schränktem Maße benutzbar und da soll sich das Land, das schon so viele Prüfungen durchzumachen hatte, erholen?— Man muß über die Verblendung der Menschen staunen, die doch mit offenen Augen ganz klar ihre Situation übersehen und zu beurtheilen wiffen und doch mit solchem Gleichmuth sich es bieten lassen—„es ist ein Verhängniß, es ist ein Malheur, es ist dies und jenes, was der Himmel uns bescheert und woran wir so schwer zu tragen haben" so argumentirt man die„Schick- salsschläge" hinweg, ohne zu bedenken, daß„der Himmel" viel- leicht über diese selbstverschuldeten Dummheiten lacht und sich denkt, ihr verdient's nicht besser, ihr wollts selbst nicht anders, denn wer sonst als ihr selbst könnt' dem Unfug steuern?-- — So ist es hier, so überall und wird so lange bleiben, so lange einige Ehrgeizige, ein Häuflein hochnäsiger Herrchen mit der blöden Menge thun können, was ihnen beliebt. Die türkischen Gefangenen, die hier vorbeipassiren, sind meist Cioilisten, Kinder und Greise, die die Russen in den Dörfern bei ihren friedlichen Beschäftigungen überrascht und davon ge- schleppt haben, um sie zu Hanse im Triumph herumzuführen und so ihre Heldenthaten zu dokumentiren. Sehr würdig benimmt sich das rumänische Publikum nicht bei Anficht dieser armen Gefangenen, ganz anständig gekleidete Leute, also Leute aus der„besseren" Klasse, strecken ihre Zunge heraus, der und jener macht sich den Spaß, den Türken beim Aussteigen aus den Waggons ein Bein zu stellen, damit sie dar- über stolpern und dergleichen Roheiten mehr kann man fast jedesmal bemerken, wenn ein Gefangenenzug zum Bahnhof ein- fährt.— Correspondejizen. Äevmciker(Elsaß-Lothringen ), 7. August. Erst jetzt kommt mir die Entgegnung des Herrn Leopold Sonnemann zu Gesicht. Zu meinen Ausführungen„Die Demokratie wie sie scheint und wie sie ist" gab mir die Polemik zwischen dem„Vorwärts" und der„Frankfurter Zeitung " Veranlassung. In meiner Absicht lag es nicht, eine rein geschäftliche Sache zum Gegenstand weiterer Ausführungen zu machen. Hätte ich dieses beabsichtigt, würde ich unser Gewerkschaftsorgan, den„Correspondent ", in Anspruch genommen haben; da aber nun Herr Sonnemann seine Entgegnung lediglich auf den geschäftlichen Theil meiner Cor- respondenz richtet, sei es auch mir gestattet, detaillirter auf die Sache einzugehen. Zunächst bemerke ich, daß die Erwiderung des Herrn S. mir auf's Neue den Beweis liefert, daß derselbe im großen Ganzen, was Geschäftsführung anbelangt, gar nicht weiß, welche Vorkommnisse ssch in der Societätsdruckerei ab- wickeln. Mit einer aus langjähriger Praxis resultirenden pole- mischen Meisterschaft sucht Herr Leopold Sonnemann meine angeblichen„unwahren Thatsachcn" richtig zu stellen. Legen wir nun einmal an diese„Richtigstellung" die Sonde an. 1) giebt Herr S. zu, die Einrichtung betr. Urlaubs zu einer Bade- resp. Erholungsreise getroffen zu haben und sei diese Einrichtung nicht, wie ich behauptet hätte, unausgeführt geblieben. Gegenwärtig hätten zwei Setzer:c. von dieser Befugniß Gebrauch gemacht! Famos! Vor drei Jahren wurde diese Einrichtung getroffen (d. h. verkündet), dann erfolgte jahrelange Grabesstille hierüber, einige Witzbolde sorgten im Geschäfte dafür, indem sie diese Proklamation zum Gegenstand ihres Spottes machten, daß die ganze Geschichte nicht in Vergessenheit gerieth; da erscheint auf einmal eine Correspondenz im„Vorwärts", welche die Sache auch wieder in das demokratische Gedächtniß des Herrn S. zurückruft. Flugs werden zwei Setzer fortgeschickt! Dann wagt Herr S. meine Worte, dag bis jetzt Niemand(d. h. Arbeiter) von einer solchen Reise etwas zu erzählen wüßte, als eine„un- wahre Thatsache" hinzustellen? 2) widerspricht Herr S. der Meinung, die Spar- und Hilfskasse als Lösung eines sozialen Problems angesehen zu haben, und doch kann er es nicht unter- lassen, am Schlüsse dieses Absatzes die Wunderkraft dieses In- ftituts zu preisen. Schulze- Delitzsch hat es gewiß noch nicht besser fertig gebracht, in so überzeugender Weise klarzulegen, wie man aus armen Arbeitern durch solche Spar- und Hilfskassen Buchdruckereibesitzer macht. Ich könnte übrigens, da Herr S. hierbei in Zeiten zurückgreift, von welchen ich keine Äenutniß habe, hier eine diesbez. Stelle aus einer Zuschrift von zwei Collegen citiren, welche zu dieser Zeit in S.'s Geschäft standen, ich unterlasse das aber, um den Raum des„Vorwärts" nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen. Doch nun zu dem köst- lichen Z.Punkt. Also die Schließung der Societät erfolgte zu einer Zeit, als die Lohnbewegung jede gesunde Basis verlassen hatte! Wirklich kösttich, herrlich! Hier spricht der der Nation in dem Vorsatze geeinigt sind, die bestehenden und bedrückenden gesetzlichen Einrichtungen abzuändern, sind sie all- mächtig. Soviel also sollten doch die Herren wissen, daß das Volk hierzulande sein eigener Hemmschuh ist, und daß sie nicht auf europäische Weise Gewalt gegen Volksrecht ausspielen köu- nen; daß sie vielmehr, indem sie den Hemmschuh durch bewaff- nete Einschüchterungsversuche gegenüber großen Bolksmassen ent- fernen, unabsehbare revolutionäre Ereignisse heraufbeschwören. Dieser kapitalistischen Sippschaft hat es gar zu gut gefallen, wie die Volksbewegung der Commune von Paris mit blutiger Ge- Walt unterdrückt wurde; sse hat sich offenbar den Augenblick herbeigesehnt, da man hierzulande die Allmacht des Kapitals mit Blut taufen könne; und darüber hat sie in ihrer Verblendung ganz übersehen, daß die französische Bourgeoisie mit der Volks- dewegung in Paris uur unter mächttger Beihilfe der deutschen Heere fertig werden konnte. Obwohl der Ton der großen kapi- talistischcn Tagespreffe sehr herabgestimmt ist, so wagen es doch immer noch einzelne Blätter, auf die gegen die Pariser Com- mune beliebten Maßregeln als Muster hinzuweisen und einander „durch Pfeifen Muth einzusprechen". Wir sind den Herren sehr erkenntlich dafür, daß sie zu früh das arbeitende Volk haben in ihre Karten sblicken lassen. Die amerikanische Arbeiterwelt wird sich den Versuch des Kapitals, europäische Klassenherrschaft ein- zuführen, wohl merken! Sie wird auch aus ihrem theilweisen Erfolge die Herwegh - schen Worte beherzigen lernen:„Volk der Arbeit, aufgewacht und erkenne Deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will!" Auch die Arbeiter Europas werden sich durch die Nachricht von unserer Volksbewegung ermuthigt fühlen. Sie wird ihnen ein weiterer Lenzbote sein, der den baldigen großen Völkerfrühling ankündigt. Allein der große Strike lehrt uns, daß jetzt unsere Zeit zur allerthängsten Ausbreitung unserer Organisation gekommen ist und auf das Nachdrücklichste benutzt werden sollte. Es wäre doch blutwenig Gewinn aus einer so überaus weithin erweckten Sympathie für die Sache der Arbeit, aus so vielen Opfern Zehntausender von Ausständigen und aus all dem geflossenen unschuldigen Blut und zerstörtem Gute, wenn es bei der Zurück- nähme der zehnprozentigen Lohnkürzung der Bahnarbeiter und dergleichen kleinen, vielleicht hinfälligen Errungenschaften sein Bourgeois Sonnemaun; der Demokrat — nun ja Demokrat bis an den Geldbeutel! Mit Verlaub die Frage Herr S., ist das Ihre„gesunde Basis", wenn Sie ohne jede Veranlassung, ohne Steigerung der Ärbeitspreise Ihre Annoncen an der Zeitung anstatt früher 7 spaltig, 8 spaltig machen lassen, und so einen jährlichen Gewinn von verschiedenen Tausend Mark heraus- schlagen? Doch betrachten wir uns die Sache einmal bei Lichte. Dem Gehilfenverbande gelang es nach hartnäckigem Kampfe, einen Normaltarif in Deutschland einzuführen. Ich nehme keinen Augenblick Anstand, zu erklären, daß Herr S. bei allen Tarif- bewegungen einer der ersten war, welche die Forderungen der Gehilfen acceptirten; so war es auch beim Normaltarif der Fall. Nun enthielt aber der Tarif Bestimmungen, welcher eine Ent- schädigung für schwer leserliches Manuskript, sowie eine gerechte Vertheilung des„Specks"(Vortheils) forderte. Dies wurde von S. verweigert. Daß also die Angelegenheit nicht so geringfügiger Natur gewesen, wie sie Herr S. versucht darzustellen, beweist das Ausstehen fast des� ganzen Personals(mit Ausnahme 3 bis 4), bte_ meisten Setzer standen schon sehr lange, bis zu 15 Jahre im Geschäft. Es ist also einfach unwahr, wenn Herr S. erklärt, eine„Tarifverletzung" habe bei ihm niemals stattgefunden. Wenn ich auch annehmen wollte, Herr S. hätte von den flagranten Tarifoerletzungen, welche fast allwöchentlich im Geschäfte vor- kommen, keine Kenntniß und wollte sie auf das Conto des Fak- tors setzen, so ist das für Herrn S. keine Entschuldigung, da man doch wenigstens verlangen kann, daß er sich, ehe er That- fachen als„unwahr" erklärt, erst hätte informiren müssen. Ebenso verhält es sich mit der Erklärung, meine Angabe, daß ein Setzer wegen seiner sozialdemokratischen Gesinnung nicht angenommen worden, sei unwahr; die Annnahme der Setzer liege dem Faktor ob. Der Setzer H. Sch. fragte um Condition nach; Abends wurde vom Faktor und seinem Freunde ic. der Stab über ihn gebrochen: „den könne man nicht brauchen, daß sei ein Sozialdemokrat." Leider ist es mir nicht möglich, hier öffentlich den Zeugen zu nennen, da ich nicht die Condition eines Familienvaters auf's Spiel setzen will. Es ist ja sehr leicht, sich eines„Unliebsamen" direkt oder indirekt zu entledigen. U:ber Punkt 4 gehe ich hin- weg, da sich mit einem Nichtbuchdrucker über denselben nicht rechten läßt. Doch nun zum letzten Punkt. Wenn der Herr S. bemerkt, er hätte eigentlich gar keinen Anlaß, den vom Verbände festgestellten Tarif einzuhalten, so beweist er nur seine Unkenntniß in der Sache. Der Tarif gilt sowohl für Verbands- als auch Nichtverbandsmitglieder und wurde von den beiden Organisationen (Prinzipal- und Gehilfenverband) festgesetzt! Die Einschränkung der Nachtarbeit ist die Grundbedingung jeder wahren Humanität, da jede Nachtarbeit nachtheilig auf die Gesundheit des Arbeiters einwirkt; ist aber eine solche unumgänglich erforderlich, so ist es nicht mehr als billig, daß hierfür auch eine erhöhte Zahlungs- leiswng eintritt. Der Tarif hat hierfür seine bestimmte Normen. Wie aber Herr S. dazu kommt, nachdem er selbst zugiebt, daß, sobald Reichstagssitzungen 6, andernfalls 3 Arbeiter Nachtjour haben, dies für keine regelmäßige Nachtarbeit zu halten, das begreise wer Lust hat. Es ist nun eine„wissentliche Unwahr- heit", wenn Herr S. seine Weigerung der tarifmäßigen Bezah- lung für Nachtarbeit darunter zu verstecken sucht, daß in fast allen Druckereien der Lokalzuschlag von 20 auf 10 Proz. herabgesetzt worden wäre. In ganz Frankfurt existirt eine Druckerei (Kumps u. Reis), wo eine gänzliche, und zwei andere, wo eine nur theilweise 10 Proz. Lohnreduzirung durch eine Aussperrung erzielt wurde. Alles übertrifft aber die Dreistigkeit des Herrn S.. den Lesern des„Vorwärts" glauben zu machen, daß bei lOstündiger Arbeitszeit- die Setzer einen durchschnittlichen Ver- dienst von 39 M. 94 Pf. erzielten. Das ist eine Unwahrheit, mit welcher zu jeder Zeit die Prinzipale es trefflich verstanden, das Publikum zu traktiren, wenn die Arbeiter es sich unterstanden, die Arbeitslöhne in Einklang mit den gestiegenen Lebensmitteln und Wohnungen zu bringen. Ein jeder Setzerlehrling weiß, daß es eine absolute Unmöglichkeit ist, im glatten Zeitungssatze bei 10 Stunden 39 Mrk. 94 Pf. zu verdienen. Ja, es wird verdient, aber in welcher Zeit? Von einer lOstündigen Arbeits - zeit ist in den meisten Zeitungen keine Rede, am allerwenigsten in der„Frankfurter Zeitung ". Die durchschnittliche Arbeitszeit ist eine mindestens 12 stündige. Mag sich Herr S. einmal das Vergnügen machen, die Arbeitszeit der Setzer Bck., Bm., Hmp. w. zu controliren, er wird dann eine durchschnittliche 15 stündige Arbeitszeit herausbekommen. Ueber die verschiedenen unrichtigen Behauptungen, z. B. daß die Arbeitszeit der jourhabcnden Setzer von 1 Uhr Mittags bis 1 Uhr Nachts daure, bemerke ich, daß dies allerdings„verkündet" worden ist, einesthcils aber durch die Schuld der Setzer selbst, anderntheils aber durch Maßregeln des Faktors wieder vergessen worden ist, so daß jetzt keine Rede Bewenden haben sollte. Nie vorher war die Gelegenheit so günstig, die arbeitenden Massen zu organisiren. Geschieht dies in größerer Ausdehnung, so ist der große Strike der Beginn einer wirklichen, nie mehr zu besiegenden, großen letzten Ar- bester- Revolution. Um dieses um so sicherer zu machen, müssen wir von aller Gewaltanwendung adrathen, welche mehr ist als Nothwehr, müssen wir vielmehr zu möglichst friedlichem Vorgehen einladen. Glücklicherweise hat die amerikanische Arbciterwelt auf diesen unfern Rath nicht gewartet, sondern fast überall von selbst in seinem Sinne gehandelt. Indessen sind doch an einigen wenigen Stellen Unordnungen vorgekommen, welche überall hätten ver- mieden werden können, wo es eine wohlgebildete Sektton der Partei oder eine mit ihr verbundene Gewerkschaft gegeben hätte. Alle lärmenden, die öffentliche Ruhe störenden Vorgänge sind mit der Sache der großen internationalen Arbeiterpartei unver- einbar, ausgenommen im Falle der äußersten Nothwehr, und führen zunächst zu nichts, das von allgemeinem und dauerndem Nutzen sein könnte, wohl aber mögen sie dieser Sache großen Schaden thun, indem sie falsche Vorurtheile gegen dieselbe er- wecken. Selbst die wärmste Sympathie, welche unsere Partei mit allen um Dasein und Gleichberechtigung ringenden Arbeitern nährt, darf uns nicht verführen, anders als im Wege gemein- samen Berathens, Beschließens und Handelns am hellen Ta- geslicht vorzugehen und uns von unserer Poth und Leidenschaft zu verzettelten Aufständen oder nur lärmenden Aufläufen fort- reißen zu lassen.(Aus dem„Chic. Vorboten".) — Seminaristensprache. Während der Rivision eines Lehrer- seminars bemerkte der Revisor, daß eine von den an den Wänden des Speisesaales angeschriebenen Bibelstellen ganz frisch überklebt war und augenscheinlich eine andere Stelle citirte, als vordem. Erstaunt machte er den Seminardirektor darauf aufmerksam, und dieser gerieth in nicht geringe Bestürzung, denn die Bibelstelle, die wahrscheinlich ein Semi- narist heimlich angeklebt haben mußte, wahr sehr bedeutungsvoll; sie steht Jesus Sirach 31, 13 und lautet:„Und denke nicht, hier ist viel zu fressen." — Zu leichtes Brod. Um wie viel besser der Eifer der Polizei angewendet ist, wenn er sich gegen die Betrüger wendet, statt zum ver- geblichen Culturkampf gegen die Sozialdemokratie, hat sich dieser Tage in Kaufbeuren gezeigt. Bei einer dort vorgenommenen polizeilichen 'mehr davon ist, mit der Arbeit um 1 Uhr Mittags anzufangen. Durchschnittlich dauert die Nachtarbeit bis 2 Uhr, öfter aber später. Zum Schlüsse bemerke ich noch, daß zwei Parteigenossen, welche als Correktoren in der„Frankfurter Zeitung " fungirten, die Herren Rohleder(jetzt Redakteur des„Zeitgeist") und Schaumann damals gekündigt wurden, weil sie sich weigerten, ohne Entschädigung Nachtdienst zu leisten. In diesen Verhand- lungen zwischen gen. Herren und Herrn S. hat letzterer so Manches, was ein scharfes Streiflicht auf seine Arbeiterfreund- lichkeit wirft, zu Tage gefördert. Rudolf Döll. St. Johann, 15. August. Vor dem Zuchtpolizei-Gericht zu Saarbrücken begann heute früh der Prozeß unserer Partei- genossen und Redakteure der„Freien Volksstimme": Harry Kaulitz und Rudolph Hackenberge r. Dieselben hielten vom 8. Juni bis Ende Juli verschiedene Volksversammlungen in den benachbarten Ortschaften Malstatt , Dudweiler , Quierschied , Sulz- bach u. s. w. ab, welche alle sehr gut besucht waren. Das ver- droß die Gegner zwar sehr, aber die eigentlichen Machinationen begannen doch erst mit dem Erscheinen der„Freien Volkssttmme". Das brachte unsre Gegner aus Rand und Band, und sämmtliche sonst gegenseitig sich anfeindenden Parteien verschworen sich, dem frechen Eindringling jedes Terrain streitig zu machen. Doch waren alle ihre Anstrengungen vergeblich, denn die„Freie Volks- stimme" hatte schon bei der zweiten Nummer eine Auflage von 1000 Exemplaren und versprach riesig zu wachsen. Hier half kein anderes Mittel, um sich des sehr unbequemen Gegners zu entledigen, als die Verhaftung der beiden Redakteure. Kaulitz wurde am 11. Juli Vormittags 10 Uhr auf Grund eines Ver- Haftsbefehl wegen Vergehens gegen die ZZ 110, 130, 131, 185 und 187 d. R.-S.-G.-B. in der Expedition der„Freien Volks- stimme" verhaftet und in das Kantonal-Gefängniß zu Saar- brücken als Untersuchungs-Gefangener abgeführt. Hackenberger wurde bei Abhaltung einer Volksversammlung in Malstatt wegen Aufreizung gegen die Staatsgesetze ebenfalls verhaftet und in dasselbe Gefängniß abgeführt.— Die des Genossen Kaulitz zur Last gelegten Vergehen bestanden in Folgendem: Aufreizung zum Widerstande gegen die Staatsgewalt, Gefährdung des öffentlichen Friedens, Verspottungen resp. Verhöhnungen der Anordnungen der Obrigkeit und Beleidigungen von Beamten uud Privatpersonen (Fabrikanten); der Staatsanwalt hatte 27 Zeugen, fast nur Be- amte, wie der Landrath , Bürgermeister, Secretäre, Gensdarmen, Polizisten u. s. w. laden lassen; die beiden Angeklagten leisteten auf den Beistand eines Advokaten sowie Ladung der Schutzzeugen aus einer mir unerklärlichen Ursache Verzicht. In der heutigen Sitzung kamen zuerst die Zeugen, welche bei den beiden Ver- sammlungen, den 16. und 23. Juni, in Malstatt zugegen waren, zur Vernehmung. Beide, Kaulitz und Hackenberger, hatten dort gesprochen, und zwar über das eherne Lohngesetz, die hohen Steuern, sowie die schon längst verpulverten Milliarden, gewiß ein sehr mißliebiges Thema für die Staatsbehörde; sodann folgte der Bericht des Bergassessor Haßlacker, Redakteur des„Berg- manns Freund", über eine zu Quierschied am 6. Juli von Kaulitz abgehaltene und von Parteigenossen Edrich von hier geleitete Versammlung.— Gleich am Eingange seiner Rede soll Genosse Kaulitz folgende Worte an die Versammlung gerichtet haben: „Freunde, Arbeiter! Tretet in die Bataillone der Revolution! Schaart euch mit mir unter die rothe Fahne!" Ferner:„Der Krieg von 1870 wäre dadurch heraufbeschworen worden, daß man dem deutschen Volke die Beleidigung des Königs in Ems vorgeschwindelt habe." Auch schien die Aeußerung:„Nieder mit den Palästen!" den Fabrikanten und Geldwänsten, sowie auch den höheren Berg- und Eisenbahn-Beamten eine unsägliche Angst eingeflößt zu haben. Natürlich wurden alle die Aeußerungen auf's schärfste aufgefaßt; hatte doch der Commissar von Sulzbach erwähnt, das Volk wäre nach der Versammlung so erbittert und aufgeregt gewesen, daß an eine Verhaftung des betr. Kaulitz nicht gedacht werden konnte, sonst hätte es blutige Köpfe gegeben. Nachdem noch drei Beamte den aufreizenden Charakter der Quierschieder Reden bezeugt, folgte noch die Verlesung eines Berichts des liberalen Leibstenographen Mönch über eine in St. Johann am 8. Juli abgehaltene Volksversammlung. Hacken- berger und Kaulitz als Einberufer sprachen u. A. von Personen, welche mit den Aermeln das Zuchthaus gestreift hätten, sowie auch über die Ausbeutung der Arbeiter durch den Fiskus und die Fabrikanten. Das Stenogramm, welches Genosse Hacken- berger und Kaulitz als fehler- und lückenhaft bezeichneten, wurde von dem Stenographen Mönch aufrecht erhalten.— Mit diesen Zeugenvernehmungen wurden die Verhandlungen Nachmittags halb 2 Uhr geschlossen. Fortsetzung morgen. 16. August. Den Anfang der heutigen Verhandlung bildete die weitere Verlesung des stenographischen Berichts der am Visitation des Brod es wurde eine große Anzahl Bäcker zur Anzeige gebracht, welche durch Verkauf mindergewichtiger Waare daS Publikum beschummelten. Die betreffenden spießbürgerlichen Herren vom Backtroge sind selbstverständlich lauter liberale und ultramontane Culwrkämpfer, die daS„Eigenthum" gegen die Sozialisten vertheidtgen. An unsere Brüder in der alten Heimath. Melodie: Zieht im Herbst die Lerche fort. Zieht nicht aus der Heimath fort, Drückt die Noih auch schwer, Seid ihr hier am fremden Ort, Drückt sie noch viel mehr! Lug und Trug ist, was man hier Noch von Freiheit spricht, :,: Rohe Büttel hat man wohl, Freiheit hat man nicht!:,: Nur der Geldsack ist geschützt Hier auf seinem Thron, Seine Macht er täglich nützt, Allem Recht zum Hohn. Hast du Hunger, lacht er dir Höhnisch in's Gesicht: „Blaue Bohnen geb' ich wohl, Brod doch geb' ich nicht!:,: Bruder traut dem Bruder kaum, Alles ist sich feind Und es ist für Keulen Raum, Der es ehrlich meint.— Selbst die Presse hat verkannt Immer ihre Pflicht, :, Menschenschindern dient sie wohl, Wahrheit liebt sie nicht!:,: Regt es in der Heimath sich, Kehren wir zurück, Kämpfen mit euch brüderlich Für des Volkes Glück; Denn vergeblich ist hier doch Was man schreibt und spricht,— Götzendiener giebt's hier wohl, Freiheitskämpfer nicht:,: Gustav Lyser. (Aus dem„Ehic. Vorboten")
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2 (24.8.1877) 99
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