—?Wie steht es denn aber mit der Richtigkeit der Calberla'schenBehauptung, daß die verschiedene individuelle Arbeitskraft über-Haupt nicht auf durchschnittliche Arbeitskrast reduzirt und nachArbeitszeit gemessen werden könne, sobald die durchschnittlicheArbeitskraft nicht als etwas Festes, Bestimmtes, Greifbaresexistire?Die wissenschaftliche Statistik beschäftigt sich fast ausschließlichmit dem Aufsuchen von Durchschnittszahlen, deren Werth um sogrößer und um so sicherer anzuwenden ist, je mehr Einzelbco-bachtungen das Material zu diesen Durchschnittswerthen gelieferthaben. Diese Durchschnitte sind auch nichts Festes, Bestimmtes,Greifbares, sondern nur etwas Abstraktes und Schwankendesund trotzdem beruht z. B. die so mathematisch sichere Wahr-scheinlichkeitsrechnung der Lebens-, Pensions- und Renten-Ver-sicherung einzig und allein auf diesen Durchschnittszahlen.In der Technik wird die gewaltigste, in den Dienst des Menschen genommene Naturkraft, die Dampfkraft noch heuttgenTages nach Pferdekräften bemessen und dabei angenommen, daßein Pferd im Stande sei, eine Last von 33,000 Pfund in einerMinute einen Fuß hoch zn heben. Herr Dr. Calberla wird nunwohl wissen, daß Race, Größe, Futterzustand und Alter vonEinfluß auf die Kraft eines Pferdes sind, daß also von einemFesten, Greifbaren, Meßbaren hier ebenso wenig die Rede seinkann, wie bei der Durchschnittsarbeit des Menschen. Aber nochist es Niemanden eingefallen, die seit Einführung der Dampf-Maschinen übliche Reduttion der Dampfkraft auf Pferdekräfteals unmöglich oder unsinnig hinzustellen.Vollzieht sich denn aber nicht auch die Reduttion der so ver-schiedenen menschlichen Arbeitskräfte auf einen gemeinsamen Maß-stab täglich vor unseren Augen? Wird die höher qualifizirte Ar-beit nicht durch höheren Lohn nur als eine Multiplikation ein-facher Arbeit anerkannt? Gerade Herr Dr. Calberla, der einenVortrag über„die Löhnung nach der Arbeitsleistung" im Druckhat erscheinen lassen, wird doch nicht bestreiten können, daß z. B.der Lehrer seiner Söhne nicht nur höher qualifizirte Arbeit ver-richtet, als sein Schweinehirt, sondern daß auch der Unterschiedbeider Arbeiten in dem dafür gezahlten Lohn anerkannt, daß derWerth der Lehrerarbeit als multiplicirte einfache Arbeit durchdie multiplizirte Lohnhöhe gekennzeichnet, die Lehrerarbeit alsothatsächlich auf einfache Arbeit, wie hier des Schweinehirten,reduzirt ist.So läßt sich an all und jedem Lohnverhältniß nachweisen,daß die Reduktion der verschiedenen menschlichen Arbeiten aufeinfache Durchschnittsarbeit thatsächlich schon heute vor sich geht;und doch bestreitet Herr Calberla die Möglichkeit einer derartigenReduktion, so lange die Durchschnittsarbeit nicht als etwas Be-stimmtes zu messen, sondern nur annähernd zu schätzen sei.Dies unbegreifliche Verfahren findet nun seine Erklärung inder unwahren Behauptung, Marx habe die allgemein mensch-liche Arbeit nur deshalb als Werthsubstanz hingestellt und nachihrer Zeitdauer bemessen, weil er keinen andern Maßstab findenkonnte und einen solchen in sein sozialistisches Systemzur Vertheilung des Sozial- Ertrages unbedingtbrauche.Die ganze weitläufige Deduttion hat also nur den Zweck,einen Vertheilungsmaßstab als unbrauchbar hinzustellen, denHerr Calberla Marx anzudichten versucht. Aber nirgends hatMarx die Arbeitszeit als Maßstab für die Vertheilung desSozialertrages aufgestellt; im Gegentheil hat er ganz aus-drücklich hervorgehoben, daß der Maßstab der Vertheilung jenach dem Culwrzustande und anderen Verhältnissen wechselnwerde und wechseln müsse.Schad't nichts! Der Jude wird verbrannt!Bei einem Gegner, der mit solchen Waffen kämpft und einenso bodenlos unwissenden Leserkreis voraussetzt, kann es nichtWunder nehmen, daß er auch an plötzlichen Preissteigerungeneine Tauschwerthvermehrung nachzuweisen und damit die Marx'scheWerththeorie zu widerlegen versucht. Dazu wählt Herr Dr.Calberla das bei Fieberkrankhciten so beliebte MedikamentChinin.„Nehmen wir den Artikel Chinin", ruft er pathetisch.„SeineHerstellungskosten sind stetig, wenn auch im Steigen, der quan-titativen und qualitativen Verschlechterung des Rohmaterialswegen. Sein Sozialwerth aber schwankt herauf und herunterund würde auch im Sozialistenstaat schwanken, je nach derDringlichkeit und je nach dem Umfange des Bedarfs nach Chi-nin. Im Jahre 1875—76 wurde Chinin durch Extrabedarffür die holländische Armee in Atchin, für die englischen undrussischen Regierungen und für die Fieberkranken in den zahl-reichen Jnundationsflächen Europas und Amerikas, ohne daßdie Herstellungskosten, die in ihm fixirte Arbeit andere gewordenseien, gesellschaftlich werthvoller und Chinin stieg daher imPreise. In noch ganz anderem Umfange treten aber Schwan-kungen des Chininpreises in Fiebergegenden selbst ein, wenn derBedarf danach sich plötzlich ändert, ohne daß seine Herstellungs-Prozeh Diest-Daber.Vor der dritten Kriminaldeputation d-? hiesigen Stadtgerichtsfand am 25. Mai die Verhandlung gegen den Landrath a. D.Otto Karl Richard Heinrich von Diest zu Daber wegen Be-leidigung des Fürsten Bismarck statt. Den Vorsitz des Gerichts-Hofes führte der Stadtgerichtsrath Martius, als Beisitzer fun-girten die Herren Stadtgerichtsrath Bertram und Gerichts-Assessor Dr. Nickel. Als Staatsanwalt fungirte Teisendorf,als Bertheidiger des persönlich erschienenen Angeklagten derRechtsanwalt Dr. Quenstedt. Das Auditorium bestand fastausschließlich aus Zeitungs- Reportern, auch das Auswärtige Amthatte drei Stenographen entsandt.Die Anklage basirt auf der bekannten Broschüre des Ange-klagten:„Der sittliche Boden im Staatsleben" mit dem Motto:„Mit Gott und ritterlichen Waffen", in welcher u. a. eine an-gebliche Aeußerung des verstorbenen Herrn v. Wedemeyer aus-geführt wurde. Die„Deutsche Reichsglocke" übernahm die Stellein einem Leitartikel„Ein industriöser Staatsmann", setzte aberstatt der Bezeichnung„M." den Namen Bismarck. Der An-geklagte soll gegen diese Substituirung zwar protestirt, aber dochanderweit erzählt haben, daß Bismarck bei der Uebernahme derAktien der Centralbodenkreditbank betheiligt sei. Außerdemregistrirt die Anklage noch mehrere andere Beleidigungen desFürsten Reichskanzlers seitens des Angeklagten. So soll er demSchriftsteller Dr. Rudolf Meyer im Töpfer'schen Restaurant mit-getheilt haben, daß der Fürst trotz alledem an der Uebernahmeder Attien betheiligt sei, und ähnliche Bemerkungen soll er imJulitz'schen Restaurant zu Joachim Gehlsen gemacht haben.Ferner soll der Angeklagte dem Gutsbesitzer Hammerstein inStargard gesprächsweise versichert haben, er besitze das Materialzum Beweise, daß Fürst Bismarck von seinem Bantter Bleich-röder über eine Million Aktien erhalten und mit 20 ProzentAufschlag verkauft habe, was er nicht für gentlemanlike(edel-männisch) halte. Das räumt der Angeklagte als richtig ein,will aber nicht den englischen Ausdruck gebraucht haben. Demkosten, sein Arbeitswerth ein anderer geworden ist. Hieraus gehthervor, daß der Sozialwerth, Tauschwerth nicht eine untrenn-bare Eigenschaft der Waare ist(Ist er etwa eine trennbareEigenschaft der Waare? Bem. d. Setzers), dergestalt, daß ersich nur verändern könnte in dem Maße, wie die zu ihrer Her-stellung nöthige Menge Arbeit sich verändert."Der einfachste Arbeiter, der Lassalle's Bastiat-Schulze auf-merksam gelesen hat, wird Hrn. Dr. Calberla das Beispiel vonder winzigen Semmel in der belagerten Stadt vorführen undihm sagen, daß in dem cittrten Fall ein Monopolpreis bezahltwird, der mit dem gewöhnlichen Preis beliebig vermehrter Waa-ren nichts zu thun hat, noch viel weniger aber mit dem Werthe.Herr Calberla, der so vornehm auf Ricardo, Marx und ihreJünger herabsieht, sollte nur erst Ricardo und Marx gründlichstudiren und sich Mühe geben, sie zu verstehen, dann würde erfinden, daß Ricardo wie Marx die von ihm als Regel hinge-stellten Ausnahmefälle in ihrer Werththeorie schon vorgesehenund berücksichtigt haben.Ricardo sagt ungefähr:„Der Tauschwerth aller Güter wird bestimmt durch dieMenge von Arbeit, welche nothwendig auf deren Hervorbringungvon denjenigen verwendet wird, welche keine besondere Geschick-lichkeit besitzen und mit der Hcrvorbringung derselben unter denungünsttgsten Umständen fortfahren. Man versteht unter diesenungünsttgsten Verhältnissen jene, unter welchen die nothwendigeMenge der Erzeugnisse es gebietet, die Hervorbringungsarbeitenfortzusetzen."Also: unter welchen die nothwendige Menge der Er-Zeugnisse es gebietet, d. h. also: bei allen nicht beliebigvermehrbaren Gütern, wie bei den allerunentbehrlichsten Lebens-Mitteln bestimmt der Gebrauchswerth zwar nicht direkt die Höhedes Tauschwerthes, wohl aber indirekt, indem es von dem in derGesellschaft bestehenden Bedarf abhängt, ob auch minder pro-duktive Arbeit noch als Tauschwerth erzeugend angesehen wer-den muß. Bei allen beliebig vermehrbaren Gütern wird aberimmer diejenige Arbeit den Werth bestimmen, welche bei derGütercrzeugung am produttivsten gewesen ist; bei all diesenGütern wird, einzelne kurze Perioden abgerechnet, immer dasAngebot schwerer in die Wage fallen, als die Nachfrage.Also auch Ricardo hat in seiner, wenn auch noch Mangel-hasten Werththeorie dem Gebrauchswerth gebührend Rechnunggetragen.Aber erst die Marx'sche Theorie, welche den Werth auf die„gesellschaftlich nothwendige Arbeit" zurückfährt, paßt für alleVerhältnisse; sowohl für die beliebig vermehrbaren Waaren, wieauf jeden, im Preise ausgedrückten imaginären Werth undauf alle nicht durch Arbeit vermehrbaren Güter, sobald mannur das Wort nothwendig in Bezug auf den Bedarf betont.Es nimmt sich in der That verwunderlich aus, daß einMann, der den Gebrauchswerth nicht vom Tauschwerth, denTauschwerth nicht vom Preis zu unterscheiden vermag, derglaubt, ein Ding werde deshalb zur Waare, weil es durch dieArbeit verändert oder von seiner Stelle gerückt worden sei, daßein solcher Mann den Muth besitzt, einem Lassalle nachzusagen:„er habe jene Marx'schen Grundirrthümer über die gleiche, unter-schiedslose Arbeit als Werthsubstanz mit einem kindlichenKöhlerglauben nachgebetet, um die ihn die frömmstenGläubigen irgend welcher Religion beneiden könnten."Mag Herr Dr. Calberla behaupten:„daß das Bewußtsein,das Rechte gewollt zu haben, tausendmal mehr werth ist, alsdas Beifallsjohlen des großen, oder das Applaudissement deskleinen Haufens"— was ja gewiß richtig ist— so muß er sichdoch aber auch selbst sagen, daß es bei wissenschaftlichen Erörte-rungen nicht auf den guten Willen, sondern auf positives Wissenund vor Allem auf klares Denken ankommt und daß es nichtheißt, das Rechte wollen, wenn man dem Gegner Behauptungenin den Mund legt, die derselbe nicht aufgestellt hat.Wenn Herr Dr. Calberla sachliche Einwendungen gegen diesozialistische Wertheorie erheben kann, werden dieselben ihrersachlichen Widerlegung sicherlich nicht entgehen.Sozialpolitische Uebersicht.— Die Erfolge der Türken im Kaukasus haben dieRussen auf einmal zu der Ueberzeugung gebracht, daß es einFrevel ist, die Unterthanen des Feindes zum Ungehorsam gegenden Souverän zu reizen und die Revolution zu entfesseln. DasPetersburger Kabinet hat eine Erklärung in diesem Sinne er-lassen. Wenn die Russen Rumänien zum Abfall von der Pfortezwingen, Serbien, Montenegro, die Bewohner von Bosnien undder Herzegowina zum Aufstand treiben— ja Bauer, das istganz was anderes!Auf dem asiatischen Kriegsschauplatz, in Armenien, scheintein entscheidender(Zusammenstoß bevorzustehn. Die Nachrichten,mit welchen wir überschüttet werden, sind zu verwirrt, unzuver-Grafen v. Borcke auf Cannenberg soll der Angeklagte ähnliche.Bedenken gegen die Gründung der Centralbodenkreditbank mit-getheilt haben, und Ende Mai v. I. im Hotel de Prusse zuStettin in großer Erregung sich über den Fürsten ausgesprochenund dabei u. a. geäußert haben:„Ich werde den Kaiser ausden Klauen dieses Mannes befreien." Diese Aeußerung bestreitetder Angeklagte. Endlich soll der Angeklagte im Herbst v. I.auf einer Jagd in Kanitz geäußert haben: er besitze jetzt Beweis-Material genug, jetzt müsse er heran, der Fürst Bismarck müssenoch einmal so klein werden, daß er das Brod aus der Handeines preußischen Junkers essen soll."Diese absolut unwahren Thatsachen— resumirte der Staats-anmalt die Anklage schließlich— enthalten schwere Beleidigungendes Fürsten Reichskanzlers in Bezug auf seinen Beruf, undseien geeignet, den Fürsten verächtlich zu machen. Alle die infrüheren Prozessen vernommenen Personen nochmals zu ver-nehmen, sei wohl nicht nöthig; der Angeklagte habe den Beweisder Wahrheit für seine Behauptungen nicht erbracht, früher seier auf den Staatssekretär v. Thile, v. Wedemeyer und v. Blancken-bürg zurückgegangen, später sich auch noch auf briefliche Mit-theilungen von Blanckenburg's bezogen, in denen jedoch nichtsvon„bedenklichen Gründergcwinnen" stehe. Der Angeklagtehabe später noch behauptet, daß nach ihm von Hrn. v. Savignygemachten Mittheilungen bei dem Bankierhause Karl Meyerv. Rothschild eine Million Aktien der Centralbodenkreditbankdeponirt werden, von denen eine halbe Million für den FürstenBismarck reseroirt sei. Rothschild habe dies jedoch eidlich be-stritten. Aus allen diesen Vorgängen sei der Angeklagte dem-nach angeklagt, in sechs verschiedenen Fällen den Fürsten Bis-marck durch Verbreitung unwahrer Thatsachen in Bezug aufseinen Beruf beleidigt und verächtlich gemacht zu haben.In dem Jnquisitorium glaubt der Angeklagte, daß durch seinganzes offenes Versahren von vornherein die Absicht ausgeschlossensei, angriffsweisc den Fürsten Reichskanzler zu beleidigen oderzu kränken; er hat oft geung mit dem Fürsten stundenlangeGespräche geführt und der Fürst ihm wiederholt gesagt:„Diest,lässig und widerspruchsvoll, als daß wir ein Bild der Si-tuation entwerfen könnten.An der Donau hat die Hochfluth eine Pause in den mili-tärischen Operationen nothwendig gemacht.— Der Rubel auf Reisen. Das polnische Blatt„GazetaNarodowa" bringt folgende interessante Mittheilung:„Um etlicheDiplomaten und eine Anzahl von Zeitungen für wertthätigeUnterstützung der russischen Lrientpolitik zu gewinnen, hat dasCabinet von Petersburg die Summe von 1,800,000 Rubel zurDisposition gestellt. Die zu bestechenden und bereits bestochenenZeitungen theilen sich in drei Kategorien: 1. in solche, welchebedingungslos Alles schreiben müssen, worüber Mansie instruirt;2. in solche, auf deren politische Haltung man nur insoweit einenEinfluß übt, als man von ihnen eine spezifisch anti- türkischeSprache begehrt: 3. in solche endlich, denen man durch von denBotschaftern designirte Agenten einzelne Artikel zur Aufnahmezustellt. Am Besten wird selbstverständlich die erste Kategoriebezahlt. Die Anzahl der gewonnenen Blätter aller drei Kate-gorien beträgt: in Frankreich 16, in England 4, in Deutsch-land 28, in Böhmen 7, in Oesterreich 14. Auf Italien, Ungarn,Serbien, Rumänien kommen 18 Blätter; auf Polen 2. ImGanzen also stehen bisher 89 Zeitungen im russischen Solde.900,000 Rubel stehen außerdem noch für weitere Acquisitionenin Bereitschaft. Alles natürlich für Humanität und„christliche"Zwecke!"So weit das polnische Blatt. Im Wesentlichen sind dieMittheilungen gewiß richtig. Die Zahl der Blätter, bei denen„der Rubel auf Reisen" Einkehr gehalten hat, ist aber jedenfallsviel zu niedrig angegeben. Wenigstens in Deutschland ist siebei weitem höher. Oder sollte der„Rubel" beim Gros unsererKosackenblätter incognito einkehren— als heimischer undpatriotischer„Reptilienthaler"?— Fromme Wünsche. Durch gegnerische Blätter gehtfolgende Notiz:„Auf dem vorjährigen Gothaer Sozialisten- Congreß war esbekanntlich der von den Herren Liebknecht und Bebel geleiteten(!)Fraktion der sozialdemokratischen Partei gelungen(!) sich das Ueber-gewicht(!) über den andern Flügel dieser Partei, der seinen Haupt-fitz in Berlin hat und hauptsächlich von den Herren Hasselmannund Hasenclever repräsenttrt wird, zu verschaffen und daswesentlichste Ergebniß dieses Erfolges war, daß der von Hassel-mann redigirte Berliner„Sozialdemokrat" einging und derLeipziger„Bolksstaat" unter dem neuen Titet„Vorwärts" zumCentral-Preßorgan der deutschen Sozialdemokratie erklärt wurde.Die so mit großer Mühe hergestellte„Einigung" scheint aberneuerdings wieder ein Loch bekommen zu haben, denn in derletzten Versammlung der Berliner Sozialisten, in der man diedortigen Delegirten zu dem demnächst stattffndenden Congreß inGotha wählte, sind Anttäge gestellt und angenommen, bez. denDelegirten mitgegeben worden, welche ziemlich unverhüllt auf einMißtrauensvotum gegen die Leitung des„Vorwärts" hinaus-laufen. Die Berliner Delegirten sind beauftragt worden, inGotha dahin zu wirken, daß Artikel, wie der neuliche„Engelscontra Dühring", nicht mehr im„Vorwärts" Aufnahme finden,und dann sollen sie ferner sich dafür bemühen, daß das BerlinerSozialistenblatt„Freie Presse" mehr und mehr die Stellungeines leitenden Centralorgans innerhalb der deutschen sozial-demokratischen Partei erlange. Diese Stellung beansprucht jedochauch der Leipziger„Vorwärts" und es scheint demnach die alteEifersucht zwischen den Berliner und den Leipziger Sozialistennicht erloschen zu sein."Nun, der diesjährige Gothaer Congreß. der die vollständigsteHarmonie zwischen„den Berliner und den Leipziger Sozialisten"zu Tag treten ließ, wird den Verfasser obiger Notiz und dieihm verwandten Seelen eines Anderen belehrt haben. Die inder Berliner Versammlung gefaßten Beschlüsse hatten durchauskeinen feindlichen Charakter gegen den„Vorwärts", wie schondurch die eine Thatsachc zur Genüge bewiesen wird, daß indieser Versammlung einer der Redakteure des„Vorwärts" mitan Stimmeneinhelligkeit grenzender Majorität zum Congreß-Delegirten erwählt wurde. Niemand dachte daran, durch die„Berliner Freie Presse" dem„Vorwärts" Conkurrenz machen zuwollen— dem Congreß sollte bloß die Verbreitung der„BerlinerFreien Presse" an's Herz gelegt werden, damit dieses Blatt sicballmählich zum politischen Hauptorgan(nicht Centralorgan)unserer Partei entwickeln könne. Der betr. Antrag war vonHasenclever, einem der Redakteure des„Vorwärts", ge-stellt! Was den anderen Beschluß angeht, so zielte er einfach,daraus hin, daß längere wissenschaftliche Artikel, die bisher iin„Vorwärts" veröffentlicht werden mußten, weil kein anderes�geeignetes Organ vorhanden, in Zukunft in einer neuzugründendenwissenschaftlichen Beilage des„Vorwärts", oder selbststän-digen„Revue" veröffentlicht werden möchten. Eine Partei-wenn Sie mal etwas gegen mich haben, dann sprechen Sie esfrank und frei aus!" In diese Lage sei er gekommen, als ervon zuverlässigen Leuten allerlei Gerüchte hörte, und nun habeer wiederholt ehrlich und offen den Fürsten um Aufklärung ge-beten, allein der Reichskanzler sei ihm immer ausgewichen, selbstals er ihn dringend um eine Unterredung ersuchte und ihm da-bei sagte:„Sie werden vielleicht künftig noch einmal sagen, derDiest ist doch noch ein ehrlicher, biederer Mann gewesen."Durch dieses offene Verfahren, in freundschaftlichem Sinne unter-nommen, habe er den Fürsten nicht beleidigen wollen, auch habeder Fürst damals keinen Strafantrag gegen ihn gestellt, undwenn in Privatgesprächen unter Freunden einzelnes gesagt wordensei, was jetzt als beleidigend aufgefaßt werden soll, so sei wohlKeiner von solchem Vergehen ganz frei. Er sei also nicht inbeleidigender, sondern in wohlmeinender Absicht verfahren, wirzu dem Zwecke, den Reichskanzler zu warnen.Der Staatsanwalt. Nach seinen amtlichen Instruktionenlägen die thatsächlichen Verhältnisse doch ganz anders, und be-halte er sich vor, später darauf zurückzukommen.Der Vorsitzende konstatirt, daß von den geladenen Zeugennur der Redakteur Dr. Rudolf Meyer nicht erschienen ist. Eserfolgte sodann die Verlesung der Stelle aus der Broschüre„Der sittliche Moment im Staatsleben", welche von der Betheiligung des„M." und des„Ungenannten" bei der Gründung;der Centralbodenkredit-Gesellschaft handelt und worin von Trink-gelderbetheiligung gesprochen wird. Der Angeklagte erklärte am!Befragen, daß unter dem„M." Hr. Miquel gemeint sei unddieser Name auch ursprünglich in den Aufzeichnungen v. Wede- jmeyer's gestanden habe.Staatsanwalt. Es stehe wenigstens fest, daß der Angeklagtedem Meyer und dem Gehlsen gegenüber sich dahin geäußerthabe, daß unter dem„Ungenannt" der Fürst Bismarck verstände««werden müsse.Angeklagter. Die Broschüre habe allerdings die Tendenzgehabt, den Großgrundbesitz gegen das Großkapital zu schützen!veranlaßt von Herrn v. Wedemeyer, habe er diesen Kampf gegen