susi-m Unterhaltungsblatt öes VorwärtsHeurigen-Tppen.Ein Wiener Bild von Rudolf Müller(Wien).„Sö kennan den„Uncircd*(ein buckliger Stegreissänger) net?"sagte verwunderl ein mir bekannter Hieferschwanzelhändler(Metzger).„Unglaublich I... Ganz Wien kennt den„Ungrad" und grabSö sollten eahni net kenna? Sö san do a ka fader ZipfT— Ichniußie beschämend gestehen, datz ich noch nicht Gelegenheit hatte, denHerrn kennen zu lernen.— Um meine Unwissenheit zu be-mänteln, fügte ich schüchtern hinzu, datz ich wohl den Her-mann Bahr. Schnitzler, Karl Kraus, den Stürgkh und denSchönaich persönlich kenne.... ,A Paperlapap", fiel er mirins Wort.„Nix kennan S', nix hab'n S' g�sehnlDen„llugrad" müssens S' g'hört hab'n, hernach kennan S' sag'n,daß S' wos g'schn hab'n. I sog' Jhna. Fürschten und Grof'nziag'n eahm noch, wia de Fliag'n dem Honigtops, dos ganze.bessereWean" is draatzt bei eahm."—.Nun, wo ist denn der Tausendsasazu sehen und zu hören?"—.Wo denn sunst als drautzt bei derMurrin in Grinzing, glei neben dem Straszenbahnhof."Ich versprach morgen hinauszukommen..Also guat, na, dowerden S' spitzen aus Weixlnl Wenn S' mi net glei find'n, srag'nS' nur nach mir, mi kennr durt jed'S Kind. Fufzehn Jahr' ziag idurthin, wo der.Ungrad" singt, wo er is bin i a z'find'n."—Am vereinbarten Abend trat ich die Reise zur Murrin nachGrinzing an. Gleich neben dem Bahnhof stehen Zeugl(Wagen) aufZeugl, Autos und Omnibusse vom Kobenzl. Ein von der Sonnevergilbtes Plakat und die Gigs sagten mir, datz hier das.bessereWien" sich versammelt hat und ich am richtigen Orte wäre. Alsich in den Garten eintrat, trug ein Sänger, der gut seine dreiZentner hatte, eine Parodie auf die fleisch- und fettlosen Tage vorund dann„'s wird schöne Maderln geb'n" als Extradraufgabe. Miteinem ungeheuren Applaus schlag dieser Caruso seine Hedulie,während die Gäste jauchzend mitsangen.„Es wird a Weinerl geb'n und mir werd'n nimmer leb'n",ist die Losung des Abends. Ein Gesurre und Gesumse, dazwischenwinselt die Heurigenmusik schmachtend heraus. Endlich hatmich mein Bekannter erblickt.„Warum denn so spat", schallter mich aus.— ,'s geht bald auf achte und Sö hab'n das fchöneEntreeliad verpatzt."„Was bekommt man hier zu trinken?" fragte ich.—„Aberfrag'n S' net so dalkerl, an i Kronen Wein, der andere ist a'Panisch."— Dann sab ich mich ein wenig im Kreise um und mutztegestehen, datz hier wirklich das„bessere Wien" seinen Sammelpunkthat. Auf den Tischen lagen ganze Ladungen von Rindsbraten,Hendln, Gansln, Schinken. Alles fchmatzte und kaute, trank undjubilierte.—„Mir scheint, heut' ist ein fleischloser Täg", bemerkteich,„und hier..."—„Aber red'n S' do ner so g'schwoll'n daher.Beim Heurigen(neuen Wein) gibt'S kane fleischlose Tag' net. IZöSwerd'n S' glei seg'n." Damit überreichte er mir ein mit Freflaliengefülltes Paket.—„Zum Wein g'hört a knusp'rigS Gansl, als wiazu der Supp'n daS Salz."Mir gegenüber kamen neue Gäste an, zwei Herren, zwei Damen.Nobel über nobel. Lange Fingernägel, große Boutons, Ringe, daszu mindestens 5000 Kr. Die Sänger erkannten die Gäste und-».Achten nach der Art der Animiermädeln ihre Komplimenteund schleppten von irgendwo Tisch und Sestel für die Herrschaftenherbei. Auch mein Begleiter lüftete von weitem vor den Ankömm-lingen den Hut.—„Wer ist denn das?* fragte ich.—„Pst. Söwerd'n S' bald erfahr'n, i hab'S den„Ungrad" scho zund'n. Derwird an pfefferten Slehgreif auf se singa."— Die Viere nahmenPlatz. Zwei Pakete wurden geöffnet. Ich traute meinenAugen nicht: eine ganze Rindszunge, mehrere Stücke Filets,Ganjerln, Henderln, Schinken, Käse und Butter türmten sich auf lEin ganzer Monatsgehalt von mir lag lecker vor den Vieren mitdem gesegneten Appetit. Meine Neugierde ließ mir keine Ruhe undich bat den Bekannten, mir zu sagen, wer denn der„Fürschl" sei.Mein Begleiter ließ sich erweichen, lehnte sich über den Tisch,legte die Hand vor den Mund und wispelte mir geheimnisvoll insOhr:„Dös ist der Engelhart."—„Wer und was ist denn dieserEngelhart?"—„Na hör'n S'," sagte mein Nachbar,„Sö kennan jarein neamd' in Wean." Ich mutzte mir den Vorwurf gefallenlassen.„Der Engelhardt ist eb'n En�elhart, der Hoffleischhacker I"—Dabei sah er sich um, ob er durch diese Indiskretion nicht etwa eineMajestätsbeleidigung begangen habe.Dann erklärte er mir weiter, datz der Dicke rechts mit diesäubern Dudeln(Mädeln) der Herr Kruspelspitz sei.„A grotzerSchlang!", und er hob die Finger wie zum Schwur.—„Der durtan der Eck'n is da? Schwarzscherzl, der führt heut' a harbe Kund-Zur tot erklärt.36) Von Ernst Wichert.Es war gesagt: ihr Gemüt ttmrde ruhiger. Auch seineLeidenschaft schien sich abzustillen. Wie er so mit geschlossenenAugen zurückgelehnt dasaß, nahmen seine Züge allmählicheinen starren, frostigen Charakter an: er ähnelte mehr als jeseiner Mutter. Annika erschrak, als sie, durch sein Schweigenbesorgt gemacht, zur Se'te blickte. Er mochte innerlich mitschweren Entschlüssen ringen; manchmal zuckten die Augen-lider und die Lippen so eigen. Sie kniete neben dem Stuhlnieder und küßte seine welk herunterhängende Hand.Er zog sie zurück.„Annika— 1"„Vergib mir, Konrad I"Er versuchte zu sprechen, aber der Ton versagte ihm.„Du darfst auch nicht Dein Testament machen," fuhr siemit inständiger Bitte fort.«Ich kann nichts von Dir an-nehmen, da ich Dir nichts gebe, und mein Kind— das Dulieb hast, ich weiß es wohl— � mein Kind hat nun wiederseinen ersten Vater und wird nicht Not leiden. Und Du wirstdiesen Schmerz überwinden und vielleicht nach einiger Zeitselbst wünschen, von mir frei zu sein; so sollst Du Dir nichtdie Hände binden."Er schüttelte heftig den Kopf.„Laß mich ziehen, Konrad I"Es war ein schwerer Kampf.„Und wenn ich Neinsagte?" antwortete er rauh.Sie sah mit ihren großen blauen Augen recht ernst zuihm auf.„Dann muß ich auf Gottes Barmherzigkeit rechnen!"„Du wolltest—"Er las in ihrem Blick, daß sie zum Aeußersten ent-schlössen war.Nach einer längeren Pause stillen Nachdenkens schob erden Stuhl zurück und stand wieder auf, indem er ihr zugleichdie Hand reichte und sie von der Erde erhob. Er ließ sie zurSeite treten und durchmaß das Zimmer mit eiligen Schritten.Endlich blieb er mit dem Rücken gegen Annika stehen undfragte:„Und wann wolltest Du fort?"„Morgen, Konrad— wenn Du mich nicht mehr brauchst."„Eilt es so?"„Es eilt." � Sie dachte an Peter Klars Drohungen.Er setzte seinen Gang fort, wohl mehrere Minuten lang;dann trat er vor sie hin und sagte augenscheinlich mit schmerz-schoft aus, d'rum Hot er sei Alte mitg'nommen. Ui jegerl, die wirdeahm z'wider sei I Und den Kampl durt, seg'n S''n, den Stark'nmit dem feschen Frau'nzimmer, des is der Herr„Knochenmann"vom zehnten Hieb. Der kann's Jhna forma... Der gibt jed'nhunderl dur. Und seg'n S' den durt, ichläg in der Laube?"...Da unterbrach ich seine Rekognoszierungsrcise durch dasReich der weitzen und schwarzen Scherzet, der Hieferschwanzel undKruspetspitze und meinte,„mir scheine, als ob hier die ganze Rind-und Borstenvieh verarbeitende Menschheit da wäre."—„A na, allenet l Nur die Schwären san beut' herrautzt. Na ja", meinte er,„de mach'n jetzt a Ries'ng'schäft, do Hot jeder seine fünf bis sechsSpitäler zu bedienen. So wos gibt aus I"—Auf einmal geht durch die Reihen ein Rauschen und Raunen,wie in einer Lindenallee zu Pfingsten. Pst! Pst! Pst! Alles reckldie Hälse. Viele stehen auf, dann tritt Ruh« em.„Der„Ungrad"kommt dran", sagt freudig erregt mein Gegenüber und klatscht indie Hände.— Ein kleines, unscheinbares Männchen mil einem großenHöcker besteigt einen Sessel und überschaut die atemanhaltende Menge.Eine Stecknadel hätte man in dieser lautlosen Stille fallen hörenkönnen. Denn der Liebling, Lehrer und Verkünder einer Welt-anschauung sprach zu seinem„bcsieren Wien". Nach Ablauf deretwas zu langen Kunstpause Hub eine undefinierbare, krächzendeStimme einen Schüttelvers an, der mir buchstäblich die Gänsehautüber den Rücken trieb.—Ich erfuhr aus dieser Rezitation, datz Herr Engelhart wirklichdie Güte halte, unter uns zu weilen, datz auch Herr Graf Hardeggsich unter die Bürgerlichen mischte, daß ein Schauspieler, ein Hofrat,ein Negierungsrat, ein Kricgsstiefellieferant, teils mit ihren eigenen,teils mit fremden Damen sich im trauten Kreise traut zusammen-fanden.Als das kleine, höckerige Männchen vom Sesiel stieg, da wollteder Applaus und Jubel kein Ende nehmen. Herr Ungrad mutztesich zu einer Draufgabe entschlietzen und besang zum Gaudium derAnwesenden den Bulli des Herrn Engelhart, der sich ganz unge-ziemlich hundemätzig benommen hatte. Dieses geistlose Poem löstemehrere Freudenstnrme aus. Das„beffere Wien" klatscht, schreit undschwelgt vor Glückseligkeit und Entzücken.„Alsdann", sagte mein Aussührer,„so a Hetz' war no net da.Hob' i Jhna z'viel versproch'n? Wos sog'n Sö ungläubiger Thomasjetzt zun,„Ungrad"?"—„Ich mutz gestehen, der Mann ist Euerzweiter Lueger."—„Sö, do hab'n S' den Nag'l auf'n Kopf troff'n,dös is richti wahr!"— Dann traten die anderen Primadonnen aufund sangen— nein, das ist zu höflich— krähten einen Schmachtfetzen nach dem anderen in die lauwarme Sommernacht hinein.Eine förmliche Herzausmisterei fand statt. Das fünfzig Jahre alte„Fiakerlied" schlug den Rekkord, der ganze Garten gröhlte vorüberschäumendem Jubel mit. Männer wiehern, Weiber mäckern,es wird gekost, geliebt, gcfresien und gesoffen.„Verkauft's meiG'wand, i fahr' in Himmel," so schreit mein Begleiter.Während sich Behörden, Gelehrte, Politiker, Aerzte usw. ab-mühen, nachdenken, Vorträge halten, Bücher schreiben, wie dasVolk, wie das Reich sich zu verhalten hat, um die schwereHeimsuchung zu überdauern, lauscht das„beffere Wien" beim4 Kronen Wein schalen, stumpfen Witzen.— Wiens Ernährungs-politiker führen hier das Wort. Das Handwerk hat noch einengoldenen Boden; es leibt und lebt noch.—„Es ist noch was, stelltnoch was vor und hat was." Aus feiner Mitie wird der Gemeinderat, der Stadtrat entnommen, der die Verwaltung führt und demöffentlichen Leben den Pulsschlag gibt.—„Wir haben's ja, wirkönnen'S uns leisten, der„Ungrad" ist ihr politischer Lehrer und dieMurrin die Erziehungsanstalt.Neben mir sitzt einer, der einen Schwung in die Sach' bringt.Hat a sesche„Godl"(Mädel) bei sich, er greift hinein ins volleMenschenleben und wo er's find', da halt' er's fest.—„Nur netsad sei, mir san mir! Seg'n S', so was gibi'S nur bei unS inWean, im g'mütlichen Wean, mit seinen goldenen Herzen,'s gibtnur a Kaiserstadt, gelt Maderl? Gib mir a Busserl."Jawohl, so ist Wien.„Wenn a der Wein a wengerl teurer iS, ma mutz aber a anG'schäftssinn hab'n und leb'n und leb'n lassen.„Sö, des is kaWurzerei. O na! Helf' Gott, datz's wahr is!"Bei dieser Betrachtung fiel mir Ferdinand jtürnberger, derechte Oesterreicher, der gute Wiener ein, der seine Landsleute ausdem ff verstand und einmal sagte:„Ein Philister ist ein hohlerDarm, mit Furcht und Hoffnung angefüllt, ist ein Mensch, der dieKraft verloren hat, jugendlich im Erleben der Gegenwart aufzu-gehen, der vollends unfähig, sein kleines Selbst vor einem Höherenzu vergessen..licher Ueberwindung:„Du bist fähr aufrichtig gewesen, Annika,sei es auch jetzt. Liebst Du Peter Klars noch jetzt?"Das Blut schoß ihr in die Stirn.„Ich bin Deine Frau,"antwortete sie.„Liebst Du Peter Klars noch jetzt?" wiederholte er ein-dringlicher.„Beim allmächtigen Gottl Es ist nicht darum, Konrad."„Weiche mir nicht aus— sei aufrichtig. Bei DeinerSeligkeit, nur jetzt keine Lüge: Du liebst ihn noch?"Sie legte die Hand aufs Herz.„Weil Du die Wahrheithören willst— aber er soll es nie mehr erfahren," unterbrachsie sich lauter und lebhafter;„er mag glauben, daß ich ihmauch im Herzen untreu geworden bin, und das soll meineBuße sein."„Du liebst ihn."Sie schwieg und wagte nicht einmal die Augen zu ihmaufzuschlagen.Er betrachtete sie lange, wie sie so vor ihm stand, ganzein Bild in Traurigkeit aufgelöster Resignation. Er grollteihr und hätte ihr doch zu Füßen fallen und sie um Liebe bittenmögen, um einen heißen Abschiedskuß wenigstens, um eineSekunde Seligkeit für ewige Entsagung. Fort, ihr Träume!Er wendete sich ab und sagte kalt:„Es ist gut, Annika— Dukannst gehen."Sie wollte seine Hand ergreifen und an ihre Lippenziehen; er ließ es nicht zu.„Geh, geh!" rief er,„ich willallein sein."Annika fühlte, daß sie gehorchen müßte. Sie verließlangsam schweren Herzens das Zimmer.X.Draußen vor der Tür blieb sie stehen und überlegte, waszu tun sei. Die Kisten und Kasten mit Betten, Wäsche undHausgerät, die sie am Hochzeitstage von der Nehrung mit-gebracht hatte, standen noch ungeöffnet auf dem Boden. DieKleidungsstücke, die sie aus einer verschließbaren blauen Ladegenommen hatte, waren bald wieder verpackt. Bei der Nach-barin, in deren Hause sie die erste Nacht zubrachte, hoffte sieleicht ein paar starke Fischerknechte zu ermitteln, die ihr dasGepäck ans Wasser tragen könnten. Das kleine Boot, das zurKlarsschen Fischerkate gehörte und am Hochzeitstage das Ge-päck aufgenommen hatte, mußte noch auf dem Haken liegen;sie konnte es nun zur Rückfahrt benutzen. Freilich erinnertesie sich, damals gehört zu haben, daß sich in demselben wie indem zurückgelassenen zweiten Boote ein Leck gezeigt habe; dieschadhafte Stelle war aber vielleicht zu verstopfen, ohne datzkleines Zeuilleton.Sozialismus und Persönlichkeit.Einem Brief, den Romain Rolland als Beitrag zur Jaurös-Nummer des Wockenlilaues„Le Populaire" an Gen. Jean Longuetgesandt hat, entnehmen wir folgende Betrachtung:„Der einzige Gegenstand, auf den ich heute hinweisen will, istdie Bedeutung, die die Persönlichkeit in der modernen Gesellschaftbehält. Seit einem halben Jahrhundert legt der Sozialismus ihrallzu wenig Gewicht bei. Er gibt sich den Anschein, zu glauben,datz heute nur die großen Gemeinschailsströme, die mächtigennamenlosen Menschenströme und ihre Gefetze zählen. Aber dieGeschichte der vergangenen zwei Jahre hat gezeigt, datzdie kollektiven Kräfte blind und unsicher bleiben, von ihremWege abgelenkt werden und sich rückwärts wenden, oder in Gefahrkommen, sich gegenseitig zu vernichten, wenn sie nicht durch starkeGeister gelenkt werden, die ihnen Auge, Stimme. Vernunft undGlauben sind. Weit entfernt davon, die Rolle des Individuumszu Nichte zu machen, mutz der Sozialismus seine Kraft verhundcrt-fachen. Denn er braucht Menschen, die in sich alle zerstreutenEnergien des Volkes konzentrieren und sie auf ihrer Bahn in einemmächtigen Bündel bewuhtgcwordenen Lichts projizieren. Ein solcherMensch war Jaurös. Und das Unglück der Zeit war, datz ereinzig war."_öilse und öle heiratsabenöe.Benjamin Bilse, der bekannte Konzertleiter, dessen Name fürpopuläre Konzerte sprichwörtliche Bedeutung erlangt hat, ward voreinem Jahrhundert— am 17. August 1316— in Liegnitz geboren.Er hatte nur die einfache Schule früherer Musikanten durchgemacht.Er war beim Stadtmusikus seiner Geburtsstadt in die Lehre ge-gangen, aber er hat sich doch zu tüchtigem Können als Musikleitcremporgeschwungen. Nachdem er sich in Wien bei den WalzerdirigenteuLanncr und Slrautz weitergebildet hatte, kehrte er nach Liegnitzzurück, um StadtmusikuS zu werden, und auch dort schon wußte erdurch Reichhaltigkeit des Programms, in denen bereiiS in den sechzigerJahren Namen wie Wagner, Berlioz, Liszt zu finden sind, sichauszuzeichnen. Dann zog er mit einem eigenen Orchester durch dieLande. Im Dezember 1867 siedelte er dann in daS damalige Berliner Konzerthaus in der Leipziger Straße über, und hier wirkte erbis zum Jahre 1884. In diesen siebzehn Jahren hat Bilse für diemusikalische Unterhaltung und musikalische Volksbildung der Berlinerzweifellos viel Gutes geleistet.Besonders berühmt waren die„ H e i r a t s- A b e n d e" imBilseschen Konzerthaus; so wurden die DonnerStagS-Konzerte genannt, bei denen in harmloser Weise Bürgeriamilicn mit ihrenTöchtern sich einfanden, um bei der musikalischen UnterhaUungBckannischafl mit jungen Leuten anzuknüpfen. Diese„Heirals-konzerte" sind oft in Berliner Romanen und Erzählungen geschildertworden. In den 70er Jahren, wo sein Orchester auf der Höheseines Ruhmes stand, wurden diese musikalischen Heirals-Vermittlungen von ihm auch im Sommer ausgeübt, wo er indem großartigen, der Gründerzeit seine Entstehung verdankendenEtablissement der„Flora" in Charlottenburg jeden NachmittagKonzerte veranstaltete. Damals war fein erster Konzertmeister dernachmals so berühmte Violinvirtuose Eugene Dsaye und sein ersterCellist Anton Helling. Beide waren die Schwärmerei allerBackfische, besonders Nsahe mit den langen blonden Haaren; aberauch Bilse selber war der Liebling der Damen, die ihn täglich durchBlumenspenden auszeichneten.Nachdem sich Bilse 1885 nach Liegnitz zurückgezogen hatte,kehrte er noch einmal zu einem kurzen Gastspiel 1887 nach Berlinzurück, um das 4000. Konzert im Konzerthaus zu dirigieren, wobeier dann in mannigfacher Weise gefeiert wurde. In Liegnitz ist erhochbetagt tm Jahre 1S02 gestorben.Notize».— Reinhard Sorge, ein junger Dichter, ist gefallen. Erhatte schon mit seinem Erstling, dem Drama„Der Bettler", dieAufmerlsamkeit literatischer Kreise erregt; die Kleist-Slistung verliehihm ihren ersten Preis, und das Deutsche Theater in Berlin nahmdaS Drama an. ES bereitet jetzt die Luftührung des in seinerKomposition kühnen, in seinem Weltgesühl von tiefem Ringen er-füllten Stückes vor. Später hat der Dichter noch ein allbiblischesDrama„König David" versatzt.es einer förmlichen Reparatur bedurfte. Jedenfalls war eineBesichtigung nötig, und sie beschloß, dieselbe nicht zu der-schieben.Als sie in Gedanken vertieft den Hof verließ und dieDorfstraße nach dem Flusse zu einschlug, saß Peter Klars ander Ecke der Scheune aus dem Grabenrande und sah seinemKnaben zu, wie er ein Korkschiffchen auf. dem flachen Wasseram Faden hin und her zog. Sie bemerkte die beiden nicht, aberden munteren Augen des kleinen Peter entging nicht leichtetwas, das sich in der Nähe regte und bewegte.„Die Mutter!"rief er überrascht und wollte ihr mit einem Freudengeschreinacheilen, als sein Vater ihn schnell beim Arme faßte, zwischenseine Kniee zog und ihn bedeutete, zu schweigen.„Ich willihr mein Schiffchen zeigen," meinte er kleinlaut,„wie es imWasser schwimmen kann." Der Matrose stand auf, nahm ihnbei der Hand und führte ihn nach dem Hofe.„Geh jetzt inden Stall zu den Pferden," sagte er,„ich will die Mutterrufen gehen." Der Junge war damit zufrieden.Peter Klars folgte Annika in einiger Entfernung.Sie bog, immer eilig vorwärts schreitend, von der Dorf-straße ab nach dem Treidelstege, der am Fluß entlang nachdem Haken führte, in dessen Ausbuchtung wirklich das Boot,halb aufs Land hinaufgezogen, lag. Sie versuchte, es ganzaufs Trockene zu bringen, aber ihre Kraft reichte dazu nichtaus. In dem tieferen Teil, der vom Fluß bespült wurde,hatte sich Wasser angesammelt, auf welchem der hölzerne Aus-schöpfer schwamm. Sie stieg hinein und machte sich an dieArbeit, es zu entfernen.Erst jetzt, da er ganz nahe an sie herantrat, bemerkte sieden Matrosen. Sie richtete sich erschreckt auf und sah ihn mitängstlichen Blicken an.„Warum bist Du mir gefolgt?" fragtesie nach einer Weile ernst.Er lächelte unheimlich.„Weil ich Dich schon längst zusprechen hatte," antwortete er scharf.„Die Alte hütet Dichvor mir, Witz ein Drache seinen Schatz— und es mag Dir auchwohl gefallen beim Krüger. Wie?"„Er ist krank," sagte sie,„Du weißt es."„Und lag doch heute schon im offenen Fenster undplauderte ganz munter— bis ich ihn fortscheuchte. War'snicht so?"Sie nickte schwermütig.„Darum bin ich hier," erwidertesie leise.Er sah sie fragend an.„Was soll geschehen, Annika?"Sie schwieg.(Forts, folgt.)