Nr. 148.- 1916.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dienstag, 27. Juni

Arme Tante Viktorine!

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vor dem Herb st. Die Gesundheit ließ kuriosermaßen Rasse suchen die Daily News" vor allem die Ursachen einer bei allen Inhaberinnen des Namens Viktorine sehr zu wünschen solchen Erscheinung herauszufinden. Die Behauptung, daß eine Ver­übrig. Die Tante Viktorine der Familie Aurel Dubois in Arles   minderung der Ebeschließungen dafür verantwortlich sei, wird ab­Vor der Kiefer, an der bei uns hier draußen der Tages- würde ihre Gesundheit höchstens nach einer äußerst gelehnt, ebenso daß im Durchschnitt das Alter zur Zeit der Ehe­bericht zu leben pflegt, muß ich manchmal an fie denten. Arme I angwierigen Operation wiedererlangen. Sie hätte zwar schließungen fich erhöht habe. Auch förperliche Veränderungen, die Tante Viktorine denk ich dann. Undarme Familie Dubois; den Arzt Dr. Anglais; aber es hieße, daß er nicht viel von im Laufe der Jahre durch die geänderte Lebensweise hätten vor sich was müßt Ihr lange auf Tante Biktorines Besuch warten, den Medizin verstehe...." geben tönnen, werden nicht als Ursache anerkannt. Ebenso wendet langerjehnten, vielversprochenen..... Da als er dies las da mußte der deutsche Zensor in der man sich gegen die Vermutung, daß die Art der Ernährung eine Mancher wird dieses Mitgefühl verrüdt finden; wenigstens Holzbaracke doch lachen, ehe er tolerant den Stempel Geprüft" Schuld an dem erwähnten Rückgang der weißen Rasse tragen könne, wenn er hört, daß Tante Viktorine durchaus nicht etwa mit mir braufhieb.- Oooh, Mimi, Juki, Margot, Vater Dubois, Mutter und schließlich auch dagegen, daß die zunehmende wissenschaftliche verwandt ist, daß ich sie vielmehr nie gesehen habe Bideaux, habt Ihr ihn wirklich für so harmlos gehalten, daß und sonstige Bildung der Frau eine Veranlassung für die genannte daß sogar start zu vermuten ist, daß sie überhaupt nicher Euch nicht hinter Gure kleinen und ach, so schrecklich raffinierten Erscheinung sei. Vielmehr erkennt das Blatt den Hauptgrund leiblich existiert. Schliche kommen würde? Auch er wußte doch, daß Viktorine in dem in den begüterten Klassen befolgten Eystem, aus Geist lies: la victoire- der Sieg heißt. Und dachte sich lächelnd, wenn Bequemlichkeits- oder sonstigen Rücksichten möglichst wenig Kinder zu auch nicht ohne Mitgefühl, sein Teil, wenn so viel von Tante Vik- haben. Daß zumindest in England diese Ursache maßgebend ist, torines angegriffener Gesundheit die Rede war. Und so viel von erfennt man aus einer Statistit, nach der auch die Zahl der Wer­ihrem immer erhofften, immer versprochenen, nie erfolgenden heiratungen unter den Bemittelten geringer ist, als unter den Un­Besuch. bemittelten, weiterhin aber unter den verheirateten Männern aller Klassen die Vermögenden weitaus weniger Kinder haben als die So entfallen auf 1000 ungelernte Arbeiter Unbermögenden. 213 Kinder, auf 1000 gelernte Arbeiter 158 Kinder, auf 1000 Arbeiter eines höheren Grades 153, auf 1000 des einfachen Bürgertums 132 und auf 1000 der vermögenden Mittelklasse und der reichen Leute nur 119 Kinder. Da aber diese Erscheinung in allen europäischen  Staaten zu beobachten sei, schließt das Londoner   Blatt hieraus auf einen allgemeinen Geburtenrückgang der weißen Rafie, an dem das egoistische Verhalten der vermögenden Klassen die Hauptschuld trage.

Mitgefühl für eine Tante, die gar nicht existiert? so; doch das zu erklären, muß ich ausführlicher werden.

Sonntag. Von draußen schnatterte das Gefangenenlager her­ein. Verwaschene Gloria von Kathi und Himmelblau, von roten Hosen und Turkoherrlichkeit schlenderte durch meinen Fensteraus­schnitt.

Jch jak am Brettertisch der Holzbarade über dem dicen Stoz der Postkarten und Briefe und frag mich müde durch die eintönige Stilistit der Gefangenenpoft durch. Und las zum hunderstenmai, was irgend eine kleine Frau Margot oder Mimi oder Juliette ihrem Jean- Baptiste oder Anatole mitzuteilen hatte. Mon adoré- mein Angebeteter! Ich ergreife die Feder, um Dir zu schreiben, daß es mir gut geht und ich hoffe dasselbe von Dir...

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So fingen sie ja wohl beinahe alle an. Und mein jugend­licher Optimismus hatte schon lange schlapp gemacht, der da aus diesen Briefen nationalpsychologische Aufschlüsse, interessante Funde erhofft hatte. Im Anfang, ja- da war ich noch manchmal entzüdt gewesen. Da waren doch einzelne Briefe, voll einer Eleganz, die in zarten Wellen wunderschönste Gefühle dahintrug. Kein Zweifel echtfranzösische Anmut. Dachte ich bis ich merkte, daß auch diese wunderschöne Gefühlézierlichkeit nur ein Schema war, ein Klischee, ein Angelerntes. Steifgepreßte Stilblüten aus irgendeinem Schulbuch, in dem Oberlehrerkunst die Glückwünsche zur Hochzeit des Onkels Bernard, zum Namenstag der Frau Patin und zu allen anderen wichtigen Familienfesten geölt und gesalbt hatte.

Freilich viel hätte ich auch eigentlich nicht erwarten dürfen. Ich mußte doch, daß Mimis und Jufis zierliche Feder zitterte, wenn sie an mich dachten. Daß ich der Mann mit dem bösartigen Ge­ficht, dem riesigen Schnauzbart und dem ungeheuren Säbel war, der ihnen beim Schreiben immer über die Schulter guckte. Der deutsche Bensor: Kein Wunder, daß sie so beengt waren, die kleinen Frauen, die da so kläglich unterschrieben: Au pauvre petite femme qui est di seule. Oder: Deine arme kleine Ratte. Oder: Dein fleiner Hase. Eine Deutsche hätte geschrieben: Deine kleine Maus. Nun: Maus oder Hafe oder Ratte, ich weiß nicht, ob der Unterschied beträchtlich ist.. Und auch sonst alles, wie übera II heute in Europa  . Die Schicksale von heute, unter der dünnen Haut der fremden Sprache das Allgemein- Menschliche, Geschehnisse der blutigen Alltäglich feit von heute, durch frembe Namen zufällig und äußerlich tribolo­riert. Trivial zu lesen, nicht wahr, daß Armand Bibeaug einen Arm, Vater Morel feine drei Söhne verloren habe. Daß Juliette ( Du kennst sie sicher; aus der Rue Bola; mit dem goldblonden Haar") vom Tod ihres Bräutigams ohnmächtig umgeworfen worden fei. Daß das ganze Departement entrüstet sei, daß man den siden Brauer Pinson noch nicht eingezogen habe, einen so großen und starken Mann.... Vom Krieg selbst sonst teine Silbe; die geringste Spur von Mutlosigkeit peinlich unterdrüdt; mein fran­zösischer Kollege war streng. Und so hätte ich nie erfahren, was die Schreiber meiner Briefe vom Kriege selber dachten, hofften, wäre nicht Tante Bittorine gewesen.

Tante Viktorine.

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Aus dem Nebenzimmer, durch die Bretterwand, mußte das heiße, zähe Diskutieren der belgischen Studenten, die da Tag für Tag die Deutschen   aus Brüssel   warfen, Belgiens   Unabhängigkeit wiederherstellen, Tag für Tag. Ich aber faß und wunberte mich. Nanu? Ich hatte doch in Frankreich   nie bemerkt, daß der Name Viktorine so häufig sei?- Und nun mußte jede dritte Fa­milie bald eine Tante Bittorine haben, und wenn schon keine Tante, so doch sicher eine Base, denn jeden Augenblid war in meiner Gefangenenpost von einer Vittorine die Rede. Etwa jo: Tante Viktorine läßt Dich schön grüßen. Sie ist augenblicklich sehr bettlägerig, hofft aber, uns doch noch besuchen zu fönnen." merkwürdigerweise

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Ja, Juki, Mimi, Margot, soll ich Euch etwas verraten? Ich bin kein Arzt, aber soviel verstehe ich von Medizin. Tante Vittorine wird in Frankreich   nie gesund werden. Die dicke Luft" bekommt ihr nicht, glaubt es mir. Und sie wird Euch darum auch nicht besuchen können.

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Aber glaubt mir auch, wenn ich auch nur ein Boche bin, so tut Jhr und Tante Viktorine mir doch aufrichtig leið und ich tann Euch manches nachfühlen. Denn seht: ich habe sogar zwei Tanten, und wenn die eine, Tante Bittoria, uns auch öfter besucht, sie wohnt nicht sehr weit, so hab ich die andere, Tante Friede, doch schon lange nicht mehr gesehen. Und warte auf ihren Besuch. Ó. E. ( z)

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Kleines Feuilleton.

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Die Kupferstecherkunst im Aussterben.

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Die Entwicklung der Vervielfältigungskunst in der Neuzeit scheint das meist so hoch angesehene Kupferstechergewerbe so stark zurückzudrängen, daß man fast von einem Aussterben dieser Kunst reden kann. Der Hochsitz dieser Kunst war seit Albrecht Dürer  Nürnberg  . In jedem Jahrhundert hatte Nürnberg   tüchtige Kupfer­stecher aufzuweisen. Nach einem Hinweise der Papierzeitung" gab es 1826 in Nürnberg   63 Kupferstecher, davon 48 Figuren-. Bildnis- und Landschaftsstecher und 17 Schrift- und Landkarten­Stecher. Das Nürnberger   Adreßbuch für 1916 verzeichnet abez nur noch 6 Kupferstecher. So hat die Ausgestaltung der graphi schen Technik bewirkt, daß zwar die Zahl der Kupferstecher eine sehr kleine geworden, daß aber unendlich viel mehr Menschen als früher sich an den guten Reproduktionen erfreuen fönnen.

Krieg und Diamanten.

Das erste Eisenbahnfrachtstück in Deutschland  . Wenn man an die ungebeuren Gütermengen der verschiedensten Art benkt, die jest Tag und Nacht auf Eisenschienen an die Front rollen, wird man sich nicht leicht einen Begriff von den schwierigen und bescheidenen Anfängen des Warentransports auf unseren Bahnen machen können. Bei der ersten deutschen, die im Jahre 1835 zwischen Nürnberg   und dem benachbarten Fürth   in Betrieb genommen war, hatte man freilich neben der Personenbeförderung auch die von Gütern in Aussicht genommen, ließ jedoch den Gedanken bald wieder fallen, Auf Grund einer eingehenden Umfrage in den Kreisen der weil die Schwierigkeiten zu groß erschienen. Am 17. Mai 1836 Diamantenhändler und Diamantschleifer   berichten die Times" über stellte Andreas Jakob Hartmann den Antrag auf Benuzung der die Wirkung, die der Krieg im Handel und in der Industrie der Ludwigsbahn zum Waren- und Gütertransport. Wie wir dem fesselnden Diamanten ausgeübt hat. Nach der Auskunft des London   Diamond Büchlein Modernste Kriegswaffen- alte Erfindungen" von Syndicate" und der" Premier Company", die in der Diamanten F. M. Feldhaus  - Leipzig   entnehmen, wurde ihm vom Direktorium bearbeitenden Industrie das aus Transvaal   stammende Rohmaterial eine abschlägige Antwort zuteil. Daran war außer anderen Be- liefern, herrscht zurzeit ein großer Mangel an diesem Robprodukt, denten hauptsächlich der Mangel an Transportwagen schuld, aber der auf das durch die Einziehungen bedingte Fehlen an Arbeits­einen Versuch machte man trogbem furze Zeit darauf mit der Güter- träften in den Minen zurückzuführen ist. Eine bemerkenswerte beförderung, wenn auch in fehr bescheidenem Umfange. Dem Bier Einzelheit berichten die holländischen Industriellen, die erklären, daß brauer Lederer wurde nämlich am 11. Juli 1886 gestattet, mit ben in Berfolg der Entwertung der Geldkurie sich in den weitesten ersten nach Fürth   gehenden Wagen zwei Fäßchen Vier an den Wirt Kreifen des Publikums die Neigung verschärft hat, ihr Kapital in mit der Eisenbahn gegen Vergütung von 6 Kreuzern für das Fäßchen Diamanten anzulegen. Diese Neigung gründet sich auf die Tat­unter der Bedingung zu senden, daß der Wirt bei Eintreffen der fache, daß der Diamantenpreis nur geringfügigen Verschiebungen Wagen sein Bier sofort abholen laffe. Ein Direktorialkommissar unterliegt, daß der Kauf von Diamanten somit die sicherste sollte Gorge tragen, daß dieser kleine Anfang des Gütertransports Kapitalanlage bedeutet. Infolgedeffen hat auch der Diamanten in gehöriger Ordnung vor fich gehe, um solchen vielleicht später- markt von Amsterdam   nach zweijähriger schwerer Krisis ſeine bin ins Große ausdehnen zu können", wie es in der Direktorial  - belebte Haltung wieder angenommen; der mit der Diamanten­berfügung hieß. bearbeitung betraute Arbeiterstamm, der in Friedenszeiten aus 11 000 Mann bestand, und nach Ausbruch des Krieges auf wenige hundert zusammengeschrumpft war, hat sich allmählich wieder bis auf 9000 Röpfe gesteigert. Nach der Annahme der" Times" hat man nach Beendigung des Krieges mit einem starken Wiederaufleben des Diamantenhandels zu rechnen. Echon heute ist die Zahl der Diamantenhändler, die aus Deutschland   und Desterreich- Ungarn die holländischen Märkte besuchen, um dort ihre reiche Kundschaft zu bersorgen, in stetiger Zunahme begriffen. Notizen.

Gin wie riefenhafter Aufschwung feit dem Tage, an dem die beiden Fäffer Bier aus Nürnberg   vor achtzig Jahren als erste Frachtstücke den Gütertransport auf der ersten deutschen   Eisenbahn eröffneten!

Der Geburtenrückgang der weißen Raffe. Die Veröffentlichung der legten englischen Geburtenstatistik, die einen erheblichen Ridgang an Geburten aufweist, wird in der Londoner   Preffe vielfach besprochen und mit der Frage in Zusammen­bang gebracht, ob überhaupt ein Geburtenrüdgang der weißen Rasse zu beobachten sei. Während die Geburtenzahlen in England und- Theater& ronit. Jm Deutschen Opernhause Wales von 1840-1880 teine Verminderung zeigte und sich auf geht die Winterspielzeit am 4. Juli zu Ende. Gleichzeitig erlischt 35 Proz. unter 1000 Menschen belief, nahm sie seit 1880 ab, bis zu auch die Gültigkeit der Gutscheine der Abonnenten. fast ein Drittel der genannten Zahl, nämlich 23,8 Proz. Hierbei Seunst chronit. Bei Paul Cassirer   wird Dienstag, den wurde bemerkt, daß die Geburtenziffern in den verschiedenen Teilen 27. 5. Mts., eine Sommerausstellung eröffnet. des Landes verschieden sind. Dabei zeigte sich überraschenderweise Vorträge. Ueber den Dentvorgang" spricht Eine andere Tante Vittorine hatte oft auf dem Lande eine größere Abnahme als in der Stadt. Bei Prof. Schleich   am Mittwoch, den 28. Juni, abends 8% Uhr, in der ebenfalls die Absicht, ihre Familie au besuchen; jedoch kaum der Besprechung der Frage einer Verminderung der weißen Treptow- Sternwarte.

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Warum?

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Von Leo Tolstoi  .

VI.

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er für Albina als solche nicht nur zärtliche Liebe, sondern wurden durch den ungewöhnlichen Scharfblick und die Weis­direkt Entzücken, das Bewußtsein einer untilgbaren Schuld heit dieses großen Mannes geknickt. wegen ihres Opfers, das ihm unverdientes Glück verschaffte. Im allgemeinen war Migurskis Leben dennoch eher Migurstis waren glücklich durch ihre Liebe. Indem sie glücklich als unglücklich. fich gegenseitig mit aller Kraft liebten, hatten sie unter den So verbrachten sie fünf Jahre. Plötzlich brach under­fremden Menschen das Gefühl zweier im Winter verirrten hofftes, schreckliches Reid über sie herein. Zuerst erkrankte Der gutmütige Oberstleutnant erwirkte die Genehmigung frierenden Wesen, die sich gegenseitig erwärmen. Zu dem das Mädchen, zwei Tage darauf der Knabe: er fieberte drei der obersten Behörde. Aus Orenburg   wurde ein römisch- frohen Leben Migurskis trug auch die Teilnahme der gut- Tage lang und am vierten war er ohne ärztliche Hilfe( die katholischer Geistlicher verschrieben und Migurskis wurden ge- mütig verdrießlichen, komischen, in alle Mannsleute ber- konnte man hier nicht haben) tot. Zwei Tage nach ihm starb traut. Die Frau Bataillonskommandantin war Brautmutter, liebten Kinderfrau Ludwika bei, die ihrer Herrin sklavisch, ein Schüler trug das Heiligenbild, und Brshosowski, der pol- mit Selbstaufopefrung ergeben war. Migurskis waren glück auch das Mädchen. lich auch mit Kindern. Nach einem Jahr wurde ein Knabe Albina ertränkte sich nur deshalb nicht im Ural  , weil sie geboren. Dann nach anderthalb Jahren ein Mädchen. Der sich den Zustand ihres Mannes bei der Kunde von ihrem nabe war das Ebenbild der Mutter: dieselben Augen und Selbstmord nicht ohne Entseßen ausmalen konnte. Aber es dieselbe Ausgelassenheit und Grazie. Das Mädchen war ein wurde ihr schwer, weiterzuleben. Früher stets tätig und sorg­gesundes, hübsches, fleines Tierchen. sam, überließ sie jetzt alle Besorgungen Ludwika, saß stunden­lang untätig da, starrte schweigend den Gegenstand an, auf den gerade ihr Blick fiel, oder aber sprang plötzlich auf, lief in ihre Rammer und weinte still vor sich hin, ohne auf die Trost­porte ihres Mannes und Ludwikas zu hören, indem sie nur den Kopf schüttelte und bat, fortzugehen und sie allein zu Iaffen.

nische Verbannte, war Schaffer.

So fonderbar es auch scheinen mag: Albina liebte ihren Mann leidenschaftlich, kannte ihn aber gar nicht. Sie wurde erst jetzt mit ihm bekannt. Natürlich fand sie an dem leben­digen Menschen aus Fleisch und Blut eine Menge Alltägliches und Unpoetisches, das dem Bilde, welches sie in ihrer Ein- Unglücklich waren Migurstis aber wegen des Fernfeins bildung trug und ausgestaltete, nicht entsprach. Dafür fand von der Heimat und namentlich wegen der drückenden Begleit­ste aber, gerade deswegen, weil es ein Mensch aus Fleisch und umstände ihrer unangenehmen, erniedrigenden Lage. Be Blut war, viele einfache gute Züge an ihm, die ihr abstraktes sonders Albina litt unter dieser Erniedrigung: er, ihr José, Ideal nicht beseffen hatte. Sie hatte durch Bekannte und der Held, das Ideal eines Mannes, mußte vor jedem Offizier Freunde von seiner Tapferfeit im Kriege gehört, fannte seine stramm stehen, Griffe flopfen, auf Posten ziehen und un­männliche Entschlossenheit bei Verlust seines Vermögens und weigerlich gehorchen. Im Sommer ging sie zum Grabe der Kinder, saß dort feiner Freiheit und stellte sich ihn nur als Held vor, der stets Außerdem erhielt man sehr niederdrückende Nachrichten und zerriß sich das Herz mit Erinnerungen an das, was ge­ein höheres, heldenhaftes Dasein führte; in Wirklichkeit er aus Polen  . Fast alle nahen Verwandten und Freunde waren wesen war und was hätte sein können. Besonders quälte sie wies er sich aber trob seiner ungewöhnlichen Körperkraft und entweder verbannt oder hatten alles verloren und waren ins der Gedanke, daß die Kinder hätten am Leben bleiben können, Zapferkeit als ein fanftes Lamm, als ein höchst einfacher Ausland geflohen. Und Migurskis selbst sahen kein Ende wenn sie in der Stadt gewohnt hätten, wo ärztliche Hilfe er­Mann, der gutmütige Scherze machte, um dessen, von einem ihrer Lage voraus. Alle Versuche, die Begnadigung, oder reichbar gewesen wäre. Warum, warum?" dachte sie." José blonden Baden- und Schnurrbart umrahmten, sinnlichen wenigstens eine Besserung ihrer Lage herbeizuführen, ein und ich wollen ja nichts, als daß er so leben kann, wie er ge­Mund, der schon in Roshanka ihr Entzücken gebildet hatte, Avancement zum Offizier zu erreichen, schlugen fehl. Nikolai boren ist und wie seine Ahnen und Urähnen gelebt haben, und ein Kinderlächeln spielte, und der sich niemals von seiner Pawlowitsch hielt Besichtigungen und Baraden ab, ließ erer- ich möchte nur mit ihm leben, ihn lieben, meine kleinen Pfeife trennte, was ihr besonders während der Schwanger  - zieren, besuchte Maskeraden, spielte mit Masken, jagte ohne Würmer lieben und sie erziehen." schaft sehr zur Last fiel. zwingende Veranlassung in Rußland umber von Tschugu- Da wird er plöglich Qualen ausgefeßt, verbannt, und Migursfi lernte ebenfalls erst jetzt Albina kennen und few nach Noworossist, Petersburg und Moskau   schüchterte mir nimmt man, was mir teurer ist als die ganze Welt. lernte in ihr zuerst das Weib kennen. An den Frauen- die Bevölkerung ein und hette die Pferde ab, und wenn ein Warum das, wofür?" fragte sie die Menschen und Gott. Und zimmern, deren Bekanntschaft er vor seiner Verheiratung ge- Verwegener sich einmal erdreiftete, untertänigst um Linderung fonnte sich nicht vorstellen, daß es hierauf eine Antwort geben macht, konnte er die Frauen nicht kennen lernen. Und was des Loses der verbannten Dekabristen und Polen   zu bitten, fönne. Ohne diefe Antwort aber gab es tein Leben mehr, und er an Albina als Weib fennen lernte, sette ihn in Verwunde- warf er sich in die Brust, heftete feine zinnernen Augen auf so stockte ihr Leben. Ihr armes Verbanntenleben, das sie rung und hätte ihn in bezug auf das weibliche Geschlecht ent- einen tbeliebigen Gegenstand und sagte: Sollen weiter früher durch weiblichen Geschmack und durch Kunst verschönert täuschen können, wenn er nicht für Albina, gerade für Albina, dienen. Noch au früh." Als ob er wüßte, wann es nicht hatte, wurde jezt nicht nur für fie, sondern auch für Migurski ein besonderes Gefühl der Zärtlichkeit und Dankbarkeit emp- mehr zu früh und wann es Beit wäre. Und alle ihm nahe- unerträglich, der ihretwegen litt und nicht wußte, wie er ihr funden hätte. Er empfand für sie als Weib ein Gefühl stehenden Persönlichkeiten: Generale, Kammerherren mit helfen sollte. freundlicher, etwas ironischer Herablassung; dagegen empfand ihren Frauen, die in seiner Umgebung ihr Brot fanden,

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Corts. folgt.)