Nr. 176.- 1916.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonnabend, 29. Juli.

Schätze aus Abfällen.

geltenden Schlacken anzuschütten, welche die Werksanlagen oft wall- Magen des Vogels aus ihren Hüllen heraus und vermehren sich, artig umgeben. Diese Halden   wachsen seit etwa 15 Jahren eben- worauf die neuen Gier einen natürlichen Weg aus dem Körper des falls nicht weiter an, sondern verschwinden immer mehr. Die aus Vogels finden, um schließlich abermals auf der Wiese zu liegen, wo Als im Jahre 1856, also vor 60 Jahren, die von der Preußi- den Hochöfen kommenden Schlacken gelangen nicht mehr zur Halde, fie neuerdings von einer Schnecke verzehrt werden können. Das schen Verwaltung bei Staßfurt   abgeteuften Schächte Manteuffel" sondern werden zu Schlackensand, Schlackensteinen oder zu Dünger Erfreulichste an dieser komplizierten und schlauen Kriegführung aber und von der Heydt" die Steinsalzablagerung erreichten, fand man verarbeitet. Die alten Halden   werden zu ähnlichen Zwecken aus ist die Harmlosigkeit, da, wie man sieht, keiner der Beteiligten dabei nicht sofort das gesuchte reine Steinfalz, sondern eine 40 Meter genutzt. Vielfach wird ihr Schutt den Steinkohlenzechen zugesandt, zu Schaden kommt. Der Bachstelze geht es wohl, die Saugwürmer dicke Salzschicht von bunter Färbung und bitterem Geschmack. Weil um dort als Verfaz an Stelle der gewonnenen Kohlen die Erdober- leben üppig und vermehren sich, und der amputierten Schnecke sind man sie abräumen mußte, um zu dem begehrten Steinsalz zu fläche zu stüßen und vor dem Einsturz zu bewahren. Sie gelangen die Fühler längst wieder nachgewachsen. tommen, nannte man sie Abraumfalz und stürzte sie also wieder in den dunklen Schoß der Erde zurück, dem sie vor ihrer als wertlos auf die Schutthalde. Hier lagen sie so Wanderung und Verwandlung durch den Hochofen im Gemenge mit lange, bis ein Chemiter auf die bunten Steine aufmerksam den Erzen, den Kohlen oder den als Flußmittel dienenden Zuschlägen Die Fremdausdrücke im Buchgewerbe. wurde und sie näher untersuchte. Dabei fand er, daß entnommen waren. die fortgeworfenen Abraumsalze das damals sehr seltene Nach der Entdeckung des Goldvorkommens in Amerika   ergoß Daß das Wort Buchstabe von Buchenstäbchen, aus denen die und deshalb wertvolle Kali in verhältnismäßig großen Mengen und fich eine wahre Völkerwanderung aus aller Herren Länder über die ersten Schriftzeichen geschnitten wurden, stamnit, ist allgemein be­in leicht löslicher Form enthielten. Bald enistanden Anstalten zur Fundorte. Die Goldgräber wühlten das goldhaltige Erdreich auf kannt. Weniger ist dies der Fall bei den Bezeichnungen der Schrift­Verarbeitung der Kalisalze. Diese tauften den Salzgruben nicht und wuschen mit Hilfe von Wasser das Gold aus. Die durchgearbeiteten arten. Kursibſchrift bedeutet eine Schrift, die schräge Stellung het, nur die auf der Halde liegenden Mengen ab, sondern veranlaßten Massen wurden als wertlos in die Wasserläufe abgelassen oder zu also an die Körperhaltung eines Laufenden erinnert. Kursus be= sie auch, solche besonders zu gewinnen und zu Tage zu fördern. Es Schutthaufen aufgeschüttet. Bei den einfachen Arbeitsverfahren deutet lateinisch der Lauf. Antiqua   bedeutet Altschrift und ist so dauerte dann gar nicht mehr lange, bis die Steinsalzförderung, um und den meist mangelhaften Einrichtungen war das Ausbringen an benannt, weil sie nach dem Muster der altrömischen Schrift ge­derentwillen allein die Schächte abgeteuſt waren, vollständig ein- edlem Metall ein sehr unvollständiges, so daß ein verhältnismäßig schnitten ist. Frakturschrift bedeutet soviel wie edige Druc gestellt wurde, um nur noch die wertvolleren Kalifalze zu gewinnen. großer Teil in dem Schutt zurückblieb. Nachdem mit Hilfe dieses schrift. Sehr wenig verständlich werden die Bezeichnungen Das weggeworfene Gestein war damit zur Grundlage einer neuen Staubbaues die ergiebigeren Fundstellen ausgebeutet waren und neue Korpus und Cicero sein. Sie stammen, nach Angaben der Industrie geworden, die heute, nach 60 Jahren, mindestens 100 000 von gleichem Erträgnis nicht mehr in Aussicht standen, ging man" Papierzeitung" daher, daß in den so bezeichneten Schriftgrößen Mann beschäftigt, ohne damit den Höhepunkt ihrer Entwickelung er- dazu über, den schon einmal verarbeiteten und als wertlos beiseite zum erstenmal kurz nach der Erfindung der Buchdruckerkuns: das reicht zu haben. geworfenen Goldfand ein zweites Mal vorzunehmen. Da hierbei Bürgerliche Gesetzbuch das corpus juris civilis und die Neden des Kam früher ein Fremder zum ersten Male in die deutschen verbesserte Verfahren und vollkommenere Wascheinrichtungen zur An- Cicero gedruckt wurden. Vielfach gebraucht, aber meist auch under­Steinkohlenbezirke, so fielen ihm hier weniger die Schachttürme und wendung gelangten, so war die Ausbeute noch ganz gut, stellen- standen ist die Bezeichnung Akzidenzdruckerei. die sonstigen Bauten der Kohlenzechen auf, als vielmehr die alles weise sogar besser als bei der ersten Durcharbeitung. Die Abfälle sprung davon ab, daß die Herstellung von Besuchskarten, Blakaten, überragenden Berghalden. Diese bestehen aus den Bergen", die wurden wiederum als unbrauchbar fortgeworfen, und Rechnungen den Druckereien Frankreichs   nicht dauernde Beschäfti­beim Abteufen der Schächte, beim Auffahren der Querschläge und anscheinend diesmal wohl für immer. Arbeiten daher als travail Aber auch dies war gung brachte und man diese bei den sonstigen Gesteinsarbeiten in der Grube fallen. Da man für nicht zutreffend. gut Neue Fundstellen wurden immer seltener. Der par accident als Gelegenheitsarbeit bezeichnete. Das sie keine nugbare Verwendung hatte, bildeten sie unnüßen Schutt, Goldhunger der Menschen aber größer. Eine Folge davon war das Deutsch klingende Punkt stammt aus altrömischer Zeit. Die alten Römer der als wertlos fortgeworfen wurde und sich mit der Zeit zu Suchen nach neuen und verbesserten Gewinnungsverfahren. Das benutzten zum Schreiben auch Wachstäfelchen  . Zum Zeichen, daß ein hohen Bergen auftürmte. Bei den neueren Zechenanlagen sieht erfolgreichste ist wohl bis jetzt das Chanitverfahren, welches die Abschnitt zu Ende war, wurde an der betreffenden Stelle ein Strich man diese Schutthaufen nicht mehr und auch bei den älteren Verarbeitung selbst ganz armer Golderze gestattet. Mit seiner Hilfe Punktum" in die Wachsmasse gemacht. Auch über den Sinn der find sie zumeist in der Abnahme begriffen und stellenweise schon ging man an manchen Orten nochmals an die Auswaschung des Bezeichnung Verleger dürften sich die Wenigsten klar sein. In verschwunden. Dies hat seinen Grund darin, daß sich mit der Zeit schon zweimal durchgearbeiteten Sandes. Es wurde also bereits früheren Zeiten verkehrten Schriftsteller und Drucker unmittelbar miteinander. Verwendungszwecke für die Berge gefunden haben. Zuerst fand zweimal als wertlos Fortgeworfenes wieder als brauchbar an­Mangelte nun dem einen oder anderen das nötige man, daß das Haufwert mancher Berghalden sich vorzüglich zur erkannt und einer nochmaligen Nachlese unterworfen. Db dieses un- Geld zur Herausgabe des Werkes, so wandten sie sich an einen Herstellung von Ziegelsteinen eignet. Man legte deshalb bei ihnen fehlbar das letzte Mal gewesen ist, läßt sich mit Sicherheit nicht be- Dritten, der ihnen die nötige Summe vorlegte" und aus diesem Ziegeleien an. In diese werden die Haldenberge mittels Stoller- haupten. ,, Vorleger" ist der heutige Verleger entstanden. gängen und Kugelmühlen zu feinem Bulver zerkleinert, das mit etwas Wasser angefeuchtet in Kniehebelpressen unter starkem Druck zu Steinen geformt wird, die dann in großen Kammeröfen fertig­gebrannt werden.

Kleines Feuilleton.

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Sie leitet ihren Ur­

Blut als Nahrungsmittel.

Für das in den Schlachthöfen abfallende Blut hatte man bisher Der auf diese Weise verarbeitete Schutt bildet allerdings nur Ein liftiger Kleinkrieg im Tierreich. nur ungenügende Verwendung; zu einem kleinen Teile wurde es zu einen fleinen Teil der beim Grubenbetrieb fallenden Berge. Es Ueber ein merkwürdiges Naturspiel berichtet Wilhelm Bölsche   in Tierfutter verarbeitet oder zur Fabrikation von medizinischen oder mußten deshalb noch andere, abnahmefähigere Verwendungszwecke einer Plauderei im nächsten Heft der Zeitschrift leber Land und chemischen Präparaten verwendet. Und doch steht das Blut infolge gefunden werden, wenn die das Landschaftsbild verungierenden Meer". Die Hauptperson ist eine fleine Schnecke mit durchsichtiger feines Gehaltes an Eiweiß dem Fleisch an Nährwert sehr nahe, so Steinhaufen verschwinden sollten. Solche stellten sich auch zur gelber Schale, bekannt unter dem Namen Bernsteinschnecke. Dieser daß seine Vergeudung wohl die Aufmerksamkeit auf sich lenken rechten Zeit ein. Gerade als die Halden   auf manchen Zechen derart Schnecke begegnet es häufig, daß sie in dem von ihr zum Verspeisen aus- fonnte. So hat man denn in letzter Zeit versucht, allerlei Speisen, anwuchsen, daß man um Platz für sie in Verlegenheit fam, machten ersehenen Salat unerwarteterweise ein Ei findet, das sie arglos mit wie Suppen, Saucen, Puddings usw., mit größerem oder geringerem sich die durch den gesteigerten Abbau der Kohlenflöze hervor- dem wohlschmeckenden Salat verschluckt. Diese Eier aber, die listig in Blutzusatz herzustellen. Neuerdings ist es wie der Prometheus" gerufenen und von den Werken zu vergütenden Bodenfenfungen den Leib der Schnecke geschmuggelt werden, enthalten winzige Saug- nach der Münchener medizinischen Wochenschrift" mitteilt, gelungen, bei der dichten Bebauung der Erdoberfläche derart bemerkbar, würmer vom Geschlecht der Doppelsaugnäpfer( Distomum). Der das Blut in Mehl überzuführen. Dieses von Prof. Dr. Hofmeister daß sie oft den ganzen oder doch einen großen Teil des Ueber- ungebetene Gast friecht erst im Schneckenleib aus dem Ei, geht in erfundene Blutmehl hat das Aussehen von Kakaopulver und lät schusses der Zechen aufzehrten. Man mußte deshalb auf Mittel und der Schneckenbehausung auf Wanderungen und vermehrt sich in der sich mit Noggen oder Mischmehl leicht zu Brot verbacken, das sich Wege bedacht sein, dieſem abzuhelfen. Als das einfachste und Schnecke auf erstaunliche Weise, nachdem er sich selbst puppenartig vor dem gewöhnlichen Brot durch besonders feinen Geschmack auss ficherste erschien das vollständige Wiederausfüllen der ausgehauenen in eine Hautkapsel gehüllt hat. Diese Kapfel zeigt nach kurzem Ab- zeichnen soll. Um die Verwendung dieses Blutspeisemehls möglichst Grubenräume. Angestellte Versuche waren von gutem Erfolge und liegen neues Leben, und bald ist ein ganzes Geschlecht fröhlicher allgemein werden zu lassen, sind Versuche angestellt worden, es zu ergaben noch weitere wesentliche Vorteile, durch welche die größeren| Jungwürmer im Schneckenleib vorhanden, die sich alle ebenfalls in entfärben und ihm so den letzten üblen Beigeschmack zu nehmen, Kosten des Versazbaues reichlich ausgeglichen wurden. So fonnten wurstartigen Hantkapseln befinden. Die kleinen Gäste machen es sich der an seine Herkunft erinnert; das Ergebnis derselben soll be= die Flöze ohne die bisher unvermeidlichen, oft bis zur Hälfte der in dem Schneckenleib immer bequemer und dringen schließlich sogar in friedigend sein. Ueber den Nährwert und die Ausnüßung dieses anstehenden Masse betragenden Sohlenverluste vollständig abgebaut die langen Fühlhörner der Schnecke ein, mit denen nun eine sehr sichtbare unter dem Namen Sanol" befannten farblosen Blutmehles ist werden. Ferner sant der Verbrauch an Holz und Koblen zum Verwandlung vorgeht. Die sonst feinen und weichen Fühler wachsen allerdings gegenwärtig noch nichts Näheres bekannt. Ausbau der Grubenräume ganz wesentlich. Durch Ausfüllen sich nämlich durch ihren Inhalt zu dicken, prall aus der Schnecke der ausgekohlten Räume wurden, neben den beim Betriebe herausragenden Kolben aus. Damit aber auch die Schönheit nicht fortwährend fallenden Bergen, in erster Reihe die angeschütteten zu kurz fommt, erhalten die Hauptkapseln eine durch die glasartig Haldenmassen herangezogen. Der Bedarf an Versatz ist dabei so durchsichtigen Schneckenfühler schimmernde gelbe und grüne Färbung groß, daß stellenweise die Halden   schon ganz abgetragen sind und von weithin leuchtender Pracht. Dieser Anblick aber lockt nun ein- Theater chronit. Jm Deutschen Theater wird als erste man gezwungen war, sich nach anderen Bezugsquellen umzusehen. drittes Tier an, nämlich einen Bogel, etwa ein Rottehlchen oder Shakespeareinszenierung der nächsten Spielzeit das Lustspiel Biele Zechen haben deshalb Sand- und Lehmberge sowie die Halden   eine Bachstelze. Der Vogel, der sich auf der Jagd nach fetten er Euch gefällt" borbereitet. Die Regie führt Max Rein­alter eingegangener Zechen angekauft, um sie mittels Seilbahnen, Raupen oder Maden befindet, glaubt in den beiden verwandelten Im Kleinen Theater muß infolge Erkrankung Rohrleitungen, Schiffen oder Eisenbahnen den Schachtanlagen zuzu- Fühlhörnern der Schnecke das Gewünschte erblickt zu haben; ein eines Hauptdarstellers die für Sonnabend angesetzte Premiere voi. führen. Auf diese Weise sind die früher als lästiger Schutt beiseite Griff mit dem Schnabel- die Fühler samt ihrem Inhalt' find Heinrich Ilgensteins Lustspiel" Ghesanatorium" auf Dienstaa, den geworfenen Berge zu einem wertvollen Schatz geworden, den man gepackt, abgerissen und verschluckt. Die Schnecke 1. August, verschoben werden. Bereits gelöste Eintrittskarten be forgiam hütet, während man sie noch vor etwa 20 Jahren nicht aber zieht sich nach dieser schonungslosen Amputation eiligst halten für Dienstag ihre Gültigkeit. In Abänderung des Spiel­allein umsonst abgab, sondern auch noch gern die Abfuhrkosten und in ihr Bernsteinhaus zurück, und planes geht dafür am Sonnabend, Sonntag und Montag abend die Bachstelze wippt " Liebelei" in Szene. selbst mehr zahlte, wenn man sie nur los wurde. fröhlich davon, ohne zu ahnen, daß die kleinen Wurmpiraien nun in ihrem Körper ein fröhliches Dasein fortzusetzen gedenken. Sie nähen- Die Freiburger Berg akademie feiert in diesen fich nämlich nicht wieder in Hautkapseln ein, friechen vielmehr im Tagen das Fest ihres 150jährigen Bestehens. Brautpaar gebracht sein, um ihm den Segen zu geben. Er lange gewaltsam hatte zurückpressen müssen. Sie meinte es tappte am Tisch entlang bis zur Brautlaube, immer vor sich hin sprechend:" Wo ist die Annika? Ich kenne doch wohl die Annita die hübsche Braut- wo ist denn die Annika und der Bräutigam, mein Junge- wo denn?"

Aehnlich wie den Zechen ging es den Hochofenwerken. Auch diese waren gezwungen, umfangreiche Halden   von als unverwertbar

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Für tot erklärt.

Von Ernst Wichert  .

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selbst

Annika war froh, die alte Zene in ihren Herzensergüssen auf gute Art unterbrechen zu können, stand auf, reichte dem zitternden Greis die Hand und sagte ihm ins Ohr: Hier, Hans Niels, set Dich zu mir."

hardt.

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Notizen.

H

Wie

Die alte Lene war in ihrer Art ganz sentimental ge­stimmt, hatte fortwährend die weiße Schürze vor den Augen und greinte: Ach, du mein Gottchen, wer hätte das gedacht, als hier so großer Gram war über den armen Peter Klars und als nachher der alte Mann, sein Vater, hier in dieser Stube frank lag und ich bei ihm wachte, und die junge Frau gar nicht wußte, ob sie nun Witwe sei oder nicht mer hätte das gedacht! Und nun solche große Hochzeit mit Essen und Trinken vollauf, und drüben ein stattliches Haus mit der schönen Wirtschaft, Scheunen und Ställe, Vieh und Pferde einen guten Plak da einen sehr guten Plak. Der Peter sei. Sie durfte nicht länger verweilen, wenn sie nicht das

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da wird der kleine Peter alle Tage reiten fönnen ja wohl, mein Goldchen, das wirst Du, und kannst Dir aussuchen den Braunen oder den Schimmel; und wenn die alte Lene herüber­tommt und zum Doktor will, dann wirst Du sie nicht auf ihren alten Füßen laufen lassen, sondern anspannen lassen, wie ein großer Herr, für die alte Lene, die Dich manches Mal auf den Armen getragen hat. Nicht wahr, das wirst Du, mein Gold­fischchen?"

Dabei fauerte sie vor dem Kleinen nieder und füßte ihm die Hände und streichelte der Braut die Knie. Nein, Du wirst fein Seemann," plauderte sie weiter, Du wirst kein Seemann, wie Dein Vater, Peterchen. Das Wasser hat keine Balken und mein Mann ist auch ertrunken, als einmal das Fischerboot umschlug. Aber mich hat hinterher keiner gefreit, und ich habe mir fümmerlich mein Brot verdienen müssen- ach Gott, ach Gott  !"

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gar nicht überleben zu können, von dem Fischerhause z11 scheiden, in dem sie einst so glücklich gewesen war. Es über­kam sie der Gedanke, daß man auch den Toten treu sein müsse, wenn man sie recht geliebt habe, und wieder regte sich der affe Zweifel: ist er auch wirklich tot? Sie hätte gern nur noch einmal auf die hohe Düne steigen und aufs Meer schauen mögen, das sein Grab sein sollte. Aber sie konnte nicht hinauf, ohne von den Hochzeitsgästen gesehen zu werden, und sie über­legte auch, daß sie den guten Konrad nicht kränken dürfte, der doch nicht mit ihr fühlen könnte. Schon wurde es auch vor dem Hause laut; man lief nach dem Strande, um die Kähne flott zu machen, und erkundigte sich, wo die Braut geblieben ganze Fest stören wollte. As sie sich erhob und einige schwankende Schritte machte, mußte sie sich an der Mauer halten; aber sie raffte gewaltsam alle raft zusammen trocknete die Augen und trat mit heiterem Gesicht unter die Gäste. Nur Konrad wußte, daß sie geweint hatte, und wußte, warum.

Er lachte vergnügt. Sann stehen, kann stehen," schmun­zelte er, immer mit dem Kopf nickend; werde mich doch nicht in die Brautlaube sezen! Ja, vor fünfzig Jahren vor fünfzig Jahren, da ging's schon ha, ha, ha. Aber Du hast Alars ist ein braver Junge- hab ihn ja über die Taufe ge­halten vor fünfzig Jahren oder ist's noch nicht so lange her? Kann sein, kann sein; aber brav ist er wie sein Vater, der Peter Klars, und sein Großvater, der hieß auch Peter Sars. Ja, was ich sagen wollte Du bist auch brav, Annika, und den braven Leuten geht's am Ende immer gut. Hast treu Man fuhr ab. Die Musik auf einem besonderen Boot am Peter gehalten obgleich alle Leute sagen, daß er auf voran, dann das Brautboot mit der grünen Zaube gleich der See ertrunken sei! Immer wie Gott   will wie Gott   hintendrein, und nun das Gefolge ohne feste Ordnung, wie will; es ist auch nicht alles wahr, was die Leute sagen ein Keil, dessen breite Seite dem Lande zugefehrt war. Annika immer wie Gott   will. Meine Dore hat dazumal auch auf sah nicht mehr zurück. Sie lehnte sich an die Brust des mich warten müssen, lang, lang fünfzig Jahre oder Bräutigams, der sie umfaßt hatte, und flüsterte ihm zu: Jeßt nein, fünf Jahre, ganz recht, lange fünf Jahre; aber sie ist ist's überwunden ganz gewiß."" Beige meiner Mutter mir treu geblieben, bis sie starb; dafür kann kein Mensch, ein recht frohes Gesicht," bat er, sie macht sich sonst Ge­und nun find' ich sie gewiß einmal im Himmel. Wo ist der danken." Peter Klars- Deine Hand, mein Junge! Sagten schon alle, daß Du ertrunken wärest- aber es ist nicht alles wahr, was die Leute sagen."

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Auch Hans Niels, der Graukopf, lebte noch, aber er war ganz blind geworden und tappte mit dem Stock umher. Die Einer von den Nachbarn schrie ihm ins Ohr: Das ist jungen Leute reichten ihm von Zeit zu Zeit ein Gläschen ja der Konrad Hilgruber, mit dem sie Hochzeit macht!" Kümmel und amüsierten sich über seine Redseligkeit. Da er Der Alte nickte freundlich. Hilgruber, ganz recht das nur mühsam einzelne Worte auffing, die ihm ins Ohr ge- ist der Krüger drüben im Dorfe, ich kenn' ihn wohl, er hat schrien wurden, so wußte er nicht recht, was die ganze Feft- eine schlimme Frau. Na, mag er sehen, wie er mit ihr zu­lichkeit zu bedeuten hatte, und reimte sich wieder in seinem recht kommt, er hat das Geld dazu. Sein Schnaps und Bier schwachen Kopf eine ganz eigene Geschichte zusammen. Er er- soll uns schmecken, Kinder. Juchhe!" innerte sich, daß Peter Klars zur See gegangen war und die Er versuchte am Stock einen Hopser zu machen und wäre Annika heiraten wollte, aber, daß er sie wirklich geheiratet hatte, war ihm in Vergessenheit gekommen, und da er nun etwas von Hochzeit hörte, meinte er nicht anders, als daß der Seemann, den man schon für tot gehalten hatte, zurückgekehrt sei und die Annika heimführe. Er hatte schon viel wunder­liches Beug darüber zu den Gästen gefoft und wollte nun zum

dabei bald rücklings übergefallen. Man lachte allerseits, nur die Annika lachte nicht, und der Bräutigam sah verlegen lächelnd zur Erde. Die Annika überließ der alten Lene den Fleinen Peter und ging zur Tür hinaus und um das Haus herum, wo feiner von den Gästen sie störte, kniete in den Sond nieder und wehrte den Tränen nicht länger, die sie so!

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Im Dorfe blieben nur einige Ausgedinger und alte Frauen bei den Kindern zurück, und Niclas Binsas, der drei­zehnjährige Hütejunge, mußte wieder zu den Pferden auf die ziemlich entlegene Weide, die er nur auf eine Stunde hatte verlassen dürfen, um doch auch von der Hochzeit etwas ab­zubekommen. Er war Ortsarmer und schon vom siebenten Jahre ab drüben als Gänsejunge vermietet gewesen, seit vorigem Jahre aber nach seiner Einsegnung nach Hause ge­nommen, um zu allerhand Diensten gebraucht zu werden. Als die kleine Flotte abfuh:, war er schon unterwegs über die hohe Düne nach der Wiese, die im Schutz einiger Birken und Weiden zwischen den Sandbergen lag. Er sah oft zurück nach den abfahrenden Kähnen und wäre gar zu gern auch des Krügers Gast gewesen. Aber er hatte nicht einmal einen Sonntagsrock und mußte sich solche Gedanken ganz und gar vergehen lassen.

( Forts. folgt.)