Nr. 208.- 1916.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dienstag, 5. September.

Der Hühnerhabicht.

Von Hermann öns.*)

Der lette Hof im Dorfe, der hart an der Landstraße liegt, ge­hört dem Anbauer Jürn Brinkmann. Es ist nur ein fleiner Hof, aber er nährt seinen Mann. Und er nährt auch die Frau, die zu einem richtigen Manne gehört. Jürn Brinkmann steht bei seiner jungen Frau auf der Diele und sieht zu, wie sie Startoffelpuffer bäckt. Er ist rechtschaffen hungrig, denn er hat schon drei Meilen hinter sich. Er ist nebenbei noch Jagdaufseher über die große Gemeindejagd und hat vor Tau und Lag das Bett verlassen und abgespürt, ob er nicht endlich für den Pächter den braven Hirsch bestätigen kann, der im Buchen­walde steht.

hinaus.

geschichte.

einmal, und ganz barbarisch frech sind sie auch. Das mögen so an mit ein, aber ehe er den Busch hat, wirft der Habicht sich nach fünf Jahre her sein, da treffe ich meine Ente mit ihren Jungen auf unten, legt sich in der Luft halb auf den Rücken, schlägt mit dem dem Bache und jage sie nach Hause. Na, ich warf und schrie und linken Fange den Häher von unten, wendet und stiebt mit seiner trampelte am Ufer entlang, und da fliegt etwas über meinen Kopf Beute in das Unterholz. Hinter ihm her freischen die anderen hin, mitten zwischen die Enten, nimmt eine junge Ente vom Wasser Häher. Nachmittags greift er vor dem Dorfe noch eine Elster und auf und fliegt damit nach dem Bruche". Der Schuhmacher Mertens, ein Hermelin. ( Schluß folgt.) der die Fischerei in dem Bache gepachtet hat, meint: Das ist noch gar nichts. Ich habe einmal ein Stück mit einem Habicht erlebt, das geht über den grünen Klee. Wir fißen am Sonntag vor der Tür und sehen den Kindern zu, die mit den jungen Katzen spielen. Unsere Berta wirft einen Ball hin und die kleinen Kazen laufen Die Wildente" im Lessing- Theater. hinterher. Da fommt wie ein Ungewitter der Habicht über den Während die Muse der Heiterkeit und der Genius der Experi Baun, nimmt die schönste Katze, eine dreifarbige, auf, und ehe wir mentierluft sonst die wieder eröffneten Theater erfüllt, bekennt sich noch recht wußten, was los war, war er heidi."

Kleines Feuilleton.

Bassermann war Hjalmer Ekdal, die interessanteste Ver­

naive Selbstgefühl, die mit unfehlbarer Sicherheit er­folgende Selbststeuerung des anpassungsfähigen, sich jeden Augen­liebenswürdige Selbstverständlichkeit seines Lebenstünstlertums, sie blick widersprechenden und demaskierenden Selbstsüchtlings, die find alle in diesem beweglichen Temperament Bassermanns lebendig. Enthüllers heraus, aber blieb doch die lege überzeugende Menschlich­Sein Widerspiel- Theodor Loos als Gregers Werlearbeitete mit scharfer Charakteristik den Seelendetektiv und das Ferment des feit des blinden ganatiters in manchem schuldig. Jika Grümig gab die Gina schlicht und refolut. Die Hedwig verkörperte Charlotte

diese Aufführung uns an die Zeiten zurückverseßen, da intime

―r.

Endlich nimmt der alte Schäfer, der wegen seines Gliederreißens das Haus Brahms seiner Tradition getreu zur großen, ernsten Kunst: Schmunzelnd steht er neben seiner glatten Frau und sieht zu, nicht mehr hütet, das Wort." Manchmal kommt aber auch folch es hat am Sonnabend Jbsens Wildente" neu einstudiert heraus­Kaum in einem wie sie die Buffer wendet. Die Herbstsonne fällt auf die Habicht eflig zupasse. Das habe ich vor zehn Jahren zu Pfingsten gebracht und würdig die große Linie gewahrt. anderen Drama Ibsens ist Menschengestaltung mit so vollendeter Diele, und die Hühner gehen an den Wänden entlang und erlebt. Da stand ich auf der Heide bei meinen Schnucken und ſab, fünstlerischer Objektivität durchgeführt, wie in diesem adseitig be­picken die legten Fliegen fort. Da schreit eine alte pie ein mächtig großer Habicht einen alten Hafen fing. Er konnte leuchteten Problem der Lebenslüge. Der Dichter tritt nirgends Henne plötzlich schrill auf, alle anderen Hühner tun dasselbe und ihn aber nicht gleich totfriegen, und der Hase ging mit ihm in einen rennen unter die alte Haferliste, verstecken sich hinter Körben und Wacholderbusch. Und dann kam der Hase auf der anderen Seite hinter dem Vorhang hervor, um Partei zu nehmen. Er ist der Vivi­sektor, der am lebendigen Präparat die feinsten Motive bloßlegt; Mollen, und mitten auf der Diele flattert schreiend der Hahn um- wieder zum Vorschein und machte, daß er fortkam. Von dem Habicht er ist der unparteiische Zuschauer, der wie im Rahmen alltäglichen her und schlägt mit vier Flügeln. sah ich nichts. Das wunderte mich und da ging ich nach dem Busch, Geschehens seine Menschen in mannigfaltiger Weise Stellung zum Ja, mit vier Flügeln. Frau Brinkmann ist so entsetzt, daß sie und was meint ihr wohl, was ich da fand? Da lag der Habicht Problem nehmen und das Schicksal sich gestalten läßt. Und doch ist den Buffer aus der Pfanne in das Herdfener fallen läßt, und ihr dreiviertel tot, und das Eingeweide hing heraus, weil ihm ein Bein in dieser scheinbaren Natürlichkeit die größte Kunst und in deren Mann macht vor Verwunderung den Mund auf, daß die schöne herausgerissen war, und das abgerissene hing noch fest an einem neue Pfeife hinfällt und in Scherben geht. Und dann springt er zu Zweige von dem Strauche. Der Habicht hatte sich festgehalten, Ausschnitt aus der Wirklichkeit die sicherste Komposition. und greift einen Besen und schlägt damit nach dem seltsamen, glüh- und der Hase war so im Schuß, daß er ihm das Bein aus dem törpesung des in vielen Facetten spiegelnden Charakters. Das äugigen, bunten Vogel, der auf dem Hahne reitet, und er trifft nur Leibe riß." zu gut, denn da liegt der Hahn und zuckt nur noch einmal mit den Gerade will der Tischler mit einer Habichtsgeschichte aufwarten, Beinen, und daneben liegt, mit der Pfanne in der Hand, die junge da kommt die Wirtin hereingestürzt und meldet, daß soeben der Frau, denn der Habicht, der dem Schlag auswich, flog ihr unter Habicht vor ihren Augen ein Huhn gegriffen und nach dem Busche die Röcke und dann Brinkmann an der Nase vorbei zur Dietentür geichleppt habe. Alles, was frisch auf den Beinen iſt, ſpringt auf und läuft nach dem Busche. Aber man hat es falsch angefangen, mittags in den Krug und erzählt die Geschichte von den Kartoffel- über die Wiesen ab. Ganz tief fliegt er, denn das Huhn ist schier, Am folgenden Tage ist Sonntag, und da geht Brinkmann nach denn als man beim Busche ist, streift der Habicht mit dem Huhne puffern und dem Hahn und dem Habicht. Das gibt ein herzhaftes aber er bringt es doch über den Bach bis in die Kiefernbesamung, Gelächter in der Runde, und man beglückwünscht ihn zu dem und dort fällt er mit ihm ein und kröpft weiter. Zwei Tage später Hühnerbraten. Und dann erzählt der Vorsteher auch eine Habicht- findet der Jagdaufseher die Federn. Die Knochen hat sich der Schulz, herb nordisch, aber voll der ganzen Problematik des Fuchs geholt. " Ja," sagt er, das ist nun meist vierzig Jahre her, aber ich Mitten im großen Bruche liegt ein Stück Wald, das ist von Pubertätsalters. Wenn noch einige Groteskheiten zum Beispiel des weiß das heute noch genau so, als wenn es gestern war. Damals felbst angeflogen. Kiefern, Fichten, Birken und Erlen wachsen da sonst vortrefflichen alten Efdal( Kurt Gög) gemildert werden, fann waren die Habichte noch häufiger und brüteten in den Vorhölzern wild durcheinander, und darunter find Weiden und Faulbaum, Porst Menschengestaltung das Höchstziel unserer Bühnen war. und nicht dahinten in der Wildnis. Das war an einem schönen und Brombeeren dicht durcheinandergefilzt. Dort hat das alte Maimorgen, da hütete ich mit meiner Schwester, die jetzt in Neu- Habichtweibchen seine Schlafstatt. In einer dichtkronigen Fichte, mühlen verheiratet ist, die Gänie auf dem Anger beim Dorfe. Miteins dicht an den Stamm gedrückt, hoďt es mit frummem Rücken da und Schiller- Theater Charlottenburg : Kater Lampe". schreien die Gänse los und rennen wie unklug bin und her, und da berbringt die Nacht. Wenn das Rotwild unter ihm her zieht, oder Der vielbeschriene Dachhase, dem sogar im vergangenen Jahre hat ein Habicht ein Gössel und will damit fort. Meine Schwester die Rehe an dem Graben entlangziehen, der Fuchs über den Alt- unsere Hofbühne ein wirtlich Dach geboten hatte, hielt nun auch schreit und ich haue mit der Beitiche hin, und meine Schwester schreit. weg schleicht und der Hase dahinhoppelt, das bernimmt es alles, im Schiller- Theater ſeinen Einzug. Bom Helden des Stückes hören denn ich hatte sie getroffen, und der Habicht läßt das Göffel los und fliegt ohne daß es sich dadurch stören läßt. Die Nacht geht aus dem wir gar vieles- wir sehen und riechen ihn aber erst, nachdem er weg. Na, wir nehmen das Gössel auf, das am Totgehen war, und Walde, der Nebel fällt in das Gras, die Sonne bestrahlt den Wipfel feinen Staßengeist aufgegeben. Er hat wirklich den Tod durch die wie wir da so stehen und es in der Hand haben, da schreien die der Fichten. Da ordnet der Habicht sein Gefieder, schüttelt sich und Hand der Obrigkeit verdient, obschon er nicht offiziell herbeigeführt Gänse wieder, und da ist das Lort von Habicht wieder da und streicht aus seinem Verstecke. Er fliegt den Altweg entlang, schwenkt wurde, denn welche Ungelegenheiten hat er den Vertretern der geht mit einem anderen Gössel ab. Ja, es find freche Lörke, die dicht über dem Boden her an der Kante des Bestandes hin, zieht Staatsgewolt: dem Gemeindefürschteher, seinem Gemeindediener und das Hauptgestell entlang und biegt in ein Quergestell ein. Wo er sich dem Bezirksgendarmen bereitet! Tiefer als deren Kummer und ein­Nun ist die Uhr aufgezogen, und jeder weiß eine Habichts­der Häher, erschallt das Angstgeschrille bringlicher als manche volkswirtschaftliche Abhandlung berühren uns geichichte. Der Müller erzählt, wie früher, als er noch eine eigene der Drosseln, melden Rotfehlchen und Meisen. Das Rotwild macht die echt gezeichneten Typen der Einwohner des armseligen erz­Jagd bejagte, ihm der Habicht ein Feldhuhn, das er gerade ge- lange Hälfe, die Rehe verhoffen, und der Hase macht einen Regel gebirgischen Spielwarendorfes, die von den Hungerlöhnen der Heim­schoffen hatte, dicht vor dem Hunde fortnahm. Kordes gibt die Ge- und fährt in den dichten Busch. und Kinderarbeit leben müssen. Und so lustig das Stück unseres schichte zum besten, die sich vorlegten Sommer auf seinem Hofe be­Am Rande des großen Holzschlages steht eine Eiche, breitäftig allzu früh dahingegangenen Freundes Emil Rosenow anmutet, so geben hat. Da fam ein Habicht an, jagte die Tauben in den Schlag, und kraus. Dort schwingt sich der Habicht ein. Die gewaltigen ernst ist sein sozialer Hintergrund. froch hinterher und fam mit einer Taube wieder heraus. Kinder", gelben Griffe mit den nadelicharfen, stahlfarbigen Krallen um- Die Darstellung war flott und abgerundet. In erster Reihe fagte Kordes, das ging so schnell, daß ich gar nicht dazu kam, den klammern den Aſt dicht am Stamme. Hochaufgerichtet, ganz steil, machten sich darum verdient Artur Menzel als waschechter, aber un­Schlag zuzumachen." fißt er da, ab und zu geht der Kopf hin und her, und überallhin gewaschener, beschränkter Fürschtand", Otto Letroe als Landbrief­Ja," spricht der Halbmeier Meyer, fix find die Biefter man blicken die gelben Mörderaugen. An den Brombeeren pflücken die träger und trinkfroher Gastwirt Ulbrich, Paeschke als schneidiger Gen­Rehe; die fümmern ihn nicht. Aber das rote Ding, das da in darm, Fanny Wolff als refolute Frau Seifert und Wilhelm Krüger langen, ängstlichen Sprüngen über die Blöße kommt, das ist etwas *) Am 29. Auguſt hätte Hermann Löns seinen 50. Geburts - für ihn. Er läßt sich vom Aste bis dicht auf den Boden fallen, als angſterfüllter Gemeindediener. Auf Regie und Ausstattung war tag feiern können... Aber bei Ausbruch des Krieges hatte er sich flattert hastig, schwenkt gewandt um die Birken, steigt über das hohe gehörige Sorgfalt verwendet. gleich als Kriegsfreiwilliger gestellt und war bereits im September Brombeergestrüpp, daß der Sprung die Rebe entsetzt nach allen Seiten 1914 gefallen. Sein Gedächtnis wird noch lange lebendig bleiben auseinanderpreicht, und stößt blitzschnell nach dem Eichfäßchen. Das durch die Anschaulichkeit und Lebendigkeit seiner Naturschilde- macht einen Satz und birgt sich in den Dornen. Aber der Habicht Die Rettung der Shadleton Egpedition. Wie fein zweiter hat er verstanden, Eindrücke aus der gibt die Jagd nicht auf. Er macht eine Schwenkung um den Busch, Nach Londoner Telegrammen aus Punta Arenas ( an der Südspize Landschaft als Erlebnisse darzustellen und seine intimen Tier- fußt vor ihm, und im Sigen fährt sein rechter Griff in den Busch, Südamerikas ) sind alle Mitglieder der Shackleton - Expedition gerettet beobachtungen in Novellenform zu kleiden. Die besten seiner Tier- faßt das Eichfäßchen bei der Steule und reißt es heraus. Der zweite worden und wohlauf. Es ist also Shackleton , nachdem der Versuch schilderungen bringt jest R. Voigtländers Verlag in Leipzig unter Griff faßt es in den Nacken, und schlaff und leblos hängt es in wiederholt mißlungen, jetzt doch geglückt, durch das Eis nach der dem Titel: Aus Forst und Flur" heraus.( Preis 4 M., geb. seinen Straßen, während er damit in den Bestand streicht. Dort Elefanteninsel vorzubringen und die dort zurückgelassene Mannschaft 5 M.) Der Hühnerhabicht" ist dieser mit Momentaufnahmen fröpft er es auf dem Wurfboden einer Fichte in aller Muße, streicht zu befreien. Wenn nun auch die unter so großen Erwartungen illustrierten Sammlung entnommen. Erst nach Löns Tode er den Wiesen zu und nimmt Unterschlupf in einer frausen Kiefer, von unternommene Expedition völlig miklungen ist und die Durchquerung schien auch Das Tal der Lieder"( bei F. Gersbach in Han- der er weiter Auslug hat. Wandernde Häher flattern ängstlich von der Antarktis gar nicht in Angriff genommen werden konnte, ist nover; Preis 1,50 M.), stimmungsvolle norddeutsche Städte und dem Forste her; ein ganzes Dugend ist es. Der vorderste will sich wenigstens die Mannschaft gerettet. Shackleton hatte sich nach Ver­Landschaftsbilder. Den Dichter und Menschen Löns würdigt aus gerade nach der Fahrt über das freie Wiesenland in das Rand- lust seines Schiffes in der Wedellsee nach der Elefanteninsel durch­naher Anschauung Traugott Bilz in einem warmherzigen Gedächt gebüsch stürzen, da bricht der Habicht aus dem Buiche. Einen geschlagen, von dort vermochte er mit wenigen Gefährten Patagonien nisbuche.( Verlag E. Diederichs, Jena .) gellenden Angstichrei stößt der Häher aus, alle seine Brüder fallen zu erreichen und dann an die Rettung der Zurückgelassenen geben. nicht stahl und auch nicht zuschlug, so lange man ihn nicht ,, Greppa" nachrief oder ihm ein Butterbrot anbot. Auch blieb er niemals lange in einem Hause, wenn nicht das Un­Eine Geschichte aus dem Wärmland von Selma Lagerlöf. glüd es wollte, daß sich eine von den großen Kastenuhren aus Dalarna im Hause befand. Agrippa .

Habichte."

rungen.

-14]

-

Jans Heimweh.

"

Die kleine Klara Gulla war ein zu merkwürdiges Mäd­chen. Als sie noch keine zehn Jahre alt war, wurde sie sogar schon mit Agrippa Prästberg fertig.

blicken läßt,

warnt

Agrippa lief im Dorf herum und besserte die Uhren aus, und wenn er in ein Haus fam, wo er cine von den alten Sastenuhren entdeckte, dann ruhte er nicht, bis er das Uhr werk herausnehmen durfte, um nachzusehen, ob ihm nicht etwas fehle. Und es fehlte immer irgendwo. Er sagte, er sei geradezu gezwungen, die Uhr vollständig auseinanderzu­nehmen. Nachher fonnte es mehrere Tage dauern, bis er sie wieder zusammengesezt hatte, und so lange mußte man ihm Unterstand gewähren und ihn füttern.

Wenn man sich nur vorstellt, wie dieser Agrippa aus­sah, mit seinen gelben rotgeränderten Augen unter den buschigen Brauen, mit der entseßlichen Nase, die einen Höcker neben dem anderen aufwies, mit dem dichten Stoppel­bart, der ihm wie lauter Borsten um den Mund stand, mit den tiefen Runzeln auf der Stirne, mit dem langen hageren Das schlimmste an der Sache war aber, daß eine Uhr, Körper und mit der zerlumpten Soldatenmüße auf dem Stopf, so muß man zugeben, daß sich jeder vor ihm fürchten fonnte, der mit ihm zu tun bekam.

Eines Tages saß das kleine Mädchen ganz allein auf der breiten Steinstufe vor der Haustür und sein Butterbrot zum Abendessen. Da sah es einen großen Mann des Weges daherkommen, und es währte nicht lange, da erkannte die Kleine, daß es Agrippa Prästberg war.

Aber Klara Gulla verlor darum den Kopf noch lange nicht. Zuerst brach sie ihr Butterbrot mitten durch und legte die beiden Stücke aufeinander, damit sie keine Fettflecken machen konnten, und fuhr damit unter ihre Schürze.

Und auch dann lief sie weder davon, noch versuchte ste, sich ins Haus einzuschließen, denn einem solchen Menschen gegenüber hätte das doch nichts genügt, das wußte sie wohl, sondern sie blieb ruhig sizen. Das einzige, was sie tat, war, daß sie das Strickzeug ergriff, das Katrine auf der Steinstufe hatte liegen lassen, als sie vor einer Weile fortgegangen war, um Jan sein Abendbrot zu bringen, und so eifrig zu stricken anhub, daß die Nadeln laut klapperten.

Anscheinend saß sie ganz ruhig und zufrieden da, aber heimlich schielte sie nach der Gitterpforte. Und richtig, sie hatte sich nicht getäuscht, Agrippa kam gerade darauf zu! Eben war er dabei, den Haken der Gittertür loszumachen.

Klara Gulla setzte sich auf ihrer Steinplatte zurecht und breitete ihre Röcke aus, denn jetzt war sie diejenige, die Haus und Heim zu bewachen hatte, das fühlte sie ganz deutlich.

So viel wußte die Kleine natürlich wohl, daß Agrippa

die Prästberg in die Hände gefallen war, nachher niemals mehr so gut ging wie vorher. Mindestens einmal im Jahre mußte sie von Prästberg nachgesehen werden, sonst ging sie überhaupt nicht mehr. Der Alte gab sich wohl Mühe, seine Arbeit redlich und gewissenhaft zu vollbringen, aber es half alles nichts, die Uhr ging nicht mehr richtig.

Darum war es auf alle Fälle am besten, wenn man seine Uhr wohl vor ihm hütete. Das wußte Klara Gulla sehr ge­nau; aber jetzt sah sie keinen Ausweg, die große Hausuhr zu retten, die drinnen im Zimmer tidte. Prästberg wußte, es war eine Uhr im Hause, und lauerte schon lange auf eine Gelegenheit, sie näher zu untersuchen; aber so oft er fich früher gezeigt hatte, war Katrine zu Hause gewesen und hatte ihn verhindert, an die Uhr zu kommen.

Als der Mann am Hause angelangt war, blieb er vor dem kleinen Mädchen stehen, stieß seinen Stock hart auf den Boden und leierte herunter:

,, Hier kommt Johann Utter Agrippa Prästberg, Seiner föniglichen Majestät und der Krone Trommelschläger. Hat im Sugelregen gestanden und fürchtet sich weder vor Engel noch Teufel. Ist hier jemand zu Hause?"

Klara Gulla brauchte keine Antwort zu geben. Der Alte ging ohne weiteres an ihr vorbei ins Haus hinein und richtete seine Schritte sofort nach der großen Kastenuhr.

Das Mädchen lief ihm eilends nach und versuchte ihm auseinanderzusehen, wie gut die Uhr gehe. Sie gehe weder vor noch nach und brauche durchaus nicht nachgesehen zu werden.

Notizen.

m.

,, Wie kann eine Uhr recht gehen, die nicht von Johann Utter Agrippa gerichtet worden ist?" sagte der Alte.

Prästberg war so groß, daß er den Uhrkasten öffnen fonnte, ohne auf einen Stuhl zu steigen. Im nächsten Augen­blick war das Zifferblatt und das Werk herausgehoben und auf den Tisch gelegt. Klara Gulla ballte die Faust unter der Schürze und Tränen traten ihr in die Augen, aber es stand nicht in ihrer Macht, ihn zu hindern.

Prästberg hatte es sehr eilig, zu ergründen, was der Uhr fehlen könne, ehe Jan und Katrine nach Hause kommen und sagen könnten, sie brauche nicht nachgesehen zu werden. Er hatte ein Bündel mit Werkzeug und Schmierbüchsen bei sich; schnell riß er es auf, verfuhr aber dabei so hastig, daß ein Teil des Inhalts auf den Fußboden hinunterfiel.

Klara Gulla erhielt den Befehl, alles, was hinunter­gefallen sei, aufzulesen. Und wer Agrippa Prästberg je ge­sehen hat, sieht gut ein, daß sie gar nichts anderes tun fonnte als gehorchen. Sie kniete auf dem Boden nieder und reichte ihm eine kleine Säge und einen Meißel.

,, Riegt sonst nichts drunten?" rief der Mte. Du solltest froh sein, wenn Du seiner königlichen Majestät und der Krone Trommelschläger einen Dienst erweisen darfst, Du verfligte Häuslerdirn!"

,, Nein, es liegt nichts mehr drunten, soviel ich sehe," ant­mortete Klara Gulla; sie war so niedergeschlagen und unglück­lich, wie noch nie in ihrem Leben. Sie sollte doch für Bater und Mutter das Haus behüten, und nun ging es ihr so schlimm.

,, Na und wo ist denn meine Brille?" fragte Prästberg. Die muß auch hinuntergefallen sein."

,, Nein- n," antwortete Klara Gulla. Hier unten liegt feine Brille."

Und mit einem Male regte sich eine leise Hoffnung in Klara Gullas Herzen. Wie, wenn er ohne die Brille nichts an der Uhr machen könnte, wenn er die Brille verloren hätte? Gerade in diesem Augenblick entdeckte sie das Brillen­futteral. Es war hinter das Tischbein gefallen.

Der Alte kramte und suchte eifrig zwischen den alten Rädchen und Uhrfedern, die er in seinem Bündel hatte. Ach, vielleicht ging noch alles gut und er fand die Brille nicht!

Es bleibt mir nichts anderes übrig, ich muß selbst auf den Boden knien und suchen," sagte er. Steh auf, Häusler mädel!" ( Forts. folgt)