Nr. 260.- 1916.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonntag, 12. November.

Vorspruch.

Der Verfasser unseres neuen Romans hat ihm auf unsere Bitte einige einleitende Säge mit auf den Weg gegeben.

gänglichen, des Nebensächlichen! Die Klassiker brachten vieles, was heute Romangut sein soll, ins Drama( die Räuber" z. B. waren als Buch gedacht und geschrieben, ohne irgend an die Forderungen der Bühnen zu denken!); mein Temperament bringt vieles, was dramatisch ist, in den Roman, der, wie ich meine, in unserer Epoche seine Vollendung erfährt, wie sie das Drama zur Zeit der Klassiker erlebte.

Das sind Gedanken, die bei der Arbeit und nachher entstanden; das Wesen ist, daß ich so schreiben muß, wie ich schreibe, und daß ich so schreiben wiII, wie ich muß. Frohnau bei Berlin .

Walter b. Molo.

Kleines Feuilleton.

Zahnpflege und Intellekt.

schwerden bilden, ist schon fast zur Binsenwahrheit geworden. Weniger Daß schlechte Zähne häufig die Ursache anderer förperlicher Be­befannt ist bis jetzt, daß die Beschaffenheit der Zähne auch auf das geistige und das Seelenleben einwirken fann. In der amerikanischen Beitschrift Outlook" wird ein Erperiment geschildert, das vor einiger Schillers Wesenstern besteht in der Erkenntnis, daß es nur Zeit in einer Schule zu Cleveland ausgeführt wurde und zu recht einen sicheren Weg der menschlichen Entwickelung nach aufwärts interessanten Ergebnissen geführt hat. Behn Zahnärzte untersuchten gäbe: die Erstrebung der höchsten Vollendung durch jeden und die Zähne sämtlicher Schüler und wählten vierzig Kinder aus, die das schlechteste Gebiß hatten. Diese vierzig wurden Gegen in jedem einzelnen Menschen. Alles andere sei, so er­stand einer besonderen Unterweisung in der Kunst, die Zähne fannte Schiller aus seinem Leben und seinen Studien, Schwärmerei, sachgemäß zu pflegen. Gleichzeitig wurden alle Schäden, die Kurzsichtigkeit oder Gewaltsamkeit, die sich früh oder später an den die Zahnärzte entdecken konnten, an den Gebissen dieser Hervorrufern selbst rächten. Der größte Jdealist" war so sehr Kinder ausgebessert. Nun wurde jedem Kind ein Geschenk von real, daß er die Wanderung auf jedem anderen Weg, statt auf dem fünf Dollars in Aussicht gestellt, wenn es verspreche, seine Zähne für sich selbst erkämpften, als unnüßen Zeit- und Kraftverlust nach jeder Mahlzeit tüchtig zu bürsten und das Essen ordentlich zu Dem Zaren Nikolaus die dankbaren" Polen ! empfand. Ist in jedem einzelnen Menschen das Menschentum, fauen. Nach anderthalb Jahren wurden die Preise verteilt: 27 von durch eigene Arbeit, erwirkt, so seht sich dieses automatisch in Auf dem linken Weichselufer erhebt sich die düster- trozige den 40 Kindern tonnten ihr Geldgeschent in Empfang nehmen. Ein Veste der polnischen Hauptstadt, die einst von der Stadt Warschau angesehener Psychologe, Dr. Wallin, unterfuchte gleichzeitig den den Menschheitsgruppen, die eben aus der Summe des Einzelnen auf eigene Kosten zur Strafe für die Voltserhebung im Jahre törperlichen Gesundheitszustand der Kinder sowie deren Gedächtnis, bestehen, in der Gesamtheit aller Gruppen, in der Welt, durch. Da 1830 erbaut werden mußte und über der nun stolz und froh das die Schnelligkeit ihrer Auffassungsgabe usw. Diese Untersuchung, die die Kunst allein die Seelen über alles Trennende hinweg zuein- weiß- rote Banner weht. Innerhalb der Umwallung, nahe der das erste Mal vor dem Instandseßen der Zähne vorgenommen worden ander zu führen fähig ist, so erschien sie ihm als das Hauptmittel, Hauptwache und etwas abseits des Weges, erhebt sich zwischen ver- war, wurde in der Folge noch öfter wiederholt, zuletzt beim Abschluß die Vollendung der Menschheit durchzuführen. Für dieses, in bei- wildertem Buschwerk halb versteckt ein Denkmal dieser polnischen des Versuchs nach anderthalb Jahren. Einige der vierzig Kinder spiellosem Ringen gegen sich und seine Zeit, Erkämpfte wirkte Demütigung durch den russischen Despotismus. Es ist ein Obelist waren auch bei Beginn des Experiments ganz gesund und geistig Schiller rastlos durch Werk auf Werk, bis er allzu früh zerbrach. von beträchtlicher Höhe, dessen Inschrift besagt, daß er 1831 dem geweckt gewesen; die meisten aber waren an Körper und Seele Baren Nikolaus I. von den dankbaren Polen " errichtet worden schwach, litten an schlechter Verdauung, Gedankenlosigkeit u. a. sei zur Erinnerung an die Niederwerfung des polnischen Auf- Nach anderthalb Jahren zeigte es sich, daß nun fast alle 27 förper­standes! Als damals in Frankreich und anderen Ländern die lich ganz gesund und durch bessere Verdauung ihre Kopfschmerzen Völker sich erhoben hatten, glaubten die geknechteten Polen , auch und andere Beschwerden losgeworden waren. Das Merkwürdigste für sie sei endlich die Zeit der Erfüllung ihrer Freiheitsträume an der Sache war aber, daß Auffassungsvermögen und Gedächtnis gekommen, und in Warschau brach sich am 29, November 1830 unter der Kinder sich wesentlich gebessert hatten, durchschnittlich fast um Führung eines Häufleins Offiziere und Akademiter jene Empörung hundert Prozent. Bahn, die, wenn auch mit wechselndem Kampfesglück, schließlich von der russischen Uebermacht blutig unterdrückt wurde. Nach einem verzweifelten Widerstand mußte Warschau vor Pastewitsch fapitulieren. Bar Nikolaus forderte bedingungslose Unterwerfung. Polens Hoffnungen waren begraben wie es damals schien, für immer. Sicherlich werden die polnischen Besucher der Zitadelle Warschaus dies Denkmal ihrer Dankbarkeit" schon oft mit eigen­artigen Empfindungen betrachtet haben. Bisher wurde der Obelisk allerdings wenig beachtet, und es hat gewiß genug Polen gegeben, die von dieser steinernen Lüge nichts wußten. Allenfalls die Gefangenen sahen ihn, die in den Mauern der Zitadelle schmach­todgeweihte Opfer russischer Willkür.

Schillers Stellung ist in unseren Tagen eine zwiefache: Vor dem Kriege wurde Schiller konventionell und offiziell verehrt, das furchtbarste Schicksal, das dem Werke eines Genies widerfahren fann: das glühende Herzenswort wurde Phrase; außerdem er­standen ihm dadurch viele Widerspruchsgeister als Feinde. Seine Wirkung war eng geworden. Jm Kriege stieg Schiller zur alten, wenn nicht zu höherer Bedeutung denn je: die Welt zerriß, nur Schillers Sat bestand zu Recht: jeder Mensch muß sich erst läutern, ehe Hoffnung ist, daß die Menschheit in ihrer Gesamtheit der Vollkommenheit zuzueilen vermag.

Schillers Roman wurde in mir in seinen ersten Anfängen im Frühjahr 1910; ich hatte einen bisher unveröffentlichten Brief Schillers an seinen Vater gelesen und fand ein Temperament von höchster Klarheit und Freiheit des Denkens, das Gegenteil des " moralinfauren" himmelanschwärmenden Lyrasängers, wie ihn die Fabrikware der Schiller- Denkmäler darstellt. Ich las, studierte, Bild trat an Bild; vier Wochen nach Beginn der Figierung meiner Eindrücke war der erste Band meines Schiller - Romans fertig. Ich wollte zu neuer, anderer Arbeit, Schillers Gestalt verließ mich nicht, der zweite Band entstand, ich wollte zu neuer, anderer Arbeit...

Den Sternen zu".

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furz: Schiller verließ mich erst, nachdem ich mir seinen Segen durch Vollendung der ihm gewidmeten vierjäßigen Lebens­symphonie erkämpft hatte. Mich reizte zuerst nur die Farbe und Form der Geschehnisse, bei der Stilisierung und Formung des fast unübersehbaren Materials aber, in dem mir faum eine Beile un­bekannt geblieben sein dürfte, sonderten sich Schillers Lebensstadien von selbst in vier Hauptgruppen: Kampf um die Freiheit vom Milieu, gewiffermaßen förperliche Freiheit, Ums Menschentum"; Kampf um Freiheit von der Weib- und Schwärmerei- Abhängigkeit, " Im Litanenkampf"; Kampf um die höchſte, um die geistige Freiheit," Die Freiheit; Grkämpfung des vollendeten Kunst­werkes, kraft dieser Freiheit, Weltüberblick: Resignation für fich, Hoffnung für die Idee der Menschheit" auf die Ewigkeit: Schillers Roman ist ein historischer Roman", das heißt mir: er muß, da er in vergangenen Zeitläuften handelt, das Milieu von damals, innerlich und äußerlich, besitzen, soweit dieſes als Rahmen nötig ist; was aber den Kern des Romans bildet, so ist der das allgemein Gültige von Schillers Kampf zum Licht! Jch anerkenne nur den historischen Roman als Kunstform, der kraft seines Entrücktseins von der blickbeengenden Gegenwarts­umuvelt, wuchtiger, Harer und tiefer, frei von lähmendem Detail, menschlich allgemein Gültiges, allein Wichtiges aus dem Bezirk der emig unveränderlichen Menschenseele, sei sie nun mehr oder weniger verschüttet, zu heben vermag. Ich jing den historischen" Roman als durchaus moderner Gegenwartsmensch" unbewußt an und sehe ihn gegenwärtig bewußt in einer Trilogie fort, um für das Romanfunstwerk unserer Tage ungefähr das gleiche zu versuchen, was den Klassikern im Drama ihrer Tage gelang: ewige Mensch heitsprobleme zu formen, ohne die niederziehende Schwere des Ver-|

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Ums Menschentum.

teten

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In der Munitionsfabrik.

B.

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Vorträge.

Notizen.

Im Institut für Meereskunde

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spricht Dienstag, den 14. November, Dr. A. Herrmann über den Landweg nach China im Wandel der Zeiten; Freitag, den 17. No­bember, 2. Korodi über Siebenbürgen . Im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht( Potsdamer Straße 120), Mitt­woch, den 15. November, Vortrag von Prof. Pniower über Das Ueber Jupiter" spricht Märkische Museum ". Eintritt frei. Herr Dr. Archen hold in der Treptow Sternwarte, am Im Beethovensaal spricht, Mon­Dienstag, den 14. November. tag, den 13. November, 8 Uhr, Herr Kaundinha- Mangalore, ein Inder, über seine Heimat Indien .

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Musikchronit. Das dritte Sonntagskonzert des Schiller­Der englische Schriftsteller Hall Caine hat verschiedene Muni- theaters bringt Philipp Schartentas Klaviertrio in G- dur und Beet tionsfabriken seines Landes besucht und gibt nun in einem Londoner hovens Sonate für Klavier und Violine in A- moll sowie Liedervor­Montag, den 13. November, Uhr Blatte eine Schilderung dessen, was er zu sehen bekam:" Nach träge von Marie Ekeblad. einigen Minuten," so heißt es an einer Stelle, sind wir in den abends, findet in der Friedrichstadtkirche( Gendarmenmarkt) das Schmelzhütten. Hier stehen ganze Reihen Oefen; einige find ge- zweite historische Orgelfonzert statt. Zutritt mit Programm 20 Pf. schlossen, aber das abgesperrte Feuer strahlt durch Nizen und Deff­Der Goethebund veranstaltet am Dienstag, den 14., nungen mit wilden Augen nach außen. Und manche werden ge- 21. und 28. November, Vortragszyklen im Charlottenburger Schiller­öffnet, und dann strömt daraus das geschmolzene Metall, daß aus saal. Hervorragende Schriftsteller und Künstler wirken dabei mit. Der zurückgewiesene Raemaeters. Der hollän den bereitstehenden Formen gelbe und blaue Flammen aufschlagen. Dann sind da andere große Defen, aus deren leuchtenden Tiefen, die dische Zeichner Raemaefers, der mit wüsten Tendenzwerfen, in Eng wie von zahllosen elektrischen Lampen erhellt sind, mit Zangen lange land und Frankreich schöne Kriegsprofite macht, aber über dem in­Stangen rotglühenden Stahles gezogen werden von halbnadten dustriellen Betriebe seine sicher sehr ansehnliche Begabung berludert Männern, denen der Schweiß über das schwarze Gesicht läuft. Weiter hat, bot unlängst der Londoner Gemeinde eine seiner bekanntesten oben ist die Schmiede, wo die Granaten aus runden Metallblöden in Striegszeichnungen zum Geschenk an. Aber der kompetente Ausschuß rauhe Form gehämmert werden, um dann von den Dampfhämmern bat die Gabe abgelehnt, mit der Begründung, daß das Werk zu einer ihre endgültige Form zu erhalten; zuletzt werden sie mittels Winden Ausstellung in einer öffentlichen Galerie nicht geeignet sei. Selbst weggerollt, um abzufühlen. Und dann gibt es unterirdische Feuer- verständlich müßte der Grundsatz, bei der Ausstellung von Kunst­löcher, woraus vielfarbige Flammen, die an die Heklafrater erinnern, werken den Gesichtspunkt der moralischen und politischen Tendenz aufschießen. Angsterregende Dinge aber sieht man in Woolwich in entscheiden zu lassen, bedenklich scheinen, aber bei Raemaekers find den Fabriken, wo der Stahl hergestellt wird. Ich habe in vielen Welt- die fünstlerischen Absichten seit langem hinter die eitle, reklamewütige teilen die Natur in all ihrem Grimm gesehen: Erdbeben, feuer- Wichtigtuerei und die Gier, aus der unneutralen Neutralität bare speiende Berge, Sturmfluten, Geiser und kochende Flüsse, aber ich Münze zu schlagen, zurückgetreten. Die Forain, Hermann glaube nicht, daß ich irgendwo so tief erschüttert war wie bei dem Baul, Partridge u. a. sind bei aller Maßlosigkeit nationali Anblick der Naturkräfte, die für der Menschen Werk gezähmt und stischer Leidenschaft doch Künstler geblieben. Der Unterschied kommt ihm dienstbar gemacht worden sind. Wie kann ich, der nichts von vielleicht davon, daß der Haß bei ihnen aus vollem Herzen kommt. den mechanischen Wissenschaften versteht, von all dem einen Begriff Beim betriebsamen Holländer strebt er nach dem vollen Porte­bekommen und geben? Es ist ein riesiger, tonfarbener Ofen, formlos monnaie. wie ein Warze, 30 bis 40 Fuß hoch, mit einer oberen Oeffnung, die dem Mund eines kleinen Straters gleicht, und aus der eine dide Flammensäule emporschlägt, mit einem Geheul, als ob sie aus den Eingeweiden der Erde emporschösse, emporgetrieben durch einen ge­waltigen unterirdischen Sturm. Und rings um die Oeffnung strömen blaue Sterne. Das Licht ist so hell, daß man nur durch dunkel ge­färbtes Glas hineinblicken kann, und das Getöse läßt die menschliche Stimme machtlos erscheinen ( z)

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Eine neue deutsche Marmorfundstätte. In jüngster Beit ist man bei einem Eisenbahnbau auf eine neue deutsche Marmorfundstätte gestoßen. Der Marmorbruch befindet sich in der Nähe des Bahnhofs Linde an der Strecke Köln - Hoffnungstal­Lindler. Wie der Prometheus" erfährt, hat eine G. m. 6. H. mit dem Abbau des Marmorbruchs schon begonnen und es sind bereits Blöcke von mehreren Kubikmetern eines schwarzen weißgeaderten Marmors zutage gefördert worden.

Kinder würden leicht schwach und unruhigen Geistes, so sich" Ich möcht meinen Gellert haben, der hebt das Denken," die Mutter während der Zeit härmet und dunkle Gedanken fagte Frau Dorothea, um der Mutter Arbeit zu geben. Mir macht. Das weißt d' und laßt das Sinnieren trozdem nicht ist auch talt." jein! Gelt?" " Da hast's Büchle, aber lies nicht lang; das Licht ist

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Ein Schiller - Roman von Walter von Molo . Und setzet ihr nicht das Leben ein, Die Kinder werden so, Frau Mutter, wie es Gott will." rar. Jawohl, saufalt ist's herinnen!" Die alte Frau Kod­Nie wird euch das Leben gewonnen sein. Für einen Augenblick schloß die junge Frau schmerzlich die weiß rieb sich freudig die Hände, weil endlich etwas zu tun Schiller . Augen, der sanfte Mund bekam einen harten Zug, als horchte war; sie begann ein emfiges und scharfes Feuern mit den Die junge Frau saß blaß im breiten Rückensessel und sie angestrengt fernstem Laut, der Wichtiges fündete.. Buchenscheiten. Der Widerschein der Flammen flackerte in der ihre hellen Augen sahen tief verinnerlicht zum blauen No- ,, Soll ich laufen, Dorle?" fragte die Mutter und fuhr engen Stube. Er sprang bom flotigen Tisch auf die rundum­vemberhimmel empor, der durch das Grau der Buzenscheiben eifrig und dienstfertig nach den Schürzenbändern, um sie auf- laufende Bank und von dort in die wartende Hängewiege. Die verdüstert in die kleine Stube schien. Das bleiche sommer- zulösen- denn mit einer Schürze angetan, ging fie einmal gebrochene Handwaffe, die feit Leuthen nicht mehr zu ge­sprossige Antlitz trug den milden Ausdruck williger Ergebung. nicht über die Gasse ist's so weit?" brauchen war man hatte sie schlecht repariert blikte an Die weißen, schlanken Finger griffen in versonnenem Spiel ,, Es hat sich bloß gereget." Mit wehem, abwesendem der Wand im letzten zagen Sonnenstrahl, der aus den Schnee­die Lederrolle des alten Polsterstuhles ab, auf dessen hoher Lächeln sah sie ihre Mutter an. wolfen durchs schmale Fenster des Stübleins stach. Lehne rotgolden das aufgelöste Stopfhaar lag. Wenn der Kodweiß nur endlich käm!" In der alten ,, Am Tage Simon und Juda ist er fort", dachte die Sorgenvoll sah die alte Frau Kodweiß ihre Tochter an. Frau waren Zorn und Aerger, der bösen Zeitläufte wegen junge Frau, hinter ihrem Gellert verschanzt, vor dem Früh­Gewiß dachte die wieder an den unruhigen Gatten! War und auch sonst! Sie trat von einem Fuß auf den andern jahr kann ich ihn nicht sehen; dann ist das Kindlein schon das ein Jammer! Sie räusperte sich mahnend. Als das und sah nach dem Ofen, ob die Milch nicht überliefe. Das über ein halbes Jahr alt." nichts half, schüttelte sie ein paar Mal den Kopf und unverbesserliche Dorle begann schon wieder aufgeregt zu Im Kachelofen frachte das Holz. Beizend stieg der räusperte sich noch einmal. Es half wieder nichts! Sie hustete reden: Rauch zur niedern, getäfelten Stubendecke, auf der eine ein­lauter. Endlich hielt sie's nimmer aus und hieb der eigenen Schürze eins herunter.

,, Dorle!" sagte sie sehr energisch. Dorle!!" Erschrocken sah die stimmungsgelöste Tochter auf.

ist, Frau Mutter?"

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Wenn der Kaspar nur nicht viel im Freien kampieren same Fliege fang und Reflere der Gasse schwankten. Die Uhr muß! Das letzte Mal sind, aus dem böhmischen Quartier, tickte fleißig drauf Ios. Es wurde dunkel, die früh sinkende von sechstausend bloß zweitausend zurückgekommen! Jm Dämmerung entführte den letzten Mut und legte ihn in Ketten. Was rechten Fuß hat er schon die Gicht, seit dem Breslauer Moor. Starren, träumenden Auges sah die Frau Leutnant Schiller Es heißet, sie seien jetzt alle gegen den Preußen auf. Sie im Fensterausschnitt, daß es mit großen, flaumigen Flocken, " Was dentst schon wieder?" Drohend stükten sich die werden sehen, Frau Mutter, der Frizz wird sich blutig rächen, langsam und wohlvorbereitet, zu schneien begänne, das hörte Arme der Kodweiß in die Hüften. besonders an den Württembergischen, weil der Herzog so schnell nimmer auf. Der Schnee hing sich beim mar­Die junge Frau fuhr langsam, fast zärtlich, mit der Hand| alles gelernt hat von ihm und ihn nun berlässet. schieren schwer an die Beine; eine Winterkampagne war über die Stirne, als wollte sie schwere Gedanken von sich Und die Koalition stellet die Hilfsvölker immer an das ge- überhaupt schrecklich! Gott , wenn sie ihn nur schon wieder streifen, die dort lasteten und ihr doch lieb wären. Ich fährdetste Eck. Es muß übel ausgehen, wenn rechtgläubige in Sicherheit wüßte! Die Preußen gaben so wenig Pardon! glaub'," sagte sie tastend und bettelte um ein gutes" Ja", Protestanten wider Protestanten streiten. Unser Herzog ist Langsam und gebeugt mühte sich ein Menschenschatten ,, der Kaspar wird jetzt bald am Main sein?" fatholisch und verstehet das nicht." auf den bleigefaßten Fenstergläsern. Ein helles Kinder­Jetzt hältst endlich den Schnabel und bist still!" Weit stimmlein war plappernd neben ihm. Der Schatten nickte vorgebeugt, lauernd, stand die Mutter Kodweiß, als wäre sie gütig mit dem bezopften Kopfe und verschwand. Man hörte, fest entschlossen, jedem Wort, das noch aus der Tochter Mund wie jemand die Füße scheuernd an die Stufen der Haus­tommen sollte, den Kopf abzubeißen. schwelle stieß. Das war Vater Kodweiß.

" Immer das Geforge und Gebange! Wenn einer Offizier ist, tann er nicht ewig daheim hocken. Laß' den Herrgott für ihn sorgen, der trifft's besser als du!"

Wenn Gott nicht wär', Frau Mutter: es wär' ja wirt­lich zum Verzweifeln! Was wird aus uns, was mach' ich Frau Schiller faltete im Schoß die Hände und preßte die denn, wenn einer den Kaspar niederwirft oder wenn ihn falten Finger zusammen. Ein trauriges Lächeln der Hilf eine Rugel trifft?" Aufgerichtet saß sie nun im Sessel, und losigkeit war in ihrem rührenden Antlig ausgebreitet. Mit ihre scheuen Augen zeigten schwere, bittere Angst. Was mach' Gewalt riß sie sich von ihrem Denken los. Sie seufzte, aber ich mit dem Phinele und mir?" ganz leise und unauffällig, damit es die Multer nicht merkte. " Ich geb' dir keine Antwort nicht! Dent' an das Kindle, Was willst? Sag' mir's!" befahl die und stand mit das du trägst! Der Ludwigsburger Chirurgus hat g'sagt, die tathungerigen Fäusten.

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Wie müde der arme Vater den Rücken krümmte! Vor Frau Dorotheas Augen stand noch immer das Fensterbild. Frau Mutter", sagte sie, und wich neuen trüben Gedanken aus,' s Phinele kommt und der Herr Vater." Gott im Himmel! Der Kodweiß wird im Kopf immer schwächer, jest bringt er's Mädle daher, statt die Wehmutter." Sie fuhr zur Türe hinaus. Forts . folzi.)