Glaucha u wieder an, daher wird in Dresden -Altstadt keine Stich- Wahl erforderlich sein.— Das politisch hochgebildete Journal weiß also nicht, daß trotz der Mandatannahme in Glauchau trotzdem mit Bebel Stichwahl vollzogen werden muß! Die Herren vom„Dresdener Journal" sollen sich ihr Lehrgeld wieder geben lassen von da. wo sie„Publizistik" gelernt haben! — Der Staat ist in Gefahr! Wie haben sie immer über Roheit der ungebildeten Klassen geschrien und geschrieben, die jetzt rufen:„Einen Skandal! einen Skandal! Ein Königreich für einen Skandal!" Das war das Leitmotiv der Taktik der geehrten Herren liberalen Gegner in Nürnberg : aber siehe da, der erwünschte Skandal blieb aus! Wie unnöthig war das Configniren von Truppen in die Kasernen, um die„Ordnung" aufrecht zu erhalten, event.„das Vaterland zu retten." Ebenso geschah es in Bremen , wo man auch schon alles Mögliche be- fürchtet zu haben scheint, aber ebenso überflüssig war auch dort diese Maßregel, die uns ein Beweis ist, wie man die Macht unserer Partei fürchtet, wie man aber auch immer noch ihre Tendenzen nicht versteht. — Maßregelungen. Aus Oberschlesien schreibt man der „Kreuzzeitung ": Am 2. Januar sah man über� 50 Wagen mit Möbeln und Hausgeräthen gefüllt durch Groß-Strehlitz ziehen. Jene Möbel gehörten den armen Leuten, die auf den Dominien in der Umgegend gearbeitet hatten und zum größten Theil wegen der Wahl'am 20. Oktober v. I. entlassen worden waren, weil sie nicht nach dem Willen ihrer Herren und Brodgeber gewählt, sondern nach ihrem Gewissen gestimmt hatten. —„Staatshilfe". � In Elbing ist ein großes Unglück ge- schehen, die Wohnungen standen am 14. d. M. zum großen Theil noch unter Wasser, als die Kälte hinzukam, um die Bewohner zu peinigen. Wir haben bei früherer Gelegenheit gesehen, wie „schnell" unser Staat seinen verunglückten Unterthanen bei- springt: auch diesmal hat der landwirthschaftliche Minister Frie- denthal„schon" Vertrauensmänner berufen zu einer„Besprechung". Als die großen Ueberschwemmungeu im Lande unseres„verkom- menen Erbfeindes" waren, dauerte es keine Woche und Beschlüsse u sofortiger Hülfe wurden nicht nur gefaßt, sondern auch ogleich ausgeführt! Doppelt giebt, wer schnell giebt! Freilich. bei so großartigen Ausgaben für Kriegs-Kulturzwecke muß man in Teutschland fürsichtiglich prüfen und den Groschen hundertmal umdrehen, ehe man ihn ausgiebt! — Wir erhalten aus den Reichslanden folgende Zuschrift: „Die„Mctzer Zeitung" meldet, daß von 7202 eingeschrie- bcnen Wählern sich nur 3393 an der Reichstagswahl betheiligt haben. Bon diesen 3393 stimmten 3258 für den bei seiner neu- lichen Wiederwahl zum Bürgermeister der Stadt von der Regie- rung nicht bestätigten französisch gesinnten Exbürgcrmeistcr Paul Bezanson. Prüfen wir die angeführten Zahlen, so finden wir, daß von 7202 Wahlberechtigten mehr als die Hälfte sich jeder Abstimmung enthalten haben, und daß von denen, die wählten, nur(und zwar im günstigsten Falle) 135 liberal— d. h. preu- ßisch-libcral— gewählt haben können. Trösten wir uns damit, daß wahrscheinlich keine Arbeiter darunter waren; diese 135 Stim- men werden wohl größtentheils von Beamten geliefert worden sein. Wir nehmen an, daß von der großen Anzahl derer, die nicht wählten, die Meisten sich der Abstimmung enthielten, weil sie die Unfähigkeit der Regierungspartei zur Herbeiführung besse- rer Zustände einsehen und weit sie mit den Bestrebungen der wahren Bolkspartei, der sozialistischen Arbeiterpartei, noch unbe- kannt sind. Es wäre vielleicht anzurathen, die Agitation auch auf Lothringen auszudehnen. Lob. — Die Türken lassen sich nicht verblüffen, sie kennen die russische Ohnmacht besser, als Rußland selbst; sie wissen, wie faul es im russischen Hauptquartier steht. Sie wissen auch ferner, daß die Einigkeit der Großmächte nur eine scheinbare ist, und daß die meisten derselben eine Theilung der Türkei deshalb nicht wollen, weil sie glauben, bei dem Raub zu kurz zu kommen. Der große Rath der Türkei hat alle Vorschläge der Groß- mächte abgelehnt— die Conserenz geht resultatlos ausein- ander. Die Türkei aber, bis an die Zähne gewaffnet, hört mit großer Gemüthsruhe dem Brummen des russischen Bären zu, der so viele Läuse im Pelz hat, daß er vor lauter Jucken und Kratzen nicht von der Stelle kommen kann. Dem großmäuligen Gebühren des Meister Braun ist die gegenwärtige Situation Wohl zu gönnen. — Culturblüthe der amerikanischen Bourgeoisie. New- York wird gegenwärtig durch eine Skandalgeschichte in Bewegung ge- setzt, welche in der That selbst in dieser skandalrcichen Stadt wohl nicht leicht ihres gleichen finden dürfte. Der Held derselben ist keine geringere Persönlichkeit, als Hr. James Gordon Bennett , der Eigenthümer des „Herald«, besser bekannt als Polo-Spieler, Dauerläufer und Sportsman im Allgemeinen. Wie bekannt, war Hr. Bennett bereits seit längerer Zeit mir einer jungen Dame aus Baltimore , Miß May, verlobt und die Hochzeit war auf den 4. Januar festgesetzt. Miß May's Brautstaat war von Paris hier angelangt und erregte den Neid und die Bewun- derung der ganzen feinen Welt und Hr. Bennett hatte für die Hochzeits- reise über den Ozean auf dem Dampfer„Russia " zwei Kajüten mit fast fürstlicher Pracht cinrichtea lassen. Das junge Paar wollte einige Wochen in Paris und London zubringen und dann nach Amerika zurück- kehren. Der Gedanke war schön, aber es kam anders. Es scheint, daß Hr. Bennett angesichts des bevorstehenden Ehestandes nicht, wie so viele junge Leute dies thun, seine lockere Lebensweise fahren ließ und etwas solider wurde, sondern daß er im Gegentheil toller drauf los lebte, als je. Namentlich in der letzten Zeit tauchten allerlei höchst skandalöse Geschichten auf. Dies mag wohl auch schließlich Miß May zu Ohren gekommen sein und sie mit Befürchtungen für ihre Zukunft an der Seite eines so extravaganten Gatten erfüllt haben— genug, das Verlöbniß wurde noch in der zwölften Stunde abgebrochen, wie es heißt, auf gegenseitiges Einverständniß. In wie weit auch die Familie der Miß May mit dem Arrangement der Angelegenheit einverstanden war, ist nicht bekannt geworden, wohl aber ist es eine Thatsache, daß gestern Nachmittag ein Bruder der Dame Herrn Bennett gerade vor dem Ge- bände des„Union-Club" mit einer Peitsche einige Hiebe versetzte und ihn zu Boden warf. Einige herbeieilende Mitglieder des Union -Clubs haben dem Skandal ein Ende gemacht. Bennett wird unter den ob- waltenden Umständen noch eine Zeit lang sein Junggesellenleben fort- fetzen müssen, was ihm seine Mittel auch erlauben. ~ Wahlcuriosum. Aus Neurod e, wo Kapell und der klerikale Fabrikant Franz sich in der Stichwahl befinden, schreibt man:„Kurz vor Schluß des Wahlaktes stürzte ein Mann, athemlos vom schnellen Lauf, in das Zimmer und brachte nur mühsam die Worte:„Ach, Sie entschuldigen, ach, Sie verzeihen!" vor. Der Wahlvorsteher, welcher dem Abgehetzten das Sprechen erleichtern zu müssen glaubte, fragte nun:„Wie heißen Sie?"—„Ach!— Ach!— Sie entschuldigen— Sie verzeihen— ich— ich— habe für— Kapell einen Stimmzettel abgegeben und— und— es war nicht der richtige. Geben Sie mir den wieder, ich will für Franz stimmen." Allgemeines Gelächter be- lehrte den Reumüthigen, daß es hier keinen Rückgang mehr gebe." — In Zürich haben unsere Parteigenossen zu Geldsamm- lungen für die in Deutschland stattfindenden Stichwahlen auf- gefordert. Bravo! Correspondenzen. Httenseu. Am 8. Januar fand hierorts eine Volksversamm- lung statt, welche so zahlreich besucht war, daß die Räume des Burmeisterschen Lokales die Menge nicht fassen konnten. Die Tagesordnung lautete: Candidatenrede des Herrn Max Stöhr aus Berlin . Dieser entledigte sich seiner Aufgabe in glänzender Weise. Er begann damit, daß er seine beiden Gegenkandidaten einer scharfen Kritik unterzog. Der Redner ging dann dazu über, das sozialistische Programm zu erklären, das er für das seinige anerkannte. Er versprach, daß er, falls er gewählt würde, im Reichstage für eine Novelle zum Haftpflichtgesetz, für eine progressive Einkommensteuer, für Volkswehr(zunächst für ein- jährige Dienstzeit) für ein freies und gutes Unterrichtsgesetz und überhaupt für das Wohl der Gesammtheit eintreten werde. Rauschender Beifall belohnte den Redner. Als der Vorsitzende hierauf zur Interpellation aufforderte, meldete sich Herr Lehrer Wolf von hier zum Wort. Derselbe brachte so ergötzliche Sachen vor, daß es sich der Mühe lohnt einige davon anzuführen. Er erklärte, daß er dem Herrn Max Stöhr seine vollste Anerkennung zolle, aber gegen dessen Prinzipien sei, denn die Sozialdemo- kraten wollten nur, daß alles Eigenthum an den Staat übergehe und Hasenclever Reichskanzler und die übrigen Abgeordneten Minister würden! Der Redner erklärte ferner, daß die Presse viel zu frei sei(!!) und durch das milde Strafgesetzbuch ein großer Schlendrian herbeigeführt sei; ferner erklärte Redner, daß wir es der liberalen Partei zu verdanken hätten, daß die Schule auf den Standpunkt gekommen sei, daß jedes(?) Kind einen ordentlichen— Unterricht erhalte. Ferner, daß die sozial- demokratischen Abgeordneten im Reichstage nichts gethan hätten. Mit dem Militärgesetz erkläre er sich einverstanden, er könne nicht glauben, daß die Versammlung für die Verweisung der Prcßvergehen an die Schwurgerichte sei. Hrn. Max Stöhr fiel es natürlich nicht schwer, solch confuses Zeug zu widerlegen. Jedoch hicmit war der Herr Wolf noch nicht zufrieden, Haupt- sächlich des Vorredners Äeußerungen über die Volksschule ver- schnupften ihn. Daß 4000 Lehrerstellen in Deutschland unbesetzt seien, bestritt er einfach. Im Uebrigen seien die Schulen in einem guten Zustande, denn in jeder Schule sei ein Globus, eine Wandtafel, ein Stück Kreide und ein Schwamm(Schallendes Gelächter) und der Unterricht sei ein guter. Als der Herr hier- auf gefragt wurde, ob es auch zum guten Unterricht gehöre, wenn er den Kindern erzähle, daß die Sozialdemokraten keine Religion besäßen und den lieben Gott abjetzen wollten. Da sprang Herr Wolf auf und erklärte, daß er ganz empört sei, so etwas zu hören, die Aussagen seien entstellt oder erlogen, auch hätten die Kinder ihn erst darnach gefragt.— Unterzeichneter bestätigte jedoch Vorstehendes und brachte noch mehrere Beispiele bei. Herr Wolf erklärte hierauf, daß er nie wieder in einer Volksversammlung sprechen werde, er sei gründlich„belehrt" (oder kurirt, nicht wahr, Herr Wolf?) worden. Nachdem noch eine Resolution, dahingehend, für die Candidatur des Herrn Max Stöhr einzutreten, mit allen gegen eine Stimme angenom- Uten worden war, wurde die Versammlung geschlossen. Eine Tellersammlung ergab M. 119.14. I. Schmidt. Oer«.(Ein Wort an die Arbeiter.)„Die Sozialdemo- kraten bei den Reichstagswahlen", so ist ein Artikel überschrieben, der die Runde durch die nationalliberalen Blätter macht und merkwürdiger Weise mit einer Wahrheit beginnt, die auch wir Arbeiter uns zu Herzen nehmen dürfen:„Im Politiktreibcn der Massen— zu denen wir hier auch die Gebildeten und Gebildet- sten rechnen— spielt das kurze Gedächtniß, welches dabei be- wiesen wird, eine überaus große Rolle." Ja, wie käme es denn sonst, daß sich noch so viele von uns im Schlepptau der Fort- schrittspartei befänden, nachdem diese uns vor drei Jahren genau dasselbe Kunststückchen vorgemacht hat wie diesesmal: vor der Wahl provozirt sie irgend einen Streit mit der nationalliberalen Partei und nach derselben?— Nun da vertragen sie sich eben wieder; wie könnten sich denn ein paar so gute, alte Freunde um einer solchen Kleinigkeit willen trennen; kompromittirt haben sich ja Beide und was der Fortschrittspartei dabei noch fehlt, das holt sie jetzt reichlich nach, wie aus nachstehendem, der „Magdeb. Ztg." entnommenen Artikel zu ersehen ist: „Im Abgeordnetenhause hat sich soeben eine Thatsache voll- zogen, die in ihrer weitgehenden Bedeutung, obwohl äußerlich nur durch Rainen bezeichnet, die allgemeine Beachtung ver- dient. Die nationalliberale Fraktion ging in ihren kürzlichen Berathungen, betreffend die Wahl des Präsidenten, Vicepräsi- denten:c. von der Ueberzeugung aus, daß ein Pactiren mit der Fortschrittspartei a tout prix nicht nur nicht rathsam, sondern geradezu unehrenhaft sein würde. Da aber Spaltun- gen innerhalb der Fortschrittspartei in sehr ernsten Debatten derselben zu Tage getreten, hielt man es für angebracht und im Interesse der liberalen Sache(in Anbetracht des Wahl- ausfalls zum Reichstage), den Versuch zu machen, die ruhiger denkenden Elemente innerhalb der Fortschrittspastei zu unter- stützen.'Vertrauensmänner sondirten die Stimmung der letz- tereu Partei und brachten derselben in vertraulicher Weise die Ansichten der nationalliberalen Fraktion zur Kenntniß. Der Fortschritt zeigte ein weitgehendes Entgegenkommen, er- kannte die begangenen Fehler an und ging auf ein ihm gcstell- tes Ultimatum ein." Und was bezweckt diese Verbindung? so werdet ihr fragen. Arbeiter! lest die nachstehenden, dem erst angeführten Artikel entnommenen Zeilen: „Mit einem. Worte, es ist nothwendig, daß man sich in Deutschland zwischen zwei Dingen entscheidet: entweder wir müssen das allgemeine gleiche Wahlrecht wieder abschaffen— was, nachdem dasselbe einmal eingeführt worden, ebenso schwierig wie gefährlich ist; oder es muß eine durchaus veränderte Auffassung der Pflicht, zu wählen, durchdringen. Die aber- malige Constatirung der Stärke der deutschen sozialdemokra- tischen Partei wird erneuten Anlaß geben, die Möglichkeit auch anderweitiger Gegenwirkung, als vermitielst des Stimmzettels, wieder zu erwägen." Wem von euch nun noch nicht die Augen aufgehen, wer von Euch nun noch nicht weiß, wohin er sich zu wenden hat, dem ist in seinem Leben nicht zu helfen; denn hier liegt doch wohl der Beweis klar zu Tage, daß beide Parteien eins und beide Reaktionäre vom reinsten Wasser sind. Ein wirklich liberaler Mann wird sich von einent solchen Gedanken mit Abscheu wenden und" wird auch mit denen nicht mehr politisch zusammen gehen können, die solche Gedanken entwickeln. Darum rufe ich euch Arbeitern, die ihr euch noch nicht entschließen konntet mit uns zu gehen, zu: Werft die Ketten der Bevormundung von euch, werdet freie, politisch- selbstständigc Männer, unterrichtet euch über die wahren Ziele und Zwecke unserer Partei und ihr werdet über drei Jahre bei der Wahl ein besseres Gedächtniß beweisen.— Wir aber, Parteigenossen, wollen uns nicht durch Drohungen einschüchtern lassen, sondern im Bewußtsein der Be- rechtigung unserer Forderungen der Zukunft mit Ruhe ins Auge sehen. Kttenburg, 14. Januar. Wir haben die Wahlsöhlacht ver- loren. Im andern Fall wäre sofort Jeder von uns, triumphirend wie jener Grieche vom Schlachtfeld von Marathon, mit der Siegeskunde zum Telegraphenamt gelaufen und hätte zusammen- brechend noch die Depesche überreicht:„Freut Euch, Genossen, wir haben gesiegt!" Wir siegten nicht, aber wir sind mit Ehren unterlegen. So weit die Wahlergebnisse vorliegen, hat es der bisherige Vertreter, Appellations-Gerichts-Präsident Dr. Wagner, dessen Titel der Herzog Neujahrs um das Wort„Vice" zu kürzen geruhte, auf gegen 7000 Stimmen gebracht, unser Can- didat Stolle hat etwa halb so viel erhalten, und der Conser- vative fiel gründlich durch. Es ist für jeden Candidaten lebhaft agitirt worden, so brachte die„Altenburger Zeitung" bisweilen seltsame Lobsprüche auf Herrn Wagner, der ein bewährter Mann sein sollte, ein leutseliger, ein bekannter Mann! Wahrhaftig, es schien, als müßten die Blinden in Altenburg seinen Tritt kennen. Die Conservativen bezahlten seitenlange Annoncen, die in Jäm- merlichkeit mit den liberalen Wahlaufrufen wetteiferten. Wir agitirten vornehmlich in Versammlungen, so daß solche während der letzten 14 Tage vor der Wahl fast täglich, mitunter mehrere an einem Tage, stattfanden. In Altenburg sind uns durch libe- rale Beeinflussungen alle größeren Lokale versperrt, und sind wir auf den Gasthof zum Rautenkranz beschränkt, dessen Saal etwa 150—200 Menschen faßt. Die letzte, überwiegend von Fremden besuchte Versammlung fand am 6. d. statt, und hatte ich über die Reichstagswahl zu referiren, wobei ich die Wahl- aufrufe unserer Gegner musterte, ihre Thätigkeit im Reichstage beleuchtete, sowie unsere Bestrebungen klarlegte und die Wahl Stolle's empfahl. Nach mir sprach noch Genosse Müller von hier, und fand sein Vortrag, der von vielen humoristischen und satyrischen Anspielungen begleitet war, wiederholten Beifall. Am 7. fuhren Müller und ich nach Löbichau , um an Stelle Stolle's, der mit Versammlungen in Zehma und Gößnitz beschäftigt war, zu referiren. Schon beim Eintritt in's Versammlungslokal tönten uns Droh- und Spottrufe entgegen. Anwesend waren etwa 200 Mann, darunter 30—40„Gebildete", wozu ich zwei Pastoren, Lehrer, Ortsvorsteher, Besitzer u. s. w. zähle. Nach- dem Genosse Ulrich aus Ronneburg zum Vorsitzenden gewählt worden war, ergriff ich das Wort, wurde aber nach 10 Minuten durch Gelächter und Geschrei unterbrochen, das selbstverständlich von der Minorität Gebildeter ausging, die kleinen Leute be- trugen sich durchweg anständig. Ein Appell an die„Intelligenz" dieser Leute brachte mir noch 10 Minuten Ruhe, dann brach der Lärm verstärkt los. Vor uns lehnte in der ersten Reihe ein betrunkener Mensch, der Grimassen schnitt. Ihm wurde von hinten ein Glas Bier gereicht, das er über seinem Haupte schwang, und konnte er auch nicht festen Schrittes vor uns hin- treten, so konnte er doch noch vor die Tribüne taumeln und mir zubrüllen, daß mich Niemand hören wolle. Da man bei dem Tumult kaum sein eigenes Wort verstehen konnte, verließ ich die Tribüne, worauf Ulrich noch einen Versuch machte, aber bald niedergebrällt wurde. Dasselbe Schicksal hatte Müller. Nun sprang Jemand vor, der mit etwas comödienhaften Gestikulationen erklärte, daß wir hier keinen Boden fassen würden, da ich die Existenz Gottes bestritten hätte, woran hier Jeder glaube. Ihm zu repliziren war unmöglich, da heftiges Gebrüll unsere Worte erstickte. Es war ein Heidenlärm, wie ihn Dante in seiner„Hölle" beschreibt. Unter solchen Umständen schloß Ulrich die Versamm- lung, doch fanden wir zu unserer Geuugthuung später im Ge- spräch mit den Arbeitern, daß diese solches Gebahren entschieden vcrurtheilten. Dies war die erste sozialistische Versammlung in Löbichau , und auch sie hatte ihre Vortheile. Ein Bericht in der „A. Z." nennt diesen Tumult eine der wohlthuendsten Scenen. Ja doch! Man weiß ja, daß eine große Anzahl Wörter im liberalen Lexikon die Bedeutung ändert, so heißt z. B. Lüge Wahrheit, Volksbetrug Liberalismus, so wird nun auch ekelhaft mit wohlthuend übersetzt. Derselbe Bericht, auf die Unwissenheit spekulirend, hebt mit gesperrter Schrift hervor, ich hätte gesagt, es gäbe keinen Gott und die Kinder würden durch den Religions- Unterricht geradezu verdorben. Ebenso wird in einem andern Bericht über einen Vortrag Klute's in Ronneburg augenfällig hervorgehoben, daß Klute an der Existenz Gottes gezweifelt hätte. Das Zeitungsgeschwister braucht ihn als Mittel zum Zweck! Nette Gesellschaft!— Auf der Rückfahrt von Löbichau stiegen wir in Gößnitz aus und hatten noch Gelegenheit, Stolle's Candidatenrede zu hören. Sein fließender und glänzender Vor- trag wurde mit allseitigem Beifall aufgenommen, und war diese Versammlung für uns nach dem Löbichauer Tumult eine wahr- Haft wohlthuende Scene. Nach Stolle berichtete Müller kurz über Altenburger Verhältnisse, und er fand reichen Beifall. — Einige Tage vor der Wahl zeigte der städtische Verein an, daß Herr Präsident Wagner, M. P.(nach englischem Muster Ab- kürzung von mewber ok parliament, Mitglied des Parlaments, über seine parlamentarische Thätigkeit Bericht erstatten werde, und freuten wir uns schon auf den Spaß. Da erließ noch im letzten Augenblick Herr Wagner, M. P., eine Annonce, worin er angab, wegen Heiserkeit nicht sprechen zu können, und so wurden wir um ein Vergnügen, die„Altenburger Zeitung" um einen Artikel und das Parlamentsmitglied um eine große Ovation gebracht. Wie man hört, wird aber doch Herr Wagner, M. P., noch später seine Rede halten. Seit der Wahlbewcgung macht sich in der„Altenburger Zeitung" ein Versifex bemerkbar, der uns in komischen Reimen anbellt und uns damit stets sehr amüsirt. Auch den liberalen Wahlsieg hat er in der„Alten- burger Zeitung" in völlig angemessener, d. h. in schulknaben- hafter Weise besungen und hoffen wir, unserer Heiterkeit und des Profits der„Altenburger Zeitung" wegen, diesen poetarn laureaturn(lorbeergekrönten Dichter) noch oft solche komische Poesie vomircn zu sehen. Haben wir diesmal an manchen Orten einen Snmmenzu- wachs zu verzeichnen, so erwarteten wir doch eine regere Wahl- bethciligung seitens der Arbeiter. Leider giebt es unter ihnen noch viel Gleichgültige, aber es darf nicht so bleiben.— Partei- genossen! wir haben noch lange nicht genug gethan. Also vor- wärts! Besucht Alle unsere Versammlungen und bringt viel Fremde mit. Ermahnt auch die Arbeiter, möglichst nur in den Lokalen zu verkehren, wo unsere Blätter ausliegcn. Heute kann ich mittheilen, daß der„Vorwärts" bei Ackermann zur Geraischen Linde ausliegt; das„Hamburg -Altonaer Volksblatt" bei Fischer, Spiegelgassc; die„Berliner Freie Presse" in Jatadt Breslau, Bergstraße. Weiteres hierüber nächstens. Schließlich noch nnsern Dank den Parteigenossen, die am Wahltage und vorher sich durch verschiedene Dicnstlcist"ngen nützlich machten. Es fielen Stimmen auf Appellationsgerichts-Präsident Wagner (lib.) 12,904, Freiherr v. Hardenberg(conserv.) 1404, Gärtner Stolle 4489.— Wir haben also 542 Stimmen mehr als bei voriger Wahl errungen, immer aber noch zu wenig für unsere
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2 (24.1.1877) 10
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