Den Genossen zur Nachricht. Die Beschwerde-Commission ist folgendermaßen zusammen- gesetzt: Franz Holz, erster Borsitzender, Reinhold Friedrichs, zweiter Vorsitzender, W. Frick, erster Schriftführer, Conrad Holle, zweiter Schriftführer, S a Max Reißer,\ Wilhelm Röhling,/ Beisitzer. Max Kaschke, f Max Kaschk Alle an die Beschwerde-Commission gerichteten Briefe 2c. sind an die Adresse des ersten Schriftführers W. Frick, Bremen , Neuenstraße 45, zu richten. Mit sozialdemokratischem Gruß W. Frick. Wir erhalten folgende Zuschrift, der wir um so lieber Raum gewähren, da wir die Verdienste des Hrn. Glagau in Bezug auf Gründerentlarvung anerkennen.— Laster hat bekanntlich nur die Gründer in den conservativen Reihen ange- griffen, Glagau faßt sie, wo er sie vorfindet. Wir werden in nächster Nummer im Feuilleton einen interessanten Artikel Glagau's über„Volkswirthe und Gründer im Parlament" dringen. Die oben erwähnte Zuschrift lautet: „Geehrte Redaktion! Gestatten Sie mir, ein so eben durch die Zeitungen laufendes Referat über eine mich betreffende Gerichts- Verhandlung folgendermaßen richtig zu stellen, resp. zu ergänzen. Kaufmann Albert Meyer Hierselbst, in meinem Tuche:„Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin " als Mitbegründer der„Aktiengesellschaft für Möbeltransport" genannt, beantragte deshalb mich wegen„Verleumdung" zur Untersuchung zu ziehen, wurde von der Staatsanwaltschaft abgewiesen und strengte dann die Privatkage an. Ich trat den Beweis der Wahrheit an. aber der Jnjurienrichter des hiesigen Stadtgerichts lehnte denselben als unerheblich ab und verurtheilte mich zu 150 Mark Geld - büße eventuell 14 Tage Gefängniß. Der„Berliner Börsen- Courier" meldete damals, das Urtheil laute auf 1000 Mark, und andere Blätter hatten die Freundlichkeit, mir mehrere Wochen Haft unter Ausschluß der Geldbuße zuzuerkennen. Ich stellte nun gegen Meyer den Strafantrag wegen wissentlich falscher Denunciation, und in der Appellationsinstanz wurde durch Vorlegung der Untersuchungsakten erwiesen, daß Meyer thatsächlich Mitgründer der obengenannten Gesellschaft ist und daß ich von ihm nur geschrieben habe, was aktenmäßig ist. Trotzdem fand das hiesige Kammergericht wegen gewisser, ganz allgemeiner Bemerkungen über den Charakter und die Manipu- lationen der Gründer mich der Beleidigung schuldig und verur- theilte mich zu 30 Mark Geldbuße eventuell 3 Tagen Hast. Wenn etliche Zeitungen, darunter wieder der„Börsen-Courier", berichten, ich habe meine Kritik der Gründungen als eine„hu- moristische"(!!) zu entschuldigen versucht, so beruht dies auf einem„humoristischen" Miß- oder eigentlich Richtverständ- niß meiner Ausführungen. Selbstverständlich werde ich gegen die, wie mir scheint, hochbefremdliche und auch wohl schwerlich aufrecht zu erhaltende Entscheidung des Kammergerichts die Nich- tigkeitsbeschwerde einlegen. Es ist dies übrigens meine zweite Berurtheilung wegen formeller Beleidigung der Gründer; eine thatsächliche Unrichtigkeit dagegen hat mir noch nicht nachge- wiesen werden können. Wie die Staatsanwaltschaft mir mit- theilt, ruht das Strafverfahren wegen wissentlich falscher De- nunciation gegen Albert Meyer bis zum rechtskräftigen Abschluß des gegenwärtigen Jnjurienprozesses. Berlin , 21. Juni 1877. Otto Glagau ." Aus Ostprentzen. Nachdem ich das neue deutsche Reich bereist habe, ergriff mich das Verlangen, den ersten Ansatz desselben, die erste Zelle in unserem heutigen germanischen Staatengewebe etwas genauer zu analysiren, seine kleineren Theile genauer kennen zu lernen. Ich hatte stets für diese Geburtsstätte unseres Preußcn-Deutschlands gar besondere Neigungen, ohne mir erklären zu können, was diese Neigungen in mir hervorgerufen hat. Ich weiß nicht, ob die Marienburger Ritterburg oder die alte Krönungsstättc der Hohenzollern mich so mächtig anzog; bin ich doch weder dem Christenthum noch dem Cäsarenthume mit besonderer Liebe zu- gethan. Aber merkwürdig ist es, daß weder die Stätte, wo unsere Ritterorden uns die heilige Religion und sich die aller- erdenklichsten Erdengüter erkämpft haben, noch die Stätte, wo s Friedrich Wilhelm l. seine besondere Wirksamkeit entfaltete, irgend ; welche Spuren geistiger Gewecktheit aufzuweisen hat. Die Volks- bildung der Marienburger und Braunsburger Umgegend liegt sehr darnieder. Der einseitige Erziehungsmodus der Schule und der ultramontane Geist der Presse machen das Aufkeimen eines freien Gedankens zur Unmöglichkeit; denn was sich aus der Ge- walt des Ersteren befreit hat wird von Letzterem schonungslos niedergerissen. Es thut einem wahrhaft das Herz weh beim An- blicke dieser guten arbeitsamen ermländischen Bevölkerung. Es kennt nichts anderes als den Pflug und das Gesang- oder Gebet- büchlein, Schenke und Kirche. Von einem selbstständigen Denken, von einem Auffassen der eigenen unverschuldeten und unerträg- lichen Lage kann keine Rede sein, und so lebt man nur in den Tag hinein. Aber auch mit den„lithauischen Kindern", die dem „Vater Lithauens", Friedrich Wilhelm I. , dem Gründer der ! straffen Ordnung des Heeres und der Finanzen in Preußen, vor dem Regierungsgebäude in Gumbinnen ein Denkmal errichteten, auch mit ihnen stehts nicht besser als mit ihren erwähnten Nach- baren. Altpreußcn, Masurien und Lithauen find mit ihrer Ent- Wickelung einige Dezennien zurückgeblieben. Von Natur und Klima nur auf den Ackerbau angewiesen, steht die einheimische Industrie auf einem sehr niedrigen Entwickelungsstadium, keine bedeutenden Fabriken und infolgedessen keine Ansammlung von Arbeitern auf bestimmten Plätzen, die Bevölkerung ist auf dem Lande und in den Provinzialstädten vertheilt und zerstreut; die Schulen sind selten, die vorhandenen mit wenigen Kräften ver- sehen, denn die Gemeinden find arm, und die Regierung braucht das Geld für nützlichere Zwecke als da sind Volksbildung und Jugenderziehung. In dem ganzen ostpreußischen Gebiete machen nur zwei Städte, Königsberg und Memel , in Bezug auf die Concentration der Arbeiterbevölkerung eine glückliche Ausnahme. Erstere unweit der Pregelmündung in dem„frischen Haff", letztere unweit des Zusammenflusses des„kurischen Haff" mit der Ostsee , dazu die Nähe Polens , der Kornkammer des russischen Reiches, sind die größten Handelsstädte der Provinz. Die kaufmännische Bevöl- l kerung lebt zu jeder Zeit in guten Verhältnissen. Bald ist dieser i bald jener Geschäftszweig in blühendem Zustande. Wie von einem Jnsektenschwarm wird er von jenen belagert und bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt. Der kleinere Beamten- und Handwerkerstand, soweit letzterer aus selbstständigen Meistern besteht, ist schon mehr den Wechselfällen der Zeitumstände aus- gesetzt. Aber trotzdem pocht man noch auf die eigene Selbst- ständigkeit, koquetirt mit der Bourgeoisie, und scheint auf den Namen„Preuße" sehr stolz zu sein. Bon einem Auffassen des politischen und sozialen Elends, selbst von einem ernsten Nach- denken über dasselbe kann keine Rede sein, geschweige denn von einem Nachdenken über die Mittel zur Beseitigung des- selben. Der Königsberger Bourgeois hat höchstens den Muth, hinterm Ofen seinen Unmuth über die Wirthschaft seiner Stadtväter auszusprechen, sich über seine schlechte Kanalisationseinrichtung bei seiner� Frau zu beklagen: denn in der That mußte er für jeden Schluck reinen Wassers sein sauer und mühsam erworbenes Geld im Borans abgeben. Dafür hat er aber das Recht auf dem Damm der„Neuen Dammgasse" die Kanalröhren massenhaft aufgespeichert zu sehen. Auf die Nothwendigkeit von Äedürfniß-Anstalten in den belebtesten Een- tren der Stadt sind die Stadtväter erst jetzt gekommen, denn seit ein paar Wochen wird an deren Herstellung gearbeitet. Solche Dinge werden von einem jeden empfunden, mag er die Neigung haben, seine Vorgesetzten zu kritisiren oder nicht. Sie werden empfunden, obwohl die servile Presse, und eine andere giebt es leider da nicht, sich die größte Mühe giebt, die Sachen einfach todtzuschweigcn. Der unselbständige Handwerkerstand und die sogenannten Tagelöhner, die haben, Dank der Jugenderziehung Ostpreußens , auch dazu nicht den Muth, ja vielleicht gar nicht die nöthige Erkenntniß der Mißwirthschaft. Diese sind größten- theils vom Lande und den Provinzialstädten nach den Haupt- und Handelsstädten herübergekommen, um ihre Arbeitskraft schneller verkaufen zu können. Der Lohn ist im Allgemeinen sehr karg abgemessen, dazu noch die Unbeständigkeit der Arbeit. Daß die Sachen anders werden müssen und auch anders werden können, wenn das Volk nur den nöthigen Willen dazu haben wird mit eigener Hand seine Lage zu verbessern— auf diesen Gedanken können die lange Unterdrückten selber nicht kommen. Hätten wir hier nur mehr Männer, die das Eoan- gelium des Sozialismus zu verkünden im Stande und gewillt wären. Aus den untersten Schichten haben bis jetzt nur Wenige sich irgendwie hervorgethan. In manchen Köpfen der von den höheren Schichten stammenden Demokraten geht es noch bunt kannte hierauf nach längerer Berathung, dem Antrage und der Ausführung der Oberstaatsanwaltschaft gemäß, ebenfalls auf das erste Strafmaß von 3 Monaten Festungshaft. In den Mottven hieß es: Es könne dahin gestellt bleiben, ob ein Bündniß der drei Kaiser existirte, jedenfalls aber existirte eine Vereinigung zu politischen Zwecken; diese habe der Angeklagte und damit auch deren Mitglieder beleidigt. Demgegenüber erscheine das Straf- anaß von 3 Monaten nicht zu hoch. Eine„merkwürdige Geschichte". Nachfolgend« Feuilleton-Notiz wollten wir zuerst ohne weitere Be- .merkung zum Ergötzen unserer Leser bringen: — Berliner Spitzbubenhumor. In einer der letzten Nächte wurden, wie die„Tribüne" erzählt, in der Voßftraße von mehreren Häusern die Klopser, metallenen Knöpfe und sonstiger Zierrath an den Thorwegen gestohlen. Nachdem sich das allseitige Erstaunen der be- treffenden Hausbesitzer darüber gelegt hatte, erhielt Tags darauf ein davon ebenfalls betroffener Banquier ein Postpacket unftankirt mit etwa folgendem Anschreiben auf der Postpacket-Adresse:„Ich sende Ihnen anbei das Zeug wieder zurück, es ist ja ganz gemein und will mir Niemand dafür etwas geben. Seien Sie so gut und geben Sie den Änderen auch das Ihrige wieder. Eins aber möchte ich Ihnen sagen, daß Sie an Ihren Häusern, als der Finanz-Aristokratie gehörig, doch feinere und werthvollere Sachen an den Thorwege« haben könnten. Sollten Sie nicht wissen, wo Derartiges zu beziehen, so kann ich Ihnen die Firma des Klempnermeisters in der straße empfehlen. Mit drüdkrlichem Gruß und Kuß Ihr—"(folgt der Name eines sozial- demokratischen Abgeordneten.) Das Packet und die Postpacket- Adresse ist der Polizei übergeben worden. Als diese Notiz schon gesetzt war, erhielt Hasen clever nachfolgen- den Brief:'J „Berlin , 17. Juni 1877. Verehrter Herr! Nachdem vor ungefähr drei Tagen an verschiedenen Häusern der Vobstraße, darunter auch an unserem, die Thürknöpfe, Schilder des Vereins gegen Verarmung und Bettelei u. dgl. abgebrochen worden waren, erhallen wir heute Morgen eine an H. Lessing, Boßstraße 17, adressirte Eigarrenschachtel a.D., welche die abgebrochenen Sachen ent- hält. Dieselbe trägt auf ihrem Deckel die folgende schöne Bleistift- inschrist: „„Wählt Hasenclever! Nicht lachen und kein dummes Gesicht machen!"" durcheinander. Zu einer klaren Auffassung des Sozialismus sind sie auch noch nicht gekommen. Ueberhaupt fehlt hier das zün- dende Wort der Agitation, die freie unabhängige Presse, und das gesellige Zusammenkommen der Genossen. Durch eine„Königs- berger freie Presse", wie ich in Königsberg erfahren habe, soll einem der genannten Uebel abgeholfea werden. Welche Persön- lichkeit die Redaktion des Blattes übernehmen wird ist mir unbe- kannt, aber es wäre als ein Glück für den Sozialismus zu be- trachten, wenn der Redakteur die agitatorische und organisatorische Fähigkeit besitzen würde. Ja, wie es mir scheint, kann das Unter- nehmen, in K. ein sozialistisches Blatt zu gründen, nur dann gelingen, und für die Partei wie für die Provinz segensreich wirken, wenn das agitatorische Wort in der Versammlung dem Volke die Unentbehrlichkeit einer freien Volkspresse nachweist. Auf die inneren Kräfte ist nicht zu rechnen— das hat die Er- fahrung gelehrt, und welche Wirkungen die Vorträge von Bebel, Most, Rackow und Kräcker hervorbrachten, kann derjenige schätzen, welcher das Königsberg von vor einem Jahre mit dem heutigen vergleicht, und die große Minorität betrachtet, welche bei der Wahl für Herrn Bebel nach zwei Volksversammlungen gewonnen wurden. Der„Vorwärts", die„Neue Welt" und die„Berliner freie Presse" werden fleißig gelesen, aber einstweilen nur in Familien oder in der Conditorei des Herrn Kallman, in den übrigen Wirthslokalen hingegen sind unsere Blätter noch nicht zu finden. Diesem Uebel kann nur eine stetig anhaltende Agi tation abhelfen. Hauptsächlich muß die Agitation unter den selbstständigeren Kleinmeistern kräftig betrieben werden, sie dem Wahne, sie werden stets ihre Freiheit dem Kapital gegenüber behaupten können, und daß nur die jetzige Geschäftskrisis ihr äugen- blicklichcs Elend verschuldet hat, zu entreißen, denn nur dieser Stand giebt in hiesiger Gegend den Ausschlag. Daß ich mit diesen Worten nicht sagen will, daß auf den bereits abhängigen Arbeiterstand und die Tagelöhner weniger zu wirken sei, ist wohl selbstverständlich. Nur ist dort eine verstärkte und doppelte Au- ftrengung erforderlich, weil viele Vorurtheile zu überwinden sind, weil man den Leuten zuerst das Bewußtsein ihrer Ohnmacht dem Kapital gegenüber beibringen, sie aus dem hundertjährigen Schlafe erst auswecken muß, um ihnen die umsichgreifende Gefahr ihrer Existenz zu zeigen, während wir bei den eigentlichen Pro- letariern, Dank den Ausbeutern aller Art, diese Mühe ersparen. Hat ja die Königsberger Arbeiterschaft— wenn ich nicht irre war es vor zwei Jahren— eines Tages den Versuch gemacht, sich ihr Stückchen Brot zu erkämpfen. Daß diese Revolte dasselbe Ende nahm wie die zur selben Zeit in Königshütte in Ober- schlesien, nämlich die noch größere Unterdrückung des Proleta- riats ist bei den heutigen Zuständen ganz natürlich. Daß die Arbeiter Königsbergs wie die aus Königshütte die bösen Folgen ihrer That nicht voraussahen, kommt daher, weil sie keine Sozia- listen sind. Diesen Umstand sollte sich ganz besonders die Bour- geoispresse merken, die gewöhnt ist, jeden Straßentumult der Sozialdemokratie in die Schuhe zu schieben. Am Montag, den 18., gerade am selbigen Tage, wo unsere Berliner Genossen auf dem Wahl-Schlachtfclde muthig gekämpft haben, enthüllte die Königsberger Bourgeoisie ein Kriegerdenkmal, angeblich zum Andenken an die Söhne des Proletariats, die im Kriege gefallen sind, in Wahrheit aber dienen solche Kundgebungen nur zur Verherrlichung des Krieges. Ich glaube Ihren Lesern damit nicht viel zu nützen, wenn ich ihnen die Feierlichkeit schil- dern sollte und somit genüge diese kurze Notiz. R— z. Correspoudeuzen. Kamburg, 21. Juni. Durch die liberale Presse geht fot- gende Notiz:„Der durch den Arnim'schen Prozeß bekannt ge- wordene Rechtsanwalt Munckel aus Berlin sungirte gestern vor dem hiesigen Strafgericht als Vertheidiger des Sohnes des verstorbenen Besitzers der„Reform", Eugen Richter . Es han- delte sich wieder einmal um einen Jnjurienprozeß seines Schwa- gers Dr. Banks, der jetzt Besitzer des genannten Blattes ist, wie um eine Anklage gegen die hiesige„Tribüne", welche eine beleidigende Annonce gegen Banks aufgenommen hatte. Die Sache kam jedoch nicht zur vollständigen Verhandlung, da die nach Berlin gesandten Akten nicht zurückgesandt worden waren. Wann werden endlich diese widerwärtigen Familienprozesse aufhören?"— Auf diese Frage können wir den liberalen Blättern Antwort ertheilen: Die„widerwärtigen Familienprozesse" wer den aufhören, wenn in der herrschenden Gesellschaft die Ausbeutung, die Unterdrückung und das frevelhafte Conkurrenzspiel um das Mein und Dein aufhört— in einer sozialistischen Ge- sellschaft gehören solche„widerwärtige Prozesse" zu den Un- Der Begleitschein enthält folgende noch schönere Inschrift: „„Absender: Hasenclever, Reichstagsabgeordneicr, Elsasserstr. 14. Hier bekommt Ihr die Gesäiichte zurück. Seid doch aber ver- nünstig und bringt solidere Sachen an, geht nach Fritz, Klempner, Linkstr. 13. Was nicht convenirt, bitte weiter zu schicken, z. B. Boßstraße l5, l(j, 8 u. s. w. und irgendwo. Mit bestem Gruß und brüderlichem Kuß(nicht ganz wörtlich, da die Kiste gleich weiter geschickt werden mußte)."" Da es nun nicht ganz klar ist, in welchem Zusammenhang Ihr Reichstags mandat mit der Zurücksend ung abgebrochener Thürknöpfe und unabgebrochener, als Beigabe mitgeschick- ter Wurstreste u.dgl. stehen soll, bitten wir Sie, uns umgehend zu erklären, ob etwa wenigstens Ihre Person damit in irgend welcher Verbindung steht oder ob es sich in der Angabe: Absen- der: Hasenclever, Reichstagsabgeordneter nicht vielmehr um einen Miß- brauch Ihres in letzter Zeit so oft gemißbrauchten NamenS handelt. In der Hoffnung, daß Sie uns baldmöglichst, wie es ja in Ihrem wie in unserem Interesse liegt, durch Ihre Antwort diese merk- würdige Geschichte aufklären werden (folgt der Name)." Merkwürdig ist übrigens an der Geschichte nichts weiter, als obiger Brief, der von Hasenclcver Aufklärung über„diese merkwürdige Geschichte" verlangt. Hascnclever, der zuerst imZweisel war, oberüberhaupt Antwort geben sollte, hat an den Briefschreiber nun folgenden Brief gesandt: „Leipzig , 25. Juni 1377. Geehrter Herr! Mit großer Verwunderung habe ich Ihr Schreiben gelesen, welches mir von Berlin nach Leipzig , woselbst ich meinen Wohnsitz habe, nach- gesandt worden ist. Ich kann nicht wissen, welche Motive Sie bei Ab- sendung des Schreibens geleitet haben, deshalb halte ich auch mit mei- neu Bemerkungen zurück. Daß ich Ihr Schreiben aber im„Vorwärts" zum Abdruck bringe, das können Sie mir nicht verdenken, da dasselbe einen höchst merkwürdigen Beitrag zu dem Urtheil der besitzenden Kreise über die bekannten Persönlichkeiten in der sozialistischen Bewegung bildet. Daß ein solches Urtheil aber nothwendig in diesen Kreisen sich festsetzen muß, daranist hauptsächlich die herrschende Presse schuld; dann aber auch tragen die brutalen Auslassungen der verschiedensten Sozia- listenverfolger dazu bei. Mit der Versicherung, daß ich nur Verwun- derung und keinerlei Aerger bei dem Lesen Ihres Briefes gehabt habe, zeichne ich achtungsvoll Wilh. Hasenclever." Das„Hamburg -Altonacr Voltsblatt", welches auch die obige Notiz: [„Berliner Spitzbubenhumor" den liberalen Zeitungen nachgedruckt hat, macht dazu folgende Bemerkungen: „Man weiß nun, daß die Leute, welche bei Nacht die Klopfer ab- reißen, die Aushängeschilder der Geschäfte wegnehmen und die Laternen einwerfen, durchaus keine gewerbsmäßigen Diebe sind. Bekanntlich übt sich die gebildete Jugend in solchem„Ulk" und pflegt sich solche„Witze" zu erlauben, die auch von den„anständigen" Leuten stillschweigend ge- billigt, ja sogar als„burschikose" Streiche bewundert werden. ES wird wohl irgend eine angeheiterte Bande von Liberalen oder Fortschrittlern gewesen sein, die das Ganze arrangirt hat, um nur den Namen eines Sozialisten auf das Packet setzen zu können. Der „Humor" ist zwar recht traurig, aber ganz richtig von der liberalen Presse dezeichnet als— Spitz buben-Humor." Wenn der Briefjchreiber diesen Artikel gelesen haben wild, so wird er gewiß noch immer den Kopf schütteln und sagen:„Merk- würdige Geschichte"— doch immer bleibt das Merkwürdigste an der Geschichte: der Brief dieses Herrn. — Wahlanckdote. Die„Germania" erzählt: Am Donnerstag, dem Wahltage Hasenclever's, hatte sich Abends das Gerücht verbrettet, Löwe habe über Hasenclever gesiegt. Ein Restaurateur m der Jnva- lidenstraße gab seiner Genuglhuung über dieses vermeintliche Eraebniß durch folgenden, an seine Lokalthür gemalten Rebus Ausdruck: Er malte einen Hasen neben drei Kleeblätter; über beides sprang mit kühnem Satz ein Löwe hinweg. Die Herrlichkeit dauerte bis gegen 10 Uhr Als dann das offizielle Resultat diese RebuSschrift desavouirte, nahm der Herr Wirth einen Lappen und wischte unter dem Gelächter der Gäste,'darunter einige sozialistische Abgeordnete und, irren wir nicht, auch Hasenclever selbst, sein schönes Bild wieder weg. — Die Unverschämtheit deS„Leipziger Tageblatts" geht doch über die Hutschnur. Da» Klatschblatt schreibt nämlich:„Nach einer unS vorläufig zugegangenen Mittheilung hat die Versammlung in Glauchau am vorigen Sonnabend, in welcher sich die Herren Most und Hasenclever auf der einen Seite, Herr Prof. vr. Birnbaum auf der andern Seite als Redner gegenüberstehen sollten, unter überaus starker Betheiligung der dortigen Bevölkerung stattgefunden. Bon den Genannten waren nur Most und Professor Birnbaum anwesend, Hasen- clever hatte es vorgezogen, nicht zu erscheinen." Diese Unver frorenheit, den Lesern direkte Lügen aufzutischen, ist allerdings groß. Hasenclever hat zu obiger Versammlung weder eine Einladung er halten, noch wußte er überhaupt etwas von dieser Versammlung, ehe ihm Mittheilung gemacht wurde, das„Leipziger Tageblatt " ließe ihn in Glauchau reden. - Die„Deutsche Allgemeine Zei- tung" druckt dem„Tageblatt" die Lügen ruhig nach— wir meinen, daß diese im Allgemeinen anständige Zeitung nun auch ein Dement - erfolgen lassen müßte, wenn sie sich nicht mit dem„Tageblatt" auf eine Stufe stellen will.__
Ausgabe
2 (29.6.1877) 75
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