Nr. 36.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Sonnabend, 13. Febrnar. Zur Kulturgesthichte öes Srotes. Von Dr. Johannes Kleinpaul. Unser wichtigstes Volksernährungsmitlel ist das Brot. ES ist so wichtig, daß wir mit dem Worte Brot ort. ja wokl meist, etwas gan, anderes bezeichnen:Unser tägliches Brot," das ist der In- begriff unseres Lebensunterhaltes, ja, das Leben selbst. In diesem Sinne sagen wir auch.ein schwere-Z Brot," denn es ist nicht leicht. .sich sein Brot zu tierdienen." Viel Schweiß gehört dazu, und auch noch drückende VertffNchtungen sind damit verbunden. Daraus geht das alte Sprichwon:.Wetz' Brot ich schling', deß' Lied ich sing'." Nicht ieder findet sichsingend" damit ab. Wer darüber alt und schwach wird, und dann zuletzt gar nicht mehr kann, der ißt wohl .das Gnadenbrot". Und dann wird ihm, wenn sein letztes Stund- lein schlägt, auchsein letztes Brot gebacken." Wenn wir nicht in solch übertragenem, bildhaften Sinne sprechen, sondern wirklich vom Brote selbst reden, dann nennen wir esdas liebe Brot". Unsere Ahnen küßten die Brotkrume, die vom Tische gefallen war, und über ihrem Eßtische hatten sie früher immer einen Korb schweben, zur Aufnahme der Brotreste, die bei den Mahlzeiten übrig blieben. Denn Brotrinden oder Krumen achtlos zu vergeuden oder mit Brotkügelchen zu spielen, galt als eine schwere Versündigung gegen die hohe Gollesgabe, und wer sich dagegen verging, den erreichte dafür, früher oder später, sicher die gerechte Strafe. Und wie es denn leicht geschieht, wurden schließlich sogar die Strafen selbst im Brote angedeutet. Edelleuten. die sich vergangen hatten, wurde das Tischtuch entzwei geschnitten und das Brot verkehrt gelegt. Eine Hinrichtung verzeichnete ein alter Chronist mit den Worten:einen vom Brote tun", weil er selbst einemvom Brore half", das heißt umbrachte. Dagegen war es Ktndbeitermnen versiattet. zu jedermann zu schicken, daß er ihnen Brot und Wein zur Stärkung gäbe, und wo es jemand nicht herausrückte, durften sie es sich selber nehmen;doch sollten sie so- viel gekds, als darum gehört, oder gute pfände, uf das vaß legen und liegen lassen", damit es zu Recht geschähe. Merkwürdig ist. daß das WortBrot" ursprünglich etwas ganz anderes bezeichnete. Die Wurzel von Brot ist brauen; durch Feuer bereiten, brodeln. Demzufolge bezeichnete Brot ursprünglich den Mehlmuß, die tägliche Nahrung des Gesindes, und in der Beteichnung der Honigscheibe als Biebrot sBrot der Bienen), in dieser eigentümlichen Zusammensetzung tritt das Wort Brot am frühesten auf. Der uralle germanische Name für das Brot war Leib", und in einem unserer Wetstümer, jener denkwürdigen ältesten Geschichtsguellen unseres Volkes, finden wir darüber die Bestimmung:das Speisebrot, der Leib, soll so groß sein, daß, auf den Fuß gestellt, das Stück über dem Knie zu einein Frühstück für einen Knecht und einen Hund reicht". Diese letztere Bestimmung hat jedoch zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Landschaften geschwankt; einmal mußten sogarder Meier oder zwei oder drei Hüiner" von demüber dem Knie" abgeschnittenen Endegenug zu essen haben". Dieser seltsamen Maßbestimmung fügen sich noch einige andere. nicht weniger wundersame, an. Wege und Dienstpflichten über be- stimmte Entfernungen werden danach bemessen. Da heißt es:Die Untertanen in Hilters müssen dem sürsten soweit folgen, wie er es verlangt, die fremden Hinlersaffen jedoch nur soweit, daß sie bei einem stücke brot und bei sonnensckein wieder zuhause sein können." Ja, sogar die Zeil wurde danach bestimmt:Wann sich solde zutragen, daß irgend einer einen menschen nieder- fchlüge, wie lange der zeit und frist haben sollte? Antwort: wann sie hinter ihm wären und daß ein paar eggen aufgerichtet, die zinken zusammengerichtet ständen, darunter er sich verbergen, so lange, daß er einen pfennigzwecke ißt, und dann fort," Das be- deutete allerdings: gar keine Frist sollte ein solcher Bösewicht haben, Mit ganz besonderem Interesse wird man in jetziger kriegerischer Zeit endlich folgende Bestimmung deS Salzschlirfer Weistums leien: so feindschaft oder not im lande wäre und unser gn. Herr von stifls- wegen seinen beerbann ausböte, wenn jemand einen teig zum brotdacken hat. den soll man umkehren lassen, damit ihm sein teig nicht verdirbt..." Alle diese Beispiele, besonders aber daS letztere, zeigen das ehrwürdige Ansehen, daß das Brot allerorten von altersher bei unierem Volke genoß, entsprechend seiner Bedeutung als Haupt- Nahrungsmittel. Denn ohne Brot kann der Mensch nicht leben. Deshalb wurde nach der Ernte vielfach daS erste Brot in die Kirche getragen, und unredliche Bäcker wurden hart gestraft. In Frankfurt   a. M. mußte einmal ein Bäcker, der Sand unter Mehl gemischt und zu Brot verbacken hatte, auf Befehl deS Rates sein ganzes Brot selber aufeffcn; eS bekam ihm so schlecht, da er daran starb. Sonst wurden unredliche Bäcker mit Vorliebe gewippt: in einem Korbe, der an einer Art Brunnenschwengel be- festigt war, zur Genugtuung des versammelten Volkes etlichemale in den Fluß oder in einen Teich, wenn nicht noch üblere Flüssigkeit ge- taucht und mochte das Waffer nun kalt oder warm sein eine Weile darin gelassen; noch im vorigen Jahrhundert war diese einst weil verbreitete Volksjustiz hier und da im Gebrauch. Im allge- meinen war man auf die Bäcker nicht gut zu sprechen, daher die Sage, der lose Kuckuck sollte eigentlich ein gottloser, verwandelter Bäcker sein. Noch weniger freilich auf die M ü l l e r, von denen unsere Märchen viel Schlimmes erzählen. Die jetzigen, durch den Krieg notwendig gewordenen allgemeinen Bestimmungen bezüglich des Brotpreises, seines Gewichts und seiner Zuteilung an jeden einzelnen sind auch nicht ohne Vorgang in unserer Geschichte. In vielen Städten veranstaltete früher der Rat alljährlich im Sommer ein Probebacken, mit dem eine Gewichts- und Preisfestsetzung für das ganze folgende Jahr verbunden war. Im Augsburger Sladtrecht vom Jahre 127g heißt es beispielsweise darüber: Wenn Sankt Jakobstag(25. Juli) kommt, und man neues Getreide haben kann, so soll man mit demselben Probebot backen und sollen dabei sein zwei Bürger und zwei Bäcker. Und soll man kaufen einen halben Scheffel Donauer(Weizen aus der Donau  - gegend) und einen halben Scheffel Straßkern(anderer Weizen); einen halben Scheffel Roggen von bestem und einen halben von ge- ringerem Wert. Und was die Vier schätzen, die dabei sind und es verarbeiten, daS soll der Stadtrichter gelten lassen. Und in welchen Preisen das Korn ist zu den Zeiten, so man es verbäckt, danach sollen die Bäcker backen und soll man danach bis wieder zu Sankt JakobStag mit dem Brot auf- und abschlagen nach rechter Rechnung." Wie es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, während der Franzosenherrschafl, mit der Brotversorgung bei uns bestellt war, erzählt Wilhelm von Kügelgen   in seinenJugenderinnerungen eines alten ManneS" aus Dresden  :Die entbehrlichsten Lebens- mittel waren kaum für Geld zu haben und die Not erreichte eine solche Höhe, daß der Magistrat den Brotverkauf selbst an sich nahm. Mein Vater(der Freund Goethes) mußte in jener Zeit aufs Rathaus gehen, um zu erhallen, waS ihm nach gewissenhafter Teilung zukam, und be- fremdlich genug sah es ans, wenn der treffliche Mann, unter jedem Arme ein Brot, nach Hause kam". Es war damals also nicht viel anders als jetzt, und so pflegt sich in guten, wie in schlechten Tagen ähnliches auf ähnliche Weise zu wiederholen. Während beim Broibacken diejenigen bestraft wurden, die ihre Sache schlecht machten, galt bei der B u l t e r das Bultern selbst als Strafe; die Redensartenbuttern" fürblechen", und zubuttern" haben sich davon erhalten. Im übrigen galt Bulter, die in der Nacht zum HimmelfahrtStage bereitet wurde natürlich mußte eS unter tiefstem Schweigen geschehen. für heilsam und sogar imstaiide, Krankheiten zu verhüten. Sehr seltsam ist die alte handelsübliche Bezeichnung für eine bestimmte Menge Butter; daS nannte man eineHose"; für eine gewisse Menge Fett sagte man Stein". Um die Butter haltbarer zu machen, wurde sie mehr oder weniger gesalzen oder auch durch Verdampfen oder Umschmelzen möglichst von allen Wafferteilchen befreit. dürfen nicht nach ihrem Wert für die Veröffentlichung eingeschätzt werden. ES gibt Dinge, die vom Geschäft verschont bleiben müssen." Kriegsdisr. Bekanntlich wurde zunächst der Malzverbrauch der Brauereien auf 60 Proz. und in jüngster Zeit auf 48 Proz. herabgesetzt. Diese Maßnahme bedeutet natürlich nicht nur eine Unannehmlichkeit für die Biertrinker, für die Brauer und Wirte, die jeder der einzelnen Be- teiligtcn im Interesse der Allgemeinheit gern auf sich nehmen würde, sondern sie hat auch recht einschneidende wirtschaftliche Erscheinungen zur Folge. Da die Heeresverwaltung selbst augenblicklich wohl der größte Bterbezieher ist, so dürfte ein Vorschlag, der in derAllgemeinen Brauer- und Hopsen-Zeitung" gemacht wird, wohl allseitiger Prüfung wert sein. Der Vorschlag gebt dahin, die nun zur Verfügung stehenden Malzmengen zum größten Teil wie bisher untergärig, den kleineren aber obergärig zu verbrauen. Bisher konnte man auS 6000 Zentner Malz 18 000 Hektoliter Lagerbier erzeugen. Diesen 6000 Zentnern entsprechen»ach der neuen Herabsetzung des Malzkoniingents 4000 Zentner Malz. Würde man hiervon 4000 Zentner untergärig verbrauen, so ergäbe daS 12 000 Hektoliter Lagerbier. Die restlichen 800 Zentner obergärig verbraut ergäben 6000 Hektoliter ober- gäriges oder Süßbier. Es würde alio dann dieselbe Menge Bier wie bisher zur Verfügung stehen. Der Wirt kann die gleiche Menge wie bisher bekommen, nur muß er bei 2 Hektolitern Lagerbier 1 Hektoliter Süßbier oder obergäriges Bier, wie eS die Gegend oder der Geichmack verlangt, abnehmen und die beiden Biere in diesem Verhältnis unter dem Zapfhahn verschneiden. Der Biertrinker wird sich dieser Zwangsmaßnahme init der gleichen Notwendigkeit fügen müssen, wie er sich mit dem Kartoffelbrot abgefunden hat, oder er wird dursten müssen. Auch der Heeresverwaltung dürfte eS nach Ansicht des Verfasiers möglich sein, die Feldtruppen zu bestimmen, mit der Beiladung von einem Drittel obergärigem Bier zu jeder Ladung Lagerbier sich einverstanden zu erklären, denn in den Gar- nisonen wird von jungen Leuten in der Kantine sehr gern Lagerbier mit Süßbier vermischt getrunken. Kleines Feuilleton. Patriotismus unü Seßhaft. Humanits" vom 4. Februar schreibt:DerPetit Parisien" ivill den Zeppelinopfern ein Denkmal errichten. Im Prinzip ist die Idee sehr schön, aber über die Ausführung kann man streiten. Wenn derPetit Parisien" die Kosten allein trägt, ist nichts dagegen zu sagen, solange er nicht damit eine geschmacklose, aber einträgliche Reklanre verbindet. Der, Malin", der die Gabe besitzt, alleS, was er anfaßt, zu entweihen und verdächtig zu machen, hat bereits in übler Weise ver- sucht, Miß Cavell für sich mit Beschlag zu belegen und ein Erinnerungs- monument für sie angekündigt. Ein Monument, ichön! Aber wird nichi, wenn auf der einen Seite steht:Zur Erinnerung an das unglückliche Opfer", auf der anderen Seite zu lesen sein:Gestiftet vomMalin". Hauptaktionär M, Bunau-Varilla" oder noch offener: Kaust denMatln", 5 Eis, die Nummer"? Man muß in solchen Fragen die Rücksichten walten laffen, die durch Schlcklichleit und öffentliche Moral geboten sind. Ein Monument ist sehr schön, aber nur unter der Bedingung, daß nichts dabei zu einer umfassenden Reklame benutzt wird. Die Opfer des Krieges Zeinöliche Schnecken. Ein Franzose, der in Leysin(Schweiz  ) eine Kur machte, faßte den Plan, durch Versendung von Schnecken nach Paris   Geld zu ver- dienen. Er schickte sechs Kisten Schnecken nach Paris   und legte der Sendung vorschriftsmäßig ein vom französischen   Konsul in Basel  visiertes Ursprungszeugnis bei. Aber der schweizerische Ursprung der Schnecken wurde vom französischen   Zollbureau beanstandet. Man entnahm der Schueckensendung mehrere Muster und unterbreitete sie einer französischen   Kommission. Diese hielt drei Sitzungen ab und faßte den Beschlutz, bei einem französischen   Natur- forscher ein Gutachten über die Nationalität der Schnecken einzuholen! Der Gelehrte gab seinen Befund dahin ab, daß die Sendung auch deutsche und österreichische Schneckeir enthalte, sodaß die Schnecken deutscher Herkunft in der über- wiegenden Mehrzahl seien!! Daraufhin wurde der französische  Absender vom Bahnhof Bellegarde aufgefordert, den Wert der Schnecken zu hinterlegen und überdies 625 Frank Buße zu bezahlen. Diese Verfügung war laut Mitteilung der französischen   General- direktion der Zölle unwiderruflich und endgültig I WaS mögen die Schnecken dazu gesagt- haben? Notizen. M u s i k ch r o n i k. In dem Wagner  - Abend des BlüthnerorchesterS am Sonntag wird Alexander Kirchner dieGrals- erzädlung" aus der OperLohengnn", dasPreis licd" undAm stillen Herd" auS der OperDie Meistersinger von Nürnberg  " vor- tragen. Ferner enthält das Programm:Eine Faust-Ouvertüre", Vorspiel zur OperLohengrin  ",.Waldweben" aus der OperSieg- fried", Ouvertüre zur OperRicnzi",Melstersinger-Vvrjpiel" von R. Wagner  . G e b u r t e n p o l i t i k und Dämmerschlaf. In der Neuen Generation" tritt Helene S t ö ck e r für eine möglichst rasche Einsührung der schmerzlosen Geburt durch denDämmerschlaf" ein. Die von den Professoren Krönig und Geuß in Freiberg   in die Praxis eingeführte Geburt im Dämmerschlaf beseitigt in den allermeislen Fällen für die Frauen jede Schmerzempfiudung und bleibt ohne schädliche Wirkung für Mutter und Kind. Auch in der Berliner Ent- bindungsanstaltHeimstätte" sind schon seit Jahre» Entbindungen im Däinmerschlaf vorgenoinmen worden, die sehr günstige Resultate gezeitigt haben. sc] Der Sang öer Sakije. Ein Roman aus dem modernen Aegypten. Von Willi Seidel  . Er schloß die Augen halb und fuhr geläufig, als habe er es wie eine Sure gelernt, fort:Und da ich nun von euch scheide und ganz weggehe, und ihr mich(wenn anders Gott nicht ein Entgegengesetztes Plant) eine lange Zeit nicht mehr sehen werdet, so sage ich euch jetzt ein letztes Ntal:Mein Vater und meine Mutter!" Und ihr sprecht ein letztes Mal zu mir:Sohn! Sohn!" Und meine Seele ist von dem Aunsche geplagt..." Daud sprach immer geläufiger euch in Aorten auszusprechen, daß ich euch danke für Nahrung, Abwendung �des Bösen Blicks  . Ratschlag und Dach, darunter ich schlief. Seid alsdann im Schutze Gottes und denkt bisiveilen meiner! Und vergesset nicht, um die Wende jedes Monats ein Scherflein für mich niederzulegen am Grab unseres Scheschs, der d«s Dorf behütet und dem Gott gnädig sei!" Diese Rede war so mundgerecht als möglich gesetzt, und an ihrem Inhalt blieb dem Pärchen kein Zweifel. Zabal hatte einige mürrische Zwischenrufe getan, und als er be- griffen hatte, daß es Dauds feste Absicht sei. zu scheiden, ward er zunächst rechtschaffen wütend. Er kaute die Spitzen seines struppigen Schnurrbarts, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer übelwollenden Grimasse, Seine Stimmung färbte auf Umm-Tabbus ab, die so heftig an ihrer Zigarette sog, daß das Feuer an dem Papier herunterrann und einen Nebel erzeugte, der für Sekunden eine hellblaue Scheidewand zwiichen den Alten und dem Knaben errichtete. Daud starrte in die hellblaue Scheidewand, nahm dann eine straffere Positur ein und blickte zur Decke empor. Als sein Blick zurückkehrte, war der Rauch verflogen; und Daud erschrak aufs tieffte, plötzlich von einem selsamen Gedanken getroffen. War dies vor langer Zeit vielleicht glatte, nun aber von Schlägen und Feldstrapazcn zermürbte, kümmerliche und sklavische Weib überhaupt seine Mutter? War dieser knochige, ungeschlachte, kindliche Tolpatsch, dieser dumpfe Bauer, der den Wortlaut keines Gesetzes kannte und den er damals, als er sein Geld entdeckt sah, in ein- fältigem, niedrigem Geiz hatte aufheulen hören, sein leiblicher Dater? Kurz, waren diese tierhast stierenden, schmutzig schwarz- braunen Gesichter, die sich erbost vorbeugten, überhaupt die seiner Eltern? Und jenes Gewürm dort in der Ecke, jener boshafte Halb- äffe, jener Krüppel mit dem Geist einer tollen Katze war das sein leiblicher Bruder? In diesem Augenblick seltsamen Hellsehens betrachtete sich Daud mit einem ruhig abschätzenden Blick ohne jede Eitelkeit. Er sah das gefällige Ebenmaß der eigenen hellfarbenen Glieder, die verwöhnte glatte Haut an Beinen und Armen, die nach Verzärtelung verlangte; sah seinen bescheidenen Kletderprunk, fühlte den Tarbusch   auf dem Haupt und gedachte der seidenen Troddel, die an ihm baumelte... und dann ließ er den Blick noch einmal prüfend zu seiner Familie herüberschweifen. In diesem Blick dämmerte eine unsagbare Geringschätzung auf: dieselbe, die ihn schon flüchtig angewandelt, als er mit derTcwfik" fuhr und der Umm-Dabbus gedenken mußte... Zabal spürte das nicht, sondern ergriff das Wort und schnaufte dabei wie die Gamusah, wenn man sie über ihre Kräfte stachelte: Daß du mit jenen Ungläubigen nach Kairo   gehen willst, mißfällt uns sehr. Wenn du dich störrisch zeigen willst, hindern wir dich nicht, denn das Sprichwort sagt: Das sind keine rechten Bäter, die von ihren Kindern bisweilen am Barte gerissen werden. Aber dein Verdienst fällt fort und das Labial, das du uns zuwendetest, die Schmausereien, die wir dir verdankten, das kleine Glück unserer Tage, die karge Ersparnis, gesichert vom fressenden Zins: das ist alles weg und dahin, wenn du davongehst, und wir werden Trübsal blasen und die Mägen werden uns bellen. Haben wir eS nicht allerwege gut mit dir gemeint? Haben wir nicht deine Ausbildung in schwersten Sorgen bezahlt und entgolten, und was du jetzt bist und kannst, ist das nicht unser erstaun- liches Verdienst? Daher ist es recht und billig, daß du bei uns bleibst und weiterhin beisteuerst zu dem, was unser kümmerliches Behagen ist. Was ist fortan unser Stolz? Gingen wir nicht unter die Leute und sprachen: ,Hei, unser Sohn!'? Und was weiden wir jetzt sagen?.Unser Sohn ist auf und davon, und wir haben keinen Nutzen mehr von ihm. Er kennt uns nicht mehr und dient denen, die das Land fressen möchten und täglich von unierem Gute fetter werden.' Allah   verfluche sie! Und sie haben keinen Glauben." Wiewohl es mit Zabals eigener Religion ein wenig dunkel aussah, fehlte es doch dieser letzten Tirade nicht an einer gewissen Kraft, und er versprach sich von ihr die meiste Wirkung. Insgeheim befand er sich in aufrichtiger Angst, die ergiebige Behaglichteitsquelle einzubüßen. Leider jedoch zerschlug sich die beabsichtigte Wirkung au Dauds immer noch grübelnder Stirn. Er öffnete die schwarzen Augen mächtig weit. Und dann sprach er mit einer eintönigen Stimme, die gar nicht in den theaterhasten Ton- fall der Verhandlung passen mochte:O Zabal, höre, was ich sage. Allah   hat unL verschiedene Farbe und Gestalt gegeben. Und mir ist, als habe er unsere Berufe ab- gewogen und zu sich gesprochen:Wem von diesen beiden, die ich wahllos erschuf, gleich allen anderen, gebe ich Mist zu schleppen? Wem gebe ich die Bestallung des Schöpf- brunnens?' ,Und wem'(erprobte er bei sich in seiner Art).gebe ich Verdienst und Erfolg und Acrmel, mit denen er schlenkern kann?' Und er sah unser beider Hautfarbe an und sagte: .Dieser ist weiß wie ein Türke und gerade gewachsen; auch ist er emsig auf daS Gute bedacht und klettert auf den Sprossen des Glaubens und der Erkenntnisse, bis er dort steht, Ivo er mir wohlgefällig ist. Ich lasse ein buntes Gewand auf ihn fallen; ich bekleide seine Füße mit Sasfianschuhen.."(Daud schenkte seinen schmutzigen Zehen einen verheißungsvollen Blick)Schuhen mit aufgebogenen Schnäbeln; ich hänge ihm eine Gebetskette uni den Hals; ich färbe seine Brauen mit Holzkohle und seine Handteller mit Henna.' Dann dachte Allah   weiter(und Dauds Miene wurde äußerst streng): ,Dcr andere dort ist schwarz und dumm; auch ist er müßig im Glauben und kennt die Gebetszeiten nicht; er hinterzieht den Zins; er schmäht wild, ohne daß ihm das Eigene angetastet wird; und was er hat, das hat er ohne Verdienst." Zabal knurrte bereits bedrohlich. Doch Daud, immer noch mit erweiterten Augen und entrücktem Blick, fuhr fort, seine Bilder zu formen, während er zur Bekräftigung mit der Hand fest auf den Schenkel Patschte:Ha, und wenn du mich auch auferzogen hast. Zabal. was frage ich; habe ich dir im Grunde zu Dank zu rechneu? Den Ful, den euer Neid zwischen meinen Zähnen vergiftet hat, Medammis, das quillt und nicht gar wird? Dreck auf der Haut, Stunden des Unmuts, Jähzorn im Herzen? Wiedehopfs Geschäft, der die Gamusah laust? Trunkenen-Führers Geschäft, der dich, wenn du dich an Raki versündigt, über den Nil zurückbringt und deine Felluckafracht bezahlt, du Hauptbauer, du Ursprung und Ausgang aller, dta im Miste paddeln? Sortj. folgt)