Nr. 269.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sontag, 21. November.

Totensonntag.

Viele werden hin zum Friedhof geh'n und mit zärtlichsanften Händen Blumen spenden

Denen, die niemals mehr Blüten seh'n.

Seine Hügel schmücken will der Schmerz, sucht die stille Totenstätte, daß er Liebe zu der Asche bette. Opfern muß das trauervolle Herz.

Opfern muß, wen ein Erinnern neigt. Will es halten,

was zerfloß in nebligen Gestalten und sich wieder nur am Grabe zeigt. Viele, viele möchten heut mit vollen Seelen Trauerkränze winden... Shots V Werden doch das Grab nicht finden und nicht wissen, wo sie opfern sollen. Ernst Preczang.

Wie die Völker ihre Toten ehren. Totenjonntag! Das triste Grau des Novembermonats ver­

hüllt die sterbende Natur und mahnt gebieterisch an den Tod; ver­wesende Blumen und Blätter predigen ein eindringliches memento mori   und lenken unsere Gedanken auf die Vergänglichkeit alles Irdischen. Es ist die Zeit, da wir nach alter, frommer Sitte die Gräber unserer Angehörigen aufsuchen und ihr Grab in eine blühende Ruhestatt verwandeln. Mit besonderer Innigkeit ge­denken wir in diesem Jahre der teuren Heimgegangenen, die auf den Schlachtfeldern ihren Tod gefunden haben und in fremder Erde, fern von der Heimat, bestattet sind.

dt.

Ein ähnlicher Brauch herrschte bereits bei den alten Jndern. Auf prellten Liebhaberanwärters. Er erhöhte die Komik durch eine dem Grabe wurden drei kleine Gruben ausgehoben, in die der fein abgemessene Diskretion, schuf aus den losen Bruchstücken des Opfernde Speise niederlegte. Dabei sprach er eine Formel, nach Tertes eine beinah überzeugende humoristische Charakterfigur. der die Dahingeschiedenen ihren Teil von dem Totenopfer nehmen Die Dame, die sich aus einem Auszug aller denkbaren weiblichen sollten. Glaubte er, daß die Geister ihre Mahlzeit beendet hätten, Launen und Unausstehlichkeiten zusammensetzt, gab Ida Wüst  so schüttelte er seinen Mantel, damit kein Geist in diesen Falten mit der ihr eigenen pikanten Drolerie. Der Berfasser konnte zurückbleiben sollte. Dabei murmelte der Opfernde ebenfalls eine mehrmals erscheinen. Beschwörungsformel, in der die Geister gebeten wurden, nach Mondesfrist wiederzukehren, um ein neues Opfer entgegenzu­Eiweißerzeugung aus Hefe. nehmen. Auch das im heidnischen Rom   gefeierte Laren und Ueber einen der größten Erfolge der deutschen Technik, die Lemurenfest gemahnt an diese Sitte, bei dem man Totenspeisen Massenerzeugung von Eiweiß durch Hefe, berichtete in der Poly­auftrug, weil nach dem Glauben des Volkes an diesem Tag die technischen Gesellschaft Dr. Friz Hayduck vom Institut für Unterwelt offen stand, und die Toten in Scharen ihre alte Be- Gärungsgewerbe. Ueber die allgemeine Bedeutung des Ver­hausung aufsuchten. Ebensolche Sitten waren bei den alten Ber- fahrens ist kein Wort zu verlieren. Auch der Stickstoff, der als fern und Griechen in Uebung. Die Japaner kennen noch heute die Düngemittel dem Acker zugeführt wird, verwandelt sich in Eiweiß, Sitte des Totenopfer, das sie mit ihrem Sinn für heitere Lebens- das der menschlichen oder tierischen Ernährung dient, allein der funst recht eigenartig zu feiern wissen. Lafcadie Hearn hat die Feier Erfolg hängt ab von der Gunst des Wettergottes, und zwischen beschrieben, die man im Lande der aufgehenden Sonne das" La- Saat und Ernte liegt ein Jahr. Bei dem Verfahren, das ternenfest zum Gedächtnis der Toten" nennt. Drei Tage lang Dr. Hayduck schilderte, tritt der Erfolg sicher ein, und an Zeit dauert dieses Fest. Am Abend des ersten Tages erstrahlt das Land vergehen 5-7 Stunden. Eine bestimmte Heferasse, die ihre ganze in allen Städten und bis tief hinein in die entlegensten Gebiete Lebenskraft der eigenen Fortpflanzung und nicht der Erzeugung im Glanze unzähliger Lichter und Laternen. Kein Haus, das nicht von Alkohol widmet, wird in ein Gefäß eingesät, das mit Me­diesen leuchtenden Schmuck trüge; niemand, der so arm wäre, um laffe gefüllt ist und die nötigen Nährsalze enthält; in wenigen sich an diesem Feste von der Sitte auszuschließen. Denn diese Stunden hat sich die Hefe vervielfältigt, hat neue Bellen in Flämmchen, so heiter und freudig fie inmitten der bunten japani- großer Zahl geschaffen, die bis 50 Proz. Eiweiß in der Trocken­schen Welt wirken, sollen dazu dienen, den Seelen den Weg zu substanz enthalten. Der Ausdruck Gärgefäß führt leicht zu falschen ihrem alten Heim zu zeigen. Die Lichter sollen den Verstorbenen Vorstellungen; man denkt besser an ein städtisches Schwimmbad, künden, daß sie erwartet werden und willkommen sind; und so be- in dem ein Mensch ganz gut ertrinken kann. In solch großen reitet man Speisen für die Toten, jedoch keine Fleischspeisen, weil Abmessungen arbeitet das neue Verfahren; mit Hilfe des Staates die Toten nach der Meinung des Volkes diese verschmähen würden. werden in kurzer Zeit Betriebe im Gange sein, die 15 000 Tonnen Geht das Fest seinem Ende entgegen, so nimmt man an, die Seelen erzeugen werden. Aber nicht nur in der Kriegszeit soll das Ver­seien nun gesättigt, und man verübt im Hause einen Bolterabend- fahren wirken, es gilt auch, in Friedenszeiten große Mengen an lärm, um den unsichtbaren Besuchern damit anzudeuten, daß nun- Futtereiweiß zu ersehen, die bisher aus dem Ausland eingeführt mehr die Zeit des Aufbruchs für sie gekommen jei. Dann werden werden mußten. Etwa 300 000 Tonnen Trockenhefe werden dazu die Lichter wieder angezündet, um den fortziehenden Seelen auf erforderlich sein, und die Erzeugung solcher Mengen liegt durch­den Weg zu leuchten. China  , dessen Kultur ja weitaus älter ist aus wirtschaftlicher

als die japaniſche, kennt einen ähnlichen Brauch, per aber, weil es im Bereiche tutti afficher Müaliteiten. Das Verfahren

älter, einfacher ist. Zweimal im Jahre begibt sich da jede Familie Was Wunder, wenn man, wie dies Dr. Hayduck tat, Blicke in nach den Gräbern der verstorbenen Verwandten, wo man Speisen die Zukunft sendet, um nach neuen Ausgangsstoffen auszuschauen. aller Art niederseht. Aber nicht genug damit, daß man auf diese Der Bellstoff, das Holz, müßte sich auf diesem Wege in Eiweiß Weise die Toten bewirtet, man will ihnen auch die Mittel gewähren, umwandeln lassen. Nun ist es schon heute durch allerdings recht daß sie auf eigene Hand das festliche Leben fortsetzen können. Bu fräftige chemische Eingriffe möglich, Holz in Zucker zu verwandeln. diesem Zweck werden am Grabe kleine Bettel verbrannt, die Geld- Aber die Natur müßte und kann hier Lehrmeister sein. Es gibt scheine vorstellen sollen. Man glaubt, durch die Zeremonie des Kleinlebewesen, die aus dem Zellstoff ihren Leib aufbauen. Wenn brennenden Papiers den Toten die Scheine zu übergeben, mit denen im Herbst die Blätter fallen, dann verrichten diese Mikroorganismen sie sich nach den naiven Vorstellungen der Chinesen Kleider und ihre Arbeit, bringen die Blätter zum Verschwinden. Die bio­Speisen kaufen sollen. Togische Umwandlung des Zellstoffs in Eiweiß erscheint Dr. Hayduck mit Recht als das anzustrebende Ziel. Wenn dereinst der im Papier des Abendblattes enthaltene Bellstoff bereits als Eiweiß auf dem Frühstückstisch stehen wird, so meinte Dr. Haydud zwar scherzhaft, aber doch ernst, dann wird eines der größten Probleme des Jahrhunderts gelöst sein. Notizen.

Kleines Feuilleton.

Komödienhaus: Die rätselhafte Frau.

-

-

Schon in ältester, vorchristlicher Zeit pflegten sich die Ver­wandten und Freunde eines Toten alljährlich zur Gedächtnisfeier in stillem Gebet zu versammeln. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich dieser Brauch auch bei den christlichen Völkern eingebürgert. So findet denn, etwa vom Jahr 1000 an, am 2. November in der katholischen Kirche   eine feierliche Totenmesse statt. Die pro­testantische Kirche dagegen feiert das Totenfest am leßten Sonn­tag des Kirchenjahres, an dem gleichfalls zu Ehren der Toten Robert Reinert   wandelt in den Spuren des Pariser Gottesdienst gehalten wird. Jeder aber, der das Grab eines Schwantes und bringt es in dem dritten Akte, was den Wirrwarr Musikchronit. Am Totensonntag veranstaltet das Rieben zu pflegen hat, pilgert mit Kränzen und Blumen auf den von Unmöglichkeiten anlangt, sogar zu einer Art Rekord. Der Blüthner- Orchester im Blüthnersaal einen Brahms Gottesacker. Bei den nordischen Völkern diente das heidnische erste Gatte, der durch eine Nasenoperation den Mängeln seiner Abend unter Mitwirkung von Prof. Waldemar Meher( Violine), Julfest ursprünglich dem Gedächtnis der Abgeschiedenen. Es steht früheren Gefichtsarchitektur abgeholfen hat, entzündet seine ge- Anton Sistermans  ( Bariton), Friz Becker( Cello), Hans Luedtke indes nicht mehr mit Sicherheit fest, wann diese Erinnerung an die schiedene, jetzt einen zweiten Gheherrn beglückende Gemahlin bei( Orgel), Direktor Paul Scheinpflug  . Toten gefeiert wurde; aller Wahrscheinlichkeit nach um die Mitte einem Besuch derart, daß sie, entschlossen mit ihm durchzugehen, Vorträge. Wilhelm Bölsche   hält am 25. November des Januar. Mit diesem Fest, das wohl auch ursprünglich schon dem zweiten einen Abschiedsbrief schreibt und nur noch auf das in der Singakademie einen Vortrag mit Lichtbildern über das Thema: der Feier der Sonnenwende diente, wurde das Totenopfer ver- Tuten des bestellten Autos wartet. Indes der Brief gerät so Stampf, Heldentum und Waffe in der Natur". Im Institut bunden, durch das die skandinavischen Völker die Geister der Ab- gut, daß ihr die Tränen in die Augen treten und in dieser für Meeresfunde spricht Dienstag, den 23. November, Dr. R. geschiedenen erfreuen wollten. Als das Christentum eingeführt Rührung ihrer schönen Seele erscheint ihr plötzlich das Bild Hennig über brahtlosen Nachrichtendienst für Deutschland  ", Freis wurde, erfolgte auch in Standinavien die Trennung des Julfestes, des Adressaten in einem milderen Licht. Am Ende war er, trot tag: Prof. Flamm über die Lufitania". In der Irania spricht des Weihnachtsfestes, von dem Gedenktag an die Toten. Aber ein seiner Weigerung, sie heute in die Oper zu begleiten, doch kein am Montag, den 22. November, abends 8 Uhr, Prof. Kaßner über Tester Rest der uralten heidnischen Feier hat sich in Schweden   und so hoffnungslos verhärteter Barbar. Und als obendrein der an- Bulgarien  , Land und Leute" unter Vorführung zahlreicher Licht­Norwegen noch bis auf den heutigen Tag erhalten. In der gestammte Gigerl- Hausfreund, ein aus der ersten Ghe in die bilder. Am Mittwoch spricht Prof. Euden über den deutschen Idea Weihnachtszeit stellt der Bauer nachts eine Schüssel mit Brei auf zweite miteingebrachtes Inventar, bereit, wenn's sein muß, mit lismus und die Aufgaben der Gegenwart". die Schwelle des Hofes, die den Haus- und Poltergeistern zugedacht ihr zu Nummero Eins zurückzukehren, ihr die Möglichkeiten ausmalt, Der Arbeitersänger im Felde. Ein Mitglied der ist. Diese Hausgeister, die im skandinavischen Boltsglauben noch die veredelte Nase könne doch wieder in ihr früheres Format berichte- Georginia" schreibt nach der Deutschen   Arbeiter- Sänger­heute eine große Rolle spielen, haben eine gewisse innere Verwandt- fallen, ist der Zauberbann gebrochen. Der augenblickliche Gatte, zeitung" aus dem Often an seine Sangesbrüder: schaft mit unseren stets hilfsbereiten deutschen Heinzelmännchen. der seine Auflehnung bereits bereut, und die Gefahr nicht ahnend, Besten Dant für die Liebesgaben und das Programm vom Aus dem Umstand, daß man im europäischen   Norden den Familien- im richtigen Momente eintritt, erscheint ihr nun entschieden letzten Konzert. Als ich all die herrlichen Lieder las, welche Ihr geistern Speise und Trank vorsett, geht hervor, daß man in ihnen als das mindere Uebel. Je lauter draußen die Hupe brüllt, je gejungen, ergriff mich eine mächtige Sehnsucht, und ich habe mich feine Naturgeister sieht, sondern daß man sie für ehemals mensch eifriger ergießen ihre Zärtlichkeiten sich auf das Haupt des eine Stunde in mein Zelt verfrochen und der vergangenen Zeiten liche Wesen hält, die zu gewissen Zeiten ihr wohlvertrautes altes Braven. Und der verdußte Hausfreund, der sich den Effekt seiner gedacht. Man wird hier gewiß nicht verweichlicht, doch manchmal, Heim aufsuchen und dort wie zu Lebzeiten Nahrung erwarten. Warnung so ganz anders dachte, wird zum Lohn für seine Treue bei Nachrichten aus Freundeskreisen, da packt es ans Herz. Doch Auf den gleichen Glauben an die Wiederkehr der Toten zum mit Spott und Hohn zur Tür hinausfomplimentiert. Die Purzel gibt es auch hier gemütliche Abende, d. H. wenn wir in Reserve Totenfest ist auch die russische Sitte zurückzuführen, nach der am bäume dieses Schlußakts entschieden den Erfolg. Tiegen. Zwei Mann von uns haben eine Geige und ein dritter Allerfeelentag Speise und Trant auf die Gräber gesezt werden. Glänzend war Eugen Burg   in der Rolle des allzeit ge- leine Mandoline, da wird mufiziert und manch Liedlein gesungen. diesem Leben zu scheiden. Außer ihr befanden sich noch zwei Der Mann erfüllte ihren Wunsch; der Arzt verabschiedete Männer im Zimmer. Der eine war der Arzt, ein richtiger sich. Dann begleitete ihn Lars Larsen hinaus, um ihm die Herr mit Kneifer und schwarzem Rock, der andere Lars Larsen, Treppe hinabzuleuchten. Als sie an dem schlafenden Mann der Mann der Sterbenden. in der Küche vorbeikamen, wendete sich der Doktor an den Bauern.

Die Schicksalsmaus.

Eine Erzählung von Tieren und Menschen. 9] Von Harald Tandrup.

Sein Rock hatte sicher ursprünglich einem Manne gehört, der kleiner und dünner als sein jebiger Eigentümer gewesen war, obgleich auch dieser einem schlanken Jüngling glich. Auf diese Weise sah man dort, wo die beiden Rockteile über der Brust zusammenstoßen sollten, einen Zwischenraum von fast fünf Zentimetern, der ein ziemlich schmutzig graues Hemd freiließ. Da es unmöglich war, den Rock auf gewöhnliche Weise zuzuknöpfen, hatte der Mann eine Art verlängerter Knopflöcher erfunden, die er durch Bindfadenschlingen, in den richtigen Knopflöchern befestigt, hergestellt hatte. Der Rock bekam dadurch eine leise Aehnlichkeit mit einer Husaren­jade. Die Beinkleider hielten sich in ehrerbietiger Ent­fernung von den ausgetretenen Stiefeln.

-

Dem Aussehen nach mußte der Mann alt sein. Allein es waren auch wieder Züge in seinem Gesicht, die an ein Kind erinnerten; es hatte die scharfen Linien eines Denkers, gemildert von der Sanftheit eines Apostels und zugleich die Würde eines Bischofs. Er glich einem Fürsten aus dem Reich des Geistes, doch verkleidet und in der Berbannung- sein Haar war so trocken und gelb wie die Flachsperücken auf Buppenköpfen; es hing in langen Strähnen über den schmieri­gen Rodfragen hinab.

Er hatte ein gutmütiges, glattrasiertes Gesicht mit einem großen Mund, mächtigen Kinnbacken und kleinen Augen mit bielen Falten ringsum, Augen, die von Natur aus dazu be­stimmt gewesen waren, gemütlich zu blinzeln, was sie aber mit der Zeit vollständig verlernt hatten.

Die Luft in dem schwarzen Schaf hatte noch nicht die lebhaften Farben seiner Wangen bleichen können. Er glich einem braven Bauern aus der Gegend von Frederiksborg, furzstämmig, breit und ein wenig frummbeinig.

Auf dem Tisch stand eine Lampe, die ganz schwach brannte. Ungeduldig wendete sich der Arzt an Lars Larsen und fragte: ,, Könnten Sie die Lampe nicht etwas höher schrauben?" gleich zu dem früheren Halbdunkel blendend erschien. Es geschah, und sie strahlte ein Licht aus, das im Ver­Das laß ich mir eher gefallen," sagte der Arzt. " Du lieber Gott, Doktor," ertönte es flagend vom Bett Sie denken natürlich nicht daran, was so ein Aas an Petroleum   verschluckt."

her.

Ohne etwas zu erwidern, beugte sich der Arzt über die Kranke und untersuchte sie.

"

, Glauben Sie, daß ich es überstehe?" fragte die Sterbende. " Wir wollen das Beste hoffen," antwortete er, aber der Ton flang nicht überzeugt.

Wenn man sich den größten Teil seines Lebens so ab­geradert hat wie ich, und es jetzt auf seine alten Tage ein wenig gut bekäme, will man ungern fort," erklärte sie.

Das versteht sich," erwiderte der Arzt. Aber so weit ist es ja noch nicht."

Trotz alledem lag ein Ausdruck unerschütterlichen Frie­dens und seelischen Gleichgewichtes auf dem Gesicht des Mannes, während er so dünn gekleidet dasaß und im Schlaf, mochte es nun aus Kälte oder aus irgendeinem anderen Un­behagen sein, hier und da zusammenschauerte. Selbst als der Die Kranke lag in einem wahren Berg von Bettstücken. Tod borbeiging, lächelte er wie in einem schönen Traum. Man sah nichts als ihr Gesicht und ihren spiken Kopf mit Dieser unheimliche Gast saß jetzt mit seiner ernstesten dem dünnen, zurückgestrichenen, weißen Haar. Ihre Nase Amtsmiene auf dem Rand eines Bettes, das im Neben- war schmal wie eine Messerklinge; ihre Augen lagen tief in zimmer stand. den Höhlen wie zwei matte Glaskugeln, die sich in bauschigen Hautfalten verbargen.

Der Raum erinnerte an Schneider Blombergs Werkstatt, vielleicht ein bißchen besser erhalten und vollgepfropft mit plumpen, rot bemalten Möbeln. Das Bett schien zu groß zu sein, die Kissen waren zu schwer, aus dem Strohsack schauten die Halme heraus. Man sah sofort, daß dieser Hausrat seine beste Beit in ländlicher Umgebung gedient hatte.

Eine Frau, die in dem Bette lag, stand im Begriff, aus

Langsam zog der Arzt seine Handschuhe an und griff dann nach seinem Hut. Lars Larsen stand bescheiden hinter ihm und faltete in der Untätigkeit die Hände.

Jezt könntest Du gewiß die Lampe wieder kleiner schraubenn, Lars," jammerte die Frau aus den Kissen hervor. Ich finde, sie tut den Augen weh."

-

"

-

Was ist denn das für ein Mensch?" fragte er und setzte seinen Kneifer fester, um sich zu überzeugen, ob das, was er sah, auch wirklich ein Mensch sei.

"

,, Er heißt Christensen," antwortete Lars Larsen, und hilft uns wachen."

Und wovon lebt er? Nachtwachen sind doch kaum sein Beruf."

,, Das weiß ich nicht, Herr Doktor. Er nennt sich Philo­soph; ich denke mir, er bettelt auf eine feinere Art. Tags­über fibt er in Lesezimmern oder Bibliotheken und wärmt sich."

,, Also gewissermaßen ein Original," bemerkte der Arzt, während er die Hand auf die Türklinke legte. Lars Larsen stand in abwartender Haltung daneben, bereit, sein Licht leuchten zu lassen.

Noch einmal wendete sich der Arzt nach ihm um und ,, Und woher stammen Sie?"

fragte:

"

Aus Svogerslev," gab Lars Larsen zur Antwort. Sie sind wohl Landarbeiter gewesen?"

" Gott   behüte! Wir hatten einen großen Hof." ,, Nein, wirklich?" sagte der Arzt teilnehmend. Ja, es

sind schlechte Zeiten für den Landmann."

,,, man kann nicht klagen. Wir verkauften ganz gut." " Ja, sind Sie denn nicht arm?"

"

Was denken Sie! Das wäre noch schöner," rief Larsen gekränkt. Wir haben den Hof nur aufgegeben, weil wir dachten, wir hätten genug, um das Leben zu genießen, wie die Mutter sagt."

Das Leben genießen!" wiederholte der Arzt entsetzt. Sier im schwarzen Schaf? So etwas Verrücktes hab' ich noch nie gehört. War Ihre Frau schon krank, als Sie her­kamen?" " Ja, wissen Sie, Herr Doktor wenn ich ganz aufrichtig sein soll, so glaube ich, sie gab den Hof weg, weil ihr die Ar­beit zuviel wurde. Sie konnte die Leute zuletzt nicht mehr recht in Zucht halten."

-

Aber haben Sie denn gar nicht bedacht, daß es der reinste Selbstmord für eine Stranke sein müsse, sich in diesem alten Kasten niederzulassen?" ( Forts. folgt.)