bereiten sich neue Conflikte zwischen den Kohlengräbern undGrubenbesitzern vor, da letztere nicht blas die Löhne immer mehrdrücken, sondern auch— worüber das volkswirthschaftliche LichtEugen Richter nachdenken möge— die Arbeitszeit ver-längern wollen.— Der Rubel auf Reisen ist thätig. Ein Gelehrterder reptilisirten und nun auch rubilisirten„Weserzeitung" hatentdeckt, daß die Russen gerade in Folge ihrer niederen Kulturbesonders geeignet seien, die Türkei zu kultiviren; hätten sie eine„überlegene" Kultur, so wäre der Abstand zu groß und derEinfluß auf die Bevölkerung entsprechend gering. Daß Rußlandes mit seinen Humanitätsphrasen nicht ernst meine, sei gleich-gültig, denn„für die Menschheit komme nichts darauf an, obdie Arbeiten, deren ihre Entwicklung bedarf, von dem Arbeitermit Bewußtsein vollbracht werden."— Warum denn nicht sämmt-liche Zuchthäuser und Preßbureaus leeren und den Inhalt als„Civilisationsschlemme" über die Türkei ausschütten? Ueber-flüssige Moralität wäre da nicht zu befürchten. Isnd auch keinezu„überlegene Kultur". Sollte man aber doch in Bezug aufletzteren Punkt einige Bedenken haben, so könnte man ja eineBeimischung von Päscheräh's, Kalmücken et caetera geben.—Probatum. Beiläufig stehts mit den russischen Kriegsthaten so eigen-thümlich, daß selbst die rnbelgetränktesten Knutenanbeter verdutztsind, und zugeben müssen, daß nicht Alles in Ordnung ist. Wennman bedenkt, daß die russischen Truppen schon vor b Monatenam Pruth conzentrirt wurden, und schon vor länger als 2 Monaten den Pruth überschritten haben, so muß die Stärke der ander Donau„aufmarschirten" Armee wahrhaft lächerlich klein er-scheinen, namentlich verglichen mit den militärischen LeistungenDeutschlands im Sommer 1870. Was über das Mißlingen derrussischen Armeereorganisation gesagt wurde, hat sich also bisjetzt»ollständig bestätigt. Dazu kommt die, nach allen Berichten,erbärmliche Verpflegung, die, an sich schlecht, durch colossaleUnterschleife noch viel schlechter gemacht ist.— Di» pomphaftgemeldeten„glänzenden Erfolge" in Asien haben sich, mit Aus-nähme der Eroberung Ardahan's, deren Bedeutung aber colossalübertrieben ward, als ebenso viele Aufschneidereien erwiesen.Dagegen hat sich die Lage der Türken, besonders durch denimmer mächtiger aufflammenden Aufstand im Kaukasus entschiedengebessert.— Trübe Aussichten für Rumänien. In Bukarestsieht man dem Beginne der Aktion mit Sorge entgegen. Manglaubt nämlich, daß die Verluste der Russen um so größer seinmüssen, als es nachgerade feststeht, daß die Jnfanteriegcwchredie Türken viel weiter tragen als die der Russen, so daß letztereschon in Entfernungen Verluste zu erleiden haben, aus welchensie das Feuer der Türken noch gar nicht erwidern können. Fürdie Bevölkerung von Rumänien wäre es ein entsetzliches Un-glück, wenn die Russen an der Donau eine Niederlage erleidenund ihnen der Uebergang nicht glücken sollte. Sie würden ineinem solchen Fall die ganze ungeheure Armee für längere Zeitim Lande behalten, welche alsdann höchst wahrscheinlich jedeRücksicht auf die Convention aus dem Auge verlöre, so daß dieLage Rumäniens schlimmer würde, als die von Serbien.—Der rumänischen Regierung gönnen wir ihrer Perfidie halberdiese unerquickliche Situation, dem rumänischen armen Volkenatürlich nicht.— Man schreibt uns ans Bukarest:Am 9. Juni kam„Väterchen" nach Bukarest, woselbst er von12—2 Uhr verblieb.— Der Bahnhof war für alle, außer dieDienst habenden und Empfänger, durch einen riesigen Aufwandvon Polizei geschlossen, die Straßen waren offiziell beflaggt unddurch zwei unvollendet gebliebene Triumpfbögen geschmückt(?!).Unter öer Menge vertheilt befanden sich bezahlte Buben, welcheHurrah rufen mußten. Uebrigens ist nicht viel interessantes zusehen gewesen.— Den 16. Juni kam Milan, König in spe, vonBelgrad hier an.„Väterchen" kam Abends ebenfalls nach Bukarest,aber nicht in die Stadt, sondern er blieb bis 11 Uhr Nachts beieinem wahrscheinlich recht frugalen Abendmahl mit Milan undCarl in Cottotrochin(Lustschloß des letzteren bei Bukarest).Samstag Morgens reiste Milan nach Ploesti ins Hauptquartier.Ob er noch Gelüste nach der Königskrone trägt, weiß ich nicht.Tritt Serbien in Aktion, dann dürfte auch Oesterreich ec. dazubeitragen helfen, die Schlächterei in Europa allgemeiner zumachen.— Ein Tscherkessenkapitän stieß sich in Jassy vor denAugen„Väterchens" den Dolch in die Brust als er von ihmkeinen Pardon erhielt. Der Kapitän war einer der Anführerjener 300, welche in Ginrgewo die Kugeln von den Patronengenommen haben sollen und welche von dort entfernt wurden.— Hier in Bukarest hat alles Vergnügen an Sammlungen und„Neuen Sozialdemokrat" zu jener Zeit schon das„deutsche MacMahonnat" genannt wurde.— Nichts für ungut, liebe„Tribüne"!— Schöne Gesellschaft. Deutsche Blätter veröffentlichen eineLondoner Corrcspondenz, in welcher erzählt wird, daß der englische„Cobvenclub", der dieser Tage unter dem Vorsitz des Lord Hartington«in„Festmahl" abhalten wird, drei Deutsche zu Ehrenmitgliedern hat:Hrn. Karl Blind(der die betr. Correspondenz geschrieben hat), Hrn.Karl Schurz und Hrn. Schultze-Deiitzsch. Baterland, freue Dich!— Schwindel. Eine obskure Mainzer Buchhändler-Firma, diesich„Export-Buchhandlung Mainz" zeichnet, hat die Unverfrorenheit,einen ihrer neuesten Schundromane(die höchst wahrscheinlich aus einemReptiliensonds ihr schandvolles Dasein fristen):„Das rothe Gespenst, oder: Bekenntnisse eines Sozialdemokraten; großer politisch-sozialistischer Zeitroman" dadurch zu empfehlen, daß ein GottfriedBebel als Verfasser desselben figurirt. Der Sozialist Bebel heißt ab.rAugust; einen Gottfried dieses Namens gibt es zur Zeit nicht unterden Parteigenossen. Nun hat es die noble Firma jedoch auf doppelteTäuschung abgesehen. Einmal, um durch den Namen Bebel glaubenzu machen, der Inhalt des Machwerkes sei einer sozialistischen Federentflossen, das andere Mal, um durch Aussicht auf Prämien(die manzum vollen Werth bezahlen muß) leichtgläubige Gcmüther zu ködern.� Um eine Probe davon zu geben, weß Geistes Kind dieser Gott-fried Bebel ist, theilen wir die folgende Stelle aus dem Prospekte desin Rede stehenden Schundromans wortgetreu mit— daß aber Keinerlache!:„Alle die Anschläge, welche die Grundfesten des Staates zuerschüttern unternehmen, alle die Thaten, die von der geschlossenen Ver-bindung ausgehen, welche sich die Sozialdemokratie nennt— alle diePläne, die im Verborgenen ausgeheckt werden und dann plötzlich ingrauenvollen Wirkungen sich äußern, sie geben ein sprechendes Zeugnißfür das Dasein des rothen Gespenstes."— Unsere Leser werden dafürsorgen, daß Niemand, den sie kennen und mit dem sie verkehren, ausden Leim gehe."'Auch eine nette Pflanze. Durch die Zeitungen liefen voreinlgen Wochen mehrere Artikel, welche den Leipziger„Grenzboten"entnommen, ein gewisses Aufsehen erregten, da sie das Demijsionsge-such des Kanzlers mit den Bestrebungen einer„hohen Dame", die an-geblich gegen des Kanzlers Politik gerichtet seien, sowie mit Friktionenmit dem Finanzminister in Zusammenhang brachten. Die Freunde derbetreffenden und betroffenen„hohen Dame" machten Miene, die Sachekrumm zu nehmen, worüber der Redakteur der„Grenzboten" in sol-Charpiezupfen für Verwundete gefunden, auch eine Art, Huma-nität zu üben!— Soviel für heute, wenn ich einmal Zeit habe,will ich Ihnen ausführlicher schreiben.P. 8. Hiesige Blätter bringen keine Telegramme mehr überKriegsereignisie, deshalb muß man, um etwas zu erfahren, nurausländische Blätter lesen.— Unser Glauchauer Parteiorgan schreibt unterm 20. Juni:„Heute Vormittag l/,10 Uhr überraschte uns ein Bote der Ge-rechtigkeit mit seinem Besuch, eine gerichtliche Ordre vorzeigend,in welcher er zur sofortigen zwangsweisen Vorführung zweierSetzer und des Mafchinenmeisters beauftragt war. Zur Be-ruhigung können wir unseren Interessenten mittheilen, daß essich hierbei nicht um einen Hochverraths- oder Majestäts-Belei-digungsprozeß handelt, sondern um einen Wahlausruf, in wel-chem sich Herr Professor Birnbaum in Leipzig beleidigt fühlt."Wir wollen dabei nicht unerwähnt lassen, daß Herr Birn-bäum erst seit seiner Niederlage im 17. sächsischen Reichstags-Wahlkreise ein so äußerst zart besaitetes Ehrgefühl zur Schauträgt. Ob aus Aerger über die Niederlage? wer kann daswissen.Aus der Türkei.V Constantinopel, 15. Juni.Meine in letztem Bericht ausgesprochene Meinung, daß dieDemonstrationen der Sofias im Sande verlaufen würden, hatsich bewahrheitet. Der Belagerungszustand hat seine Wirkunggethan, und die auf Anregung einiger höheren Staatsbeamten,die seitdem theilweise verbannt wurden, heißgewordenen Sofiashaben sich wieder abkühlen lassen. Im Uebrigen war die ganzeBewegung orientalisch ruhig gehalten, und die Berichte, dieman darüber nach allen Weltgegenden ausgestreut hat, warenalle stark mit Uebertreibungen geschmückt. Das einzig Richtigebei dieser Demonstration dürfte blos der Umstand sein, daß mandahinter eine kleine Jntrigue von dem verbannten Midhat Paschazu wittern glaubt, der hier unter den gebildeten Türken einengewissen Anhang zählt, welcher von dem gegenwärtigen Rath-geber des Sultans, Mahmud Pascha Damat, nichts wissen will.Indessen zu weiteren Ausschreitungen der Softas dürfte es kaumkommen, denn die Regierung bewacht dieselben mit Argusaugen,und die leiseste Bewegung wird schon im Keime unterdrückt.Den Türken ist� das Politisiren auf's strengste verboten; einSchwärm von Spionen ist über Constantinopel verbreitet, undwehe dem Türken, der ein Wort der Mißbilligung gegen dieRegierung fallen läßt: er wird sofort arretirt, muß sodannlängere Zeit im Gefängniß sitzen, oder wenn er der höherenGesellschaft angehört, wird er exportirt. Die Polizeibeamten be-nützen übrigens auch diese Gelegenheiten, um von den BestraftenGeld zu erpressen. So kommt es z. B. vor, daß ein Angeklagtereinen, zwei Monate sitzt, nie zum Verhör kommt und endlichentlassen wird, nachdem an ihm nichts mehr zu rupfen bleibt.Unter solchen Umständen ist die Apathie wohl erklärlich, die imtürkischen Volke herrscht; die Furcht hält Alles zurück und nurdurch wiederholte Niederlagen am Kriegsschauplatze dürfte diegegenwärtige Regierung von ihren Feinden etwas Arges zu be-fürchten haben.Durch den Krieg sind wir beinahe von der ganzen Welt ab-geschlossen, denn wir empfangen nur alle acht Tage einmal Nachrichten von Europa; von Deutschland mit dem Triester undvon England und Frankreich gewöhnlich mit dem MarseillerDampfer. Mit dem Durchlassen der Depeschen ist die Regierungsehr strenge; die Depeschen harmlosesten Inhalts werden manch-mal am Tclegraphenamt nicht angenommen. Die Regierungveröffentlicht wohl ziemlich regelmäßige offizielle Nachrichten vomKriegsschauplatz, allein mit der Wahrhaftigkeit derselben sieht essehr traurig-aus; so sind wir tagelang mit der Wiedereinnahmevon Ardahan gefüttert worden, die sich schließlich, wie man eshier in eingeweihten Kreisen im Voraus wußte, nicht bestä-tigt hat.Von dem asiatischen Kriegsschauplatze haben wir bereits seitverschiedenen Tagen in offizieller Weise nichts zu hören be-kommen, indessen wird dieser Ausfall zur Genüge durch Nach-richten aus Montenegro gut gemacht, die alle von verschiedenenden türkischen Waffen günstigen Gefechten zu erzählen wissen.Weitere Berichte hierüber will ich nicht machen, denn die Rela-tionen der Regierung sind ziemlich widersprechender Natur, sodaß man besser thut, noch Weiteres abzuwarten, bis man anVortheile in Montenegro glaubt, die ohnehin ohne Wichtig-keit sind.Bis zur Stunde verlautet nichts Offizielles über einen Donau-chen Schreck gerieth, daß er klein beigab und den Artikeln eigenhändigdie Spitze abbrach. Fürst Bismarck, dem von seinen Gegnern natür-lich die moralische Urheberschaft zugeschoben ward, mußte sich durch dieungeschickten Artikel auf's ärgste compromittirt fühlen. Nunmehr theiltdie-„Berliner Westend-Zeitung" einen Passus aus einem Schreiben fttit,das die Ansichten des Fürsten Bismarck über den erwähnten Artikelund Hrn. Hans Blum wiedergiebt. In diesem Schreiben, dessen Ver-sasser nicht näher bezeichnet wird, heißt es:„Ich hätte es nicht gedacht.... Aber circa zwanzig und einige Minuten habe ich dem Fürstendoch abgerungen. Fünf davon kamen auf das Befinden, auf Friedrichs-ruh, auf Kissingen.... Endlich hatte ich die Unterhaltung so ge-wandt, daß ich die Grenzboten-Artikel auf's Tapet bringen konnte.Der Fürst verzog das Gesicht.„Ich will nichts davon hören", jagteer.„Ich will von dem Blum nichts wissen. Wie, habe ich Ihnen nieerzählt, was der mir schon einmal für einen Streich gespielt? Es warini April 1869, als ich einen ersten Versuch mit einer parlamenta-rischen Soiree machte. Ich sage: Versuch. Denn an eine regel-mäßige Wiederkehr solcher Gesellschaftsabende hatte ich anfangs nichtgedacht, und in der That hätte sie Hans Blum mir fast verleidet.Gleich den ersten Abend konnte ich ihm keinen Augenblick entgehen, erwar immer hinter und vor mir, sing jedes Wort auf, ja, ich iah ihnzuweilen den Bleistift gebrauchen. Ich ärgerte mich, machte jedes Malauf den Absätzen Kehrt, wenn er mich anreden wollte, faßte den GrasenBechusy-Huc oder sonstwen unter den Arm, ließ mich mit ihm inein tiefes Gespräch über die Dressur der Jagdhunde ein, nachdem ichihm zugeflüstert:„Lassen sie mich nicht los, bis der Blum fort ist",aber er wich und wankte nicht, verfolgte mich mit den Augen und dieHundedressur war nahezu erschöpft. Ich erblickte plötzlich LaSker, mitdem ich ohnehin ein Hühnchen zu rupfen hatte, und operirte so ge-schickt, daß es mir gelang, Lasker in einen Winkel zu ziehen, wo ichdurch andere Abgeordnete gegen meinen Verfolger gesichert schien. Indemselben Augenblicke war dieser an meinen Fersen und wollte mich an-reden.„Erlauben Sie einen Augenblick, Herr Blum, eine Angelegen-heit von der höchsten Wichtigkeit..." Das half, aber auch nur füreinige Minuten. Am nächsten Morgen bin ich im Reichstage, studireauf meinem Platze ein großes Aktenstück, das mir eben aus Paris zu-gegangen. Da bringt ein Parlamentsdiener einen mit Bleistift ge-schriebenen Zettel von Hans Blum. Darauf steht:„Erlauben Sie, daßich über die gestrige Soiree, die überall einen so herrlichen Eindruckhinterlassen hat, ein Feuilleton für die„Gartenlaube"— oder war esdas„Daheim"?— schreibe?" Was sollte ich machen? Ich schriebärgerlich darüber: Meinetwegen. Nach acht oder vierzehn Tagen mußteich dann lesen, daß bei mir auf der Soiree Witze erzählt worden'Übergang der Russen, der nach hier sich verbreitenden und anConsistenz gewinnenden Gerüchten bereits stattgefunden habensoll. Ich meinerseits glaube aber nicht daran, da nach einge-langten Berichten das Wasser der Donan noch immer zu hochsteht, um den Uebergang jetzt schon möglich zu machen.Sie denken sich wahrscheinlich dort, daß seit Berhängung desBelagerungszustandes unsere Stadt bereits die Physiognomieangenommen haben dürfte, die die Städte in Europa gewöhnlichunter solchen Umständen anzunehmen pflegen; dem ist aber nichtso. Wir Europäer leben hier gerade so wie früher, können zujeder Stunde in der Nacht ausgehen und werden von Nie-mandem behelligt. Diese günstigen Umstände verdanken wir denCapiwlationen, die auch während des Belagerungszustandes auf-recht erhalten bleiben sollen. Die Pforte soll bereits einigeVersuche gemacht haben, um die Europäer während der Dauerdes Belagerungszustandes ebenfalls unter das militärische Regimezu stellen, allein die hiesigen Vertreter der Mächte sollen da-gegen opponirt haben, daher ist Alles noch beim Alten. Diese hierverbreitete Version scheint mir aber nicht recht glaubhaft, ich binvielmehr der Meinung, daß die Türken mit dem Belagerungs-zustand ebenso langsam zu Werke gehen, wie mit allen anderenSachen. Die Sache wird langsam in's Werk gesetzt und derKrieg wird vielleicht vorüber sein, ohne daß wirkliche Belage-rungszustände in Constantinopel eingetreten sind.Die Langsamkeit, mit der hier Alles vorangeht, ist unbe-zahlbar und in keinem andern Lande wieder zu finden. DieseLangsamkeit findet man auch am Kriegsschauplatz, wo etwaigeBortheile in den seltensten Fällen ausgebeutet werden. Man darfsich deshalb auch nicht beklagen, wenn der Fortschritt in derTürkei nur ganz langsame Schritte thut, Alles ist dem lieben�arasob(Langsam) zuzuschreiben, mit dem der Türke ißt, trinktund schläft und mit dem er sein Tagewerk beginnt, um wenigstmöglich den ganzen Tag zu thun, da es schon wieder Abendwird, bis er sich zur Arbeit entschlossen hat!Correspondenzen.Wien, 19. Juni. Der„Vorwärts" erfreut sich einer sehrliebevollen Aufmerksamkeit seitens der löblichen österreichischenBehörden, welche von Zeit zu Zeit sich bemühen, ihn auch insolchen Kreisen bekannt zu machen, die bisher von seinem Be-stände nichts ahnten. Anlaß zu dem letzten Einschreiten„unseresTessendorff" gegen den„Vorwärts" gab eine Correspondenz ausWien, welche die Vergehen nach Z 300 und§ 302 des Strafgesetzes enthalten soll. Diese Paragraphen sind die berüchtigtenund genugsam gebrandmarkten Haß- und Verachtungsparagraphen.§ 300 beschäftigt sich mit Herabwürdigung der Behörden resp.Aufreizung zum Hasse, zur Verachtung oder grundlosen Beschwerdcsührung gegen Staats- oder Gemeindebehörden odergegen einzelne Organe der Regierung, gegen Zeugen und Sach-verständige vor: Gericht, bewirkt durch Schmähungen, Verspottungcn, unwahre Angaben und Entstellungen. Der Ruchlose,der eine dieser Schandthaten begeht, macht sich des Vergehensder Aufwiegelung schuldig und wird mit 1—6 monatlichem Kerkerbestraft. Nicht besser geht's dem, der sich gegen§ 302 ver-sündigt. Dieser Paragraph behandelt die Aufreizung, Aneifcruugund Verleitung zu Feindseligkeiten wider die verschiedenenNationalitäten, Religions- und anderen Gesellschaften, einzelneKlassen der bürgerlichen Gesellschaft zc. Mit Hilfe dieser Kaut-schuckparagraphen ist es natürlich möglich, eine jede Oppositionmundtodt zu machen. Selbst die Erzählung wahrer Thatsachen,auch in objektivster Form, wird nach diesem Paragraphen zum„Bergehen", sobald diese Thatsachen die Regierung oder dieherrschenden Klassen in ein schiefes Licht setzen. Die Behördenlassen sich daher ungenirt die gröbsten Ungesetzlichkeiten zuSchulden kommen, jeder Bericht über dieselben wird nach.Z.300des Str.-G. confiszirt. Es wäre ein blaues Wunder, wennGraf Lamezan und seine Collegen diese Paragraphen nichtweidlich ausbeuteten. Abgesehen von den schamlosen Confis-kationen der„Gleichheit" beginnt man jetzt auch wieder durchProzesse die Partei zu verfolgen. Genosse Dnnn stätter sitztin Untersuchungshaft, weil er in einer öffentlichen Versammlungerklärt haben soll, er erkenne die Verfassung nicht an. UnsereVerfassung ist ein solches Unding, ein so systemloses zusammen-geläppertes Gebäude aus Altem und Neuem, Gutem und Schlechtem,voller Confusion, Widersprüche und voll Ungerechtigkeit gegen dieBesitzlosen, daß keine Opposition diese Verfassung anerkennendarf'und kann, da sie nur zu dem Zwecke fabrizirt wurde, jedeOpposition unmöglich zu machen. Keine der oppositionellen Parteien erkennt die Verfassung an, oft genug wurde das aus-gesprochen— aber eingesperrt werden nur die Arbeiter, welcheso reden. Natürlich, die Pfäffleins und Gräfleins, welche derVerfassung ein Schnippchen schlagen, die sind unantastbar twären, wie sie— wörtlich!— der Buchhändler nur versiegelt zu ver-schicken pflege! Seitdem fürchte ich die Reporter. Seien Sie überzeugt,ich ging anfangs ernstlich mit dem Gedanken um, Journalisten zumeinen Soireen hinzuzuziehen, aber Hans Blum hat mir das verleidet. Früher las ich die„Grenzboten". Seit Herr Blum sie redigirt, habe ich sie abgeschafft. Ich habe immer Angst, es könnte malein Artikel darin stehen, wie der von 1869 in der„Gartenlaube". Ichtraue dem Blum Alles zu... Jetzt haben wir die Bescheerung..— Auf den Inhalt des Artikels ging der Kanzler nicht ein, obwohlich noch wiederholt davon anfing...—„Seht mich an! Ich bin der Bismarck."„ER" ist wiederin Kissingen— trotz Kullmann-Reminiszenzen— und die Anekdotenfabrikanlen haben wieder zu thun. Das Neueste(bis auf Weiteres)liest sich also:„Auf einer Promenade, die der Fürst Bismarck gewöhnlich des Nachmittags in das sogenannte Moswäldchen macht, begegnetenihm am Sonntag, den 3. d., zwei Landmädchen, deren cigenthümlicheTracht und Flügelhüte ihm auffielen.„Ihr seid wohl nicht aus Kissingen", fragte der Fürst.„Ich habe solche Tracht und solche Hütehier noch nicht gesehen."„O nein!" antworteten Jene.„Wir sindaus dem Grabenfelder Gau. Wir sind mit dem Bergnügungszuge, deraus Meiningen gekommen ist, herübergefahren und möchten gern denBismarck sehen."„Dann braucht Ihr nicht weit zu gehen," sagte derFürst lachend,„seht mich an, ich bin der Bismarck." Ein Aus-ruf des Erstaunens entfuhr den Lippen der beiden Mädchen.„Ihrseid also der Herr Bismarck?" sagte die Eine schüchtern.„Ja, derbin ich," bestätigte der Fürst.„Nun könnt Ihr zu Hause er.zählen, daß Ihr den Bismarck gesehen habt. Reist mit Gottund grüßt mir den ganzen Grabfelder Gau.""Schade, daß ER den Mädchen kein Andenken mitgegeben hat. Nichteinmal ein Stück Hutfutter!— Zu Tode gearbeitet. Am 11. Juni erhielt auf der Ringoscn-Ziegelei bei Bochum ein trotz der glühenden Hitze arbeitenderZiegelbrenner einen Sonnenstich und fiel um. Als man nun denselbenm's Krankenhaus bringen wollte, verschied er schon auf dem Wegedorthin.Notiz. Durch ein Versehen ist ein Theil der Zwischenbemerkungen zu dem letzten Feuilleton-Artikel statt an der durch Ziffer:bezeichneten Stelle im Text an den Schluß des Artikels gesetzt wor-den, wodurch ihre Wirksamkeit natürlich stark beeinträchtigt wird.