rasch eintretende Erkrankung!" Und doch kommt es geradehierauf an!Wer nur Pfund Butter verkauft, welche zu zwei Dritt-theilen aus Rindstalg und Oel besteht(wie es im Dezember 1873in St. Gallen vorgekommen), der verdient an und für sich festeStrafe und nicht erst, wenn er, wie in unserem Falle, 130 Pfd.verkaust und erheblichen Geldschaden gestiftet hat. Wer einKloakenwasser trinkt und am Nervenfieber wegstirbt, schädigt oftseine Gemeinde schwerer, als wer einen hölzernen Kamin bautund eine Feuersbrunst veranlaßt; und doch haben wir nichtselten einzelne Typhusnester, Häuser, ja Kammern, welche alleJahre einen oder mehr Kranke, oft auch Todte liefern, ohne daßman Organe und Bollmachten hätte, dieser fahrlässigen TödtungEinhalt zu thun.Zweitens:„Wir wissen auch im Volke nicht genau, waswir wollen." Die Sanitätskommission hat ein sehr beschränktesRecht zur Initiative und gar keine Vollmacht noch Einrichtungzu technischer Untersuchung; die Gemeinderäthe aber sehen undhören häufig nichts von sanitären Uebelständen und haben nichtszu berichten. Die Ueberwachung der Ausführung ist der Lebens-nerv jedes Gesetzes. Aber die Gesundhetspolizei wird inden Gemeinden am theilnahmlosesten und verständniß-losesten gehandhabt von allen Gesetzen. Seit Aufhebungder Brottaxen wurde das Brot theurer und schlechter, weil dieBrotwägung gar nicht und die Brotschau nachlässig gehandhabtwurde.In allen gesundheitlichen Fragen befinden sich die Völker imZustande eines rathlosen und unklaren Patienten;„die altePolizeimixtur wird bei Seite gestellt, die neue Medizin der Selbst-hülfe durch Gesundheitspflege, Consumvereine und andere Asso-ciationen wird als lästig befunden und stillschweigend wird gc-fordert, daß Alles sich von selber mache, ohne daß ein Consumentumsichtig, ein Gemeinderath strenge, oder eine Regierung unbe-quem sein müsse. Unterdessen mästet sich der Schwindleroder Betrüger im Namen der Freiheit, und der armeBürger wird ärger mißhandelt als je zuvor."Drittens: Die Bezirksärzte sind wohl Gerichtsärzte undStatistiker, aber keine Hygieniker, sie kennen nur die sanitärenVerhältnisse ihrer einzelnen Gemeinde, und die Gemeindewird regiert,„aber nicht ins Berständniß und insInteresse gezogen."Viertens: Der Schwerpunkt aller Volksgesundheitspflegeliegt im kleinen täglichen Verkehre;— die in diesem vor-kommenden Schädlichkeiten(Fälschungen, Verunreinigungen zc.)zu erkennen, zu bestimmen und auf dem Verwaltungswege zuentfernen, fehlt es an Möglichkeit.Fünftens:„Wir sind von der Unzweckmäßigkeit unsererEinrichtungen so sehr selber überzeugt, daß wir zu allen Zeitender Gefahr(Choleraepidemie) sie eiligst verlassen und sofortOrtsgesundheitskommissionen bilden, der Cantonal- Kommissioneine kräftige(aber nicht unverantwortliche) Initiative einräumenund dann die Bezirksärzte nach beiden Richtungen hin sehr nutz-bringend verwcrthen."Sechstens: Das Nämliche könnten wir auch in gewöhnlickenZeiten thun, denn eine starke Epidemie, z.B. Cholera ooerTyphus„ändert an der Bevölkerungsziffer eines Cantonesoder einer größeren Stadt in einem Jahrzehnt lange nichtsoviel, als eine gute oder schlechte Gesundheitspflege regelmäßigändert." In England, Belgien und Neuf-Chälel hat man dieGesundheitspflege der Städte auch auf dasLand ausgedehntund diefem Beispiele müssen wir folgen. Bei jedem öffentlichenUnglücke, sei es eine Epidemie, eine Truppenaufstellung oder eineUeberschwemmung, immer findet sich in jeder Gemeinde und jederOrtschaft eine Anzahl Männer mit gutem Willen und Thatkraft,für Leben und Wohlergehen ihrer Mitbürger zu sorgen;„sam-meln wir diese hochachtbaren Kräfte schon in den guten Zeiten,so haben wir sie in den bösen! Es muß alles gelernt sein,die Gesundheitspflege so gut als der Krieg. UnsereBürgerpflicht gegen die Gesundheit ist nicht erfüllt, wenn wirViehprämien zahlen und Viehseuchen verhüten, sondern wir habenauck die etwas höhere Verpflichtung, dem Verfalle unseres Volkeszu wehren, und seine Gesundheit und Leistungsfähigkeit zufördern."—Zur Ausführung besserer Gesundheitspflege in St. Gallensind zwei Grundsätze leitend: Selbstverwaltung der Ge-meinoen auch auf diesem Gebiete und kräftige Initiativeeiner Centralbehörde, welche mehr durch Belehrungund Ermunterung, als durch Strafeinleitunaen zuwirken hat. Wenn unsere Gesundheitsgesetzgebung nicht ledig-Die neue Generation.(Zu- Charakterisirung Rußlands.)Der„Wiener Freien Presse" entnehmen wir nachstehendeshochinteressantes Feuilleton, dem wir zum Schlüsse nureinige kurze Bemerkungen anfügen werden:„Rußland hat seine Banner entfaltet und es läßt wiedereinmal seine Fahnen flattern zum„heiligen Krieg". Mit Völker-mörderischer Hand schleudert es die lodernde Fackel in eineWelt, die voll von Brennstoff ist. Und wie so oft seit hundertJahren, seit jener Zeit, wo es zuerst seine tatarisch geschlitztenAugen lüstern und gierig nach der Türkei hinüberschweifen ließ,führt es auch jetzt wieder dre alten, abgebrauchten Phrasen vonden„unterdrückten christlichen Völkern" und von seiner Pflicht,für die Rechte derselben einzutreten, im Munde. Das übrigeEuropa aber steht mit verschränkten Armen dabei und gibt, alsob es jedes Gefühl für Recht und Ehre verloren hätte, dengleichgültigen Zuschauer bei dem empörenden Schauspiel einesRechts- und Vertragsbruches sondergleichen ab. Vergebens suchtman sich über die Gründe diefer Indolenz klar zu werden; um-sonst und eitel ist alles Bemühen, auch nur theilweise eineThatenlosigkeit zu entschuldigen, die eigentlich von keinem Standpunkt aus zu entschuldigen ist. Keine der übrigen Großmächtehätte sich, wenn sie, gezwungen oder von einem überschäumen-den Ehrgeize getrieben, zu einer kriegerischen Aktion schritte,einer solchen Passivität zu erfteuen, wie sie eben Rußland findet.Am hellichten Tage bricht die moskowitische Macht in das Hausdes Nachbars ein; höbnend zeigt sie der Welt die Werkzeuge,mit deren Hilfe sie Kasten und Schränke öffnen will; wir sehenden panflavistischen Dietrich und das griechisch-orthodoxe Brech-eisen, und doch hat Europa nicht den Muth, oder nicht mehrgenug Energie, um sich zu einen: kräftigen Entschlüsse aufzu-raffen, der dem Einbruch wehren könnte.Nur Ein Umstand dürfte diese die Zivilisation schändendeund den bochgepriesenen Fortschritt befleckende Thatsache einiger-maßen erklären, der Umstand nämlich, daß die Welt sich in einervollkommenen Unkenntniß über Rußland befindet. Die Verhältnisse des Innern von Afrika sind uns vertrauter als jene Ruß-lands; wenn auf den treibenden Eisschollen des Nordpols über-Haupt von einem Volks- oder Menschenleben die Rede seinkönnte, so wüßten wir bereits mehr und Genaueres über das-selbe, als über Alles, was unter der offiziellen Decke vorgeht,� lich auf dem Papiere stehen soll, so müssen wir durch Orts-� gesundheitscommissionen die Gemeinden, durch regelmäßige Bericht-erstattungen die öffentliche Meinung, den Geist des Volkes insInteresse ziehen. Zeitweilige Inspektionen haben die technischeRichtigkeit der Arbeit zu sichern, damit die Gesundheitsgesetz-gebung nicht nur ein Bestandtheil der Strafgesetze werde, sonderndamit sie selbstständig sei,— damit sie ferner nicht blos negativbleibe, sondern positiv schaffend werde.(Fortsetzung folgt.)Sozialpolitische Ueberficht.—„Diese abscheuliche Kriegspartei", sagte der Krön-prinz des deutschen Reichs zum Marquis d'Abzac, Mac Mahon'serstem Adjutanten, als dieser vor einigen Monaten nach Berlingeschickt war, um dem Kaiser zu seinem achtzigsten Geburtstagezu grawliren.„Diese abscheuliche(abominadle) Kriegsparteiwürde, wenn Frankreich keinen Vertreter zu des Kaisers Ge-burtstag geschickt hätte, daraus ein solches Wesen gemacht haben,daß ich wirklich in Angst war, es könne ihr dieser Vorwandgeliefert werden." So lefen wir in dem englischen Blatt„Hersldof Peace"(„Herold des Friedens", S. 272, Julinummer). Wirhaben keinen Grund, die Richtigkeit der Notiz zu bezweifeln,zumal da dieselbe, wie uns mitgetheilt wird, schon vor Wochenin französischen Blättern gestanden hat, ohne daß ein Dementiseitens der Berliner offiziösen oder offiziellen Presse erfolgt wäre.Daß eine„Kriegspartei" in Deutschland besteht, kann ja leiderunmöglich in Abrede gestellt werden. Und zwar eine Partei,die zum Kriege mit Frankreich drängt. Seit den berüch-tigten Krieg-in-Sicht-Artikeln der„Post", die notorisch nichtdas Privatprodukt eines taktlosen Reptils waren, wofür man sieHintennach hat ausgeben wollen, also seit Frühjahr 1875 bisin die Gegenwart hinein können wir auf's Genaueste das mehroder weniger unterirdische Treiben gewisser einflußreicher Per-sönlichkeiten verfolgen, die methodisch einem Kriege zwischenDeutschland und Frankreich zustreben. Augenblicklich wird mitverdoppelter Anstrengung gearbeitet. Dem deutschen Volk wirdTag für Tag vorgeredet, Deutschland schwebe in der Gefahreines französischen Ueberfalles, wir müßten uns auf das Schlimmstegefaßt machen, der Staatsstreich, den Mac Mahon im Schildeführe, bedeute den Krieg gegen Deutschland. Kurz, es geschiehtAlles, was nur irgend geschehen kann, um das deutsche Volkgegen Frankreich mißtrauisch zu machen, zu erbittern und auf den Kriegmit Frankreich vorzubereiten. Fast ausnahmslos sämmtlicheBlätter, die in dem Rufe stehen, aus dem Reptilienfonds gespeistzu werden, wirken mehr oder weniger verblümt in dieser Rich-tung; und ein Blatt, welches offizielle Beziehungen zu dempreußischen Ministerium hat, und, obgleich es nicht so genanntwird, doch in Wirklichkeit ein offizielles Regierungs-organ ist: die„Provinzial- Correfpondenz", thut nicht nurnichts, um diesen gefährlichen Wühlereien und Aufhetzereien ent-gegenzutreten, sondern führt sogar seinerseits eine Sprache,welche geeignet ist, denselben Vorschub zu leisten und Oel in'sFeuer zu gießen.Wenn unter solchen Umständen der Kronprinz des deutschenReichs es für nöthig hält, bei feierlicher Gelegenheit persönlich„die abscheuliche Kriegspartei" zu denunziren, dann müssen wirallerdings zu dem Schluß kommen, daß„die abscheuliche Kriegs-Partei" sehr mächtig und die Kriegsgefahr dem entsprechend sehrgroß ist.Nun eine Frage.Der Kronprinz, das erhellt aus seiner Aeußerung, ist einGegner der„abscheulichen Kriegspartei". Da der Kronprinzmit seinem kaiserlichen Bater im ungetrübtesten Einvernehmenlebt, müssen wir auch annehmen, daß der Kaiser keine Sympa-thien für die Kriegspartei hat. Warum aber läßt mandann der„abfcheulichen Kriegspartei" so freien Spiel-räum für ihre„verbrecherische Thorheit"? Warumgreiftdie Staatsbehörde nicht mit kräftiger Hand ein?Sozialistische Agitatoren werden bei dem geringsten Anlaß,ohne daß es je zu Gewaltthätigkeiten gekommen, wegen angeb-licher Aufreizung einzelner Klassen von Staatsbürgern gegenandere zu jahrelangen Gefängnißstrafen verurtheilt, undeine Bande„abscheulicher" Verbrecher, die zwei Völker zubrudermörderischem Krieg gegen einander aufstacheln wollen,—Verbrecher, die durch den Schaden, welchen ihr Gehetze demHandel und der Industrie zugefügt hat, Deutschland schon umHunderte von Millionen an Geld gebracht haben und— erweiche über Rußland gebreitet worden ist. Kein Fremder kannberuhigt und mit Gewißheit behaupten, Rußland zu kennen; eshat keiner ein Verständniß für den Herzschlag dieses weithin-gedehnten Reiches, es kann sich Niemand volle Rechenschaft ablegen über die Motive, welche für Rußlands Politik maßgebendsind, über die Faktoren, welche auf dessen soziale Entwicklungeine entscheidende Einwirkung äußern.Es irrten alle Jene, die sich vor Rußland anbetend in denStaub warfen, weil sie in demselben eine„Macht des Behar-rens" sahen, den einzigen Staat in Europa, der mit Schutz-wällen versehen sei, welche in alle Ewigkeit dem Anstürmen derrevolusionären, von den modernen Ideen getragenen Hochfluthtrotzen können. Es täuschen sich Jene, welche in dem Glaubenleben, daß etwa nationale oder religiöse Sympathien der russi-schen Politik Richtung und Ziel bestimmen, und ebenso findAlle im Jrrthum befangen, die der Ansicht sind, daß Rußlandnur im Banne eines maßlosen Ehrgeizes wirke und handle.Wir sehen in Rußland immer nur die kleine Schaar der Regie-renden, denen wir alle Macht und� allen Einfluß zuschreiben;wir sehen aber nichts von der großen Masse, die hinter denRegierenden steht und diese vorwärts drängt und treibt zuAbenteuern, die vielleicht nicht immer ganz nach dem Sinne„Väterchens" sind. Wir wissen, wie die einzelnen Stämme undRacen heißen, welche den riesigen Heerbann des Czars allerNeuffen bilden, aber die Volksseele ist uns ein mit sieben Sie-geln verschlossenes Buch und wir haben keine Ahnung von demFlügelschlag derselben. Die uns bisher über Rußland belehrten,waren entweder Russen selbst, die nach gehöriger Drillung inPetersburg es bald erlernten, die offizielle Lüge mit der ge-fälschten Marke der Wahrheit zu vergehen, oder es warenFremde, die mit dem besten und ehrlichsten Willen nicht dazugelangten, die sich ihnen darbietende Oberfläche alles russischenLebens zu durchbrechen.Gerade aber jetzt, in diesem gewitterschwangeren Augenblicke,wo die Geschicke einer Welt der Willkür, einer brutalen Gewaltpreisgegeben werden sollen, wird von kühner Hand der dichteSchleier gehoben, der bisher das Reich, in welchem die Knutenie untergeht, verhüllte. Ein gottbegnadeter Dichter ist es, deruns seine Hand reicht, um uns in seine Heimat zu führen, wel-cher er treu ergeben ist und an der er mit allen Fasern feinesSeins hängt— ein Dichter, welcher trotz seiner universellenBildung und seinen oft kosmopolitisch angehauchten Anschauungenreichen sie ihr blutiges Ziel— über 80 Millionen Menschendas furchtbarste Elend verhängen, Mord und Brand auf dieTagesordnung setzen, Hunderttausende in den Tod, Millionenin Siechthum und hoffnungslose Roth treiben, die Cioilisationum Jahrzehnte zurückwerfen werden— und für diese„abscheu-lichen Verbrechen" hat der Staat keine Strafe? Ihnen fällter nicht in den Arm? Ist der Staat zu schwach, sie zustrafen, oder will er es nicht? Eins von Beiden. Und wirwissen nicht, welches von Beiden das Schlimmere ist.— Das Pferde-Ausfuhrverbot, welches die deutscheReichsregierung erlassen hat, ist, wie von keiner Seite bestrittenwird, eine Vorsichtsmaßregel in Hinsicht auf die Möglichkeiteines allgemeinen europäischen Krieges.— Aus Wilhelms-Häven erfahren wir die Nachricht, daß sämmtliche Werftarbeitertäglich zwei Stunden länger arbeiten müssen als früher; Ad-miral Stosch aus Berlin ist dort anwesend und es sollen sämmt-liche Schiffe in Dienst gestellt werden. Das sind tröstliche Aus-sichten!— Wie man die Elsaß-Lothringer für Deutschland zugewinnen sucht! Aus Mülhausen wird berichtet, daß das großeund einflußreiche politische Journal der„Jndustriel Alsacien"vom Oberpräfidenten von Elsaß-Lothringen unterdrückt fei. DieUnterdrückung ist erfolgt wegen Verbreitung deutschfeindlicherGesinnung und wegen Agitationen gegen die Zugehörigkeit Elsaß-Lothringens zum deutschen Reiche. Bekannt ist, daß der Reichs-tagsabgeordnete Dollfus seine Ansicht in einem Schreiben anseine Collegen in gleicher Weise ausgedrückt hat und im Jnter-esse Deutschlands und Frankreichs das deutsche Reich ersuchthat, die Annexion rückgängig zu machen. Ganz genau in diesemSinne wirkte der„Jndustriel Alsacien." Er rief nicht Frank-reich zu, durch Gewalt Elsaß-Lothringen zurückzuerobern, erforderte das Volk nicht auf, mit Gewalt die Loslösung derProvinz von Deutschland zu erstreben— nein, er stellte immerund immer an Deutschland das Verlangen, freiwillig der Annexionund im eignen Interesse zu entsagen. Und solche friedliche,petitionirende Agiratton ist nicht erlaubt! Da müssen die Elsaß-Lothringer Respekt vor der deutschen Freiheit bekommen, be-sonders wenn sie lesen, daß die nattonalliberalen Blätter dieoberpräsidentliche Maßregel gutheißen.— Die fünf elsaß-loth-ringer Autonomisten im deutschen Reichstage, wollen sich, durchdiese Maßregel veranlaßt, den Protestlern wieder nähern. EinigeTage Debatten über Elsaß-Lothringen stehen dem nächsten Reichs-tage hierdurch mehr bevor, als sonst.—„Nieder mit der Bonrgeoisrepublik!" Unser Par-teiorgan, die gut redigirte Breslauer„Wahrheit", schreibt:„DerWahltag in Frankreich soll jetzt auf Sonntag, den 23. Sep-tember, festgesetzt sein. Der Sonntag ist übrigens regelmäßigder Tag, an dem in Frankreich Wahlen stattfinden. Die Bo-napartisten sind unermüdlich und werden, wenn sich die Repu-blikaner nicht aufraffen, diesen den Rang ablaufen. Wir stim-�wen übrigens darin vollkommen mit dem„Vorwärts"überein, daß eine schlechte Republik unbedingt schäd-jlicher wirkt, als eine schlechte Monarchie. Denn dieSchlechtigkeit der Zustände kompromittirt die ganze Staatsform,was wir bei einer Monarchie nicht bedauern können, bei Re-publiken aber tief beklagen. Daß die miserablen Zustände inFrankreich es dahin gebracht haben, daß die Republik über-Haupt anrüchig geworden ist, davon kann man sich inDeutschland alle Tage überzeugen. Aeußcrungen wie:„Frank-reich ist eine Republik, und doch ist es dort nicht besser wiehier", haben wir nicht blos ein, nein tausend Male gehört.Darum fort mit Republiken, die nur ein schlechtes Beispieldavon geben, wie es nicht zu machen ist! Die„FrankfurterZeitung" wird daraus ersehen, daß unser Centralorganmit seiner Anschauung in der sozialistischen Parteinicht allein dasteht.— Jndeß vermögen wir immer noch nichteinzusehen, daß der Bestand der Republik ernstlich bedroht sei.Alle die Anstrengungen der Gegner werden nutzlos sein, wenndie Republikaner nur die allerersten Vorschriften der politischenKlugheit befolgen und sich an den Ultramontanen ein Beispielfür die Agitatton nehmen."— Das„Hamburg-Altonaer Volks-blatt" nimmt in dieser Frage fast eine noch radikalere Stellungein, als selbst der„Vorwärts"; wir werden in nächster Nummerdie betreffenden Stellen mittheilen.— Garibaldi hat an den Senator Keller in Augsburg,es nie verleugnet hat, Russe mit Leib und Seele zu sein. Soviele geistige Genüsse wir auch bereits Iwan Turgenjeff danken,so viele Stunden er uns auch verschönerte durch den Odem derPoesie, der seine Dichtungen durchweht und seinen GestaltenLeben verleiht, nie standen wir so sehr in seiner Schuld, nie;fühlten wir uns ihm so sehr verpflichtet, wie jetzt, wo er unsin seinem letzten Romane:„Die neue Generation",*) zeigt,was sich bisher, wenigstens in seiner Totalität, unseren Blicke»entzog, wo er zur Gewißheit werden läßt, was der Welt sichbisher nur in kargen Augenblicken als flüchtige Ahnung auf-!drängte.Mit dem Roman als solchem haben wir es hier nicht zuthun, er trägt den Stempel Turgenjeff'schen Geistes an sich, undes treten uns in demselben auch alle Vorzüge und alle Mängeldes berühmten russischen Romanciers entgegen. So manche Ge-statt, welche in diesem Roman unser Interesse erregt, fesselteauch in früheren Romanen des Verfassers unsere Theilnahme,und die tiefe Melancholie, die Turgenjeff nie verläßt, breitetihre düsteren Fittige auch über die neue Generation aus. Esfehlt nicht an Emotton, an ergreifenden Semen, so daß auchjener Leser, dem es nur um die Fabel zu thun ist, und deknur Geschichten lesen will, seine volle Befriedigung findenwird.Es ist eine eigenthümlich geartete Gesellschaft, welche unsTurgenjeff in der neuen Generatton vorführt, aber es dräng!sich uns auch sofort mit unwiderstehlicher Gewißheit die Heber-zeugung auf, daß diese Gesellschaft als typischer Ausdruck jenesRußlands betrachtet werden darf welches nur ein Werkzeug inden Händen der„regierende;. sein scheint, von dem aber inder Wirklichkeit Impulse ausgeyen, denei� sich die ObenftehcndeNkaum mehr entziehen können. Turgenjeff zeigt uns den Nihi-lismus am Werke. Wir kannten denselben bisher nur ausvereinzelten Demonstrattonen, die oft einen kindischen Anstrichnicht zu verleugnen vermochten, und aus Gerichtsverhandlungen,deren Schluß in gewohnter Weise nur eine Vermehrung derBevölkerung Sibiriens bedeutete. Turgenjeff aber schildert ih»in der Theorie und Praxis,� und er läßt uns auch über die vcr'schiedenen Abstufungen desselben nicht einen Augenblick ii**) Die französische Ausgabe des Romans trägt den Titel:„Tent*Viergeg"; die deutschen Ausgaben setzen dafür:„Die neue Generatio»oder„Neuland".