dieses Jahr den Arbeiter drücken müssen, kann man daran ermessen, daß die beiden großen Steingutfabriken blos vier Tage in der Woche arbeiten lassen, desgleichen liegt auch die Cigarrenfabrikation darnieder. Wie das alles noch enden wird, läßt sich nicht voraussehen. Kein Verdienst, und colossale Steuern— � und da wundert man sich noch, wenn die Unzufriedenheit wächst? 3?egaii, 14. Mai. Der Stadtrath von Pegau scheint seit einiger Zeit das Bedürfniß zu fühlen, die hiesigen Arbeiter in ihren Organisationsbestrebungen durch allerlei Polizeimaßregeln zu behindern. Zunächst schloß er die Schuhmachergewerkschaft als angeblich politische, mit anderen Vereinen in Verbindung stehende Gesellschaft; hierüber schwebt der Prozeß, nachdem in erster Instanz die Mitglieder mit Geldstrafen vis zu 50 Mark bedacht wurden, noch in zweiter Instanz. Aber damit nicht zu- frieden, verbot der Stadtrath kurzweg alle angemeldeten Sozia- listen- und Volksversammlungen mit der salomonischen Begrün- dung, es handle sich dabei um die Fortsetzung der geschlossenen Schuhmachergewerkschaft. Dieser kühnen Jnterpretationskunst vermochten die hiesigen Genossen nicht zu folgen, weshalb sie denn bei der königlichen Kreishauptmannschaft Leipzig eine mo- tivirte Beschwerde einreichten. Auf dieselbe erfolgte unterm 19. April folgender Bescheid: „Die Königliche Kreishauptmannschast, collegialisch zusammen- gesetzt, hat denjenigen Rekurs, welchen der Schuhmachergeselle Gustav Lindner mittels der im Anschlüsse beigefügten Imme- diateingabe gegen den Beschluß des Stadtraths Blt. 22 b des Aktenheftes, die Abhaltung öffentlicher Versammlungen betreffend, eingewendet hat, nicht für unbegründet erachten können. In dem angefochtenen Beschlüsse ist die Versagung der Genehmigung zur Abhaltung der für den 25. März dieses Jahres angemeldet gewesenen Volksversammlung damit motivirt worden, daß die in Pegau lebenden Mitglieder der sozialdemokratischem Partei mit vollem Bewußtsein der Gesetzwidrigkeit eines solchen Vorhabens dem verbotenen Zweigvereine der Gothaer Schuhmachergewerk- schast beigetreten seien und dadurch den Beweis geliefert haben, daß sie die bestehenden Gesetze als für sich nicht verbindlich erachten, daher aber keine Garantie dafür zu bieten vermögen, daß die von ihnen einberufenen Volksversammlungen ordnungs- gemäß verlaufen. Die Königliche Kreishauptmannschaft vermag ihrerseits die aus dem Umstände, daß eine Anzahl der in Pegau lebenden Sozialdemokraten zur Gründung eines Vereins ver- schritten sind, welcher schon wegen des Zusammenhanges mit dem außerhalb Sachsens seinen Sitz habenden Hauptvereine als dem gesetzlichen Verbote unterliegend betrachtet worden ist, von dem Stadtrathe gezogene Schlußfolgerung zum Mindesten insofern nicht als ausreichend gerechtfertigt anzuerkennen, als damit die Versagung der Genehmigung zur Abhaltung der von dem Be- schwerdeführer rechtzeitig angemeldeten öffentlichen Versammlung hat begründet werden sollen. Denn nach§ 5 des Gesetzes, das Vereins- und Versammlungsrecht betreffend, vom 22. November 1850 unterliegen einem bezüglichen Verbote, sobald die übrigen Vorbedingungen der§§ 2 flg. des gedachten Gesetzes vorhanden sind, lediglich diejenigen Versammlungen, deren Zweck es ist, Gesetzübertretungen oder unsittüche Handlungen zu begehen, dazu aufzufordern oder doch dazu geneigt zu machen. Für die An- nähme aber, daß die im vorliegenden Falle von dem Beschwerde- führer angemeldete Volksversammlung einen solchen Zweck ver- folge, dürfte es an ausreichendem Gehalte fehlen; und wenn der Stadtrath befürchten zu sollen glaubt, daß die in Aussicht ge- nommene Versammlung nicht ordnungsmäßig verlaufe, so mag darauf hingewiesen werden, daß das Gesetz die Füglichkeit bietet, daß eintretenden Falls die Versammlung durch den von der Po- lizeibehörde in dieselbe abzuordnenden Beamten aufgelöst und für geschlossen erklärt werden kann." Diese nachdrückliche Zurechtweisung des hiesigen Stadtraths giebt uns unser willkürlich vorenthaltenes Vereins- und Ver- sammlungsrecht wieder zurück, und wir machten von demselben insofern sofort wieder Gebrauch, daß wir für gestern Abend eine Sozialistenversammlung veranstalteten, in welcher Genosse Werner aus Leipzig über die gegenwärtige Geschäftskrisis Vor- trag hielt.— Ueber den Ausgang des Prozesses der Schuh - machergewerkschaft werden wir später berichten.— Nächster Tage wird für den 14. Wahlkreis eine Delegirtenconferenz stattfinden, zu welcher die Einladungen bereits erlassen sind. Wir hoffen auf zahlreiche Betheiligung der Parteigenossen, da die Tages- ordnung eine sehr wichtige ist. Wr. Huedtinburg, 16. Mai. Es ist von meiner Seite in früherer Zeit an den„Volksstaat" zu verschiedenen Malen ein Lebenszeichen gelangt, eine kürzere oder längere Beobachtung des Volkslebens und-strebens in oen verschiedensten Beziehungen, und, wenn ich nicht irre, hatten diese Zuschriften, soweit unserer Sache dienlich, gern Aufnahme gefunden. Seit dem 1. Ottober vorigen Jahres sind nun die Blätter„Volksstaat" und„Neuer Socml-Demokrat" in den„Vorwärts" aufgegangen, dadurch ist der Leserkreis ein ganz anderer, weiterer, vielleicht auch ein mit erhöhten Ansprüchen hervortretender geworden, und ich weiß nun nicht, ob meine einfachen Beobachtungen, Ansichten und Anführungen heut noch so gern gesehen werden wie früher in dem kleineren Kreise. Zudem scheint mir der Grundzug der Correspondenzen im„Vorwärts" mehr auf Behandlung realer Thatsachen berechnet zu sein. Ueber Eines wohl darf sich der Freund eines regen Parteistrebens freuen, das ist, mit wenig Ausnahmen, das Ausharren aller Genossen in unserer Sache. Mancher ist matt geworden, und Manchen, der sonst seine Stimme vernehmen ließ, ist das Schweigen überkommen. Aber grade durch die Läuterung ist das Parteistrcben ein festeres, gedrun- generes geworden, daher auch all die Widerstandskrast, die sich im arbeitenden Volk gezeigt hat, gegenüber allem Hohn, allen Verlockungen, allen Schmeicheleien; daher auch das selbstbewußte stete Fortschreiten! Wenn mir nun ein Genosse daher kommt, wie ein Correspsndent der„Berliner Freien Presse", der nach den dreimaligen heroischen Anstrengungen der Ältonaer Genossen und ihrer von mir vorausgesehenen endlichen Niederlage nun gleich alles Wählen als eitlen Tand u. dergl. beiseite werfen möchte, der also durch einen Mißerfolg sogleich muthlos wird, so sage ich ganz einfach: Muth, Ausdauer, erneute Anstrengung nur führt zum Ziel! Und es geht vorwärts! Im Frühjahr 1875 schied ich nach kurzem Aufenthalt aus Mülheim a. Rhein . Wie schwer war es damals noch dem arbeitenden Volk gemacht, einen Saal zu einer Versammlung zu bekommen. Dieses Volk, das da hämmert und baut von früh bis zur Nacht, das Anderen Paläste hinsetzt, dieses Volk hatte für sein Geld kein Dach, unter dem es ge- meinschaftlich sich darüber berathen konnte, was zu seinem Heil dient! Jetzt, nach nur zwei Jahren, hatte man ichon seinen eignen Reichstagscandidaten, und ler Genosse weiß, wo er sich mit Seinesgleichen zusammen findet.— Ich kam dann wieder nach meiner engeren Heimath Schlesien. Wie thättg das webende, schnitzende, hauende und bauende Volk dort oben in dem Riesen- gebirge ist; feste, kernige Gestalten, und hart wie die Felsen, auf und zwischen denen sie wohnen. Aber auch leider hart noch das Gemüth, wenig empfänglich für den Geist der Neuzeit. Es ist merkwürdig aber doch naturgemäß, daß man sich zwischen den Bergen so gern mit Schießen beschäftigt, daher in Gebirgen die meisten Schützenvereine, aber— auch recht viel Glockenton, starres Festhalten an alten Ueberlieferungen, und doch— auch hier geht es vorwärts! Die Breslauer„Wahrheit" berichtete uns s. Z. aus Hirschberg in Schlesien , daß daselbst ohne jedwede Agitation für Joh. Jacoby 13, sowie für Kapell 8 Stimmen abgegeben wurden. In dem daran stoßenden Kunnersdorf fanden sich sogar 50 Stimmen für Kapell vor. Auch in diese harten Berge wird in Zukunft die Agitatton hinein getragen werden. Sinnend steht schon der Erdarbeiter, der Thongräber, der Porzellan- arbeiter, Glasbläser und Steinschleifer bei seiner Arbeit und wartet des Anstoßes und Rufes; und der Ruf wird ertönen bis hinauf nach Schreiberhau in die zerstreuten Hütten der Glas- arbeiter, und die Spielereien der Schieß- und Kriegervereine werden verschwinden vor dem Rufe der Neuzeit! Beschäftigte sich dieser Jahre eine im Ueberfluß schwelgende Bourgeoisie mit dem Gedanken, wie Hirschberg durch Gründung einer zweiten schlesischen Universität ein„Heidelberg des Ostens" werden könne, so möge das arbeitende Volk diesen phantastischen Empfindeleien dadurch begegnen, daß es bei den künftigen Wahlen selbst das erste Semester der Freiheit antritt! Der„Bote aus dem Riesen- gebirge" in seinem altväterischen Gewände und mit seiner kranken nationalliberalen und kulturkämpferischen Tendenz wird ja auch hoffentlich das Seine dazu treulich beitragen. Wie schwellte es mir einst das Herz, wenn ich vom schönen grünen Rhein erzählen hörte, und wo bleibt diese Jugend- schwärmerei vor der ernsten Mannesüberzeugung? Nur einen flüchtigen Blick that ich in das soziale Getriebe des arbeitenden und schaffenden Volkes, und welch' tiefes Elend habe ich da kennen gelernt? Was gilt z. B. dem Berliner Hausherrn ein Menschenleben? Alle, die da in seiner Kaserne ein- und aus- gehen, sie sind ihm ja nur eine Waare, die täglich ftisch ersetzt werden kann. Und doch setzt er auf das ohnedies hohe Haus und über die in demselben befindlichen Wohnungen noch ungesunde Mansarden. Und nun erst in den Rheinlanden! Hier habe ich Wohnungen gesehen, in welche das Licht von oben hereinfällt. Dort werden Kinder, wenn Bater und Mutter früh zur Arbeit wandern, in solche Dachhöhlen gesperrt, und diese menschlichen Wesen sehen Tag für Tag weder Baum noch Blume, weder Bogel noch Schmetterling, nur das einzige Fleckchen Himmel, das durch die schmutzige Dachscheibe herniederblintt. Und da wagt man es, die Arbeiter mit einem sogenannten„Arbeiter- spiegel" zu moralisiren? Als ob der Freund dieses geknechteten Volkes, wenn er tiefer blickt, sich nicht genug wundern müßte über dessen unendliche Langmuth, über seine Liebe zur Heimath, seinen Fleiß, seine Anhänglichkeit selbst an den Katholicismus, von dem es in seinem Elend immer noch die Erlösung hofft! „Schönes Rheinland mit seinen Burgen, seinen hohen Fabrik- schloten, den Zeugen des Fleißes seiner Bewohner seinen Herr- jichen Villen am Strom entlang"— ja wohl, für Den, welcher gesättigt und erquickt am Morgen von: Hotel aus das Dampf- schiff besteigt und so die lachenden Gefilde durcheilt, ohne je sich um das Leben des arbeitenden Volkes gekümmert zu haben. Wer des Volkes Leiden kennen lernen will, darf nur einen tieferen Blick auf das Leben und Treiben der Bahnhöfe an den Knotenpuntten unserer Verkehrsstraßen thun, und er wird viel lernen können. Im Frühjahr 1875 war ich auf dem Bahnhof in Deutz mit Frau und Kind. Wie das wogte von allerlei Volk! Ein dicker Mann mit schwerer Geldtasche rannte die Zimmer auf und ab, Schaaren von Männern, Frauen und Kindern verfolgten ihn mit harrenden Blicken. Endlich ein lauter Ruf, und Alles sprang auf! Die ganze Gesellschaft wurde gemustert, durchgezählt, ein- zweimal, dann wieder ein Gang zum Bahnhofsinspektor, zum Billeteur, um zu erftagen, wieviel Kinder auf ein Billet gehen, und dann nochmals Revue — und der Schwann setzte sich nach dem Perron beim ersten Glockenton in Bewegung. Sieh, sagte ich in bitterem Tone zu meinem Kind, diese Leute wandern in die moderne Sklaverei. Und verwundert sah mich dasselbe an, es hatte in der„christ- lichen" Schule gelernt, den Begriff der Sklaverei nur auf schwarze Gesichter anzuwenden. Und woher kommen diese Menschen und wohin gehen sie? Kommen sie aus unwirthlichen Gegenden, aus Wüsteneien, etwa aus der Lüneburger Haide, wo der Boden die Menschen nicht nähren kann? Nein, sie kommen aus Gegenden, wo herrliche Gefilde blühen, wo Korn und Obst in Masse wächst, und wo nur eine ungerechte Vertheilung der Lebensgüter die Menschen von dem Fleckchen Erde treibt, auf dem sie geboren und das ihre Heimath ist. Ueberall, wohin wir blicken, dieselben Zustände: Schaffen ungeheurer Glücksgüter durch die Enterbten und das Einheimsen dieser Güter durch die wenigen Auserkorenen, sei es Süd oder Nord, Ost oder West, hüben oder drüben— deshalb auch muß dxr Kampf ein einheitlicher, ein internattonaler sein gegen alle Gewalt, gegen alle Ausbeutung. August Kruhl, Weißgerber. Königsbrück , 10. Mai. Heute tagte im Saale des Rath- Hauses eine stark besuchte Versammlung, in welcher Herr Direktor Klemich aus Dresden einen wissenschaftlichen Bortrag über das Thema:„Alte und neue Weltanschauung" hielt. In 1'/«-stün- digem gediegenem Vortrage besprach Herr Klemich die alte, als die religiöse, und die neue, als die materialistische, Weltanschau- ung. Obiges Thema wurde eigentlich gewählt, um den hiesigen Geistlichen entgegen zu treten. Herr Klemich erttärte, daß ein Mensch, der Diebe, Räuber, Mörder u. s. w. für besser halte als solche, welche an keinen Gott glauben, verrückt sein müsse. Der Vortrag wurde mit allgemeinem Beifall aufgenommen. Gegner meldeten sich auf mehrmaliges Auffordern nicht zum Wort. Einiger Rüpeleien eines hiesigen Bürgers, welcher Herrn Klemich nachträglich im Gasthof zum Adler wegen einer übereilten Aeußerung alle Ehre absprach, wollen wir nicht weiter erwähnen. Derselbe ist den hiesigen Genosseu schon von früherher als ein Mann bekannt, der viel Wesens von sich macht. Der allgemeine Wunsch war, daß Herr Klemich hier bald wieder einen Vortrag halten möge. N. u. T. Stuttgart. Die in Nr. 55 des„Vorwätts" veröffentlichte Resolutton gegen meine Correspondenz in Nr. 50 d. Bl. hat mich in keiner Weise eines Besseren belehrt. Die gemachten Erläute- rungen zur Wahl widerlegen auch nicht einen Satz der von mir an- gefühtten Thatsachen über die Haltung der„Bolkspartei"; ob- schon, wie ich belehrt wurde, der„Beobachter" in den letzten Tagen vor der Reichstagswahl zu Gunsten unseres Candidaten geschrieben. Betreffs der Jacobyfeier wurde das Comitä(Gen. Degen- hard, Dulk und Maier) beaustragt, das Arrangement zu besorgen, in keiner Weise aber mit der„Volkspartei " zu verhandeln, sondern alle Freunde Jacobys einzuladen. Durch die Partei- Versammlung vom 2. Mai wurde jedoch konstatirt, daß 1) das Comitä drei Mitglieder der„Volkspartei " herangezogen, und 2) von dem Ausschusse der„Bolkspattei"„auf Ansuchen" rund 90 Mark Zuschuß erhalten hat. Was also ein„Gemisch von Bedächtigungen und Verdrehungen" sein soll, kann ich schlechter- dings nicht herausfinden. Ich schließe mich der Motivirung, welche Genosse Hirsch auf der Landesversammlung in Bezugnahme auf seine Ausführungen gab, auch hier an: nicht um uns Vorwürfe zu machen, müssen wir die gemachten Fehler konstatiren, sondern um sie in Zukunft zu vermeiden. Diesen Zweck zu erreichen, war die Aufgabe meiner Corre- spondenz. Georg Baßler. Erwiderung. Nachwort zum„Vorschlag" in Nr. 46. Herrn C. W. Tölcke in Iserlohn diene zur Nachricht, daß es mir fern liegt, mich in irgend ein Gezänke einzulassen; ich verabscheue es, Angesichts unserer großen gemeinsamen Ideale von Gleichheit und Gerechttgkeit das Gebiet des Persönlichen zu betteten, ttotzdem Bezeichnungen wie„albern" u. dergl. ge- j braucht wurden. Patteigenoffe Tölcke mag das verantworten, ich will damit Nichts zu thun haben. Herr C. W. Tölcke hat meinen Vergleich der schwankenden Elemente mit Spreu, die der Wind hin und her jagt, auf die Parteigenossen selbst bezogen, denn er sagt:„die hiesigen Partei- genossen nun als„Spreu" bezeichnen zu wollen, die sich von irgend einem Windbeutel hin- und herblasen ließe, das ist ein- 1 fach— albern." Während Herr Tölcke wenige Zeilen vorher den Verlust von 500 Stimmen in Iserlohn constatirt und man nun erwarten sollte, daß ihm der Gedanke kommen müßte, daß diese 500 Männer sehr wohl mit Spreu verglichen werden können, da bezieht er sonderbarer Weise meinen Vergleich aus die Parteigenossen, welche schon„14 Jahre und länger" treu zur Partei stehen. Befremden muß es, daß Herr Tölcke die Unmöglichkeit wei- terer Ausbreitung der Pattei in Iserlohn auf die Zusammen- setzung der Bevölkerung aus„Protestanten, Pietisten, Ultramon tanen, Millionären, abhängigen Handwerkern und Bürgern" be- gründet. Glaubt Herr Tölcke , die Bevölkerung sei anderwärts I unabhängig, anderwärts aufgeklärt? Dieselbe ist überall aus! Arm und Reich, Klug und Dumm, und sehr vielen Abhängigen zusammengesetzt, und wo die Ultramontanen nur den dritten Theil ausmachen, da ist das Verhältniß ivahrhafttg noch nicht das ungünstigste. Darnach wäre ja die ganze große Culturbe wegung fruchtlos, wir gelangten nirgends zur Majorität. Daß es ohne Anwendung gründlicher Mittel sehr leicht dahin kommen könnte, glaube ich sehr gern, doch werden alle vernünftigen Männer in der Pattei auf dem Platze sein, um dies zu ver- I hüten. Es ist mein sehnlichster Wunsch, überall eine recht große Anzahl solcher Parteigenossen zu wissen, die, wie in Iserlohn , I Jahrzehntelang treu aushalten, und gerade diesem meinem Wunsche entsprang mein Vorschlag. Wir müssen meiner An- ficht nach unbedingt darauf sehen, daß uns die einmal aufgerüt testen Massen nicht wieder verloren gehen; doch um die Mittel zu finden, die vorhandenen Mittel richtig zu gebrauchen, dar über müssen wir diskutiren. Ich habe mit meinem Vorschlag noch keineswegs einen endgültigen Plan feststellen wollen, nur eine Anregung wollte ich zunächst geben, wie ich ausdrücklich am Schlüsse hervorgehoben. Theorettsche Erwägungen und prak ttsche Erfahrungen ließen mich, um eine möglichst feste Ueber- zeugung unter den Neugewonnenen zu verbreiten, das gedruckte[ Wort als geeignet erwählen. Seit Erfindung der Buchdrucker kunst beginnt ein geistiger Aufschwung des Abendlandes, welches ja allem Anschein nach und in Anbetracht der auf unferm Erd ball bisher unerreichten Höhe der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung berufen scheint, den Sozialismus zu verwirklichen.> Ist die Erfindung der Buchdruckerkunst nun wirklich dieser Aus- gangspunkt, so spielt ohne Zweifel das gedruckte Wort, die durch die Maschine vervielfästigte Wiedergabe des Gedankens die Haupt- rolle und— diese spielt das gedruckte Wott heute noch. Es ist nur noch die Frage, welche Form, ob Presse oder Broschüre für die Agitation die wirksamste ist, resp. wejche Bestimmung die I Tageszeitung hat, und welche der Broschüre beigelegt werden kann— und da bin ich zu dem Schlüsse gekommen, daß die letztere die geeignetste Form ist. Die näheren Gründe habe ich bereits besprochen. Noch eine Mahnung möchte ich den Patteigenossen zurufen: Schlafen wir nicht bei dem beruhigenden Gedanken, daß Einzelne wachen; in diesem großen Kampfe müssen wir Alle auf dem Posten sein. Es ist nicht gesagt, daß alle Organisationspläne aus dem Kreise derjenigen Parteigenossen hervorgehen müssen, welche von uns gegenwättig mit der Leitung der Geschäfte, der Führung der Partei beauftragt sind; diese Genossen haben ge- wöhnlich so schon genug zu thun. Wir müssen uns vielmehr in unserm engeren Staate, dem sozialistischen Parteistaate, Alle mit; einander an der Politik betheiligen, wir alle miteinander müssen berathschlagen, wie der Zweck unseres Staates: die Ausbreitung der gründlichsten Auftlärung unter den Massen trotz der geringen Bildung derselben am sichersten und schnellsten erreicht wird. Denn darüber täusche man sich ja nicht— ohne Ueberzeugung der Massen kein Heil, keine Demokratie, sondern wieder nur Cliquen- und Personenwitthschaft und Reattion. An die Führer unserer Partei richte ich die Bitte, den von mir gemachten Vorschlag möglichst objektiv zu betrachten und darnach zu handeln. Auch der Redaktion des„Vorwätts" gilt diese Bitte, von welcher ich gewünscht hätte) daß sie statt der j den Vorschlag begleitenden Bemerkung, daß„der Vorschlag kaum ausführbar sein dürfte"*) lieber entweder Gründe dafür angegeben, oder den Vorschlag überhaupt besprochen, oder aber die unnöthige Bemettung, die nur hindernd wirken kann, unterlassen hätte. Die Unausführbatteit erscheint mir vorläufig nicht er wiesen, die Kosten sind gettng und Schaden kann die Pattei da- bei nicht nehmen, im Gegentheil würde manche unserer Gr nossenschaftsbuckdruckreien, sobald sie in Bedrängniß ist, den Druck der Brojchürenmassen als willkommene Arbeit begrüßen. Und nun Genossen, nochmals: Seien wir eingedenk unserer Pflichten! Wird auch wirklich auf dem nächsten Congreß eine neue Organisation geschaffen, so kann doch nie genug geschehen. Die massenhafte Verbreitung unserer vorzüglichen Broschüre» kann ganz gut neben unserer Organisation vor sich gehen, weil sie wenig kosten würde. Die Verbreitung von Broschüren i würde, wie es mir scheint, am wirksamsten in Versammlungen nach gehaltenen Vorttägen sein, allen Parteigenossen aber würde ein gutes Agitationsmittel an die Hand gegeben. Ich glaube nun meine Pflicht gethan zu haben, möge Jeder die feinige thun. Mit Gruß an die Parteigenossen P. Köhler. *) Sie fügte aber hinzu:—„jedenfalls nicht in der vorgeschlagenen Form", und deutete damit an, daß ihre Bedenken sich nicht gegen das Wesen des„Borschlags"(der beiläufig nicht der einzige dem gleichen Ziel zustrebende ist) richtet. Da die Angelegenheit in wenigen Tagen auf dem Congreß zur Diskussion kommen wird, so verzichten wir hier auf weitere Bemerkungen. R. d. V. Berantwottlicher Redakteur: R. Seisfert in Leipzig . Redaktton und Elpedition Färberstraße 12/11 in Leipzig . Druck und Verlag der Senossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .
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2 (25.5.1877) 60
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