— Die schweren, und aller Wahrscheinlichkeit nach.�entscheidenden Niederlagen, welche die Russen Mitte vorigerWoche in Bulgarien erlitten haben, sind in ihren politischenFolgen für die Czarenpolitik vielleicht noch verderblicher als inihren militärischen. Der„Zauber" des russischen Namensist, wie drüben in Asien, nun auch in Europa gebrochen, diesüdslavischen Völker, die in dem Glauben an die russische All-macht und die türkische Ohnmacht sich bisher zu blinden Werk-zeugen der russischen Eroberungspolitik herabwürdigten, sindplötzlich durch die denkbar schlagendsten Gründe von ihrem Irr-thum überzeugt worden— die russische Allmacht war eine großeLüge, die türkische Ohnmacht war eine große Lüge. Mit demrussischen Prestige ist auch der russische Einfluß bei den slaven-rumänischen Donauvölkern dahin. Das Schlimmste aber für dieRussen ist der Umschwung der öffentlichen Meinung in allenKulturstaaten. Dank der colossalen Geldsummen, die das Peters-burger Kabinet echt russisch an feile Zeitungsschreiber verschwen-dete, während es die eigne Armee hungern ließ und läßt, hatein großer Theil der europäischen Presse seit Beginn der jetzigenKrise die russische Politik verherrlicht, der gemeinsten Raub- undMordlust den Mantel des Christenthums und der Humanitätumgehängt, die Türken systematisch angeschwärzt: als verlotterte,grausame Barbaren. Mit welcher Gewissenlosigkeit man dabeizu Werke gegangen, das ist jetzt in den letzten Monaten an denTag gekommen, wo Rußland genöthigt war, unter den Augendes cioilisirten Europa, unter Controle englischer Offiziere undBeamten, und unter der Aufficht der europäischen und ameri-kanischen Kriegscorrespondenten seine„heilige Mission" zu er-füllen. Und bei dieser Gelegenheit ist denn an den Tag gekommen,daß die Russen, während sie„Türkengreuel" planmäßig erfinden,wie sie weiland die„Bulgarengreuel" theils selbst gemacht, theilserfunden haben, Russengreuel wirklich verüben, verglichenmit denen die von ihnen erfundenen„Türkengreuel" reinesKinderspiel sind. Die Wahrheit bohrt sich zuletzt immer durch.So auch hier. Da half kein Widerstreben. Der reptilien-gläubigste Philister, der fanatischste Russenanbeter und Türken-fresser konnte sich der Wucht der Thatsachen nicht verschließen:das Beweismaterial war zu überwältigend, die Zeugen zu zahl-reich und zu hoch über jeden Verdacht erhaben. Festgestellt, biszum Ausschluß jedes Zweifels festgestellt ist, daß die Russen inBulgarien entsetzliche Greuel begangen haben und haben begehenlassen. Daß auch von türkischer Seite Bestialitäten verübtworden sind und werden— wer wollte es leugnen? Das liegteben in dem Wesen des Massenmords, genannt Krieg. Abgesehendavon, daß das Beweismaterial gegen die Russen an Mäßigkeitweitaus das gegen die Türken übertrifft, sind hier zwei Momentein's Auge zu fassen, welche zur Beurtheilung den Ausschlaggeben. Für die sozusagen zum Krieg gehörigen Greuel ist Der-jenige verantwortlich, welcher den Krieg begonnen. Der Kriegist aber von den Russen begonnen, ohne irgend„milderndeUmstände" aus niedrigster Eroberungslust begonnen worden.Das werden selbst die sonderbaren Schwärmler nicht abstreiten,die es der Türkei und dem übrigen Europa verargen, daß mandie„unabhängigkeitsdürstigen, unter dem Türkenjoch seufzenden"Südslaven nicht aus Begeisterung für das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Völker— den Russen auf dem Präsentir-teller überliefert. Und das zweite ausschlaggebende Moment ist:was auch immer die Soldaten in der Raserei des Kampfes ge-than haben mögen, die türkischen Behörden haben abgewiegelt,die russischen aufgewiegelt. Der muhamedanische Oberpriester,der brüderliche Gesinnung gegen die christliche Bevölkerung pre-digt, während er zum Kampf gegen die Russen anfeuert; undder christliche- Czar, der den Glaubenskrieg und damit denBürgerkrieg mit all seinen Schrecknissen entfacht— das ist einBild, welches jeden Commentar überflüssig macht, vor dem dieRubellüge und die Knutenheuchelei zu Schanden werden.Die Versuche der Russen, das Odium von sich abzuwälzen,sind höchst unglücklich. Was will es heißen, wenn ein englischerMilitärattache im russischen Hauptquartier sagt, er habe keineGreuel gesehen? Die Russen sind doch keine Idioten, die HerrnWellesley dahin führen werden, wo er Anklagematcrial gegensie findet. Solche Widerlegungen sind schlechte Späße, sehrschlechte Späße. Und die 16 gefangenen Türken-Offiziere, diedem russischen Thronfolger sagen, die türkischen Soldaten ver-stümmelten die verwundeten Feinde— das sei ihnen früher be-fohlen, und der Befehl noch nicht zurückgenommen worden!Wenn man lügt, sollte man doch nicht so dumm lügen; wirdächten, für das russische Geld müßten bessere russische Lügenzu fabriziren sein.Und nun der Mythus von der kolossalen militärischen Lei-! stungsfähigkeit der Russen und der absoluten Impotenz und' hoffnungslosen Lottrigkeit der Türken! Selbst wenn das Kriegs-glück sich plötzlich wieder wenden sollte, so hat die Türkei eine,Freund und Feind in Erstaunen versetzende militärische Leistungs-fähigkeit bewiesen, wohingegen das russische Kriegswesen sich nachallen Richtungen hin höchst mangelhaft gezeigt hat: miserableMilitärorganisation(Fiasko der Mobilmachung), miserable Ar-meeführung, miserable Armeeverpflegung— kurz eine so ver-lotterte Wirthschaft, als man sich nur denken kann. Daß diesan den Tag gekommen, bedeutet für Rußhand mehr als zehnverlorene Schlachten.Das heißt für das offizielle Rußland.Wenn es ein Volk giebt in Rußland, dann wird die Re-gierung zur Rechenschast gezogen werden für das so frevelhaftvergossene Blut, für die Taufende und Zehntausende von frischenMenschenleben, die dem Landhunger eines Mannes zum Opfergebracht werden; und die Niederlage des Absolutismus wird zueinem Triumph der Demokratie werden.daß hiergegen eine Berläumdungklage seitens des Dr. Schweitzererhoben wurde.Dernbnrg suchte die Behauptung Ulrich's als unwahr hinzu-stellen, indem er ausführt, er habe sich, als der„National-Zei-tung" der Vorwurf gemacht worden sei, sie habe 6000 Thlr.von der Berlin-Dresdener Bahn erhalten, an die Direktion ge-wandt und diese habe ihm erklärt, daß die„National-Zeitung"nichts erhalten habe. Die Angelgenheit seines Handelsredakteurssei zu dessen Gunsten dieser Tage entschieden(Falsch! HerrDernburg!), indem der Redakteur der„Staatsbürger-Zeitung"wegen Beleidigung des Dr. Schweitzer verurtheilt worden sei.Dies war dem Angeklagten denn doch zu stark, er bean-tragte sofortige Aussetzung der Verhandlung und Vorladung desHerrn v. Diest-Daber und des Prinzen Handjery, sowie, daßman ihm dann nicht auf Grund der§Z 185 und 186 den Prozeß mache, sondern daß man dann gegen ihn die 186 und187 betreffend Verläumdung in Anwendung bringe. Der Präsi-dent sucht der Vorladung der Zeugen dadurch entgegen zu treten,daß er meint, dieselben hätten wegen ähnlicher Verläumdungflüchtig gehen müssen, welche Annahme offenbar unrichtig ist,denn weder der Prinz Handjery noch Herr v. Diest-Daber, aufwelche sich der Angeklagte noch allein stützt, sind flüchtig gegangen,und auf den flüchtig gegangenen Gehlsen, Redakteur der„Eisen-bahn-Zeitung" berief sich der Angeklagte nur beim ersten Ver-hör in Ermangelung der Freiheit, um andere Zeugen zu er-Mitteln. Der Staatsanwalt sträubt sich gegen die Vorladungder Zeugen, woraus sich der Gerichtshof zur Berathung desAntrages des Angeklagten zurückzog und nach 25 Minuten erklärte, denselben nicht Folge zu geben, indem der Wahrheitsbe-weis unerheblich fei und der fragliche Artikel so wie so eineBeleidigung„ach§ 185 enthalte.Sie Verhandlung wird nun wieder aufgenommen und trittzunächst Herr Dernburg vor, um zu erklären, daß, da sich derAngeklagte hauptsächlich auf die Bestechung der„National-Zei-tung". durch den Berliner Bankverein berufen und er vorhindarauf nicht geantwortet habe er nunmehr erklären müsse, daßer jetzt zum ersten Mal diesen Vorwurf vernehme. Ulrich erklärte, dies„Geständniß" des Hrn. Dernburg sei höchst inter-essant; die in Berlin, also am Wohnsitze des Hrn. Dernburg er-schienene„Deutsche Eisenbahn-Zeitung" wirft der„National-Zei-tung", also dem Blatte des Hrrn Dernburg, in ihrer Nr. 18— Die„Leipziger Volkszeitung", natürlich wieder abge-klatschtes Richter'sches Fabrikat, macht unterm 28. Juli einenkleinen„fortgeschrittenen" Ausfall für das Unbegreifliche undwider das„Hauptstück aus der sozialdemokratischen Philosophie"in Nr. 1 und 2 der wissenschaftlichen Beilage des„Vorwärts".Dieser Artikel hat derart ihre Entrüstung erregt, daß wir uns„schämen" sollen, unfern Lesern„solch oberflächliches und abge-schmacktes Gewäsch vorzusetzen"; sie aber— wenn wir dasBeste voraussetzen— merkt nicht, daß sie selbst diejenige ist, diedas Thema„abgeschmackt" zurechtgewaschen. Anstatt daß derArttkel klar sagt, das Unbegreifliche sei gleich dem Unverstän-digen, und daß ein unverständiges Verständniß vom Intellekt sowenig zu verlangen sei, wie vom Auge verlangt werden könne,es solle Musiktöne oder Wohlgerüche, kurz das Unsichtbare sehen— statt dessen läßt die„Ungewaschene" sagen, das Unsichtbareund Unhörbare gehöre nicht in das Gebiet des Verstandes, undwir brauchten„das" nicht zu verstehen. Wenn die„LeipzigerRichter'sche Volkszeitung" nicht besser lesen, oder das Gelesenenicht richtig wiedergeben kann, so dürfen wir uns in einen philoso-phischen Disput nicht mit ihr einlassen. Jedoch für den unbe-fangenen Leser noch einige Erläuterungen.Die„Volk-zeitung" ist starr vor Erstaunen, daß der Intellektnichts weiter vermögen soll, als die manichfaltigen Erscheinungender Natur und des Lebens klassificiren, also das, was zu-einander gehört und nacheinander folgt, in ein„wissenschaftliches"Schema zu bringen. Sie führt die Pflanzenchemie und Pflanzen-Physiologie dagegen an. Warum gerade Pflanzen die Ausnahmemachen, ist uns zunächst unerfindlich. Die angezogenen Dis-ciplinen gehören bekanntlichju den Naturwissenschaften, und werda an den Citaten von Schopenhauer, Hobbes und Kalischerwie sie unser„unbegreiflicher" Artikel aufführte, noch nicht ge-nug hat. beliebe nur die Einleitung aufzuschlagen, welche A. vonHumboldt seinem„Kosmos" vorausschickt. Dort wird er überdas formale Wesen unseres„Naturerkennens" Aufschluß finden.Und damit sich unsere ungewaschene Freundin nicht so gar sehran den„mechanischen" Intellekt stoße, sei David Strauß,„Alterund neuer Glaube" citirt:„Alle mechanische Naturerklärung er-streckt sich nur auf die an diesem räthselhaften Substrate wahr-zunehmenden Beränderuugen und läßt unfer Causalitätsbedürfuißim letzten Grunde unbefriedigt."Was nun schließlich unsere Auffassung von der Strauß'schen,Humboldt'schen, Schopenhauer'schen:c. unterscheidet ist, daß dieseHerreu neben dem Bedürfniß nach„mechanischer Naturerklärung",neben dem natürlichen Causalitätsbedürfniß, auch noch ein Be-dürfniß nach unnatürlicher, metaphysischer Erklärung, ein„un-begreifliches" Causalitätsbedürfniß haben, welches letztere dannbei der„Leipziger Volkszeitung" zu einer ungewaschenen Aus-dehnung herangewachsen ist.— Der Parteikalender für das Jahr 1878,„Der armeConrad", ist in der Genossenschaftsbuchdruckerei zu Leipzig so-eben erschienen.— Eine kurze Besprechung des Inhalts lassenwir in einer der nächsten Nummern folgen.Betrachtungen aus und über Holland.ii.In meinem neulichen Schreiben versprach ich Ihnen, meineMittheilungen über Holland in einer zweiten Einsendung zuergänzen.vom 30. April 1876 direkt und ganz entschieden vor, von demBerliner Bankverein bestochen zu sein, das Blatt wiederholtdiesen schweren Vorwurf in seiner Nr. 19 vom 7. Mai 1876und kommt darauf selbst am 14. Mai 1876 nochmals zurück,und doch will Herr Dernburg heute erst den Vorwurf kennenlernen. Dies scheint dem Angeklagten zum Mindesten nicht gutglaubhaft.„Dernburg, der ohnehin keinen ermunternden Eindruckmachte, fühlte sich in die Enge getrieben und gab die ebenfallshöchst bezeichnende Erklärung ab, er habe die„Deutsche Eisen-bahn-Zeitung" nicht gelesen, was den Angeklagten veranlaßtehinzuwerfen, daß das Nichtlcsen in diesem Falle doch seinenHaken habe und von ihm stark bezweifelt würde.Nun begann der Staatsanwalt, der sich stark für Dernburgins Zeug legte. Er wolle jedoch als Milderungsgrund die Auf-regung der Wahlzeit gelten lassen, weshalb er nu* 2 MonatGefängniß beantrage.Schluß folgt.— Zum Risico der Arbeit. Ein gräßliches Unglück passirte voreiniger Zeit in der Maschinenbau-Anstalt„Cyclop" in Berlin. 20 Ctnr.flüssiges Essen befanden sich in einer Gießpfanne, welche in Ketten aneinem Krahn hing, und die Former schickten sich an zu gießen, als eineKette riß und die glühende Masse sich prasselnd zur Erde ergoß. DemFormer Wolf spritzte ein Theil des kochenden Erzes in die offeneBlouse, setzte sich oberhalb des Gürtels fest und brannte daselbst tiefeLöcher in den Leib. Rasend vor Schmerz rannte der Mann mit bren-nenden Kleidern zur Thüre hinaus und wollte sich in einen Wasser-behälter stürz:n, jedoch erfaßten ihn seine nacheilenden Collegen nochrechtzeitig und rissen ihm die Kleider vom Leibe. Der Berunglückiebot einen entsetzlichen Anblick dar. Seine Brust, sein Unterleib undseine Füße waren mit Brandwunden bedeckt, der Mann selbst feinerSinne kaum noch mächtig. Nachdem aus der Nachbarschaft andereKleider herbeigeschafft waren, beförderte man den Verwundeten perDroschke in's Augusta-Hospital.— Eine sonderbare Verhaftung. Auf Verlangen des Gerichts-Hofes von Palermo wurde der Commandant des LehrbataillonS derhiesigen Polizeimannschaft, David Nofsa, verhaftet und nach Sizilienabgeliefert. Der Verhaftung liegt folgender Grund vor: Nossa begingnach 1860 in seiner Heimath Sizilien einen„politischen Mord" undverwirkte 20 Jahre Galeere, eine Strafe, welcher er sich zu entziehenLassen Sie mich vorerst noch etwas über Arbeitsver-Hältnisse sagen.Amsterdam hat eine Spezialität aufzuweisen, die man,glaube ich, wohl in der ganzen Welt weiter vergeblich suchenwürde: Fabriken nämlich, in welchen die. große Mehrzahl derArbeiter aus— Juden besteht! Sie, die sonst vor aller ma-nuellen Arbeit eine Scheu haben, als ob sie ihnen in ihrerThora verboten wäre, strenger selbst wie das Schweinefleisch-essen— sie findet man hier, Mann an Mann, im lärmendenGetriebe der Fabriksäle sitzen und— arbeiten! d. h. arbeiten,nicht nach der Schulze-Ujest'schen Definition dieses Wortes, dersich die Kinder Israel sonst mit besonderer Vorliebe zuneigen,nämlich gründen, schwindeln, wuchern, schachern,— nein, wirkliche, veritable, ehrliche Arbeit verrichten! Unglaublichaber wahr!Im Grunde könnte manZ einen solchen Anblick einen nichtganz unerfreulichen nennen."In so weit nämlich, als er zeigt,daß die Herren Juden, wenn sie nur erst einmal sehen werden,daß es Ernst ist, sich doch wohl dazu herbeilassen und auch gan,gut im Stande sein werden, redlich zu arbeiten und so an.Ende noch einmal ganz gute und brauchbare Bürger des kom-Menden Arbeiterstaates zu werden. Es wird dann jenes erbar-mungslose Todesurtheil, richtiger jener Ausrottungsbefchl, denein in diesen Tagen vielgenannter, von mir seit ungefähr10 Jahren als Mensch wie als Wahrheitsforscher hochgeschätzterGelehrter, hierin jedoch einer seiner sonderbaren Schrullen fol-gend, einem zweiten Pharao gleich über die Juden verhängthat, vielleicht doch noch umgangen werden können.Zugestehen muß man es jenen Auserwählten Jehova's übri-gens— sie haben sich ihrerseits ihr Arbeitsfeld auch gar nichtschlecht auszuwählen verstanden. Es ist die Diamantschlei-serci nämlich, welche, in neuester Zeit in Amsterdam zu ganzkolossalem Aufschwung gekommen, zu einer wahren Goldquellefür diese Stadt geworden ist, und welcher sich die AmsterdamerJudenschaft, bekanntlich eine der größten Judengemeinden, mitdem diesem Volk eigenen Spürsinne für Alles, was nach„Rebach" aussieht, fast ausschließlich zu bemächtigen ge-wüßt hat.Die Löhne, die da gezahlt und empfangen werden, müssenin der That als verhältnißmäßig recht anständige bezeichnetwerden. 2—300 Gulden(1 Gulden— ca. 1 M. 70 Pf.) sindheute das gewöhnliche Einkommen eines Diamantschleifers. Dulieber schlesischer Leinweber oder auch Du, mir nicht minderlieber sächsischer Strumpfwirker, der Du meinen Brief noch bishierher zu lesen etwa Selbstverleugnung genug besaßest, wirsthier wohl mit verzeihlichem Neid ausrufen:„Ach, könnte ich esdoch auch nur auf ein so schönes Jahreseinkommen bringen!"Da hast Du mich aber gehörig mißverstanden! Unter diesen2—300 Gulden ist keineswegs das jährliche, auch nicht dasmonatliche, nein, das wöchentliche Einkommen eines Dia-mantschleifers zu verstehen!Und dabei sind" noch die Löhne durch den augenblickkichenflauen Geschäftsgang ziemlich„gedrückt"; in der weltbekannten„guten Zeit" waren sie um ein gut Theil höher. Ja ich selbstsprach einen Diamantschleifer, der mir versicherte, einmal, beider Bearbeitung eines werthvollen Solitärs, innerhalb 14 Tagendas runde Sümmchen von 3400 Gulden als Lohn nach Hausegetragen zu haben!Armer Baruch! Was Du wohl sagen würdest, wenn DuDeine Landsleute von heute sehen könntest! Auch Du hast einstdas Schleiferhandwerk betrieben, bist aber dabei gar elendiglichverkommen. Deine heutigen Gemeindegenossen verstehen sichoffenbar viel besser auf's Geschäft. Sie verkommen nicht dabei!Geschieht Dir aber übrigens ganz recht: Warum warst Du auchein Genie.Nach den oben gegebenen Daten wird Ihnen auch die Mit-theilung nicht mehr unglaublich erscheinen, daß ich einen anderendieser Arbeiter-Crösusse kennen lernte, der sich schon nach drei-jähriger Handtirung an der Polirscheibe acht hübsche Amster-damer Einzelwohnhäuser zusammengespart hat.Wenn das Onkel Schulze in Potsdam wüßte,„der ingoldenem Ruhmesglänze strahlende Kreisrichter aus Delitzsch",wie ihn Herr Schuldirektor und Literarhistoriker Kreißig inFrankfurt in einem neulichen Vortrage ebenso geschmackvollwie zutreffend nannte(wobei ich nur befürchte, daß der„Glanz",den der Herr Schuldirektor an seinem angebeteten Schulze be-merkte, von einem ganz andern Punkte aus„gestrahlt" seinkönnte, als von seinem„Ruhme")— wenn das Onkel Schulzein Potsdam wüßte, sage ich also, dann würde er, ungeachtetseines unberufen recht gesegneten Leibesumfangs, vor Freudewuß e. Seit der Zeit hat der Mann unter anderm Namen im Heereals Soldat gedient und ist wahrscheinlich, um sich Nachforschungen zuentziehen, selbst in die Polizeimannschaft eingetreten, in welcher er eSangeblich durch musterhaften Dienst bis zum Bataillonschef in derHauptstadt brachte. Nach 18 Dienstjahren wurde der Mann plötzlicheingezogen.— Unfall. Statistik. Im Monat Juli d. I. wurden bei derAllgemeinen Unfall Versicherungs-Bank in Leipzig 20 Todesfälle, 14 Un-lälle, die den Betreffenden Lebensgefahr bereiteten, 7 Unfälle, die ihrerNatur nach eine totale oder iheijweise Jnvalioität der Verletzten er-warten lassen und 509 Unfälle, aus welchen sich für die Beschädigtennur eine vorübergehende Erwerbsunfähigkeit prognosticiren läßt, zu-sammen 550 Unfälle angemeldet Von den 20 Todesfällen ereignetensich 5 beim Eisenbahnbau, je 3 in Steinkohlenwerken und Maschinen-fabriken, je 2 in Spinnereien und Papierfabriken und je 1 in einemSteinbruch, einem Baugeschäft, einer Brauerei, einer Dachschiefergrubeund beim Schiffsbau. Von den 14 lebensgefährlichen Bejchä-digungen entsallen 3 auf Maschinenfabriken. 2 auf Brauereien undje eine auf ein Baugeschäft, eine Ccinenifabrik, eine Dachschiefergrube.eine Strohpapierfabrik, eine Dampfmahlmühle, eine Färberei, eine Fabrikätherischer Oele und Essenzen, ein Braunkohlenwerk und Tunnelbau,während von den 7 Invaliden je 1 auf eine Maschinenfabrik, eineSpinnerei, ein Baugeschäft, ein Eisenwerk, einen Steinbruch, eine Fär-berei und Eisenbahnbau kommen.,— Humanität der Arbeitgeber. Ein 66jähriger Seidenwcber,welcher 3? Jahre für eine und dieselbe Firm- in Elberfeld gear-beitet hatte, ohne daß ihm je ein Wort des Tadels hätte gesagt werdenkönnen, lieferte neulich ab. Seine Arbeit wurde wie immer für gutbefunden, bezahlt und dem alten Manne gejagt, da er so lange, sotreu und so gut für die Firma gearbeitet, so habe man jetzt einen an-dern Plan mit ihm, er möge nur morgen wiederkommen, zu webenbrauche er nicht mehr. Gerührt ob solcher Liebe der theueren Firmageht er heim und freut sich auf das Pöstchen, das man ihm als Alters-Versorgung zugedacht. Als er andern Tags mit erwartungsvollem Herzensich auf dem Comptoir meldet, sieht man ihn befremdet an und sagt:„Was wollen Sie denn hier? Arbeit giebt's nicht mehr. Sie sindzu alt und haben ihr Lebtag genug gewebt— wir sind Ihnen nichtsmehr schuldig."— Das klingt unglaublich, aber es ist wahr. Man! weiß nicht, was man sagen soll zu solchem„Fabrikantendank".