über denselben gefällten Urtheile noch härter lauten, als die- jenigen der sozialdemokratischen Presse. Mit der abgestan- denen Redensart, daß Jedermann das Recht habe, sich durch Fleiß und Intelligenz aus der besitzlosen in die besitzende Klasse hinauf zu arbeiten, hat man das Ver- langen nach Besserung der Lage der besitzlosen Klasse, mit Anpreisungen der Hirsch-Duncfer'schen Gewerkvereine den Ruf nachOrganisation der Arbeit" beantworten zu können gemeint und in einer zu drei Viertheilen vonBourgeois" zu- sammengesetzten, noch nicht hundertkvpfigen Versammlung hoch- tönende Resolutionen über die Aussichtslosigkeit einer Bewegung gefaßt, deren Führer und Agitatoren allein nach Tausenden zählen. Unternehmungen solcher Art sind einfach als Ausge- burten absoluter Unbekanntschaft mit dem Wesen des Sozialismus oder(um es kurz zu sagen) der Unwissenheit anzusehen und leisten der sozialdemokratischen Agitation größeren Vorschub, als Dutzende langweiliger Arbeitermeetings und bis zum Ueberdruß vernommener Berufsredner. An einen Wandel wird erst zu denken sein, wenn Diejenigen, die gegen den Sozialismus vorgehen, denselben mindestens so genau kennen gelernt haben, wie die Hasenclever, Bebel nnd Liebknecht die alte Gesellschaft kennen. Wo es sich nur darum handelt, ob vorgeschrittene Demokraten oder Sozialisten die Wähler- schaften der großen Städte repräsentiren, werden die letzteren regelmäßig die Chancen des Sieges für sich haben, weil sie die consequenteren sind." Diesen Ausführungen wollen wir nur hinzufügen, daß der Hamburgische Correspondent" schon damals, als er noch die ekelhaften, von Unwissenheit strotzenden Berliner W-Corre- spondenzen(Waldow) mit Behagen aufnahm, begreifen mußte, daß man mit solchen Waffen keinen Gegner bekämpfen darf. Im Uebrigen freut es uns, daß derHamburgische Correspondent". sonst ein sehr anständiges und geachtetes Blatt, obiges Urtheil fällt.- In Bezug auf die Beschrankung der Wucherfrei- heit, nach welcher jetzt vielfach verlangt wird, macht Dr. Perrot in derDresdener Correspondenz" den Vorschlag, zuerst mit der Beschränkung des Börsenwuchers, des Agiotagen- und Divi- dendenwuchers zu beginnen. Er erkenne die verheerenden Wir- kungen des kleinen Wuchers in Stadt und Land allerdings an, wie er von Schacherern, wucherischen Vieh- und Produkten- Händlern, den Pfandlei- und Ruckkaufsgeschäften betrieben wird, er meint dann aber:Dies ist immer nur erst der kleine Wucher. Schlimmer noch, als dieser kleine Wucher, ist der große, welcher an Börsen und in unseren Bankschaften vor sich geht. Was ist dieAgiotage" Anderes, als ein im größten Maßstabe betrie- bener Courswucher? Wird von den Akliengesellschafteu nicht ein gefährlicher Dividendenwucher betrieben? Schildert nicht Strouß- berg selbst, der es doch wissen muß, das ganze moderne Bank- geschäft als hauptsächlich vom Wucher lebend? Hat doch eines der ersten Berliner Bankhäuser dem Herrn Stroußberg, wie dieser selbst erzählt, 20 Prozent monatlich abgenommen?" Da- zu bemerkt derReichsbote":Wir haben neulich, als wir die Wucherfreiheit ausführlicher besprachen, schon hervorgehoben, daß man durch Wuchergesetze freilich den Wucher eben so wenig ganz aus der Welt schaffen wird, als durch andere Gesetze den Dieb- stahl, den Mord oder irgend ein anderes Vergehen und Ver- brechen.*) Aber der Wucher muß durch Gesetze eben so verboten und strafbar sein, wie jedes andere Vergehen und Verbrechen, das erfordert die Gerechtigkeit, die sittliche Wcltordnung und das sittliche Bewußtsein des Volkes. Es wird sich dann zeigen, daß, wenn auch nicht aller, so doch sehr viel Wucher verhindert werden kann das Volk hat dann doch einen Schutz gegen die raffinirte Spitzbüberei der zudringlichen Schacherer, deren List der gemeine Mann oft beim besten Willen und bei größter Vor- ficht nicht entgehen kann, und der Richter wird dann nicht ge- nöthigt, dem Buchstaben des Gesetzes nach Urtheile zu sprechen, gegen die sich sein eigenes Gewissen empört, in welchen er den Wucherern Recht geben muß gegenüber ihren armen, ausgeplün- derten, und vielleicht um Haus und Hof gebrachten Opfern. Sagt man. die Wuchergcsetze seien störend für den Handel, so ist zu entgegnen: für den redlichen Handel sind sie es nicht, und es wäre gut, wenn endlich die Schacherer aufhören müßten, Handels- und Kaufleute zu heißen. Schließlich ist aber der Mensch nicht des Handels wegen da, und das Volk nicht als melkende Kuh für die Händler zu betrachten." Ueber derartige Auslassungen freuen wir uns; zeigen sie *) Bismarck und Tessendorff sind bekanntlich anderer Meinung. Majestätsbeleidigungsprozch gegen Dr. Guido Weijz. Die 2. Abtheilung des Kriminalsenats des Kammergerichts (Borsitzender Kammergerichtsrath Steinhausen) in Berlin ver- handelte heute in der Appellationsinstanz den bekannten Majestäts- Beleidigungsprozeß gegen den Schriftsteller Dr. Guido Weiß, einen Prozeß, der durch die dabei in Betracht gekommenen poli- tischen Gesichtspunkte und durch die Art und Weise seiner Ab- urtheilung, welch letztere die gefahrdrohendsten Konsequenzen für die gesammte deutsche Presse, ja sogar für jede reinwissenschast- liche oder geschichtliche Kritik in sich birgt, das weitgehendste Interesse für sich in Anspruch nehmen dürfte. Der That- bestand ist in Kürze folgender. Die Nr. 43 der vom Angeklagten herausgegebenenWaage " vom 5. November 1876 enthielt einen Der Waffenstillstand" betitelten Aufsatz, worin unter Darstellung des serbisch - türkischen Konflikts das russische Jntriguenspiel hierbei beleuchtet wird. Während Rußland dem Sultan Friedens- und Freundschaftsversicherungen heuchele, stachele es anderseits dessen Unterthanen notorisch zur Empörung an. Dieses frivole Doppel- spiel finde allem Völkerrecht zum Trotz, zur Verhöhnung von Treu und Glauben unter der Aegide des Drei- Kaiserbundes, dieser großartigsten Offenbarung des 19. Jahrhunderts, statt. Zu seiner Ehre mußte man annehmen, daß dieser Drei-Kaiser- bund wirklich nicht existtrt:c. Der erste Richter das hiesige Stadtgericht(Deputation Reich) erachtete in diesen Aeußerun- gen eine Beleidigung des qu. Bundes und sonach auch unseres Kaisers, als eines Mitglieds des Bundes, für vorliegend und erkannte deswegen gegen den Angeklagten auf 3 Monate Festungs- Haft. Hiergegen führte Rechtsanwalt Frosch als Vertheidiger des appellirenden Angeklagten im heutigen Audienztermin vor dem Kammergericht aus, daß das qu. Bündniß schon um des- willen gar nicht beleidigt werden könne, weil es einfach über- Haupt nie existtrt habe. Der beste Beweis dafür seien die Worte des Fürsten Reichskanzlers, die er an die von Herrn Kochhann geführte Deputation des Magistrats richtete, welche ihm unmittel- bar nach der Drei-Kaiserzusammenkunft den Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin überbrachte.Meine Herren", so äußerte sich damals der Kanzler,alle Welt sagt bezüglich der Drei Kaiser- Zusammenkunft, daß ein Bündniß oder gar ein Schutz- und Trutz- bündniß Zwischen Preußen, Oesterreich und Rußland abgeschloffen dochIso recht, daß die liberale Bolkswirthschaft in den weitesten Kreisen Verdammung findet. Aber Erfolg von Agitationen gegen die Wucherfreiheit kann man sich nicht versprechen. Läuft doch das ganze wirthschaftliche Getriebe der heutigen Gesellschaft auf Wucher hinaus! Uebrigens wird das vom Wucher gekrönte Ge- bäude schon sehr wacklich und keine 3 Generationen mehr überdauern. Dr. Dühring hat von Berliner Studenten eine Adresse erhalten, in welcher es heißt: Es hat sich das Gerücht eines gegen Ihre Lehrthättgkeit gerichteten Vorgehens der philosophischen Fakultät hiesiger Uni- versität verbreitet. Hierdurch sehen sich die Unterzeichneten ver- anlaßt, zu erklären, daß sie sich wohl bewußt sind, welche Ach- tung sie einem Manne schulden, der, fern von allen eigennützigen Absichten, unter den schwierigsten Verhältnissen stets muthig seine Meinung geäußert und vertheidigt hat und im Kampfe für das, was er für richtig halten mußte, auch vor keinem Hindernisse zurückschreckte. Es möge dies beweisen, daß auch unter der hie- sigen Studentenschaft Gefühl für Gerechtigkeit und Freiheit vor- banden ist und Achtung vor jeder auf innerster Uebemeuqunq gegründeten Meinung." Aus höherenKreisen. GrafLeoFerd. Lamezan Dr. jur. und Bruder des Wiener Staatsanwaltes und bekannten Sozia- listenfressers gleichen Namens wurde wegen Bettelns und Trunk» sucht aus Bukarest ausgewiesen und über die Grenze geschafft. Derselbe machte vergangene Woche mittelst Zwangspasses die unfreiwillige Reise nach Wien und zwar in sehr heabgekommenem Zustande. Hoffentlich wird der Herr Staatsanwalt Graf La- mezan künftighin nicht mehr die sozialistischen Agitatoren für Vagabunden und die Sozialdemokraten für arbeitsscheue Men- sehen erklären, weil er in der Furcht leben wird, daß man ihm feinen verbummelten und versoffenen Bruder Graf Leo Ferdi- uand Lamezan entgegenhalten könnte. Wie uns ferner mit- getheilt wurde, ist vor einiger Zeit in Stettin ein Weinhändler Namens Tessendorff wegen Weinfälschung zu 6 Wochen Ge- fängniß vernrtheilt worden ob der Herr ein Verwandter des bekannten Sozialistenverfolgers in Berlin ist, konnten wir nicht erfahren. Verhaftung eines russischen Agenten. Vor einigen Tagen reiste der russische General und Departementschef des Mini- steriums des Innern, Baron von Osten- Sacken, mit einem großen Koffer voll Rubel in Galizien umher, um die slavifche Bewegung anzufachen. Er wurde aber von den österreichischen Behörden ertappt und eingesteckt. Zuerst hieß es, daß der Grund seiner Verhaftung in sozialistischen Umtrieben zu suchen fei. Es ist wohl möglich, daß dieser saubere russische Agent der Lemberger Jugend allerlei Versprechungen in Bezug auf Frei- heit und Volkswohl gemacht hat, wenn sich die Galizier der panslavistischcn Bewegung anschlössen. Daß sich am Ende auch noch einige Arglose haben fangen lassen, welche die russische Knute für Volkswohl ansahen, ist auch wohl möglich. Gut war's, daß die österreichische Regierung hinter diese Schliche kam. Um den Eclat zu vermeiden, wurde der russische General und De- partementschef nach zweitägiger Haft in Folge einer von Wien angelangten Weisung am 23. Juni wieder entlassen. Daß solche Agenten mit dem Rubelsack auch in Deutschland umHerreisen und die Presse zu rubilisiren suchen, ist bekannt; auch sollen dieselben sich an die in Deutschland studirenden Polen , Russen, Czechen und Ungarn heranmachen, theils um zu spioniren, theils um die slavische Jugend für Rußland zu fanatisiren. Den zweiten September hat Mac Mahon als Wahl- tag für die Wahlen zur Nationalversammlung bestimmt. Der Jahrestag der Schlacht bei Sedan , in welcher Mac Mahon fo glücklich und rechtzeitig verwundet wurde, so daß nicht er, fondern ein ganz Unschuldiger, der Tags zuvor aus Algier an- gelangte General Wimpfen, die Folgen der Schlacht zu tragen hatte, flößt dem Herrn Präsidenten wohl großen Muth für seine gute" Sache, für die Sache derOrdnung" ein. Uns kümmern die Wahlen nicht viel ob Mac Mahon , Thiers oder Gambetta oder Lulu Staatsoberhaupt wird, kann uns gleichgiltig sein die ersten Drei haben sich in Bürgerblut gebadet und der Letztere trägt einen zu bezeichnenden Namen, um vor solchem Bade zu- rückzuschrecken. Bei dieser Gelegenheit wollen wir eines de- Voten Briefes erwähnen, den Mac Mahon , der von Thiers designirte Äesieger der Commune, nach dem Einzüge der Ver- sailler Truppen in Paris 1871 an Letzteren geschrieben hat. sei. Nun ist aber Eines so falsch, wie das Andere. Ich bitte, meine Herren, sagen Sie allen, die es hören wollen: von einem Bündniß kann gar nicht die Rede sein; die Bedeutung der Entrevue liegt einzig darin, daß es gelang, die drei Monarchen zusammenzubringen; das bedeutet gutes Einvernehmen, freund- fchastliche Beziehungen, wohlwollendes Entgegenkommen, aber weiter nichts, sie verpflichten sich untereinander zu nichts, sie binden sich nicht, sie haben nur den Wunsch, Europa womöglich den Frieden zu erhalten und das ist viel Werth. Die Erreichung des letztgedachten Zieles Erhaltung des Friedens soll durch gemeinsame Besprechungen von Fall zu Fall erfolgen." Hiernach sei die Annahme der Notorität des Dreikaiserbündnisses nichtig. Inwieweit die russische Diplomatie durch den Artikel beleidigt sei, komme hier nicht in Betracht, sondern lediglich, ob der Kaiser durch die Worte: das frivole russische Doppelspiel geschehe unter der Aegide des Dreikaiserbundes beleidigt sei. Eine direkte Beleidigung habe selbst der erste Richter nicht angenom- men, aber auch eine indirekte liege nicht vor, da man unter dem Ausdruckunter der Aegide" doch nur verstehen könne, daß das Drei-Kaiserbündniß russischerseits als Deckmantel für Jnttiguen benutzt werde. Keinesfalls aber könne man dem Angeklagten den Dolus für die Beleidigung oder nur das Bewußtsein, daß er objektiv eine solche begangen, imputiren. Das wäre wohl zur Zeit der heiligen Allianz möglich gewesen, wo drei absolute Monarchen aus eigener Entschließung einen Bertrag schlössen, aber nicht jetzt, in der Zeit des konstitutionellen Regiments und der verantwortlichen Ministerien bei Besprechung eines angeblichen Bundes, dessen Existenz nicht nur vom Reichskanzler Fürsten Bismarck, sondern auch in Oesterreich von den doch jedenfalls auch genügend informirten leitenden Ministern, so namentlich von Andrassy und neuerdings von Tisza bei Gelegenheit zahlreicher Interpellationen aufs Entschiedenste geleugnet worden sei. Der Vertheidiger schloß mit dem Antrage auf Freisprechung eventuell nochmalige Vernehmung des Fürsten Bismarck und des Herrn Kochhann, und hob namentlich noch hervor, daß derfelbe Artikel, welchen dieDeutsche Volkszeituna" in Hannover derWage " entnommen, auch dort zu einer Anklage Veranlassung gegeben, daß aber das Obergericht in Hannover , welches lediglich eine wissenschaftliche erlaubte Krittk darin fand, auf Freisprechung erkannt habe. Dem gegenüber hielt die Oberstaatsanwaltschaft (Staatsanwalt Groschuff) die Anklage aufrecht, einerseits aner- Derselbe lautet: Herr Präsident! Ich habe die Ehre, in Ihre Hände meinen Schwur der Dankbarkeit und Treue abzulegen. Ich war besiegt, gefangen, gedemüthigt. Sie gaben mir mit meiner Ehre meine mili-i tärische Carriere wieder. Sie legten mir einen neuen Degen um und gestatteten mir, an der Spitze einer Armee in die Hauptstadt meines Landes zurückzukehren. Das sind Dienste, die man sein Lebtag durch Ergebenheit nicht hinlänglich zahlen kann. Marschall von Mac Mahon , Herzog von Magenta." Eine nette Gesellschaft das! Wie sie vor der Macht kriechen und wenn sie die Macht selbst haben, wie brutal sie dann auf- treten! Es ist übrigens sehr gut, daßeiner dieser L.......... von dem andern abgethan" wird. Idiot" undFeigling" so soll Herr Bonnet« Duverdier, Borsitzender des Munizipalraths von Paris , den be- rüchttgten Marschall Mac Mahon genannt haben. Er erhielt deshalb 15 Monate Gefängniß dadurch ist übrigens die Wahrheit jener Worte nicht widerlegt worden. In Betreff der Aussperrung der Schiffsbau -! Arbeiter am Clyde (Schottland ) scheinen unsere Befürchtungen nicht grundlos gewesen zu sein. Die Nachrichten, welche die! Jndustrial Review" vom 23. Juni bringt, lauten den Arbeitern nicht günstig und lassen kaum mehr auf einen Sieg hoffen; jedenfalls nicht auf einen vollständigen. Der Strike der! Kohlengräber in West-Lancashire, die sich einer Lohn reduktion von 10 pCt. widersetzen, ist insofern in ein neues Stadium getreten, als die Grubenbesitzer das von den Arbeitern! vorgeschlagene Schiedsgericht abgelehnt haben. Diese neue Be- thätigung der Harmonielehre hat indeß die Arbeiter nicht ver- hindert, den Vorschlag zu widerholen. Wird er abermals von den Grubenbesitzern abgelehnt, so steht ein fehr hartnäckiger Kon-j flikt bevor, weil die Strikenden, die selber gut organifirt sind,! von den übrigen Gewerkschaften Unterstützung erhalten werden.; DieJndustrial Review" enthält bereits einen dahinzielenden Auftuf. Auch unter den Kohlengräbern von Südwales , deren gewaltige Kämpfe in frischem Gedächtniß sind, gährt es wieder heftig: die Grubenbesitzer haben den mit ihrenHänden" vereinbarten Tarif-Vertrag gebrochen, und die Arbeiter, welche sich dem Nimmersatten, die gegenwärtige Krisis mit grausamer Rücksichtslosigkeit ausbeutenden Kapital nicht auf Gnade oder Ungnade überliefern wollen, sind zum Aeußersten entschlossen. Noch werden Versuche gemacht, einen friedlichen Ausgleich zu erwirken, allein sie find ziemlich aussichtslos. Der Dutzenoe kleinere Strikes, die außerdem im Gang sind oder bevorstehen, erwähnen wir hier nicht. Genug, der Klassengegenfatz tritt iu England immer schärfer hervor, die Geschüftskrisis hat die breite Kluft zwischen Arbeitern und Arbeitgebern erweitert und mehr und mehr bricht sich unter den Arbeitern die Erkenntniß Bahn, daß nur eine radikale Reform des herrschenden Produktions' systems helfen kann. Der Donauübergang ist von den Russen erzwungen, zwar nur in die unwegsame Dobrutscha, doch hätten die Türken sich auch dort besser wehren müssen. Die Verlängerung der strategischen Donaulinie ist übrigens der sogenannte Trajans- wall mit den beiden Endfestungen Kustendsche und Tscherna- woda, und nicht derjenige Theil der Donau , welcher nach Norden scharf abbiegt, bei Hirsowa und Matschin vorbeifließt und die Nordwestgrenze der Dobrutscha bildet und von den Russen über- schritten ist. Diesen Uebergang für einen besonderen Triumpf der russischen Waffen auszusprengen, ist also mindestens verfrüht. In Asien sind die Türken entschieden im Vortheil; in zwei größeren Gefechten sind die Russen zurückgeworfen worden. Der Aufstand der Bergvölker im Kaukasus nimmt immer größere Dimensionen an. so daß den seitherigen Erfolgen der russischeil Waffen völlig die Spitze geboten zu sein scheint. Montenegro ist durch Suleiman Pascha , einem talentvollen General, fast voll- ständig niedergeworfen worden, so daß sich bald der Haupttheil der Armee Suleiman Pascha's gegen die Russen wenden kann. Oesterreich macht zwei Armeekorps mobil; gegen wen? Das weiß das österreichische Kriegsministerium selbst wohl noch nicht._____ Aus Wien . Am 22. Juni wurde Parteigenosse Rein- thal vom Schwurgericht zu sechs Monaten strengen Arrestes verurtheilt. kennend, daß allerdings, wenn man eine Beleidigung des Drei Kaiserbündnisses annehmen wolle, die Existenz desselben nachge- wiesen werden müßte, andererseits aber darauf hinweisend, daß doch Fürst Bismarck selbst anerkannt habe, daß sich die drei Kaiser über die Lösung politischer Fragen geeinigt hätten; aller- dings sei ein Zurücktreten gestattet gewesen, allein fo lange dies nicht geschehen, existtrte die Bereinigung. Wenn deren Existenz nun anerkannt werden müsse, so müsse auch anerkannt werden, daß sie beleidigt werden könne. Dies sei hier geschehen, und der Artikel beleidige, obwohl seine Spitze gegen Rußland gerichtet sei, die drei Kaiser, als Mitglieder jener Vereinigung. Der fernere offenbar Spott und Hohn enthaltende Passus,Das Drei-Kaiserbündniß sei die großarttgste Offenbarung des Jahr- Hunderts" vervollständige den Charakter der Beleidigung. Es rechtferttge sich deshalb Bestätigung der ersten Sentenz. Hieraus führte Dr. Guido Weiß noch selbst Folgendes aus: Er hätte nie an das Bündniß geglaubt, sondern nur gewünscht, daß de? Offiziösen, die stets mit jenem Bündniß paradirten, auf die Finge? geklopft würde. So lange diese das Bündniß betonten, so lange müßte man Oesterreich und das deutsche Reich dafür verantwort- lich machen. Ferner, wenn man vonRegierung" spreche, st könne in einem konstituttonellen Staate darunter nur das Mini fterium verstanden werden. Selbst der Kaiser sage bei Kund- gebung von RegierungsaktenMein Ministerium wird das ode? das thun". Nun stehe fest, daß der Kaiser auch in der auswär - tigen Politik an das Ministerium gebunden sei. Fürst Bismaro habe dies selbst oft anerkannt. Wohin solle es kommen, wen? sich der Begriff der indirekten Majestätsbeleidigung einschliche? Man könne dann bei Gelegenheit der Kritik der alltäglichste? Thatsache, wenn es z. B. heißt: Sr. Majestät haben geruht, de? und den zi' ernennen, zu versetzen ec. das Gespenst der Ma;estäts- beleidigung hinter sich auftauchen sehen. Wenn solche Gesichts punkte, wie sie die Anklage entwickele, maßgebend werden sollte?' fo bedürfe es keines Beweises, daß dann für die gesammte Prcssi und wissenschaftliche und historische Forschung die Umnöglichke» einer Kritik gegeben sei. In diesem Sinne hätte sich auch ei? berühmter Jurist und Staatsrechtslehrer zu Heidelberg in de? Augsburger Allg. Ztg." ausgesprochen. Redner erinnen fchließlich ebenfalls an dieheilige Allianz ", die von den größte" Geschichtsschreibern straflos angeqriffen wurde, trotz des Pietäts Paragraphen und bittet um Freifprechung. Der Gerichtshof??'!