Herz klopfen, ein Kind ist ihm geboren, eine Tochter! Welch' eine Veränderung in seinem Gefühl, welch' ein Leuchten und Glanz um ihn, nun die Augen der Tochter ihn an- lachen. Hnfc_ von der Sonne bekommt sie ihren Namen, Klara Gulla, das Sonnenkind. Was wäre das weiter, wenn die Lagerlös nun nicht aus dieser Liebe des armen gedrückten Knechtes zu seinem kleinen Kinde den großen, glühenden Hymnus tadors sind es keine drei Meilen; wir haben nur unseren guten Reittieren zuliebe so heillose Umwege machen müssen. Und dann es ist kein Zufall, daß ich den Matador ent- deckt habe: im Gegenteil, er kam mir ganz folgerichtig in den Weg!" Und wie war das?" Ei, als ich in unseren Ostweg eindrang, legte ich mir die Frage der Ventilation vor. Ich berechnete, daß irgendwo ein Wetterschacht sein müsse, vom Rücken dieses Berges aus; und eines schönen Tages erklomm ich den Gipfel und schritt immer in der Richtung des Ostweges durch die Wüste. Ein Spaß war es nicht, das kann ich Dir versichern: es war eine ganz infame Kletterei, dieser gedachten geraden Linie nach- zuziehen. Ich bin beinahe verrückt in all der Hitze geworden. Und jeden Felsspalt, jedes Bergrattenloch habe ich daraufhin untersucht, ob es nicht der Eingang solch eines Luftkanals sei aber nichts hergleichen. So bin ich schließlich diese Ab- hänge, die andere Seite unseres Gebirges, hinabgeklettert, indem ich immer dieselbe Richtung verfolgte und dabei auf den Eingang des Matador und damit auf den gesuchten Wetterschacht gestoßen!" John, Du bist zu sanguinisch! Die Geschichte mit der geraden Linie mag ein Zufall sein oder noch nicht einmal das: denn ganz sicher hättest Du irgendwo in dieser Richtung eine alte Silbergrubc gefunden, wenn Du nur weit genug ge- wandert wärest es gibt ja genug in Mexiko  !" Du bist ein ungläubiger Heide! Was soll ich noch mehr anführen, um Dich zu überzeugen? Also: Tobar hat sich auf meine Bemerkungen hin erinnert; er hat von seinem Vater gehört, daß zwanzig Jahre lang an diesen Gängen gearbeitet worden sei, und er weiß noch, daß er selbst als Maultierjunge oft genug seine Tiere durch den Berg von der Maria Carmen zum Matador getrieben hat!" Ich traue Deinem Tobar nicht: der Mann meint es nicht ehrlich mit uns; am liebsten wäre es ihm, unser ganzes Werk ginge zugrunde, und wir selbst kehrten dahin zurück, woher wir gekommen!" Du träumst! Der Mann ist uns treu ergeben. Doch ich habe noch stärkere Beweise. Ich bin nämlich gleich darauf nach Oaxaca   geritten zu unserem alten Roßkamm, der uns die Maria Carmen verkauft hat. Ich stelle nuch ganz härm- los und erkundigte mich bei ihni nach dem augenblicklichen Eigentümer des Matadors und der dahinter liegenden Per- tinencias, dessen Namen ich auch erfuhr. Und ganz beiläufig und unaufgefordert erzählte der Mann, daß die Stollen unserer Maria Carmen und des Matadors wenigstens vor- zeiten untereinander verbunden gewesen seien." Das klingt schon überzeugender," sagte ich.Allerdings die Phantasie ist groß bei diesen Leuten; ein jeder träunit von den Schätzen, die hier im Innern der Erde verborgen sein sollen, träumt von den gewaltigen Bauwerken, die verlassen sind; alte Ueberlieferungen werden durch ihr erfinderisches Hirn mit Legenden umrankt, so dicht, daß man nur in den seltensten Fällen noch zu erkennen vermag, was darunter liegt, was dahinter steckt. Vorsicht, große Vorsicht ist von- nöten, wenn man nicht bitter enttäuscht werden will!" Nun ja aber dazu ward uns ja wohl der Verstand, daß wir zu erkennen vermögen, was echt,>vas unecht ist: und wenn ich gegen Deinen Verstand nur halb soviel Mißtrauen hätte wie Du gegen den meinen, dann wären wir alle zu- sammen nicht weit gekommen!" Ich fühlte einen kleinen Mißton der Gereiztheit ans seinen Worten heraus, und ich ging deshalb nicht weiter in den Versuchen, meinem Mißtrauen Sicherheit zu schaffen. Wir gelangten auch bald darauf bei unserem Minenhause wieder an, und da trennten unS unsere verschiedenartigen Pflichten. » Seit sechzig Jahren hörte heute zum ersten Male wieder unser Berg das Donnern der Minen, die krachend die Erz- schichten aus seinen granitnen Rippen heraussprengten. Es war fürwahr ein Freuden- und Ehrensalut, den Stuart unserer stolzen Herrin Maria Carmen abfeuern ließ die Silbergrube hatte die produktive Arbeit wieder aufgenommen. Mir war es noch etwas Neues, so aus nächster Nähe die Explosionen mit anzuhören. Stuart hatte mir nämlich keine Ruhe gelassen: ich mußte ihn in den Berg folgen, uni den großen Augenblick mitzuerleben, wie er die erste Zündschnur ansteckte. Der ganze Berg schien wie unter einem fürchter- lichen Schnierze zu zittern, und aus allen Rissen und Klüften des Gebirges kam es wie ein Klagegeheul oder war es ein fürchterliches Lachen, eine Warnung und Drohung: niit mir wird keiner fertig: denkt daran, wie es euern Vorgängern erging; zugrunde sind sie mit all ihren Mühen an mir ge- gangen!?--- Doch fort mit diesen Spukgestalten! Stuart wird den Berg schon meistern! Meine Nerven sind eben etwas zu zart, um in Gemütsruhe das Donnern und Prasseln des Dynamits, das die unterirdischen Schluchten durchtobte, mit anhören zu können.(Forts, folgt.)