— Vom Kriegsschauplatze hört man, daß die Russen beiLowac am 7. August abermals eine Niederlage erlitten haben;Osman Pascha giebt den russischen Verlust auf 300 Todte und700 Verwundete an.— Am 9. August haben die Russen Plewnanochmals angegriffen, doch sollen sie wiederum mit großen Ver-lusten zurückgeschlagen sein.— Suleiman Pascha dringt schondurch die Balkanpässe vor; er soll das Centrum der Armeebilden, wenn er bis nördlich des Balkans vorgedrungen seinwird.— Von der„Rundschau", dem Organ für sozialistischePropaganda, ist die zweite Nummer erschienen. Das billigeBlatt dient dazu, dem Leser eine Uebersicht über die Agitationder deutschen Sozialisten, über die Verfolgungen, denen sie aus-gesetzt sind, zu geben. Wer sich also genau über die deutscheArbeiterbewegung unterrichten will, muß außer dem„Vorwärts"noch die„Rundschau" lesen. Das Blatt erscheint in Hamburg;es nehmen sämmtliche Postanstatten Bestellungen auf dasselbe an.— Die„Zukunft", eine sozialistische wissenschaftliche Revue,wird vom 1. Ottober an in Berlin herausgegeben. Diese Zeit-schrift ist gerade so wie der„Vorwärts" ein Unternehmen dersozialistischen Gesammtpartei Deutschlands. Wir machen deshalbnoch besonders auf dasselbe unsere Leser aufmerksam.Die Rothen und die Blauen.Wir erhalten folgende Zuschrift zur Veröffentlichung:Iserlohn, den 7. August.Bei der höchst interessanten Auseinandersetzung zwischen dem„Vorwärts" und der„Frankfurter Zeitung" über die Berech-tigung der Jntransigenten, der äußersten Linken der franzö-fischen Deputirtenkammer, mit den gemäßigteren„Republi-kauern" in Betreff der bevorstehenden Neuwahlen einen Com-Promiß einzugehen,— hat die„Frankfurter Zeitung" gleichsaman das Urtheil der sozialdemokratischen Partei appellirt, indemsie schrieb:„Wahrscheinlich würden wir die sozialdemokratischePartei in Deutschland verletzen, wenn wir sagen wollten, daßsie insgcsammt von der gleichen Meinung wie der Verfasser desbesprochenen Leitartikels(„Nieder mit der— französischen—Republik!") erfüllt sei." Eine solche Provokation macht es dendeutschen Sozialdemokraten zur Pflicht, in der Streitftage zwi-schen ihrem Centralorgan und dem Hauptorgane der bürg er-lichen Demokratie Deutschlands offen„Farbe zu bekennen".Mit wenigen Ausnahmen haben sich sämmtliche Parteiorgane,die sich mit der Angelegenheit überhaupt beschäftigen, zuGunsten des„Vorwärts" ausgesprochen. Auch die Parteige-Nossen selbst, mit denen ich in jüngster Zeit in Berührung ge-kommen bin, namentlich in Rheinlands und Westphalen, sind mitdem„Vorwärts" vollständig einverstanden.Es kann ja auch nicht anders sein.Wir Sozialdemokaten verstehen unter„Republik" eineStaatsform, in welcher die gesetzgebende und die voll-ziehende Gewalt ausschließlich vom Volke ausgeübt wird.Wir erkennen demnach nur eine solche Staatsform als„Re-publik" an, welche in politischer Beziehung eine demokra-tische ist; weil aber die politische Freiheit ohne die sozialeGleichheit eine Lüge ist, deshalb halten wir die sozialdemo-kratische Republik mit Recht für die beste Staatsform.Wie himmelweit die jetzt in Frankeich bestehende Staats-form von einer„Republik", auch nur von einer„demokratischen"und wie viel mehr noch von einer sozialdemokratisches, ent-fernt ist, das sollten wir der demokratischen„FrankfurterZeitung" nicht erst noch beweisen müssen.Unmöglich kann dieses Hauptorgan der sogenannten„Demo-katie" Deutschlands ernstlich einen Staatsorganismus als„Re-publik" bezeichnen wollen, in welchem, wie in Frankreich, die ge-setzgebende Gewalt zwischen einer Deputirtenkammer und einemnicht aus allgemeinen Volkswahlen hervorgehenden Senate ge-thcilt ist, während die vollziehende Gewalt einem ebenfalls nichtaus allgemeinen Volkswahlen hervorgehenden„Präsideuten" undden von diesem ernannten Ministern und Beamten zusteht,— in welchem jede freie Meinungsäußerung durch eine� unerhörte, selbst in monarchischen Staaten, mit Ausnahme Rußlands,nicht übertroffene Knebelung der Presse,— durch Unterdrückungdes Vereins- und Versammlungsrechts, unmöglich gemacht wird— in welchem der.reaktionäre Belagerungszustand, namentlichin den großen Städten, permanent ist,— kurzum in welchemalle„demokratischen" Grundsätze geradezu verhöhnt undförmlich mit Füßen getreten.Eine Staatsform ist keine„Republik", in welcher es, wiein Frankreich, möglich war, daß eine nur zum Abschluß desFriedens mit Deutschland gewählte Nationalversammlung ohnegeht. Dabei hat natürlich die Individualität der„Macher"einigen Spielraum, allein, wer seine Pappenheimer kennt, kannimmer so ziemlich genau im voraus berechnen, wie viel ProzentWahrheits- Alkohol dem Lügenfusel beigesetzt sind, und darnachdie Entfuselung vornehmen. Nur Einer Menschenart gegen-über hört jede Möglichkeit der Berechnung auf: nämlich denRubellügnern. Der Rubellügner verachtet die Wahrheits-Prorente, und„arbeitet" nur mit homöopathischen Millionstel-und Billionstel- Dosen. Wenn ein deutscher, französischer oderenglischer Reporter eine grauenhafte Metzelei berichtet, kann man— von„Enten" abgesehen—, wenigstens-- sicher sein, daßJemand verletzt worden ist; wenn russische Reporter die Ab-schlachtung einer ganzen Stadteinwohnerschaft mit allen Einzeln-heiten melden, kann man nicht einmal sicher sein, ob Jemanddie Nase geblutet hat.Wir machen auf diese„russische Eigenthümlichkeit" aufmerk-sam, weil der Zeitungsleser ohne Kenntniß derselben, trotz kri-tischsten Geistes, jeden Augenblick in Gefahr ist, eme Mücke,wenn auch nicht für einen Elephanten, doch für einen Hammelzu nehmen. Der Hammel führt naturgemäß zu den Montene-grinern, welche für die Hammel— ihrer Nachbarn ebensoschwärmen, wie unsere Bourgeois für das Eigenthum andererLeute. Wer hat nicht in den letzten Tagen von furchtbaren An-griffen der Hammeldiebe auf die„Festung" Niksic gelesen? Wiesie„Batterien" placirt, mit übermenschlicher Tapferkeit ein halbDutzend Außenforts erstürmt, die Besatzung gefangen genommen— aber, was sehr nöthig war hinzuzufügen, mit ritterlicherHumanität behandelt haben? Nun, wunderbarerweise ist andieser ganzen Epopöe nichts mehr wahr als die letzten Worte.Ja, die Hammeldiebe haben ihren Gefangenen die Nasen nichtabgeschnitten, und auch nicht die Ohren,— es waren nämlichem paar Hunde, die in den ausgeraubten Gartenhäuser)»(den„Außenforts") vo» den kühnen„Siegern" gefangen genom-men wurden. Die„Festung" Niksic ist bekanntlich ein kleinesLandstädtchen mit höchstens 3000 Einwohnern, und die ganzeBefestigung reduzirt sich auf eine einfache IStadtmauer von1'/- Fuß Dicke, die von den Einwohnern und einem Bataillontürkischer Landwehr vertheidigt wird, flößt aber trotz ihrerMandat weiter tagte, um dem Lande eine reaktionäre, keines-wegs„demokrattsche" Verfassung zu octroyiren und das Volkvon Paris, welches sich in Ausübung seines Selbstbestimmungs-rechts eine Communalverfassung gegeben hatte, zu Hunderttau-senden durch die in der Gefangenschaft verwilderte„kaiserlicheArmee" zusammenkartätschen und durch illegale Kriegsgerichtezum Tode oder zur„kockenen Guillotine" verurtheilen zulassen.Eine Staatsform, in welcher ein„Septenat" möglich ist,und in welcher die Amnestie verweigert wird, ist ebensowenigeine„Republik", wie die Deputirten„Republikaner" sind, welchefür das Septenat und gegen den bekannten Amnestieantrag derJntransigenten gestimmt haben.—Mit einem Worte: die jetzige„Republik" in Frankeich,welche sich durch Nichts von der Wahl-Monarchie unter dem„Bürger-Könige" Louis Philipp und von dem Kaiserreich unterdem meineidigen Bonaparte unterscheidet, als durch die Wahleines sogenannten„Präsidenten" auf eine Reihe von Jahren,— diese„Republik" ist eine einzige große Lüge zumZweck der Täuschung der Nation,— sie ist zugleich die verab-scheuungswürdige Mörderin von Hunderttausenden braver Män-ner, welche für die wahre Freiheit und gleichzeitig für diesoziale Gleichheit ihr Her.blut geopfert haben.Der„Vorwärts" hat sich ein großes Verdienst um dieParteisache erworben dadurch, daß er das„Tischtuch" zwischender Sozialdemokatie und der bürgerlichen Demokatie Deutsch-lands radikal zerschnitten und das Hauptorgan der Letzter» ver-anlaßt hat, auch seinerseits„Farbe zu bekennen".Durch ihre Sympathie für die jetzige französische„Re-publik" hat die„Frankfurter Zeitung" sonnenklar bewiesen, daß ihrePartei keine demokratische ist, daß dieselbe vielmehr durch dieMaske der Demokratie ebenso das deutsche Volk zu täuschensucht, wie die sogenannten„Republikaner" in Frankreich dasfranzösische mit ihrer vo lksverrätherischen„Republik".Der„Vorwärts" hat Recht:„Nieder mit dieser„Re-publik", je eher, desto besser!"Nieder aber auch mit aller politischen Heuchelei!C. W. Tölcke.Aus Ungarn.Unser Pesther Parteiorgan, die„Arbeiter-Wochenchronik",bringt folgende interessante Schilderung!Heiß strahlt die Sonne nieder, üppig blühen Felder undWiesen und schweißkiefend keucht der Landmann hinter seinenGäulen einher, sich ob des Fruchtreichthums freuend; wird erja doch nun wieder einmal volle Scheunen haben und ein gutStück Geld der Mühepreis sein— da kommt der Teufel inGestalt des Wucherers, dem er sich während des Winters ver-schrieben, und blutenden Herzens muß er tief in den Sack greifenund einen großen, gewöhnlich den größern Theil des Ertragesseines Schweißes dem gierigen Blutsauger in den Rachen werfen;kaum hat er sich dieses Feindes entledigt, so kommt der Fiskusund nimmt ihm den Rest dessen, was ihm der Wucherer ge-lassen.—Das ist in wenigen Worten die Lage des Bauers; und wasvom Landmanne zu sagen ist, das läßt sich auf den Kleinge-werbekeibenden ebenfalls anwenden; beide verbluten trotz Wucher-gesetzes unter Wuchererhänden und der Staat mit seinen uner-schwinglichen Steuern versetzt ihnen den Gnadenstoß.Damit haben wir aber auch die Ursachen der beispiellosenVerarmung und des grauenhaften Elends der Landleute darge-legt. Unter solchen Prämissen dürfen Nachrichten, wie die vomBanat zum Beispiel, wo während des vorigen Winters ganzeDorfgemeinden im buchstäblichen Sinne des Wortes nahezu ver-hungerten, wo Kleie nbrod als beneidenswerthes Nahrungs-und Genußmittel geschätzt wurde, Niemanden verwundern. Wemsich von selbst die Frage aufdrängt, ob sich denn die oben be-zeichneten Uebel nicht beseitigen oder wenigstens theilweise lin-dein lassen, dem müssen wir mit einem entschiedenen Nein!antworten.Denn weder kann der mit einem klaffenden Defizit vegett-rende und deshalb hart am Rande des Bankerotts stehendeStaat die Steuern reduziren, noch kann der durch die kapita-listische und Regierungswirthschaft hervorgerufene beispielloseGeldmangel und der von demselben sich nährende Wucher durcheinige von der„Volksvertretung" deketirte Wuchergesetz-Para-graphen beseitigt werden. Im Gegentheil, der Wucher wirdnoch mehr Orgien feiern und dem armen Volke das Hemd aus-ziehen.Ist es somit erwiesen, daß diese Zustände nicht beseitigtwerden können, weil dieselben eine natürliche Folge der gegen-wärtigen Gesellschaftsordnung sind, und daß bei Andauern der-Schwäche den von unseren Rubelskribenten zu antiken Heldenaufgeschwindelten Hammeldieben der„Schwarzen Berge" solcheAngst ein, daß sie sich höchstens bei dunkler Nacht heranzuschleichen wagen, was ihnen freilich meist sehr schlecht bekommt.— Aehnlich wird in Bezug auf die„Aufstände" in der Herze-gowina und Bosnien gelogen. Irgend ein russischer Agent sam-melt einige Spießgesellen, nennt sie ein„Jnsurgentenheer",plündert eine abgelegene Türkenhütte, nennt das„eine Festungerstürmen", und treibt dieses interessante Handwerk, bis ihn seinUnstern auf eine Strcifkompagnie türttscher Soldaten stoßen läßt,und dann heißt's: Fersengeld geben, wenn's geht. Die Ab-fassung des„südslawischen Garibaldi", des„großen Despoto-witsch", hat uns von diesem Humbug, wenigstens für die nächsteZeit, erlöst._— Die Sozialisten-Stampfmühle vnlgo„Sozial- Correspon-denz" des Herrn Viktor Böhmerl, der obigen Ausdruck für sein Blattselbst erfunden hat, also die Sozialisten-Stampfmühle leistet folgendenUlk:„Bälle und Steine. Vor einigen Tagen spielten in Dresdenmehrere Knaben in einer Straße der Neustadt und warfen dabei einenGummiball auf einen Balkon unter die auf demselben befindlichenBlumenstöcke. Einer der Knaben rief darauf einem auf dem Balkonstehenden Herrn zu, ihm den Ball doch wieder herunterzuwerfen, erhieltaber zur Antwort, daß Derjenige, welcher den Ball hinaufgeworfenhabe, ihn nur oben wieder abholen solle. In Folge dessen rief nunder Knabe zu dem Balkon hinauf:„„Ja, die Reichen mausen Allesweg, und wenn der Ball nicht gleich herunterkommt, so kommen Steinehinauf."" Diesen Worten folgte alsbald auch die That und das Hauswurde von den Rangen mit Steinen bombardirt. Die Phrase vomDiebstahl der Reichen hat bereits in den Gemüthern vieler KinderWurzel gefaßt und treibt schon neue Keime! Welch' herrliche Saatmuß hieraus aufgehen! Und gilt nicht auch von den Sozialdemokraten:An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen?"— Der kleine Knabe, dernicht zum Balkon hinaufgehen wollte, war jedenfalls sehr klug; erwußte, daß der„Herr" ihn prügeln würde, wenn er sich zu demselbenbegeben hätte. Daß der„Herr" übrigens einer solchen Roheit fähigwar, konnte der Knabe daraus ersehen, weil derselbe den Ball nichtzurückwarf— und Ungefälligkeit und Roheit erzeugen Roheit.„Anden Früchten sollt ihr die„Herren" erkennen"— das heißt, wenn dasganze Geschichten nicht erlogen ist.selben aus dem ganzen Lande, mit Ausnahme der Magnaten,Pfaffen und Kapitalisten, ein einziger Bettlerhaufe werden muß,so muß man zu dem natürlichen Schlüsse gelangen, vor allemAnderen dem Lande sein Selbstbestimmungsrecht in Form desallgemeinen Wahlrechtes zu geben; denn so lange unserebisherigen„Volksvertreter" die Wort- und Stimmführer derbesitzenden Minorität sind, so lange wird der„Reichstag" alleLasten auf das arme arbeitende Volk werfen.Es wäre endlich an der Zeit, die alten Vorurtheile auszu-rotten, sich von dem Einflüsse der herrschenden Klasse zu eman-zipiren und zu dem Bewußtsein des eigenen Werthes, der eigenenMacht zu gelangen.Es ist Zeit, daß das werkthätige Volk erwache aus seinerLethargie und einsehen lerne, daß es von allen Seiten ausge-beutet wird, daß es nur eine Melkkuh ist, während es in Folgeseiner schöpferischen und arbeitsamen Thätigkeit berufen ist, mjedem auf gerechter Grundlage gegründeten Staatswesen die her-vorragendste Beachtung zu finden.Correspoudenzeu.Mainz, 23. Juli. In die Nr. 84 des„Vorwärts" vom20. Juli hat sich eine Correspondenz verirrt, d. d. Mainz, 8.Juli, die sicher an eine Mainzer Adresse, Tagblatt, Anzeigeroder Zeitung, gerichtet war, und die am Eingang lautet:„Heutehaben wir hier unfern(mit Verlaub, Herr Correspondent, daßich unterstreiche) Oberbürgermeister Karl Wallau zu Grabegetragen,:c." Lächerlich! Wer sind die„wir",„wessen" Ober-bürgermeister haben die„wir" zu Grabe gekagen? In einemsozialistischen Blatt muß man sich deutlich ausdrücken, Herr Cor-respondent, damit man keine Verwirrung anrichtet. Auf keinenFall zählen wir die„wir", von denen Sie reden, zu uns.— Lassen nun auch wir, die wir Herrn Wallau nicht zuGrabe getragen, dessen Leichenzug an uns vorüberziehen. Alsunfreiwilliger Oberchef der Feuerwehr wurde der Oberbürger-meister Karl Wallau mit allen kameradschaftlichen Ehren von derFeuerwehr zu Grabe gekagen und geleitet. Es folgten der Leiche,außer den Angehörigen, die Spitzen der Civil- und Militär-behörden, der übrige Troß der Bureaukatie, die Schützengesell-schaft, mehrere Gesangvereine und— der Kriegerverein„Sieges-kanz", der auch kürzlich den Kaiser zur Kaiserparade von derBahn abgeholt hat. Aber wo waren die„wir" des Herrn Cor-respondenten, die große Mehrzahl der Bürger, wo war das Volk?Sie rannten hinaus vor die Thore und sahen sich den Zug, weilnicht jeden Tag ein Oberbürgermeister stirbt, mit Gemüthlichkeitan. Aber von einer nur nennenswerthen Betheiligung derBürger war keine Rede. Kein Lob, kein Beileid aus dem Volks-munde konnte man vernehmen für den dahingeschiedenen„erstenBürger" der Stadt. Lassen wir nun die Hauptzüge aus Wallau'sBiographie folgen, und es wird sich dies alles erklären. KarlWallau wurde zu Mainz geboren, er war 14 Jahrealt, als er die Buchdruckerkunst erlernte, und ging alsBuchdrucker in die Fremde, wie so viel Tausende seiner Col-legen und andere Handwerksburschen vor ihm. Er kam zurückund konnte schön reden, schön singen und schön trinken, dreiEigenschaften, die einen Mann schnell populär machen. InMainz fand er hinreichend Gelegenheit, diese Talente zu ver-werthen. Die 48er politische Bewegung war für manchen Maul-Helden und Schönredner wie geschaffen, aber die Herren warenfür die Bewegung nicht geschaffen, was viele, so auch unser HeldWallau, bewiesen haben. Auch Gesangvereine giebt es in demlustigen Mainz genug, in denen man sich Produziren kann, undzur Ausbildung der letzteren der drei männlichen Eigenschaftenist hinreichend gesorgt. So führte sich ein Mann, der späterOberbürgermeister wurde, in die Welt ein. Zum Ueberfluß ge-wann er auf ein Lotterieloos, welches ihm als Erbtheil zufiel,40,000 Gulden, und der Bourgeois war fertig. Nun war eraber auch rathhaussalonfähig, denn mit dem Geld im Kastenund den Ochsen im Stall wächst auch der Verstand. Ohne dieseGlücksfälle wäre Wallau nicht als Oberbürgermeister gestorben,aber er würde vielleicht noch als einfacher Bürger leben, undsogar in Achtung leben, wenn er die demokratischen Prinzipien,denen er eine Zeitlang scheinshalber huldigte, aufrichtig erfaßtund ihnen treu ergeben geblieben wäre. Also, Karl Wallauwurde in den Stadtrath gewählt, wurde Adjunkt, lernte civil-trauen und wurde später durch die Gunst und Hilfe seiner persönlichen Freunde Bürgermeister. Daß dieselben später bereuten,was sie gethan, ändert an der Sache nichts. Von seiner ur-sprünglichen politischen Farbe, die, wie gesagt, demokratisch gewesen sein soll, war längst nichts mehr zu erkennen. Mit seinemFreund Oechsner Arm in Arm, der ihm bis zum Adjunkt assi-stirte, forderte er den Rest der Mainzer Demokraten in diereaktionären Schranken. Wallau hatte nun unter Anderem Ge-legenheit, aus den Häuten der Steuerzahler städtische Riemenzu schneiden, rannte mit Hilfe seiner nationalliberalen Freundedie Stadt in ewig unbezahlbare Schulden, und entschuldigte sichdafür mit den Sünden seiner Vorfahren. Hierfür wurden ihmmehrere Orden und der Titel eines„Oberbürgermeisters" zuTheil.— Nachdem er im Leben schon politisch todt, konnte seinphysischer Tod Niemanden mehr schmerzlich berühren. Die StadtMainz hat durch den Tod Karl Wallau's nichts verloren, ebensowenig wird sie aber an ihrem zukünftigen Bürgermeister ge-Winnen, dafür wird der„liberale" Theil des Stadtraths sorgen.— Noch eines edlen Zuges des 48er so sehr„verkannten" Ar-beiterfreundes wollen wir gedenken. Zur Zeit des letzten MainzerBuchdruckerstrikes soll der Prinzipal Wallau sich geäußert haben:„Zu unseren Füßen sollen sie, die Arbeiter, kriechen wie dieWürmer." Aber die Arbeiter krochen nicht, wohl aber die Prin-zipale auseinander, indem sie ihren Verband auflösten.— Mansoll von den Tobten nur Gutes reden, das Beste aber ist dieWahrheit. Die größte Ehre erzeigt man einem tobten Rene-gaten, wenn man stillschweigend über sein Grab hinwegschreitet,damit man nicht versucht wird, den Maßstab der Kritik an seineThaten zu legen. Auch wir hätten geschwiegen; daß wir esnicht konnten, dafür mögen sich die Freunde Wallau's bei demCorrespondenten in Nr. 84 des„Vorwärts" bedanken.— ZweiReden, eine religiöse und eine politische, wurden an Wallau'sGrabe gehalten. Der crstere Sprecher war der BourgeoispfaffeHieronymi, der kleine geistige Zwerg, der 1864 sich anmaßte,einen Kampf mit dem geistigen Riesen Lassalle aufzunehmen,dem es aber ging wie dem Hunde, der den Mond anbellt, undder sich dadurch unsterblich blamirte; der zweite war Hr. Oechsner,der geistige Verwandte Wallau's. Jedenfalls wird Wallau vonSeiten seiner nationalliberalen Freunde ein Monument erhalten,schon um dieser Freunde willen muß das geschehen, denn da siealle bedeutende„Größen" sind, und alle einmal sterben, so ge-hört auch folglich jedem ein Denkmal. Nun,„wir" habennichts dagegen(Herr Correspondent)/ Karl Wallau geschieht essogar recht; nur verschone man diesmal den städtischen Säckel,denn„unser" Herr Oberbürgermeister kam uns bei Lebzeitentheuer genug zu stehen.