Dernburg, nimm ein Fläschchen mit Salmiakgeist zur Hand) gar kein— stehendes Heer brauchten, daß auch in den Grenzdistrikten die Bürgermiliz vollständig genügte, kam die Frage in dem neuen amerikanischen Kabinet zur Sprache, und— es ist unerhört, aber leider wahr!— mehrere Minister stimmten für lFritzchen Dernburg, rasch die Nase ans Fläschchen!) Ab- schaffung des stehenden Heers, und um Ein Haar wäre der hoch- und landesverrätherische Antrag im Ministerrath durch- gegangen. Blas durch eine oder zwei Stimmen Majorität wurde„das einzig wahre und sichere Staatsfundament" gerettet. Aber ach! es ist nur eine Galgenfrist, und wer weiß, wenn dieses selbstmörderische Attentat wiederholt wird, und zwar mit besserem Erfolg.(Gott sei Dank, seufzt Fritzchen Dernburg, der sich inzwischen von seinem Ohnmachtsanfall erholt hat, Gott sei Dank, wir im strammen Kasernenland sind doch bessere Menschen, als die Barbaren dort drüben im„Freiheitsstall, bewohnt von „Gleichheitseseln"!) — Auf dem asiatischen Kriegsschauplatz wird es eine Zeit lang still sein, da die Niederlage der Russen eine so gründ- liche ist, daß sie einiger Zeit bedürfen, ehe sie die Operationen wieder aufnehmen können; und auf dem europäischen Kriegs- fchauplatz ist nun auch eine, freilich kürzere. Pause eingetreten. Diese momentane Stille wird von der Rubelpresse dazu benutzt, den Eindruck des russischen Fiaskos durch unverschämteste Lügen womöglich etwas zu verwischen. Ein geschlagener russischer General läuft an einer türlischen Festung(Bajazid) vorbei und entgeht mit knapper Roth der Gefangenschaft: großer russischer Sieg! ein russischer Söldner mit ein paar„Insurgenten" über- fällt in der Herzegowina einen türkischen Soldaten— großer Sieg über die Türken; Suleima» Pascha, der nach dem Zeugniß aller Militärs in dem Feldzug gegen Montenegro wahrhast Glänzendes geleistet hat, marschirt, nachdem er seine Aufgabe erfüllt und das montenegrinische Raubnest nicht„besiegt", son- dern zermalmt hat, den Russen entgegen, das heißt dahin, wo sein Platz ist— großer Triumph der„unüberwindlichen Söhne der Schwarzen Berge"; die türkische Armee ist so ge- schwächt, daß sie freiwillig abziehen und den montenegrinischen „Siegern" das Feld überlassen muß. So wird gelogen, und so wird(für gutes Geld) weiter gelogen werden, bis die That- fachen wieder reden. Also sehe man sich die„russischen Siege", die jetzt wie die Brombeeren wachsen werden, genau an. — Abdul Kerim Pascha, CuncUtor(d. h. Zauderer), macht seinem Namen alle Ehre, ohne aber, wie der alte Radius Cunctator , seinem Lande Ehre zu machen. Daß er die Russen ohne besondern Widerstand über die Donau gelassen hat, wollen wir entschuldigen, weil er die ganze Donauläuge nicht besetzen konnte, ohne seine Kräfte zu zersplittern; auch hieß es immer, die Russen seien wie in einem Sacke gefangen: auf der linken Seite das Festungsviereck, auf der rechten Serbien und ein Theil des Balkans und vor sich das hohe Balkangebirge — ohne eine siegreiche Schlacht, welche aber die Türken schlagen konnten an günstigster Stelle, konnten die Russen sich nicht entwickeln und würden, wenn sie noch lange so„angenagelt" geblieben wären, durch Mangel an Lebensmitteln gezwungen worden sein, den Rückzug über die Donau anzutreten— ohne Schwertschlag. Da plötzlich ertönt die Kunde, daß 18 russische Bataillone in der Nacht vom 13. zum 14. Juli die Schipkapässe des Balkan ohne Schnß pasfirt hätten und somit der Sack geöffnet wäre. Beruht diese Kunde auf Wahrheit, so ist Abdul Kerim Pascha nicht mehr ein Zauderer, sondern ein Verräther oder ein Esel. — Der Fall von Nikopolis, der gleichfalls gemeldet wird, war vorauszusehen und hat geringere Bedeutung— die Besatzung hat sich löwenmuthig geschlagen und ist dann abgezogen. — Eine„Berichtigung". In Nr. 73 des„Vorwärts" brachten wir unter: Frankfurt a. M. folgende Notiz: „Das hiesige Appellationsgericht bat in der im„Vorwärts" bereits erwähnten Privatklage des Schriftstellers Mehring in Berlin wider den Herausgeber der„Frankfurter Zeitung ", Sonne mann, wegen der Bezichtigung, daß der Letztere dem Elfteren Verleumdung und Erpressungsversuch vorgeworfen habe, unter theilweiser Abänderung der Motive, die in der ersten Instanz ausgesprochene Freisprechung Sonnemann's bestätigt. Die seitens Mehring's beanttagte Wiederaufnahme des Beweis- Verfahrens wurde abgelehnt und Mehring in die Kosten ver- urtheilt." Diese Notiz gab Herrn Mehring Anlaß, auf Grund des 8 11 des Preßgesetzes die Aufnahme einer„Berichtigung" zu ver- langen, in welcher er es für„unwahr" erklärt, daß das Herrn Sonnemann freisprechende Erkenntniß der ersten Instanz von dem Appellationsgericht bestätigt worden sei. Die Veröffent- lichung der„Berichtigung" wurde von uns im Brieftasten der Nr. 81 mit folgenden Worten abgelehnt: „Herrn Franz Mehring in Berlin . Wir werden Ihre„Be- dcrten, zufrieden sind. Könnte der„brave Ordnungsmann" Victor Böhmert in Dresden darauf vielleicht Antwort er- theilen? —„Sicherheits-Couverts". Eswas für Hrn. Stephan. Wir lesen in den Zeiwngen:„Kürzlich ist in New-Iork eine Erfindung ge- macht worden, welche gegen das Oeffnen von Briefen auf der Post ge- richtet ist. Man verkauft nämlich sogenannte„Sicherheits-Couverts" (Safety Envclopcs), welche auf den einzelnen Theilen der Rückseite, mit Chemikalien bedruckt, die Worte enthalten:„�ttempt to opun'' (Versucht zu öffnen). Die Chemikalien werden für den Druck in zwei Abtheilungen angewendet. Zuerst erfolgt der Druck mit Galläpfeln, dann mit grünem Vitriol. Aber dieser Druck ist unsichtbar und erst wenn man versucht, das Couvert mittelst Dampf oder irgend einer An- seuchtung zu öffnen, dann wird der magische Druck sichtbar und der Versuch des Oeffnens ist vcrrathen.". Vielleicht führt Herr Stephan, dem ja die Heiligkeit des Brief- geheimnisies so sehr am Herzen liegt, diese Briescouverts in Deutsch - land ein. Freilich die ehrsame Zunft der Herren Poststieber würde sich darüber nicht sonderlich grämen, denn die Briefe, deren Eröffnung ver- �ätherische Spuren hinterlassen hat, kann man ja einfach— verloren gehen lassen. — Heiter. In der„Nationalzeitung" vom 11. d. Mts. findet sich über den„Culturkampf in Rußland " ein Artikel, welcher die abscheu- lichen Verfolgungen aller nicht orthodoxen russischen Untcrthanen bitter- Iich beklagt(daß diese brutalen Verfolgungen als„Culturkampf" be- zeichnet werden, ist eine sehr unfreiwillige Reichsfeindlichkeit) und schließ- Ilch, angesichts der Befreiunqsmission. die Rußland jetzt im Orient übernommen,„Glaubens- und Gewissensfreiheft in Rußland " erfleht. sritz Dernburg als Marquis Posa vor den Veranstaltern der polnischen Blutorgien, der Bombardirung von Hospitälern, der Ein- äscherung friedlicher Städte, der Niedermetzelung von Gefangenen und unbewaffneten Bürgern, der Schändung von Weibern, der Kriegführung ä U Thomas. Wahrlich ein Schauspiel für Götter! richtigung" in Bezug auf Ihren Prozeß contra Sonnemann nicht aufnehmen, weil wir das, was Sie angeblich berichtigen, gar nicht geschrieben haben— es steht nicht im„Vorwärts", daß das Apellationsgericht zu F.„das freisprechende Erkenntniß erster Instanz bestätigt habe", wohl aber, daß die Freisprechung Sonnemann's unter theilweiser Abänderung der Motive bestätigt worden sei.— Im Uebrigen halten wir es dem„guten Tone" entsprechend, daß man„Berichtigungen" an Redaktionen minde- stens auf ein„anständiges" Blatt Papier — nicht auf ein schmutziges— schreibt." Flugs sandte uns Herr Mehring eine zweite„Berichtigung" zu, der wir hier Raum gewähren wollen. Herr Mehring„be- richtigt" also: „Auf Grund von§ 11 des Preßgesetzes verlange ich die Aufnahme der thatsächlichen Berichtigung, daß die in Nr. 73 des„Vorwärts" gebrachte und in Nr. 81 desselben Blatts wieder- holte Behauptung, daß das Apellationsgericht zu Frankfurt a. M. in meinem Prozesse gegen Sonnemann die in erster Instanz ausgesprochene Freisprechung des Beklagten bestätigt habe, un- wahr ist. Berlin , 13. Juli 77. Franz Mehring ." Weß Geistes Kind diese„Berichtigung" aber ist, das mögen unsre Leser aus den folgenden Zeilen ersehen, die wir einem Schreiben, welches der mitbetheiligte Herr Sonnemann auf unsere Anfrage an uns richtete, entnehmen: „Das Appellationsgericht erklärte, daß ich aus dem von Mehring an die Redaktion gerichteten Briefe Grund gehabt hätte anzunehmen, daß ein Erpressungsversuch beabsichtigt sei. Das Wort notorischer Verleumder bezeichnete das Gericht da- gegen als eine einfache Beleidigung, welche durch die Belei- digungcn Mehring's hinreichend compensirt sei. Das Urtheil sagt, demnach sei ich straffrei und verurtheilte Mehring in die Kosten." Hoffentlich werden unsre Leser die„Berichtigung" des Herrn Mehring jetzt voll und ganz zu würdigen wissen. CvTr�potweRzen. Mainz , 8. Juli. Heute haben wir hier unseren Oberbürger- meistcr Karl Wallau zu Grabe geleitet. Karl Wallau war als Buchdrucker 1846 in London Arbeitervereins-Mitglied, seit 1847 war er Präsident des Brüsseler sozialistischen Arbeitervereins und Mitglied des communistischen Bundes; thätig war er als solches bis Mitte 1848; dann trieb es ihm nach rechts, bis er durch Gunst und Glück es dahin gebracht, als reicher Mann zum Oberbürgermeister ernannt zu werden. Rruchsak, 11. Juli. Endlich haben wir es zu Stande ge- bracht, daß auch am hiesigen Orte eine sozialistische Versammlung stattsinden konnte. Schon zweimal wurden Versuche gemacht, eine solche zu Stande zu bringen, beidemal jedoch ohne Erfolg, da jedesmal nach stattgehabter Versammlungsanzeigc der Lokal- besitzcr so stark beeinflußt wurde, daß er nachträglich seine Zu- sage zurückzog. Diesmal jedoch gelang es einigen Parteimit- gliedern, das Vorurtheil zu brechen und den Wirth zur Ueber- lassung des Lokals zu bestimmen, und so referirte am Montag Herr Dreesbach über„die Bestrebungen der Sozialdemokratie" und erledigte sein Thema so meisterhaft, daß die auch seitens der Bourgeoisie überaus zahlreich besuchte„Arbeiterversammlung" (das geräumige Lokal war gepfropft voll und noch von Hunderten umlagert) ihm die Anerkennung nicht versagen konnte, wie nämlich die neue„Bruchsaler Zeitung" schreibt. Die„Kroichgauer Zeitung", welche im Beschimpfen und Verleumden der Sozial- demokratie schon so Erkleckliches geleistet, zog es vor, über diese Versammlung— beschämt?— zu schweigen. Schließlich fanden mehrere Aufnahmen in die neugegründete Mitgliedschaft statt. Hoffen wir, daß bald mehrere Versammlungen folgen werden, damit auch hier sich die Sozialdemokratie mehr und mehr Bahn bricht. l. Arankfurt a. W., 15. Juli. (Die„Demokratie", wie sie scheint und wie sie ist.) Ein jeder ABC-Schütze des Sozialismus wird uns, wenn wir ihm die Frage vorlegen: durch was unterscheidet sich der Sozialismus von der bürgerlichen Demokratie? antworten: Das Streben der Demokratie gipfelt in einer Republik mit möglichst freier politischer Staatscin- richtung, während die Sozialdemokratie„die politische Freiheit ohne soziale Gleichheit für ein Ding der Unmöglichkeit hält"!— Es ist nun einmal eine nicht abzuleugnende Thatsache, daß Der- jenige, welcher seine traurige soziale Lage begriffen hat, das Streben nach Vervollkommnung des Wissens für seine erste Pflicht hält. Dieses Streben lehrt ihn logisch denken und urtheilen über gesellschaftliche Organismen, welche er vielleicht früher für ein feststehendes Naturgesetz gehalten haben mag.— In meiner Unterscheidung zwischen Demokratie und Sozial- demokratte sollte aber ein Zwischenfall mich in einigen Zweifel bringen. Die Wogen vor der Wahl am 10. Januar 1877 schlugen hoch. Wie ja bekannt sein dürfte, hatten wir hier in Frankfurt bei der Wahlcampagne ein kunstgerechtes politisches Quartett. Nationalliberale, Fortschrittler, Demokraten, Sozialisten und zum Ueberfluß auch Ultramontane rüsteten sich, Heerschau zu halten. Schon glaubte man allgemein, der National- liberalismus würde mit dem Fortschritt Arm in Arm vereint sein Jahrhundert in die Schranken rufen, da hatte eines schönen Tages der gemeinschaftlich aufgestellte Candidat das Malheur, sich zu der Abends im Fortschrittsclub zu haltenden Rede das Conzept von den Nationalliberalen zu holen vergessen. Dieser Frevel mußte gerochen werden.— In öffentlichen Versammlungen mit anderen Parteien ihre Bestrebungen zu diskutiren und klarzulegen, dazu hatten die Liberalen durchaus keine Ursache. Weiß es doch jedes Kind, daß das jetzige„glorreiche Deutsch- land" das ureigenste Werk des Liberalismus ist, und daß es deshalb so ruhig schlafen kann, weil es sich nach innen und außen durch das stehende Heer geschützt weiß. Freilich in ge- schlossenen und verschlossenen Versammlungen ließen sie sich's nicht nehmen, den Beweis zu liefern, daß sie nach Dutzenden ihre Redner zählen könnten, welche es verständen, in gewählten und ungewählten Ausdrücken ihr Mißfallen über die destruktiven Tendenzen der Sozialisten vorzutragen. Und wer will es den befrackten und mit Glacehandschuhen ausgestatteten„Volks- freunden" da verargen, daß sie sich von den nach Petroleum duftenden Proletariern fernhielten? Die Demokraten dagegen handelten anders. Sie zogen während der Dauer der Wahl- campagne ihre Glacehandschuhe aus und griffen mit bloßen Händen zu. Die Gelegenheit war günstig, mit der Demokratie so manches Plauderstündchen zu verbringen. Gleich zu Anfang der Versammlung zeigte es sich, daß(um mit der„Frankfurter Zeitung " zu reden)„das gute Stück Wegs, auf dem wir zu- sammengehen," von vornherein noch einen kleinen Fußsteig für die Demokraten hat. Kurz und gut, die Sozialisten konnten oder wollten es nicht begreifen, daß es der demokratischen Idee entspreche, wenn bei Eröffnung der Versammlung das leitende Bureau schon fix und fertig sei. Sie meinten, dies habe wohl seine Berechtigung in einer Versammlung, welche lediglich Partei- ' Versammlung sei(z. B. im demokratischen Vereine, wo ein Andersdenkender sich als Gast zu betrachten habe); in einer öffentlichen Volksversammlung sei dies anders, da müsse Gleich- berechtigung herrschen. Ein solches Verfahren kann man undemo- kratisch finden. Warum denn nicht? Die verwünschte Mangel- hafte Schulbildung der Sozialisten!— In einer dieser Ver- sammlungen geschah es denn auch, daß dem von demokratischer Seite aufgestellten Kandidaten die direkte Frage vorgelegt wurde: „Ob er das eherne ökonomische Lohngesetz auerkenne?" Meine Ohren hörten ein lakonisches„Ja!" Aus den weiteren Aus- einandersetzungen, welche mir allerdings etwas unklar vorkamen und mich lebhaft an die Katze und den heißen Brei erinnerten, konnte ich wenigstens so viel entnehmen, daß auch sie sich lebhast mit der Lösung der sozialen Frage beschäftigten. Einer der hervorragendsten„Blauen " meinte, der Unterschied sei nur der, daß sie eine organische Entwicklung anstrebten und nicht, wie wir, mit den Köpfen durch die Wand wollten. Wieder also eine Begriffsverwirrung über den Sozialismus, indem wir uns bis jetzt einbildeten, eine solche organische Entwicklung anzustreben! Ich glaubte immer, daß wenn man sich die Frage vorlegte: „Sind die gegenwärttgen sozialen Verhältnisse dazu angethau, daß du als Mensch menschenwürdig leben kannst?" daß man dieselbe mit Nein beantworten müßte und daß man sich dann einer Partei anzuschließen habe, die mit nicht mißzuverstehender Klarheit ihr Ziel verfolgt, nämlich:„Umänderung der jetzigen Produktionsform." Aber viele Demokaten denken und handeln nicht so consequent, weil ihuen die heuttge Gesellschaftsform lieb ist. Sie gehören ja auch zu den Auserwählten, denen diese Gesellschaftsform Vorrechte und Privilegien einräumt, die ihnen nimmermehr der von den Sozialisten erstrebte, auf Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit bastrte Staat bieten kann. Entweder für oder gegen— was dazwischen liegt ist vom Uebel! Als ich mich nun mit ähnlichen Anschauungen zur Genüge gequält, kam ich auf den Gedanken, nachzuforschen, wie denn eigentlich die Demokraten im praktischen Leben das Streben nach Besserstellung des Looses der Arbeiter zu handhaben verständigen. Es konnte mir nicht schwer werden, auf der Suche im Lager der„Volkspartei " oder— wie der„Vorwärts" im ersten Artikel die„Rothen wider die Blauen" keffend bemerkt— der„Partei der, Frankfurter Zeitung� " mir Gewißheit zu verschaffen. Ich fing bei der Spitze an. Der Herausgeber der„Frankfurter Zeitung " hatte ja ein eigenes Geschäft, eine Buchdruckerei, da konnte ich ja durch praktische Anschauungen meinen theoretischen Combinationen am Besten zu Hilfe kommen. Auch fiel mir hierbei gleichzeitig ein, daß früher einmal unser weiland alter Freund, der„Volksstaat" nicht umhin konnte, genanntem Herrn über dessen Arbeiterfreundlichkeit ein kleines Loblied zu singen.(??) Die Botschaft hörte ich wohl, allein mir fehlte der Glaube. Wenn ich nicht irre, handelte es sich damals darum, daß ab- wechselnd einige Arbeiter aus der Druckerei der„Frankfurter Zeitung" ohne Abzug des Lohnes Urlaub zu einer Erholungs- oder Badereise erhalten sollte! Laut und feierlich wurde dies im Geschäfte verkündet, aber— bis jetzt weiß noch Niemand etwas von einer solchen Reise zu erzählen!— Als man vor einigen Jahren in der sozialen Quacksalberei ein von einem englischen Nationalökonomen entdecktes Kräutchen zur Linderung der Uebelstände unter dem Titel„Lartnership" anpries und einige liberale Bourgeois nach diesem kostbaren Palliativmittelchen gleich gierigen Hechten nach dem Angelhaken schnappten, da blieb man auch nicht zurück. Es wurde eine Sparkasse gegründet und wöchentlich jedem Gehilfen 2 Mark abgezogen, welchem bei Jahresabschluß ein Geschäftsgewinn zufließt. Um aber hieran partizipiren zu können, muß der Sparer beim Jahresabschluß noch im Geschäfte stehen, d. h. also, wenn ein Gehilfe nur vom 15. Januar bis 18. November oder Dezember im Geschäft arbeitet, erhält er nichts; ist er am 18. November 1876 eingetreten und verläßt kommenden Jahres selbigen Datums das Geschäft, so erhält er Tantieme vom 18. November 1876 bis Ende Dezember, für die anderen dreiviertel Jahre aber nichts. Daß nun Verschiedene dieses Glückes nicht theilhaft werden, daran soll die nichts weniger als liebenswürdige Behandlung des Faktors Schuld tragen und soll derselbe stets mit den Anstands- regeln in Conflitt liegen. Wir möchten ihm hiermit Knigge's Buch„Umgang mit Menschen" empfohlen halten. Das Bevor- theilen einzelner„Treuen " ist dort wie kaum in einem anderen Geschäfte ausgeprägt. Die Druckerei war früher von dem beut- scheu Buchdruckerverband wegen Tarifverletzung geschlossen. Ob- gleich sie jetzt wieder geöffnet, sollen die Setzer, falls sie sich auf den Tarif berufen, nicht selten die Antwort erhalten:„Ach, was geht mich der Tarif an."— Man führt Neuerungen im Wesen der Zeitung ein, man bietet dem Leser einen telear. Reichstags- bericht und eine telegr. Berliner Rundschau, wälzt aber einen guten Theil des Kostenbetrags auf die Schultern der Arbeiter ab, indem man ihnen die durch den Tarif bedingte Nacht- entschädigung ganz einfach zu zahlen verweigert! Ja es ist sogar vorgekommen, daß man bei Aufnahme eines Setzers an seiner sozialdemokatischen Gesinnung Anstoß genommen hat! Doch genug davon, es wäre Raumverschwendung, wollten wir noch weiter darüber reden. Mein Zweck war erreicht, ich bin mir jetzt klar, was es mit dem Vorgeben der Demokratie, das Wohl des Arbeiterstandes zu fördern, für eine Bewandtniß hat. Der Conservative, Liberale und auch der Demokrat sind Arbeiter- freunde bis an den— Geldbeutel! Wir haben von keiner Partei etwas zu hoffen und klar und deutlich sagt unser Pro- gramm:„Die Befreiung der Arbeit muß das Werk der Arbeiter- klaffe sein, der gegenüber alle anderen Klassen nur eine reaktionäre Masse sind!" (Wir müssen die Vertretung der Wahrheit der in obiger Correspondenz angeführten Thatsachen selbstverständlich unserm Herrn Correspondenten überlassen. R. d. V.) Altenburg , 11. Juli. Gestern Abend tagte hier eine stark besuchte Versammlung im„Rautenkranz", in welcher Parteige- nosse Klute aus Erfurt einen Vortrag über„die soziale Frage" hielt. Redner führte unter Zugrundelegung des Punkt 1 unseres Programms aus, wodurch und wie die Bereicherung Einzelner stattfindet, nämlich dadurch, daß die Arbeitsmittel Monopol der Kapitalistenklasse seien. Redner erörterte weiter in klaren Wor- ten, auf welchem Wege die heutigen ökonomischen Verhältnisse und die aus ihnen resultirende Benachtheiligung der Arbeiter zu beseitigen seien. Nach Beendigung des Vortrages, der mit großem Beifall aufgenommen wurde, meldeten sich mehrere Gegner zur Interpellation. Es ist uns nicht möglich, auf alle Einzel- heiten einzugehen. Der erste Gegner, Herr Advokat Hase, erklärte, daß er heute, wie früher, nicht die„Ueberzeugung ge Wonnen hätte, wie die Sozialisten den Zukunftsstaat„einrichten" wollten. Je länger und je mehr er den Sozialismus studire, desto unverständlicher würde ihm die Sache; dunkler wie früher sei ihm jetzt die„Einrichtung" des Zukunftsstaats. Klute er- widert, daß es nicht seine, resp. nicht die Schuld der verlästerten Sozialisten sei, wenn es Herrn Hase immer dunkler vor den Augen würde; er wolle nicht untersuchen, aus welchen Mo-
Ausgabe
2 (20.7.1877) 84
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