Mittwoch,

Br. 254.- 1915. Unterhaltungsblatt des Vorwärts 3. November.

Auf Horchposten.

Ein bei Opern verwundeter Berliner   Genoffe sendet uns folgende Schilderung: Walpurgisnacht im Schüßengraben! Durch die nahe Hede, die fich am Wege entlang zog, pfiff der Wind seine schaurige Melodie. Ich konnte nicht schlafen, soviel Mühe ich mir auch gab. Von 2 bis 3 Uhr nachts mußte ich mit noch einem Kameraden den Horchposten ablösen. In angenehmer" Erwartung deffen, was da kam, hatte ich also Zeit nachzudenken. Ein paar Stunden Ruhe und Untätig­keit, und man verfällt von selbst in Grübelei.

Der Horchposten, ein vorgeschobener Boften, dient zur unaus gesezten, scharfen Beobachtung der feindlichen Stellung während der Nacht. Er hat die Aufgabe, bei einem etwaigen Ueberrumpe­lungsversuch des Gegners, bei einem plöblichen Angriff, sofort den Graben zu alarmieren. Demgemäß lautete auch die bereits emp­fangene Instruktion:" Scharf nach vorn beobachten, feindliche Patrouillen durchlassen, nicht auf dieselben schießen. Bei Angriff des Feindes Alarmschuß in die Luft." Um dies wirksam durch führen zu können, ist der Horchpojten im Schuße der Dunkelheit bis in unmittelbare Nähe des feindlichen Grabens vorgeschoben. Also immerhin eine gefährliche Sache, wenn man hier überhaupt noch von besonderer Gefährlichkeit reben kann. In der vordersten Stellung ist überhaupt nichts ungefährlich.

Bekanntlich ist Furcht eine Eigenschaft, die dem Soldaten ab­geht. Aber ich konnte es nicht verhindern, daß ich mir allerhand Möglichkeiten ausmalte. Nachtangriffe find durchaus nichts Sel­tenes. Wie, wenn nun der Feind einen Angriff wagt? Dann fällt der unvermeidliche Alarmschuß und bringt binnen einigen Sekunden alles auf die Beine. Die Kugeln fliegen hinüber und herüber und wir liegen auf dem Schußfeld zwischen beiden Stellungen. An­genehme Aussichten! Fröstelnd widelte ich mich in dem provisorischen Unterstand fester in meine Wolldecke. Der Wind pfiff durch die Rigen und bei jedem Zuge aus meiner Pfeife verbreitete die Glut einen matt­rötlichen Schein um mich her.

uns in die Erde. Jeht nahmen wir die Beine in die Hand und sich eine völlige Umwandlung in ihm vollzogen. Er hat sie noch nie liefen im Sturmschritt, so weit es ging. Dann mußten wir ber- gegrüßt, und wenn er einen von ihnen kommen hört, geht er ihm balten, die größte Vorsicht war geboten. Wir befanden uns in un aus dem Wege, um ihn nicht sehen zu müssen. Muß irgend etwas mittelbarer Nähe unseres Postens und damit auch des Feindes. mit den deutschen Offizieren verhandelt werden, so geschieht dies Auf dem Boden friechend, möglichst geräuschlos, wie Indianer durch den Mund seines Dieners. Er kann durchaus nicht begreifen, pürschten wir uns heran und riefen die in einem Erdloche ſizenden daß man Einquartierung auch auf andere Weise behandeln Kameraden, die über die notdürftige Dedung hinweg die feindliche fann, und er wettert fortgesetzt gegen seine Bekannten, Stellung beobachteten, im Flüstertone an die sich ungezwungen mit den deutschen Soldaten unterhalten, und die sie als Freunde des Hauses betrachten."

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Wer da?" schallt es ebenso zurüd. " Ablösung!" lautete die Antwort.

Es ist gut," tönte es wieder.

Wir waren am Orte unserer Bestimmung. Leise, jedes un­nüze Geräusch vermeidend, ging die Ablösung vor sich. Ebenso zurüdfriechend, wie wir gekommen, entschianden die abgelösten Kameraden bald unseren Blicken. Wir waren allein in der grau­figen Einsamkeit.

Eine Stunde fann unter Umständen zur Gwigkeit werden, und einen Vorgeschmad der Ewigkeit habe ich in jener Nacht bekommen. Die Minuten kriechen und schleichen, fast scheint es, als stände das Rad der Weltgeschichte still. Vergebens müht fich das Auge in der Dunkelheit ab, das Bifferblatt der Uhr zu erkennen. Endlos lang dehnt sich die Stunde.

Streubels gibt seinem Freunde darin recht, daß man nicht not­wendigerweise mit den Deutschen   zu verkehren brauche, voraus­gesezt, daß man eine Begegnung vermeiden könne.

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Ein Ehepaar aus des Dichters Bekanntschaft, das ebenfalls in Kortrnt wohnt, ist nicht weniger deutschfeindlich gefinnt als jener bockige Belgier. Aber", so schreibt Streubels, obwohl die Leute Grund haben, den Eindringlingen nicht wohlgesinnt zu sein, da sie in diesem Kriege bereits einen Sohn verloren haben, so tamen sie doch dem deutschen Offizier, der mit seinent Burschen in ihrem Haufe einquartiert war, mit aller Hoch­achtung entgegen. Er wurde nicht nur als wirklicher Freund des Hauses behandelt, sondern er wurde es auch in der Tat. Jüngst kam der Befehl, durch den der Offizier an die Front ver­ In   solchen Situationen schlägt die erregte Phantaste wirre ſetzt wurde. Frau X. war es nicht mehr möglich, perfönlich von ihm Abschied zu nehmen. So ein guter, braver Mensch", wehklagte sie Burzelbäume. Harmlosen Gegenständen und Geräuschen mißt fie später, er hat mir soviel von seiner Frau und seinen Kindern er­Bedeutung bei, die sie nicht haben und umkleidet sie mit böser Ab­uns bestellt ist." So sind also die Menschen," philosophiert Stijn ficht und Gewalt. Ein einsam stehender Pfahl nimmt menschliche zählt, und er hat uns so gut nachfühlen können, wie es jetzt mit Gestalt an, bewegt sich, kommt näher, wächst ins Uebernatürliche. Streubels, mein Freund A. sieht in jedem Deutschen   den Feind; Das angeſtrengt lauschende Ohr vernimmt durch das Toben des Herr und Frau X. dagegen sehen in dem Feind zuerst den Menschen. Windes hindurch Laute, die das Blut in den Adern erstarren laſſen. Ich weiß nicht, wer recht hat. Ich schätze zwar die kernige Haltung It's eine indische Schleichpatrouille, sind's jene Gurkhas oder meines Freundes, meine Bewunderung aber gilt der Frau, die den Senegalneger, die im Halsabschneiden Meister sind? Die Hand umkrampft den Kolbenhals wie im Schraubftod. Der Wind war's eigenen Stummer zu unterbrüden vermag, um an dem Schicksal des mur, der in dem Buschwert raschelte. Allerhand mögliche und un- feindlichen Offiziers innigen Anteil zu nehmen." mögliche Geschichten fallen ein, allerlei verworrenes Beug. Und tie gebannt gleitet der Blick immer wieder nach vorn, von woher die Gefahr droht, wo in ziemlich furzer Entfernung der grinsende Tod lauert, zusammengepreßt in Tausenden von Rohren. Glücklich die, die den Krieg nur vom Hörensagen kennen, die nichts wissen von solcher nächtlicher Folter.

Walpurgisnacht! Der Wind fegte über die Felder, bog die Pappeln ächzend hin und her, und in den Trümmern eines nahen zerschossenen Hauses knarrte unheimlich eine jedenfalls unversehrt Gin Glück, daß ein Kamerad als Leidensgenosse mein Ge­gebliebene Tür. Wie rast die Windsbraut durch die Luft!" dachte ich mit Faust. Der ganze Herensabbat auf dem Blocksberg und Herentanzplatz wurde vor meinem geistigen Auge lebendig. Dort hin flogen sie wohl jetzt auf ihren Besenstielen und stinkigen Böcken, wo Mephisto inmitten seiner Getreuen thronte. Und ich sah selbst ihn, den alten geriffenen Gauner, in ehrlicher Bekümmernis sein Haupt schütteln ob des Treibens der Menschheit.

Im Gegensatz zu anderen Gelegenheiten verfloß die Beit er schreckend schnell. Dreiviertel Zwei eine Viertelstunde würden wir gebrauchen, um den Horchposten zu beseßen, wir mußten also fort, wollten wir pünktlich an Ort und Stelle sein. Mein Waffenbruder schlief. Er schlief so fanft, der Aermite. Wie Orgel ton klang sein Schnarchen. Ein Rippenstoß ließ ihn jäh in die Höhe fahren. " Was gibt's?" fragte er schlaftrunken und verstört. " Horchposten!" lautete meine turze, aber inhaltsschwere Ant­wort. Er begriff auf der Stelle, seine holden Traumgesichter ent­schwanden in das Nichts, die rauhe Wirklichkeit, die schwere Pflicht traten in ihr Recht. Ein paarmal noch schnappte er gähnend in die leere Luft, nahm das Gewehr von der Dedung und war fertig. Nun zogen wir los. Ein Stüd durch unseren Graben mußten mir, vorsichtig schreitend, um die auf dem Erdboden Schlafenden nicht zu weden. An der Hecke, die uns beim Vorgehen Schuß ge­währen sollte, mußten wir heraus. Doch bei aller Borsicht ließ sich's in der Dunkelheit nicht vermeiden, diesen und jenen anzustoßen. Aergerliches Brummen und im Halbschlaf ausgestoßene derbe Flüche, je nach dem Temperament des Betreffenden, tönten hinter uns her. Unsere Stimmung tonnten sie nicht mehr nachteilig be­einflussen.

An der bezeichneten Stelle überstiegen wir die Dedung. Nun standen wir auf freiem Gelände, schußlos dem Wüten des Windes preisgegeben. Gr fing fich in unseren Mänteln und plusterte sie auf. Mit dem Winde um die Wette laufend, stürmten wir hinter der schnurgeraden Hecke dahin. Da, einige zwanzig Meter mochten wir gelaufen sein, fuhr zischend eine Leuchtratete in die Luft. Tageshelle ergoß sich über die Landschaft. Zum Hinterfen blieb uns nicht Zeit, wie angewurzelt standen wir, still, unbeweglich, zu Salzsäulen erstarrt. Nicht einmal die Augenwimpern audten. Die geringste Bewegung fonnte uns das verderbenbringende Blei in die Rippen jagen. Gleich einer Fata morgana saben wir das Ge­lände vor uns mit seinen vom Sturm gepeitschten Bäumen. Dann empfing uns tiefe Dunkelheit. Surrend bohrte sich der noch immer glühende ausgebrannte Leuchtkörper in einiger Entfernung vor

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Die Hochzeit.

Von A. Kuprin  ( Schluß.)

,, Als gebildeter Mensch," sprach er, wissen Sie es ja felbit: es gibt nur einen Gott. Warum streiten dann die Menschen immerzu, wenn sie alle nur einen Gott haben? Es gibt verschiedene Religionen, aber es gibt nur einen Gott." Der Fähnrich sah den Alten eine Weile an, dann sagte er ganz unvermittelt mit furchtbarem Ernst: Euer Gott ist ein Popanz!"

18 Der Alte lächelte verlegen. Er wußte nicht recht, wie er die Worte des Betrunkenen auffassen sollte und tat so, als habe er sie gar nicht verstanden. " He, He, he Ja. Und die Bibel haben wir auch. von Moses   und Abraham und vom König David... ja... genau, wie bei Ihnen, ganz genau so..."

Scher Dich zum Henker!" knirschte der Fähnrich. Wer hat Christus gefreuzigt?!"

fährte war. Was einer nicht sieht, erspäht der andere; was einer glaubt bemerkt zu haben und befürchten zu müssen, zerstreut der andere. Das beruhigte. Und das Gefühl der Verantwortung für die Sicherheit der hinter uns liegenden Truppen flößte Mut und Sicherheit ein. Allmählich gewöhnte fich Ohr und Auge an das Brausen des Windes und das Dunkel der Nacht. Bon fernher unterschieden wie Pferdegetrappel und Wagengerassel, undeutlich, aber doch wahrnehmbar. Offenbar eine Munitionsfolonne, die Munition in die Artillerieſtellungen brachte.

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Zur Geschichte der Greuellügen.

Eine interessante Erinnerung, die für das Alter der Greuellügen von Bedeutung ist, frischte Dr. Hanauer in Frankfurt   a. M. in einem Vortrage: Historisches   der Kriegsmedizin in Frankfurt aM  ." auf. In den Revolutionskriegen wurde Frankfurt   a. M. 1792 voit den Franzosen besetzt. Die Befreiung der Stadt erfolgte durch die berbündeten Preußen und Hessen   am 2. Dezember 1792. Custine, der französische   Oberbefehlshaber, suchte sich wegen des Verlustes von Frankfurt   bei der französischen   Regierung damit zit entschuldigen, daß er die Frankfurter   Bürger antlagte, die Bürgerschaft habe sich nachts mit 10000 Meffern auf die Franzosen gestürzt und 300 davon umgebracht. Bum Beweis ſchickte er eines dieſer Wesser nach Paris  . Der Rat setzte darauf 1000 Louisdor Belohnung für denjenigen aus, der nachweisen Auch die Stunde berging, so endlos fie uns schien. Nichts Ver- tönnte, daß mit solchen Messern gegen die Franzosen vorgegangen dächtiges hatte sich gezeigt. Wir wurden abgelöst und zogen ebenso worden sei, es meldete sich jedoch niemand. Man sieht, die Lügen still und lautlos, wie wir gefommen waren, ab. Bald waren wir über die deutsche Barbarei besigen ein recht ehrwürdiges Alter. in unserem Graben, und mit einem brunnentiefen Aufatmen wie stand es aber in Wahrheit mit der Behandlung der Feinde? fauerte ich mich in meinen Unterstand und zog meine Wolldecke Es wird von allen Autoren berichtet, daß über die Ohren. Jetzt war ich so entsehlich müde. als die Befreiung Walpurgisnacht im Schüßengraben! Im stillen aber dankte kam, sich in Mitleid mit den französischen   Soldaten ver­Bewohner gegen die früheren Eindringlinge, bisherige Haß der ich meinem Schicksal für den Aufruhr der Naturgewalt. In mond  - wandelte. Um sie der Wut ihrer Verfolger zu entreißen, heller Nacht, bei flarer Witterung, wer weiß, ob's da jo abge- rettete man sie mit eigener Lebensgefahr und berbarg gangen wäre. O. M. sie im Hause. So sind einige Hundert französische Sol baten gerettet worden; im Sachsenhause erlag nur ein französischer Soldat den Streichen der Eroberer. Und Darmstädter   berichtet in seinem Buche: Das Großherzogtum Frankfurt   a. M., das trotz der großen Erbitterung gegen die Franzosen von allen Seiten anerkannt wurde, daß die Einwohner den zahlreichen Verwundeten und Kranken gegenüber sich einer musterhaften Haltung befleißigten und sie viel fach mit Hintansegung der eigenen Gesundheit pflegten. Nicht wenige Bürger sind bei der Pflege der Typhustranten Opfer ihrer Pflicht­erfüllung geworden.

Kleines Feuilleton.

Stijn Streuvels   über seine Landsleute.

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DISONotizen.

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Der befannte flämische Novellendichter Stijn Streubels, der während des Krieges mit einem Kriegstagebuch hervorgetreten ist, das ihn bei seinen Landsleuten in den Verdacht gebracht hat, er habe sein Vaterland verraten wollen, setzt jest in Elseviers geillustreerd Maandschrift" dieses Tagebuch fort. Er erzählt. wie er eines Tages mit seinem Freunde, dem Maler Viérin, nach Kortryk zu Bekannten gefahren sei. Theaterchronit. Jm Schiller Theater O findet Man wird nie lug aus den Wand- heute Mittwoch abend 8 Uhr die erste Aufführung von Ernst Hardis lungen der menschlichen Charaktere", so flagt Streuvels in seinen Scherzspiel Schirin und Gertraude" statt. Ausführungen, der Ueberraschungen ist kein Ende. In friedlichen Beiten mögen sie ja wohl etwas folgerichtiger sein. Nun ihnen aber Vorträge. Sonntag, den 7. November, mittags infolge der fürchterlichen Ereignisse jeder Halt verloren gegangen 12 Uhr, sprechen im Zuschauerraum des Theaters am Bülowplay ist, weiß man bei seinen besten Freunden nicht mehr, in welcher Dr Mar Deri über die Architektur des Volfsbühnenhauses" geistigen Verfassung man sie antreffen wird. So ging es und K. E. Osthaus  ( Hagen   i. W.) im Anschluß an die kunst­mir auch mit meinem Bekannten in Kortryl. Ich fannte gewerbliche Ausstellung im Oberring über den Kampf um den ihn immer nur als einen sanftmütigen Menschen, der niemand eine Stil". Karten zu 25 Pf. bei Tiek, in der Boltsbühnenbuchhand­Bitte abschlagen konnte und allen nachgab. Seit aber vor einigen lung, Köpenicker Straße 68, in der Geschäftsstelle Linienstr. 227 Wochen deutsche Offiziere in seinem Hause untergebracht sind, hat und allen Zahlstellen der Volksbühne.

Hinweg, Kröte!" schrie der Fähnrich. Ich zerhaue Dir

Er holte gewaltig aus, doch Mittewitsch sprang recht­zeitig zur Seite und der Fähnrich wäre beinahe umgefallen, stände nicht zufällig ein Tisch in der Nähe, an dem er sich festhielt.

Man flatschte Beifall. Der Sänger begann aufs neue.[ Sept brachte der Vater des Bräutigams einige Silberstücke die Visage!" und legte dazu noch ein Päckchen Banknoten. Und so taten einer nach dem anderen, alle, die eingeladen waren, von den Ehrengästen und den nächsten Verwandten angefangen. Auf diese Weise wurde die Aussteuer des jungen Paares zu ſammengebracht. Am Rande des Tisches saß ein junger leb­hafter Mann und notierte die Gaben fein säuberlich in ein Kleines Büchlein.

Sloskin hatte eine Weile stumm zugeschaut, dann drängte er fich plötzlich vor, faßte den Schreiber an der Schulter und rief mit heiserer Stimme:

Was soll hier diese Schweinerei?"

Er hielt sich kaum noch auf den Beinen, wippte von den Zehenspizen auf die Absätze, streckte bald den Leib vor, bald fnidte er mit dem ganzen Körper zusammen. Seine Lider waren schwer geworden und bedeckten trübe, gespannt drein­blickende Augen.

Alle verstummten plötzlich. Aller Augen wandten sich ängstlich und zugleich drohend dem Fähnrich zu, und das erregte ihn noch mehr.

Ein roter heißer Nebel wallte plötzlich vor seinen Augen und verhüllte alles um ihn.

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Räsonieren wollt Ihr noch?" schrie er wütend. Ihr wollt noch räsonieren?! Christenverräter! Gleich hole ich Soldaten aus der Kaserne, die sollen Euch in Stücke hauen! Ich massafriere Euch!" brüllte er plößlich wie besessen und riß den Säbel aus der Scheide. Die Frauen kreischten auf und retteten sich ins Nebenzimmer.

An Sloskins Arme hing aber schon im nächsten Augen­blicke der Bataillonslieferant Drisner und gleichzeitig ergriff ihn von hinten um die Schulter der Lastenführer Joska Schapiro, ein Mann von ungewöhnlicher physischer Stärke. Der Fähnrich tobte in ihren Händen wie ein Rasender, seine Uniform und sein Hemd waren zerrissen. Jemand entriß ihm den Säbel und zerbrach ihn auf der Stelle, ein anderer riß ihm die Schulterstücke von der Uniform.

Der Alte verstummite und zog sich ängstlich zurüd. In Was weiter geschah, wußte Sloskin nicht. Er wußte Sloskins Innerem aber häufte fich blinde Wut. Er empfand nicht, daß der herbeigeeilte Kapitän Butwilowitsch mit zwei einen instinktiven Haß gegen diese, ihm fremde, harmonische, Soldaten erschienen war, wußte nicht, wie er, besinnungslos, friedliche, fast kindliche Fröhlichkeit, wie sie nur Juden bei" Judenpack!" brüllte er wie besessen. Einen Krämer- nach Hause gebracht wurde, und wußte natürlich auch nicht. ihren Festen zu entwickeln verstehen. Der Jahrhunderte alte, laden wollt Ihr hier einrichten? Na, wartet, Gesindel! Wer daß sein Bursche, nachdem er den Fähnrich ins Bett gebracht durch Sitte und Religion geheiligte Kitt, der diese Leute zu- hat Jesus Christus  , unseren Heiland, gekreuzigt?! Ich will hatte, mit haßerfüllten Bliden sein Gesicht anstarrte und fammenhielt, erfüllte seine zerfahrene, berfrüppelte, fleinliche Euch zeigen, wo der Pfeffer wächst! Ich will Euch lehren, wiederholt grimmig zum Schlage ausholte. Zur Tat fand Natur eines mißratenen Bopen mit instinktivem Neid und Mazze mit Christenblut zu bereiten! Diesmal sollen nicht jedoch der Bursche den Mut nicht. mit Feindseligkeit. Shn ärgerte die unnahbare, ihm unbe- bloß Federn aus Euren Betten fliegen, die Leiber werden greifliche, grelle Schönheit der jüdischen Frauen und die hier wir Euch aufschlitzen! Blutsauger, verdammte! Ganz Ruß­so unabhängige Art in der Haltung der Männer, der land habt Ihr ausgesaugt und wollt jetzt noch unser Vaterland selben Männer, die er sonst in den Straßen, auf den Markt- verschachern?!" plägen und in ihren Läden so demütig und so friecherisch zu sehen gewohnt war. Und je betrunkener er wurde, desto stärker blähten sich seine Nüster, desto fester biß er die Zähne zusammen und ballte seine großen Fäuste.

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Nach dem Mahle wurden die Tische geräumt. Ein Mann im langen Kaftan sprang sodann auf einen der Tische und begann in langgezogenen Tönen etwas jüdisch zu fingen. Als er endete, stellte der weißhaarige, vom Mahle gerötete, präch­tige alte Epstein eine silberne Base und einen schönen, sieben armigen silbernen Leuchter auf den Tisch.

" Was erlauben Sie sich?" rief eine junge unsichere Stimme aus dem Hintergrunde.

,, Sie sind im fremden Hause und dürfen hier nicht stan­dalieren!" rief eine andere.

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" Das will ein Offizier sein... 1" " Herr Slostin! Herr Sloskin! Ich bitte Sie... ich bitte Sie dringend Der Postbeamte hielt den Fähnrich am Arme fest und suchte ihn zu beruhigen. Lassen Sie doch das. Pfeifen Sie darauf. Es lohnt sich ja nicht, fich deswegen aufzuregen."

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Schon am nächsten Tage von seinem Vorgesetzten, dem, nebenbei, auch für die Folgen bangte, gehörig verdonnert, lief Slostin von Epstein zu Friedmann, von diesem zu Dris­ner, von Drisner zu Mittewitsch und bat alle flehentlich, über das Geschehene zu schweigen. Es fostete viel Demüti­gung, ehe es ihm gelang, die Embleme der Offiziersehre, die Epauletten und den zerbrochenen Degen, zurückzuerhalten.

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Dann schloß er sich in seinem Zimmer ein und blieb den ganzen Tag unsichtbar; er schämte sich sogar, seinem Burschen ins Gesicht zu sehen. Und spät in der Nacht, von Kapen­jammer, Angst und Demütigung gepeinigt, betete er zum Heiligenbilde der Muttergottes von Tschernigow  , das an einem rosa Bändchen über seinem Bette hing, schlug inbrünstig das heilige Zeichen des Kreuzes und weinte bitterlich.