dieser Einfaltspinsel", wird unser Viktor denken,„warum hat er sich nicht an richtiger Stelle über seine Vorgesetzten beschwert?" Wo, lieber Viktor? Bei den Vorgesetzten über die Borge- setzten?— Viktor kratzt sich hinter den Ohren. Ich hab's! Der Kerl war kein Einfaltspinsel, ich Hab' ihm Unrecht gethan, er war ein Sozialdemokrat und hat sich blos„aus Bosheit" um- gebracht, um Haß und Verachtung gegen das herrliche Institut des stehenden Heeres zu erregen! Brav, Viktor! Bist ein Pfiffikus. — Aus Osnabrück erhalten wir eine leider anonyme Zu- schrist, in welcher behauptet wird, daß der in Stettin zu sechs Wochen verurtheilte Weinhändler T essend orf ein Bruder des Berliner Staatsanwalts sei. Ein anderer Bruder sei Direktor einer Aktienziegelei in Ueckermünde und dort dadurch bekannt, daß er mit semen Arbeitern auf sehr gespanntem Fuße stehe. Wenn die Angaben auf Wahrheit beruhen, so bedauern wir den Berliner Staatsanwalt lebhaft, weil, da er Rechts- und Arbeiter- freund(er will ja die Arbeiter aus den Fingern der demago- gischen Agitatoren erlösen) ist, die Anschauungen seiner eige- nen Brüder so sehr gegen seine Anschauungen gerichtet find. — Der Buchhändler Skrzeczek, der zum Zeugniß ge- zwungen werden sollte, ist am 3V. Juni aus der Haft entlassen worden. Die Entrüstung in Deutschland war allgemein, so daß dieselbe auch wohl das entscheidende Moment bei der Entlassung, die von Berlin aus verfügt worden sein soll, gewesen ist. — Unser hartes Urtheil über die Handlungsweise der Radikalen in Frankreich ist fast noch zu milde gewesen— man kann das richtige Wort gar nicht finden für solche Dummheit oder solchen Verrath— oder für beides zu- sammengenommen. Es erscheint uns jetzt fast wahrscheinlich, als ob die Herren der äußersten Linken ihr Mandat der materiellen Bortheile halber, die daran haften, um jeden Preis, ja um den Preis ihrer eigenen Ehre behalten wollen— deshalb dieser fchandvolle Compromiß. Man höre, wie ein großes Bourgeois- blatt, die„Wiener Presse", über die gegenwärtige Situation in Frankreich sich äußert: „... Die Sympathien Europas , so weit dasselbe der fort- schreitenden Civilisation zugcthan ist, stehen auf Seiten der vereinigten Republikaner , so lange dieselben eine feste Brustwehr gegen die Rothen und gegen die Schwarzen, diese unversöhnlichen Feinde der modernen Gesellschaft, bilden. Der Culturkampf zur Rettung der materiellen wie der geistigen Güter der Menschheit, der Kampf gegen die communistische Nivellirung wie gegen die klerikale lleberhebung muß von den Liberalen aller Nationen in geschlossenen Reihen zu Ende ge- kämpft werden." Aus diesen Worten leuchtet die Freude der Bourgeoisie aller Länder hervor, daß Louis Blanc , Viktor Hugo und die Radi- kalen überhaupt sich von Thiers und Gambetta in den einen großen republikanischen Bourgeoissack haben stopfen lassen. Wir wollen hoffen, daß das Volk von Paris den Sack wieder öffnen und in die geschlossenen Reihen der Bourgeois einige wirkliche Radikale, einige Communisten bei den nächsten Wahlen entsenden wird.— Man will in Paris wissen, daß der Sohn Napoleon's III. sich mit Donna Maria del Pilar, einer der Töchter der Königin Jsabella, verheirathen werde. Seine Mutter Eugenie, welche Empfehlungsbriefe vom Vatican hatte, soll bei ihrem Aufenthalt in Spanien die betreffenden Unterhandlungen geleitet haben. Bewahrheitet sich dies, so haben wir ein klerikal- bourbonistisch- bonapartistisches Bündniß, welches sich zunächst bei den Wahlen, und zieht das nicht, bei einem Staatsstreich den vereinigten Re- Publikanern entgegenstellen wird, und der Rest ist dann— Lulu's Reitpeitsche. — Wir erhalten folgende Zuschrift: Die türkische Re- gierung hat ein weiteres diplomatisches Rundschreiben erlassen, in welchem sie gegen die ebenso unmenschliche als feige Kriegführung der Russen zur See, als„gegen Attentate auf die Humanität und das Völkerrecht" protestirt, und die europäischen Kabinete ersucht,„davon Akt zu nehmen im Namen des öffentlichen Ge- Wissens". Die naiven Türken, die noch an's öffentliche Gewissen glauben! Die russische Kriegführung zur See besteht darin, daß sie friedliche Kauffahrteischiffe durch Mordmaschinen ü Ig Thomas in die Luft sprengen, ohne— wie dies das Völker- recht und die einfachste Menschlichkeit erfordert— vorher für zu geben hat? Werde ich dem Staate, den Mitmenschen mehr Dienste leisten, wenn ich mehr Mittel habe, es zu thun? Wird der Ertrag meiner Arbeit jm Verhältniß stehn zu den Zinsen ihres Vermögens? Werd"ich die Arbeit so lieben im Ueberfluß, wie ich sie liebte im Mangiil? Wird der Besitz nicht zu einem Gegenstand des Mißtrauens werden zwischen mir und ihr? Wird sie glauben, ihr Reichthum sei mir nichts gewesen, ihre Liebe Alles?---" Elsa weiß die Skrupel stets zu zerstreuen. Ucberredung, Zwang— nichts vermag sie dem Mann ihrer Wahl abwendig zu machen. Der„Makel" der unehelichen Geburt, der an Johann haftet, erschwert ihm sein Fortkommen. Die Gemeinde, in der er ge- boren, will ihn nicht als Bürger anerkennen. Das„Psaffenkind" Jiat keine Heimath. Er wird in die widerlichsten Prozesse um ein Bürgerrecht verwickelt. Kein Wunder, daß allmählich das Vaterland ihm verleidet wird. In Staat und Gesellschaft ist vieles faul. Der Gedanke der Auswanderung kommt in ihm auf. Lincoln , der Edle, der Gerechte, ist Präsident der Bereinigten Staaten geworden— den unterdrückten Sklaven dämmert die Sonne der Freiheit. Die südstaatlichen Barone empören sich gegen die Union — der Krieg zur Befreiung der Sklaven be- ginnt. Wäre es nicht herrlich, mitzukämpfen in dem Befreiungs- kämpf? Er spricht darüber mit seinem Freund, dem Sanitätsrath. „Ich halte es mit dem Norden, denn ich glaube, daß die Sklaven so gut wie wir ein Recht haben, freie Bürger zu sein." „Einverstanden. Woher sollten wir die Berechtigung ab- leiten, über einen anderen großen Theil unseres Geschlechts zu herrschen?- „Ich begreife nicht, warum diejenigen, welche auf ihr Christen- thum stolz sind, der Emanzipation der Sklaven nicht das Wort ttden. Diese gerade mußten doch verlangen, daß alle Menschen Bruder seien.» ..."Wenn die Christen endlich Menschen würden, dann, ja dann könnte die Gleichberechtigung Aller für sie keine Frage mehr fem. Es ist gerade die schwache Seite des Glaubens, den die Priester verkünden, daß 7x alle Arten von Tyrannei erlaubt, Gehorsam predigt und die Liebe mehr empfiehlt als gebietet. Da herrscht oft die rohe Gewalt, die gemeine Selbstsucht, die mäch- tige Niedertracht; ihnen sollen wir uns unterwerfen und die Schmach eines unfteien, kummervollen Daseins in der Hoffnung auf ein schöneres Jenseits sanstmüthig erdulden." die Rettung der Mannschaft gesorgt zu haben. Die Torpedo- Thaten der Russen auf der Donau sind auch höchst zweifelhafter Natur und sicherlich nicht heldenhaft, aber sie richten stch doch gegen Kriegsschiffe, und im Krieg, der nun einmal Massen- mord ist und bleibt, kommt es dem Feinde gegenüber auf ein Bischen mehr oder weniger Humanität nicht an. Ob man durch ein Sprenggeschoß oder einen Torpedo zerrissen wird, ist sehr gleichgiltig. Aber in neuerer Zeit sind die„Culturstaaten" doch übereingekommen— und in gewisser Beziehung war das un- leugbar ein Fortschritt—, die am Kriege nicht theilnehmende Civilbcvölkerung zu Wasser und zu Land möglichst zu schonen. Unter den Mächten, die für diese„Reform" mit am lautesten plädirten(freilich aus sehr egoistischen Beweggründen: Berhin- derung von Volkskriegen, Umgestaltung des Scerechts zum Nach- theil Englands u. s. w.), war Rußland , das sich für dieselbe ebenso sehr begeisterte, wie für das, gleichfalls durchgesetzte in- ternationale Verbot der Benutzung von explosiven Gewehr- kugeln, die im Körper des Getroffenen platzen.(Die großen Sprengkugeln— einschließlich der Torpedos—, die gleich ein paar Dutzend auf einmal in Stücke reißen, wurden, nach dem Sprichwort, daß man nur die kleinen Verbrecher hängt und die großen laufen läßt, von den internationalen Humanitäts- Commissären, deren heiligem Zorn nur die kleinen zum Opfer fielen, natürlich ebenso wenig belästigt, wie Stroußberg von Tessendorff.) Und dieses Rußland tritt jetzt in der Praxis so schamlos diese Grundgesetze mit Füßen, welche es in der Theorie, in Worten und auf dem Papier, so lebhaft befürwortet und in das sogenannte Völkerrecht hat einführen helfen. Sogenannt, sagen wir, denn es ist im Grund eine zwiefache Lüge: Weder „Recht" ist drin, noch etwas für die„Völker". Und die paar vereinzelten guten Bestimmungen, die ins Völkerrecht aufge- nommen sind,— nun, sie werden blos dann befolgt, wenn es den Mächtigen in den Kram paßt. Wenn nicht, nicht.„Macht geht vor Recht." Es ist das große Verdienst Rußlands , der Welt aü oeulos zu demonstriren, daß die gerühmte Cultur unserer Culturstaaten nur organisirte Barbarei ist, welche zeitweilig die Maske der Humanität trägt, dieselbe aber wegwirft, sobald sie unbequem wird. Und daß die Türken, die barbarischen, heidnischen Türken es sind, die dem kulturheuchelnden, christlichen Europa den Spiegel vorhalten und es im Namen des öffentlichen Ge- Wissens zur Scham rufen müssen*), das wäre der prächtigste Witz der Weltgeschichte, wenn's nicht gar so traurig und schimpf- lich für uns wäre. Da wir gerade beim„Thema" sind, sei noch hinzugefügt, daß die Russen es bei ihren Schießübungen ganz besonders auf die türkischen Hospitäler abgesehen haben. Was sie in dieser Beziehung vor einigen Wochen in Widdin geleistet— ein Cor- respondent der„Vossischen Zeitung" hat diese Greuelscene aus eigener Anschauung geschildert— ist am 25. Juni in Rustschuk weit übertroffen worden. Natürlich kommt es den russischen Humanitätsaposteln blos darauf an, auch den türkischen Kranken und Verwundeten die„Civilisation"— ä la Russe klar zu machen. Daß dem Experiment ein paar Dutzend der armen Teufel in ihren Betten von Mauertrümmern erstickt, von Spreng- stücken zerfetzt, von den Flammen geröstet werden— das läßt die„Culturmifsion" Rußlands nur in um so glänzenderem Licht erscheinen. — Das Bombardement von Rustschuck durch die Russen zeugt von der unmenschlichen Kriegsführung dieser Hu- manitätsstreiter. Die„Neue Freie Presse» schreibt Folgendes über das Bombardement:„Das Telegraphen- Bureau und ein Spital wurden zerstört. Es giebt viele Tobte und Verwundete in der Civilbevölkerung. Die Türken schössen, unterstützt vom Monitor„Hisper". vorzüglich, schonten aber Giurgewo und schössen nur die russische Dampfmühle und das Frachtdepot in Brand. Die unmenschliche Barbarei, mit welcher die Russen es vor Allem auf die Stadt und die Bevölkerung abgesehen haben, verdient die Brandmarkung vor ganz Europa . Dagegen haben die Türken in nicht genug anzuerkennender Weise auch gestern noch die feindliche Stadt Giurgewo möglichst geschont." *) Als Marat einst im Convent wegen einer Aeußerung von der Majorität mit dem Ruf: Zur Ordnung! überschüttet wurde, rief er dagegen: Ihr wollt, daß ich zur Ordnung gerufen werde? Ich rufe Euch zur Scham.(.Je voua rappelte a la pudeur.) Das wirkte. Europa gegenüber wird'S nicht wirken. „Wenn aber Alle wirklich die Nächstenliebe übten, dann würden wir auch alle glücklich sein." „Sagen wir lieber: wenn alle die Gerechtigkeit übten. Welches Unheil hat dieses Wort Liebe nicht schon angerichtet! Der Reiche glaubt, ein geringes Almosen spenden heiße durch Nächstenliebe sich auszeichnen; der Fürst hält ein gnädiges Lächeln für die Ausübung einer christlichen Tugend; der Blut- dürstige rühmt sich der Menschenliebe, wenn er einen ungerecht Verurtheilten begnadigt. Vom Rechte ist bei diesen nicht die Rede, nnd doch haben die Menschen nicht blos einen Anspruch auf Almosen(?), Herablassung(?) und Gnade(?), sondern ein Recht auf die Freiheit ihres Geistes und Körpers. Das Reich der Gerechtigkeit müßte mit der ganzen Jmmoralität aufräumen, welche sich hinter dem Schilde der Nächstenliebe versteckt. Die Gerechtigkeit muß unsere Parole sein. Mit ihr ziehen wir gegen die Heuchler der Liebe in den Kampf." „Sie wollen, daß auch die Neger in der Zahl der gleich- berechtigten Menschen mit inbegriffen seien? Ich habe die An- ficht aussprechen hören, diese Menschenklasse sei nicht im Stand, sich der bürgerlichen Rechte würdig zu erfreuen, ihre körperliche Anlage befähige sie nicht, einen bestimmenden Theil des Staats auszumachen. Ein großer Naturforscher, sagt man, habe diefe Behauptung ausgesprochen." „Agassi z— es wäre besser für ihn, er hätte diesen Aus- spruch nicht gethan, der seinen Ruhm verdunkelt. Angenommen, aber nicht zugegeben, daß dem so sei, wie er sagte, haben wir dann nicht doch die Pflicht, den Versuch zu machen? Geben wir einmal den schwarzen Menschen die Freihest, und sie werden sich von der niederen Stufe, auf der sie stehn, auf eine höhere erheben. Von wem stammen denn wir ab? Waren nicht auch unsere Ahnen Wesen, die erst im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende die Höhe der Kultnr erklommen haben, auf der wir jetzt stehen? Wie schön ist nicht das einfache Wort Abraham Lincoln's :„Die Menschen sollen nicht Herren und Knechte sein, denn alle Menschen sind zur Freiheit geboren."(Schluß f.) — Lulu II. Es ist wohl noch bekannt, daß Lulu dekorirt wurde von seinem Herrn Papa, weil er bei Saarbrücken einige Mitrailleusen aus sicherer Stellung abfeuerte. Nun ist der Sohn Des Großfürsten Nikolaus gleichfalls von seinem„erhabenen» Oheim, dem„Värerchen" aller humanen Leute, dekorirt worden, weil er zuerst bei einem Donau - überganz bei Simnitza den türkischen Boden betreten hat. Wie Augen- — Im Uebrigen ist vom Kriegsschauplatz nichts Neues zu melden. — Am 13. Juni tagte in Wien eine große Bolksversamm- lung, in welcher nach einem Referat Reinthals folgende Re- solution mit allen gegen 15 Stimmen angenommen wurde:„Die heutige Volksversammlung erklärt, daß die Bereinigung und das einheitliche Vorgehen aller österreichischen Arbeiter auf dem Bo- den eines gemeinsamen Programms die nothwendige Borbe- dingung für ein erfolgreiches Wirken der Arbeiterpartei bilde; sie erklärt deshalb ihre Zustimmung zu allen Bestrebungen, welche auf jenes Ziel hinarbeiten, insbesondere zu der Berstän- digung, welche auf Grund der Rücktrittserklärung Oberwinders zwischen den Vertretern der„Gleichheit" und des„Agitator" angebahnt wurde, und verwahrt sich gegen die von einzelnen erhobenen Bedenken eines Wiedereintritts Oberwinder's; sie spricht den Wunsch aus, daß aller Conflict in der Partei um persönliche Meinungsverschiedenheiten halber, die mit dem sozia- listischen Programme nichts gemeinsam haben, aufhören, und daß alle jene, welche mit einzelnen Punkten der Vereinigung nicht einverstanden sind, im Interesse der nothwendigen Einigkeit der Arbeiterpartei, auf spezielle Einwendungen verzichten und voll und ganz für die Sache der Arbeiter, deren höchstes Prinzip die Einigkeit ist, eintreten. Hoffentlich folgen die Genossen in ganz Oesterreich recht bald dem Beispiele der Wiener .» Correspondenzen. _ Aus Schteswig-Kotflein, 25. Juni. Die„Nationalzeitung" läßt sich Folgendes berichten: Gestern hat sich in Neumüuster ein schleswig-holsteinischer Provinzialverband von Vereinen für Volksbildung constituirt. In der von dem Kieler Bolksbildungs- verein berufenen Versammlung waren Vertreter und Förderer ähnlicher Vereine aus Kiel , Altona , Ottensen , Neumünster , Rendsburg , Neustadt, Eckernförde , Flensburg und Apenrade an- wesend. Der vom Kieler Verein vorgelegte Statutenentwurf wurde nach eingehender Berathung im Wesentlichen angenommen. Der Beitrag eines Verbandsvereins wurde auf 6 Mark jährlich im Minimum und der für die persönliche Mitgliedschaft auf 2 Mark jährlich festgesetzt. Es wurde beschlossen, von der Be- schickung der in diesem Jahre in Breslau stattfindenden General- Versammlung der„Gefellschaft für Verbreitung von Volksbil- dung" durch Delegirte des Verbandes abzusehen. Im nächsten Jahre wird jedoch auch unsere Provinz auf der Generalver- sammlung der deutschen Gesellschaft vertreten sein, die eine so überaus segensreiche Thätigkeit entwickelt und schon Großes für die Sache der Volksbildung gethan hat. Mit den antisozia- listischen Vereinen in unserer Provinz ist es neuerdings ganz ruhig geworden.— Nach diesem Berichte sind die schleswig- holsteinischen Antisozialisten recht ruhig geworden— sie senden keinen Delegirten nach Breslau , weil sie wahrscheinlich kein Geld auftreiben können, es werden keine neuen Antisozalisten- Bereine gegründet, weil das Volk vor einem solchen politischen Sammel- surium zurückschreckt und die kolossale Lächerlichkeit und Blamage einsieht, der diejenigen zum Opfer fallen, welche sich einem Poll- tischen Verein anschließen, welcher gar kein positives Programm und auch keinen positiven Zweck hat. Zu solchen Kindereien ist das schleswig-holsteinische Volk doch allzu verständig. Weldorf, 25. Juni. Ueber eine am 19. Juni hier statt- gehabte und sehr gut besuchte Versammlung, in welcher Genosse Walter als Redner auftrat, lassen sich die„Jtzehoer Nachrichten» also vernehmen:„Gestern besuchte uns der im hiesigen Kreise bekannte sozialdemokratische Redner Walter einmal wie- der, um seine Parteigenossen mit den nächsten Zielen der sozial- demokratischen Agitation bekannt zu machen. Die Agitation gegen den liberalerseits gewühlten Reichstagsabgeordneten Hall ist insoweit gelungen, daß der Reichstag die Wahl beanstandet hat und die näheren Untersuchungen bereits im besten Gange sind. Redner gab zu, daß ihre Partei in Schleswig-Holstein , und namentlich auch im 5. Wahldistrikt, Ivo sie mit Zuversicht den Sieg gehofft hatte, eine Niederlage erlitten, versicherte indeß, daß man jetzt doppelte Anstrengungen machen werde, um die erlittene Schlappe wieder wett zu machen. Eben deshalb werde man sich in der ersten Zeit nur mit der festen Organisation be- fassen, und sei zu dem Zweck für den 24. d. M. eine Versammlung in Neumünster angesetzt, um darauf bezügliche Beschlüsse zu fassen. Vor allen Dingen werde man die Presse benutzen, zeugen versichern, hat ein strammer, bärtiger Kosak den Prinzen auf den Ärnien gehabt und ihn sanft vor sich hin auf den türkischen Boden zur Erde gesetzt. — Wie man Telegramme sabricirt. Die„Kölnische Zeitung », bekanntlich eine hohe Verehrerin des Fürsten Bismarck, läßt sich aus Kissingen vom 30. Juni folgendes hübsche Telegramm zusenden:„Fürst Bismarck ist heute Mitlag mit dem Meininger Zuge abgereist. Obwohl die Abreise Wenigen bekannt war, hatten sich viele Menschen zur Verabschiedung am Bahnhofe eingefunden. Beim Austritte aus dem Königssalon erschollen lebhaite Hochrufe, ebenso bei der Abfahrt des Zuges. Das Aussehen des Fürsten war vortrefflich"—„Wenigen be- kannt»,„viele Menschen eingesunden»— äußerst günstig. Die„vie- len», welchen die Abfahrt nicht bekannt war, haben die Abfahrt wohl im letzten Augenblicke, wie man zu sagen pflegt, plötzlich„gerochen». — Zur indirekten Majestätsbeleidigung. In Bezug auf die Verurtheilung des Herrn Guido Weiß warnt der„Kladderadatsch" die deutschen Reichsbürger in höchst drastischer Weise. Man darf nicht mehr sagen, daß die blaue Kornblume eine ganz gewöhnliche, geruchlose Blume, auch nicht, daß der Hummer kein angenehmes Gericht, auch nicht, daß Emser Krähnchen ein höchst schales Getränk sei— der deutsche Kaiser liebt die Kornblume, er ißt gern Hummer, und Emser Krähnchen ist sein Heiltrank deshalb würde man drei indirekte Majestätsbeleidigungen begehen, die mit 9 Monaten Gefängniß zu be- strafen sind.— Wir wollen übrigens zu diesen Beispielen des„Kladdera- datsch» noch eins h nzufügen, welches wohl noch drastischer ist. Vor einigen Tagen befanden wir uns in einem Restaurant, wo in sogenannten Champagnerflaschen mit prachtvollen Etiquetten„Kaiserbier» ver- schenkt wurde. Bei dem Genüsse dieses Bieres schnitten die Trinkenden ganz abscheuliche Gesichter und wenige Minuten darauf bekamen die- selben heftige Leibschmerzen. Also— sind alle die, welche Gesichter schnitten, unbedingt wegen indirekter Majestätsbeleidigung zu bestrafen, und der Wirth, der den Namen des Kaisers mißbraucht hat, muß doppelt bestrast werden. — Unfall-Statistik. Im Monat Juni d. I. wurden bei der Allgemeinen Unfall-Bersicherungs-Bank in Leipzig 7 Todesfälle, 1 Un- fall, der dem Betreffenden Lebensgefahr bereitete. 5 Unfälle, die ihrer Natur nach eine totale oder theilweise Invalidität der Verletzten er- warten lassen und 510 Unfälle, aus welchen sich für die Beschädigten nur eine vorübergehende Erwerbsunfähigkeit prognosticiren läßt, zu- sammen 523 Unfälle angemeldet. Von den 7 Todesfällen ereigneten sich je 2 in Gußstahlsabriken, in Steinbrüchen und in Baugeschäflen und einer in einem Steinkohlenwerke. Die eine leben« gefährliche Beschädigung kam m einem Baugeschäfte vor, während die 5 I»- validen sich auf einen Granitsteinbruch, eine Maschinenbau-Änstalt, eine Eisengießerei, eine Sägemühle und eine Seifenfabrik vertheuen.
Ausgabe
2 (6.7.1877) 78
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