Im Verlaufe derselben Sitzung kam als 10. und letzterPunkt der Tagesordnung die„Deutsche Fleischerzeitung"zur Diskussion.„Einer der Delegirten— so heißt es in demvor uns liegenden Bericht— rügt die ungenaue und wahr-heitswidrige Wiedergabe der Fleisch- und Viehpreisein der„Deutschen Fleischerzeituug", worauf der anwesende Re-dakteur derselben kurzweg erklärt, das ginge nicht anders,denn wenn er genaue Preisangaben in der Zeitungmachen würde, so könne er sich darauf gefaßt machen,daß man ihn in Berlin steinigte."Der Congreß ließ diesen Erklärungsgrund gelten.Es wird also fortgelogen.Sagte die„Deutsche Schlächterzeitimg" die Wahrheit, sokönnte ja das Publikum dann den ehrsamen Herren Schlächter-meistern nachrechnen und ihre„Profite" berechnen.So viel über den dritten deutschen Fleischercongreß.Ein weiterer Commentar ist überflüssig— wir wiederholen blos:Wcrden's uns merken!Sozialpolitische Ueberstcht.— Skandal. Unsere Leser kennen den politischen Streber,deutschen Exrevolutionär und„amerikanischen Staatsmann" KarlSckurz. Weiland hitziger Demokrat, ist er im Lauf der Zeitenein hitziger Bismärcker geworden,— was bei seiner Kinkelver-ehrnng allerdings ein sehr natürlicher Sprung— und fand sichvor Kurzem glücklich am Ziel seiner Wünsche, indem er vondem neuen Präsidenten zum Staatssekretär(Minister) ernanntwurde. Für welche Freundlichkeiten wissen wir nicht. Dagegenerfuhren wir dieser Tage von Freundlichkeiten, die ihm wider-fahren, und für die er sich— dankbar gezeigt. Nun, Dankbar-keit ist eine schöne Tugend. Freilich es gibt verschiedene Sorten,und im vorliegenden Fall scheint Ursache und Bcthätigung etwaseigenthümlicher Art gewesen zu sein. Hören wir: Bor einigenWochen wurde die Welt überrascht durch die Ernennung einesganz unbekannten Mannes, eines gewissen Schneider, zumamerikanischen Gesandten in der Schweiz; vor einigen Tagenwurde die Welt wiederum überrascht durch die Anzeige, daß dieErnennung Schneider's rückgängig gemacht worden sei. Undnun wird die Welt zum dritten Mal überrascht durch die Lösungdes Räthsels, welche in der Mittheilung besteht, daß Hr. Schnei-der, ein reicher Bankier in Chicago und persönlicher Freund desKarl Schurz, diesem bedeutende Geldsummen geborgt und zumDank dafür in den Gesandtschaftsposten hineingeschoben wordensei; der frühere amerikanische Gesandte in Dresden, Hr. LorenzBrentano, Todtcngräber der badisch-pfälzischcn Revolution von1849, habe die Sache aus— landsmannschastlichem Gefühl fürseine deutschen Mitstreber dem Präsidenten Hohes verrathen.Eine nette Gesellschaft das! Fragt sich nur, ob und wann derdankbare Schurz seinem uneigennützigen Wohlthäter nachfolgenwird. Daß Herr Carl Schurz Sozialistenfresser ist, wie er imBuch steht, und für die heutige Gesellschaftsordnung schwärmt,brauchen wir unser» Lesern nicht zu sagen; Herr Schurz istihnen ja kein Neuling. Und wäre cr's: wer das Eigenthum— Anderer praktisch liebt, ist theoretisch ja selbstverständlich einFanatiker des Privateigenthums.— In Sachen Dühring. In Berlin sind die Unter-zcichner des Studenten-Aufrufs in Sachen Dühring's vor dasUniversitätsgericht gerufen und wegen ihres Verhaltens zurRechenschaft gezogen worden. Die Herren Professoren scheinenindeß sich mit der Absetzung des Lehrers vorläufig begnügen zuwollen; denn sie entließen die Schüler mit einer väterlichen Er-Mahnung, was von ungemein tragischer Wirkung gewesen seinsoll.— Auch in Leipzig wurde ein Student, der sich hervor-ragend an der Propaganda gegen das Verhalten der BerlinerUniversität betheiligt hatte, vor den Universitätsrichter geladen,der ihm eine„Verwarnung" zukommen ließ.— Eine Thatsache ohne Commentar. Herr Strous-berg wird in den nächsten Tagen auf freien Fuß gesetzt wer-den. Wie der Berliner„Börsenkourier" meldet, hat er diesallerhöchster Intervention zu verdanken.„Der Flügeladju-tant des Kaisers, Graf Lehndorff, hatte sich, schreibt dasgenannte Blatt, vor einigen Wochen direkt nach Petersburg be-Die neue Generation.(Zur Charakterisirung Rußlands.)(Schluß.)Wer steht dieser Gesellschaft, die aus Rand und Band zugehen droht, gegenüber? Welche Elemente halten noch an dengegebenen Verhältnissen fest, während beinahe Alles seine Sacheauf Nichts gestellt zu haben scheint? Turgenjeff hat auch inhellen Farben Jene gezeichnet, welche der Ueberfluthung durchden Nihilismus Widerstand leisten wollen. Es ist kein impo-nircndes, achtunggebietendes Heer, welches er uns in diesemFalle vorführt. Wir haben es hier nur mit solchen Leuten zutyun, die überhaupt nur gut finden, was mit dem Staub derJahrhunderte bedeckt ist, oder mit Menschen, welche den Nihi-lisnius aus keinem andern Grunde verdammen, als weil die Re-gierung ihn mit ganzer Strenge verfolgt. Turgenjeff läßt unsaber auch ahnen, daß so mancher von jenen Aristokraten, diejetzt der Mode des Nihilismus huldigen, im entscheidenden Au-genblicke das Lager der Feinde der Gesellschaft verlassen werde.Viele der Adeligen spielen mit dem Nihilismus, wie die fran-zösische Aristokratie des achtzehnten Jahrhunderts den Cultus derrevolutionären Ideen trieb und in dem Nichtgott der Atheistenihren Gott anbetete.Und das Volk selbst, wie steht es zum Nihilismus? Diegroße Menge der Armen und Elenden, der stets Geschundenenund immer Geplagten, welche im Schweiße ihres Angesichtsarbeiten müssen, ohne sich je der Resultate dieses Schweißes er-freuen zu können, die geschlagen und gemartert werden, ob sienun Leibeigene oder Frcigewordenc sind, blicken sie etwa sehn-süchtig dem Heilande entgegen, dessen baldiges Erscheinen ihnenvon den Wortführern des Nihilismus in Aussicht gestellt wird?„Ja, ja," sagt ein Bauer der neuen Generation,„es wäre schongut, wenn es gar keine Herren auf der Welt gäbe und allesLand uns gehörte; was könnte wohl besser sein? Solch einUkas ist aber noch nicht erschienen!" Wenn erst„Väterchen"den Nihilismus anbefehlen wird, dann wird auch diesein allen ihren wilden Trieben entfesselte Masse aufbrechen, umsich vernichtend auf die Gesellschaft zu stürzen... Auf Ukasehofft das Volk, welches von Allen, die ihm das Heil und dasEvangelium der Zukunft predigen, verlangt, daß sie riesige Quan-titäten von Branntwein vertilgen! Im Branntwein sieht es dieeinzige Beglaubigung!Von ergreifender Wirkung ist jenes Kapitel, in welchemTurgenjeff schildert, wie der Held der neuen Generation, eindurch und durch edler Schwärmer, mit seinem Worte die Bauerngeben, um beim Czaren die Freilassung des Dr. Stroußbergzu erwirken. Nachdem die Angelegenheit noch in jüngster Zeitmancherlei Phasen durchlaufen hat, ist ihm dies dennoch ge-lungen."— Wir erhalten aus Berlin folgende Zuschrift: Die„Na-tional-Zeitung" schreibt in Nr. 314 d. I.:„Der Briefpostver-kehr in Berlin hat während der drei letzten Monate gegen diedrei letzten Monate des Vorjahres erheblich zugenommen. EinGleiches gilt auch vom Packetpostverkehr. Da der überwiegendeTheil dieser Sendungen geschäftlicher Natur ist, so darf dieerwähnte Steigerung als ein erfteuliches Zeichen einer günsti-geren Entwickelung der Geschäftslage aufgefaßt werden."— Daßdie Zunahme des Packetpostverkehrs auf Kosten des Collibahn-Verkehrs geschieht, davon hat das Dernburg'sche Blatt natürlichkeine Ahnung; die Post hat bekanntlich gerade in Bezug aufgrößere Pallete bessere Bedingungen gestellt. Fügen wir obigerMittheilung noch die von Herrn Lammers„Unfindliche Roth"(letzte Nummer der Lindau'schen„Gegenwart")— Herr Lammershat wahrscheinlich in seinem„Arnheim" die Roth vergebens ge-sucht— hinzu, so leben wir herrlich und in Freuden!— Herrliche Kriegsfrüchte. Wir haben schon oft daraufhingewiesen, daß nach den Kriegen die Verwilderung im Volkeimmer zunimmt. Daß die Behauptung nur zu wahr ist, hatdieser Tage ein Fall, der vor dem Münchener Schwurgerichteverhandelt wurde, bewiesen. Auf der Anklagebank saßen derMüller Gutschenreiter von Holzhausen und sein SchwagerJohann Mayer, welche gemeinschafilich das DienstmädchenVeronika Allerberger, nach vorhergegangener Verabredung mitihren Frauen, erwürgt und dann aufgehängt haben, um an einen Selbst-mord glauben zu machen. Nach den Zeugenaussagen hat sichobiger Mayer vor dem Morde öfters renommirend geäußert:„Die wern mir bald weg haben. I bin Soldat g'wen, warAnno 70 dabei, i bin dös gewöhnt, auf oan Menschen-leben geht's ma nimma zfisammenl"— Die Mörder wur-den zum Tode verurtheilt. Das Gesetz hat seine Sühne. Aberist nicht an diesem Morde auch die Gesellschaft Schuld, die esermöglicht, daß der Massenmord im Kriege noch existirt?— Beamtenwillkür. Es geht uns soeben folgendesSchriftstück zu, das zu veröffentlichen wir uns um so mehr ver-pflichtet fühlen, als etwas ähnliches auf diesem Gebiet kaum jegeleistet worden sein dürfte. Man höre und staune:„Wie zur Kenntniß der unterzeichneten Königl. Kircheninspek-tion gekommen ist, haben Sie der von Ihnen am 17. Aprilvorigen Jahres vor hiesigem Standesamte geschlossenen Ehe mitAmalie E---- aus Jägersgrün ungeachtet seelsorgerlicher Ermahnung und der Ihnen unter dem 18. Juni vorigen Jahres und6. März dieses Jahres zugegangenen behufigen Aufforderungendes hiesigen Kirchenvorstandes die kirchliche Trauung nicht nach-folgen lassen, auch die Taufe Ihres am 8. Januar laufendenJahres geborenen Kindes trotz erfolgter bezüglicher Anregungbisher nicht begehrt.„Es ist deshalb nunmehr in Gemäßheit Z 3 des Kirchengesetzes, einige Bestimmungen über die Anfrechterhaltung kirchlicherOrdnung betr., vom 1. Dezember 1876 gegen Sie zu verfahrenbeschlossen worden und werden Sie deshalb cndurch geladen,den 12. dieses Monats Vormittags 9 Uhrin Gemeinschaft mit Ihrer Ehefrau an Jn>pektiousstelle(Königl.Amtshauptmannschaft) zu erscheinen und des Weiteren gewärtigzu sein.Auerbach, am 2. Juli 1877.Königliche Kircheninspektion für Auerbach."Unterzeichnet ist das Schriftstück von dem SuperintendentMeitzer, Amtshauptmann Polenz(?) und Bürgermeister Eule.Der wie ein Verbrecher vor den Richter citirte— ein Weber-meister— gedenkt der Vorladung keine Folge zu leisten. Under thut recht daran. Denn kein Gesetz, und selbst der§ 3 desKirchengesetzes nicht, berechtigt die Kircheninspektion in Auerbachzu einem aggressiven Vorgehen in Sachen des Civilstandsgesetzes.Hoffentlich werden wir bald in der Lage sein, über den weiterenVerlauf der Angelegenheit berichten zu können.— In Belgien, dem kontinentalen Musterlande der Bour-geoisie und Bourgeoisparadies, hat bekanntlich die Kinder-eines Dorfes zur Erhebung treiben will. Während er auf einstürmisches Entgegenkommen hofft, während er erwartet, in denGenüssen i der allgemeinen Verbrüderung schwelgen zu können,wird er von den Bauern genöthigt, fort und fort Branntweinzu trinken, bis er, seiner Sinne nicht mehr mächtig, bewußtloszusammenbricht.Es ist gewiß ein höchst merkwürdiger Racheakt des beleidig-ten Geistes der Gegenwart, daß gerade Kaiser Nikolaus I., der„gekrönte Korporal", wie ihn Alexander Herzen nannte, denNihilismus hervorrufen und großziehen mußte. Unter seinemstarren Regimente, welches den asiatischen Despotismus durchdie Mittel erhöhte, die ihm der verfeinerte europäische Absolu-tismus zur Verfügung stellte, wurde der Same gestreut, derheute Blüthen treibt, die zu beseitigen der Gewalt nicht so leichtgelingen dürfte. Mit der trockensten Brutalität und mit derpedantischsten Willkür peitschte Nikolaus dem russischen Volke dieSeele aus dem Leibe. Er unterband alle Adern des Volkslebensund verstopfte alle Quellen, welche dieses Leben erfrischen undstärken konnten. Damals wurde jener grause Mord an derWahrheit begangen, der in seinen Endwirkungen dahin führte,daß, wie Turgenjeff sagte,„jeder Russe lügt, wenn er nurden Mund öffnet". Mit Entsetzen erfüllt und von tiefemEkel ergriffen, zogen sich die Besseren, für die es ohnehin keineBetheiligung an den öffentlichen Angelegenheiten gab und gebendurfte, scheu in sich zurück und verfielen in dieser Vereinsamungeiner maßlosen Blasirtheit, die oft den Stempel des Byron'schenWeltschmerzes an sich trug, oft aber auch zum gedankenlosenGeckenthum herabsank. Die Helden Puschkin's und Lermon-toff's, die eigentlich nie etwas Anderes als Haralds und DonJuans in Juchtenstiefeln waren, wurden die Ideale der Gebildeten.Auf die Dauer gewährt aber auch das Blasirtsein keine Be-friedigung, und nur in Momenten der Täuschung kann man dieAbspannung mit der Beruhigung verwechseln. Der Blasirtheitfehlt das Pathos, die Leidenschaft; sie macht das Blut stockigund gewährt keine Erregung. Diese aber suchten die Russen,und sie glaubten sie in den Werken der deutschen Philosophenunb_ der französischen Sozialisten zu finden. Mit einem nichtzu stillenden Heißhunger warfen sie sich auf das Studium der-selben, und sie, die zu Hause nicht den leisesten Schritt in dieOeffentlichkeit wagen durften, wurden zu Weltverbesserern, diein der Theorie Alles über den Haufen werfen wollten. Dieäußerste Linke der Hegelianer erschien ihnen als reaktionär, inder Anarchie Proudhon's sahen sie eine conservative Institution.An Händen und Füßen gefesselt, mit dem Knebel in dem Munde,und Frauenarbeit wahrhaft erschreckende Dimensionen ange-nommen. Nach den neuesten statistischen Tabellen sind in denKohlengruben 15 Prozent der„Hände" kleine Knaben und10 Prozent kleine Mädchen, also ein Viertel kleine Kinder,und„über der Erde" sind mehr als 30 Prozent der„Hände"Frauen und Kinder. Im Hennegau, das eine Grubenarbeiter-Bevölkerung von 80,000 Seelen hat, arbeiten Tag für Tag2327, geschrieben zwei Tausend dreihundert sieben undzwanzig Kinder unker zehn Jagren! Wie es dort um die„Sittlichkeit", um die„Bildung" und um die Gesundheit desarbeitenden Volks beschaffen sein mag, kann Jeder sich denken.Aber, das ist nun einmal„die beste aller möglichen Ordnungen",und diesen Zuständen ein Ziel setzen wollen, das wäre ja eine„Beeinträchtigung der Freiheit".—„O Freiheit, welcheVerbrechen werden in deinem Namen begangen!" rufen wiraus, da es die Roland*) bekanntlich nicht gethan hat.— In Großbritannien hat sich die Lage der am ClydeAusgesperrten nach den neuesten Berichten der„JndustrialReview" ziemlich günstig gestaltet. Der Versuch der Schiffs-baumeister, aus Dänemark und Holland Arbeiter zu beziehen,wird als vollständig mißlungen geschildert: die Ausgesperrtenhalten fest zusammen, und obgleich einer der„Herren" vor Kurzemseine Werkstätten mit honigsüßen Versprechungen aber zu den re-duzirten Preisen öffnete, meldete sich auch nicht ein Mann. Da nundas Geschäft pressirt, werden die Kapitalisten wahrscheinlich vomhohen Roß herabsteigen und sich zu einem Compromiß verstehen,zu dem, unter billigen Bedingungen, die Arbeiter bereit sind.—Der Strike der Kohlengräber von West-Lancashire ist nichtzu Ende, wie von einigen Blättern gemeldet wurde. Nur ineinem, nicht den Ausschlag gebenden Ort, in Haydock, hat einTheil der Arbeiter die Arbeit zu den reduzirten Preisen auf-genommen; an den Hauptpunkten: in den Distrikten von Wigan;und St. Helens, stehen die Arbeiter jetzt in der fünften Wocheaus und sind auch entschlossen, sich der Reduttion um 10 Proz.nicht zu fügen.— In Süd-Wales fortwährende Gährung.—Da in Folge der Krifis im Kohlengewerke die Trades-Unionsder Kohlenarbeiter schwer gelitten haben und in ihrer Organi-satton zerrüttet sind, soll jetzt eine gründliche Reorganisation]dieser Gewerkschaften in Angriff genommen werden. Hoffent-lich wird es bei dieser Gelegenheit den Arbeitern klar, daß die jGewerkschaften überhaupt nur bis zu einem gewissen Punftenützlich sein können, und daß der Kampf gegen das Kapital, umerfolgreich zu sein, auch mit anderen Waffen und auf anderem'Gebiet gekämpft werden muß.— Im Eisengewerbe gleich-!falls Conflikt zwischen Kapital und Arbeit. In Darlington>und an anderen Punkten haben die„Herren" eine Lohnreduktiondekretirt, der die Arbeiter sich widersetzen. Eine Conferenz vonDelegirten beider Theile einigte sich dahin, daß ein Schieds-richterspruch eingeholt werden soll. Für den erwarteten Fall,daß derselbe zu Ungunsten der Arbeiter sein wird, werden die>Arbeiter sich zwar fügen, aber die Gewerkschaft will dann eineAuswanderung im Großen organisiren,„um den Arbeitsmarkt!zu erleichtern". Freilich ein sehr problematisches Mittel.—Am 3. Juli begrüßte eine englische Arbeiterdeputation!den ExPräsidenten der Vereinigten Staaten, Herrn Grant, undüberreichte ihm eine Adresse, in welcher die Sympathien derenglischen Arbeiter mit der amerikanischen Republik ausgedrücktwerden. Grant sagte in seiner Antwort:„— Während meinerAnwesenheit in England ist mir von vielen Seiten, von denherrschenden Klassen, von Behörden und vom Volk bei zahlreichenGelegenheiten der freundlichste, der ehrendste Empfang zu Theilgeworden, aber auf keinen Beweis der Sympathie bin ich stolzerals auf den gegenwärtigen. Ich habe öffentlich die Thatsacheanerkannt, daß Alles, was in den Vereinigten Staatenwie in jedem anderen Lande groß ist, daß Alles, wasuns groß gemacht hat, der Arbeit zu verdanken, unddaß— der Arbeiter der Arhever asser chröße und asses Weich-tflums iß." Was Herr Grant sonst gesagt hat, ist gleichgilttg.Auch daß er, als Präsident, nicht nach dem in obigen Wortenenthaltenen Grundsatz gehandelt hat, wollen wir hier nicht*) Madame Roland, die Führerin der Girondisten, soll diese Worte �beim Besteigen des Schassots ausgesprochen haben, als sie die in un-ftmittelbarer Rahe befindliche Bildsäule der Freiheit erblickte. Es ist �das aber eine der so zahlreichen Geschichtsfabeln oder Fabelgeschichlen.>machten sie den Ricsensprung in den Nihilismus hinein. DieBilder der allgemeinen Zerstörung, die sich ihres Geistes be-!mächtigten, gewährten ihnen die Erregung, die ihrer Seele im-Banne der Blasirtheit gefehlt und welche sie so schmerzlich cnt-!behrt hatten. In der Wirklichkeit willenlose Sklaven, rütteltensie in ihren Träumen beinahe an allen Grundfesten des staat-lichen und sozialen Baues. Nur an die Kirche Katen sie nichtheran, und auch die Helden der neuen Generatton, die sich durchkeine Schranke halten lassen, verzichten darauf, der Kirche gegen-über die letzten Conscquenzen des Nihilismus zu ziehen. Vonall den Stürmern und Drängern, die uns Turgenjeff vorführt, �wagt kein einziger ein Wort gegen das in Unwissenheit und Geist-losigkeit erstarrte Popenthum zu sprechen. Offenbar ist dieKirche jenes Terrain, auf welchem selbst der glühendste Nihilist>zum Russen wird, welcher die ihm von der Regierung zu Theilgewordene Züchtigung nicht verleugnen kann.Unter Alexander 1l. hat sich Manches geändert, aber nur inden seltensten Fällen bedeutete die Acuderung auch eine Besse-rung. Die Betheiligung an den öffentlichen Angelegenheiten istden Russen nach wie vor versagt, und die Gewalt ist dieselbe �geblieben, wenn sie auch vielleicht sich oft in andere Formen hüllt.!„Ueberall ist man von Spionen umgeben, Denunziationen, Lügeund Trug sind an der Tagesordnung, nirgends ein Ort, woman sicher wäre," so charakterisirt Neschdanoff, der Held derneuen Generation, das heutige Rußland. Der Nihilismus aberist der unklare und unbestimmte Ausdruck jener tiefen!Sehnsucht nach Aenderung alles Bestehenden, welche die Jugendin Rußland mit ehernen Krallen ergriffen hat. Und Rußland!wurde so glücklich und so allseitig zu Grunde regiert, daß man�von keiner der bekannten Regierungs- und Gesellschaftssormenmehr das Heil erwartet, sondern nur dem„Nichts" die Kraft!zutraut, das russische Volk neu zu beleben und mit frischenSäften zu durchströmen.„Allens verrunjcniren", war die Losungdes Berliner Pöbels im Jahre 1848, und diese Losung ist auchdas einzig Feststehende in dem Programm der russischen Nifthilisten.Es ist ein furchtbares Programm, dessen Erfüllung und Be-wahrhcitung die russische Jugend anstrebt, aber es steht nur imgeraden Berhältniß zu dem Ekel, den das System hervorrief,welches Peter der Große inaugurirte und das er, wie die neueste!Forschung will, ohne Testament seinen Nachfolgern als Erbehinterlassen hat. Dieser Ekel ist der Jugend bereits bis an den.Hals gesttegen; sie fühlt sich von der Gefahr bedroht, daß inder nächsten Stunde schon der ihr noch gebliebene letzte Rest!von Würde und Edelsinn von kalter Faust erwürgt werden könne,.