unabhängig von jeder andern regulären Partei zu bilden. Die Arbeiter errangen in Louisville vergangene Woche mit großer Mehrheit einen Wahlsieg. Sie stellten einen Candidaten für ben Gouverneurposten in Ohio mit einer ganzen Liste von Staatsbeamten auf. Vorbereitende Versammlungen behufs Bil- dung der Partei wurden in Cincinnati , Columbus , Baltimore , Philadelphia und New-Kork abgehalten. Die Bewegung erregte Aufmerksamkeit? man glaubt, daß die Partei infolge des durch die jüngsten Eisenbahnunruhen gegebenen Anstoßes furchtbar sein werde. Die Versammlungen haben sich für unmittelbare Ver- tretung der Arbeiter im Congreß, in den Staats- und Stadt- tegislaturen, für den Widerruf aller Arbeiterbedrückungsgesetze und die Fassung von arbeitschützenden Gesetzen ausgesprochen."— Wir enthalten uns vorläufig noch jedes Urtheils über diese Nachricht.__ — Der Kampf gegen die Sozialdemokratie wird in Saar- brücken mit wahrer Wuth fortgeführt. So wurde Sonntag den 19. d. M., Nachmittags 1 Uhr, der vierte Redakteur der dortigen„Freien Volksstimme" verhaftet und als Untersuchungs- gefangener in das Kantonalgefängniß abgeführt. Die Verhaftung erfolgte angeblich wegen Vergehen gegen die 110, 130 und 131 des R.-Str.-G.-B., die in den Nrn. 6 und 7 der„Freien Bolksstimme" begangen sein sollen; in Wahrheit aber verbirgt sich hinter den Gesetzesparagraphen die brutale Gewalt, welche unter deiy Deckmantel der Gesetzlichkeit den Vernichtungskampf gegen die Sozialdemokratie führt. Ludwig Kossuth hat sich jetzt auch in einem Briefe an seinen Freund, den ungarischen Abgeordneten Molnar, über die orientalische Frage ausgesprochen. Wir bringen nachstehende bezeichnende Stelle: Man sagt: der Czar hat sein Wort gegeben, daß er nicht erobern wolle. Und der Czar ist ein wackerer Mann(Lrutus ia an honorable man), lassen wir ihn also wirthschaften, dort im Osten; die österreichisch-ungarische Monarchie hat jetzt nur die Aufgabe, sich in„Bereitschaft" zu setzen,(freilich auch das nur dort nach Süden, wo wir dem Türken wohl schaden können, dem Russen aber in keiner erdenklichen Weise); in Aktion zu treten, wird dann erst an der Zeit sein, wenn bei den Friedens- Verhandlungen sich zeigen sollte, daß der Czar sein Wort nicht hält und erobern will. Oh! dann werden wir auf unfern Säbel schlagen und Europa wird mit uns sein und es wird Das und Jenes geschehen. Möge sich die Nation vor diesem Netz hüten. Es ist ein gar gefährliches Netz. Denn erstlich sage ich: Wenn der Czar aus diesem Kriege siegreich hervorgeht, dann wird das Wiener Kabinet nicht mehr zu dem Zweck auf den Säbel schlagen, um den Czar an der Eroberung zu hindern, sondern nur um sich an der Beute zu betheiligen.— Zweitens sage ich: Wenn auch das Wiener Kabinet den Willen haben wird, dann die russischen Eroberungen zu verhindern, dann wird es nicht einen einzigen Bundesgenossen mehr in Aussicht haben bei der schwie- rigeren Aufgabe des Umsturzes der vollendeten Thatsache, als es sich jetzt sichern könnte— wenn es wollte—, zu der leichtern Aufgabe, daß die Dinge nicht zu vollendeten Thatsachen werden. Der Preuße würde aus dem einen, der Franzose aus dem zweiten, der Italiener aus einem dritten Grunde gegen den Russen auch dann nicht vom Leder ziehen; das ist gewiß. Das Wiener Kabinet würde also nicht mehr Bundesgenossen haben, sondern es würde nur einen mächtigen Bundesgenossen weniger haben, welcher unter den gegebenen Verhältnissen mehr Werth ist, als jeder erdenkliche Bundesgenosse: und das ist der Türke, diesen würden wir mit jener umgarnenden Politik jedenfalls verlieren, ohne statt seiner einen anderen zu gewinnen. Wir würden ihn verlieren, weil die Einlösung oder Nichteinlösung des Czarenwortes nur mit dem Eintreten eines von zwei Fällen constatirt werden könnte. Entweder wenn er, Heer auf Heer gegen den von Allen verlassenen Türken führend, diesen schließlich vernichten würde; dann würde die Möglichkeit eines Bündnisses mit der Türkei natürlich wegfallen; oder wenn der Türke, des häßlichen Spieles überdrüssig, welches Europa und insbesondere das Wiener Kabinet mit ihm treibt, sich entschließt zu sagen: Wenn Europa und insbesondere das Wiener Kabinet sich um mich nicht kümmert, dann kümmere ich mich auch nicht um sie— und mit dem Russen einen Separatfrieden abschließt. Diese Politik also, welche auf die Einhaltung des Czarenwortes lauert, ist entweder böse Berechnung oder Verrechnung; ein Ver- brechen, oder eine Ungeschicklichkeit, wie es beliebt. Allein für uns giebt es eine noch entscheidendere Rücksicht als diese. Und diese ist: daß die die österreichisch-ungarische Monarchie bedrohende Gefahr damit keineswegs beseitigt wäre, wenn der Czar sein gegebenes Wort einlösen, und nicht erobern würde; denn wenn er auch nicht erobern, sondern nur den Krieg siegreich beenden würde, so würde ihm letzterer Umstand allein jene Führermacht, jenen diktatorischen Einfluß sichern, welchen er sich bei Entfaltung des Banners der„slavischen Sache" zum Ziele ausgesteckt hat. Für die österreichisch-ungarische Monarchie ist es aber keine größere Gefahr, wenn der Czar im Orient durch Eroberupg sich ausbreitet, als wenn er mit seinem Siege beweist, daß er der „slavischen Sache" eine feste Burg sein kann und seine Macht, seinen Einfluß solcherweise ausbreitend, über die Ostslaven und die sich mit ihnen verbinden,— sei es in unserer Nachbarschaft zur Rechten, oder in unserer Nachbarschaft zur Linken, oder endlich in unserem eigenen Vaterlande— als Führer, als Herr, als Beschützer verfügen kann. Die moskowitischen Blätter machen gar kein Geheimniß mehr daraus, daß, nachdem die Fahne der „slavischen Sache" entfaltet ist, nach der„slavischen Sache" der Türkei die„slavische Sache der österreichisch-ungarischen Mo- narchie" folge— und das ist kein leeres Wort. Es ist Logik. In der That ist für uns und Oesterreich die letztere Art der russischen Expansion noch gefährlicher, als die Länder-Eroberung. Diese letztere gewinnt nicht, sondern entfremdet vielmehr Denjenigen, den sie erobert. Russischer Unterthan zu sein ist kein Wünschenswerther Zustand und die Eroberung ist im schlimmsten Falle eine Loa coustrictor, mit der man schließlich kämpfen kann, aber die andere, das ist der Polyp; hat sich der einmal an unfern Körper geheftet, so ist aus seinen Fangarmen mit heiler Haut keine Retwng mehr möglich. Die erfolgreiche Art der Abwendung der von den russischen Aspirationen unserem Vaterlande und Oesterreich drohenden Gefahr ist also nicht in dem thatlosen Abwarten, daß der Czar sein Wort halte, nicht bei dem geräuschvollen Finale der Friedensverhandlungen zu suchen, sondern nur darin und einzig nur darin, daß wir, so lange es nicht zu spät ist, mit den Türken Hand in Hand gehen, damit durch die siegreiche Abwendung des russischen Angriffes die Integrität und Unabhängigkeit des ottomanischen Reiches bewahrt, und die russische Machtverbreitung in jeder Form ver- hindert werde. Cornipcmdsuzen. Minterthur, den 18. August. Der„Tagwacht" entnehmen wir folgende Correspondenz:„Plötzlich und oft unerwartet for- dert der Tod seine Opfer. Vor circa 8 Tagen begab sich unser Freund und Bundesgenosse Heinrich Meyer, Lehrer in Belt- heim, in seine Heimathsgemeinde Regensdorf , ohne zu ahnen, daß keiner seiner Freunde ihn wieder sehen sollte. Er fand bei einem Ausflug nach Baden den Tod in der Limmat , ob durch einen räuberischen Anfall oder durch Zufall, ist bis heute noch nicht aufgeklärt. Bon seinen Schülern wurde er geehrt und geachtet und sie bewiesen ihm die letzte Ehre dadurch, daß sie iym noch einen prächtigen Kranz zu seinem Begräbniß schickten. Von seinen Freunden von Veltheim und Umgebung hatten sich gleichfalls eine ziemliche Anzahl zum Begräbniß ein- gefunden und hat überhaupt Regensdorf jedenfalls lange kein so großes Leichenbegängniß gesehen. Meyer war im letzten Jahr Mitglied des Bundescomitös. Suchen wir Alle durch verdoppelte Anstrengung für Ausbreitung der sozialdemokratischen Ideen diese Lücke wieder auszufüllen; dadurch werden wir un- seres Freundes am besten gedenken." Stötteritz , 21. August. Sonntag den 19. d. M. begingen wir hier ein Arbciterfest, wie es in solcher Weise wohl kaum je im 13. sächsischen Wahlkreise gefeiert worden sein dürfte. Aus allen Theilen des 13. Wahlkreises, aus Leipzig und auch aus verschiedenen entfernter liegenden Orten, waren Festtheil- nehmer erschienen— nach oberflächlicher Schätzung etwa 10,000. Stötteritz selbst bot einen überraschenden Anblick dar; in wahrem Wetteifer hatte Jedermann, der es mit der Sozialdemokratie hält— und das ist in unserem Orte die übergroße Mehrzahl— Alles daran gewendet, um dem Orte ein festliches Gewand an- zulegen. Fahnen, Guirlanden, Kränze, Inschriften, Transpa- rents, Ehrenpforten mit bezüglichen Sinnsprüchen, Bilder Las- salle's, Marx' und Gruppenbilder wechselten in bunter Mannigfal- tigkeit ab und trugen mit dazu bei, die Festesstimmung zu erhöhen. Auch der Himmel hatte Einsicht genommen und seine sonst jeden Tag geöffneten Schleusen für diesen Tag wie auf Commando geschlossen. Kurz, alle Umstände waren gegeben, nicht Nutzen daraus ziehen, so haben wir wenigstens unsre Pflicht erfüllt. Beachten wir keine anderen Parteien mehr; wenn>vir uns selbst nicht zu vertheidigen vermögen, so bleiben wir ihre Sklaven. Laßt ernsthaften und aufgeklärten Menschen uns die Hand reichen und arbeiten wir mit Vernuuft und Energie. Beweisen wir der Welt, daß wir, weit davon entfernt eine beschränkte, ungebildete Masse zu bilden, intelligente und aufgeklärte Menschen sind, daß unsre Grundsätze wahr und unbeugsam und unsre Ge- fühle die edelmüthigsten sind. Beschäftigen wir uns nicht viel mit Personen. Die Personen, die Menschen sind nichts— die Prinzipien Alles! Vermeiden wir Uneinigkeiten und kleine Zwistigkeiten und beaufsichtigen wir die Feigen und Heuchler. Laßt unsre Herzen im Eifer für den gegenwärtigen Kampf erglühen und einer Zukunft zusteuern, deren Grundlagen die Wissenschaft, die Wahrheit und die Ge- rechtigkeit find! — Zum Arbeiterrisico. Am 22. August brach in dem Kohlen- bergwerke Borussia bei Dortmund ein Grubenbrand aus, dem 15 Ar- beiter zum Opfer fielen. — Kartoffel-Einlage und Zuckerrüben-Deckblatt.� Mit diesem Beiwort pflegt man eine Cigarre von mehr kräftigem als angenehmem Geruch zu bezeichnen, wie jedem Raucher wohl be- kannt ist. Daß aber der erstere Artikel in Massen in Frankreich zu dem angegebenen Zwecke gebraucht und der Bedarf aus Deutschland eingeführt wird, hat sicher Mancher nicht gewußt. Eine Verordnung des Präsidenten Mac Mahon läßt uns darüber nicht im Unklaren. Der- selbe erläßt soeben ein Einfuhrverbot auf Kartoffeln aus Deutschland , welches sich auch„auf die dürren Blätter" der Kartoffel erstreckt. Die Herren Franzosen werden ihm dankbar sein, wenn er ihnen das Material zu den Liebescigarren damit vom Leibe hält. Kr« — Kreuzzeitungs-Kindisch-s. Die„Kreuzzeitung " schreibt: „Einer unserer Leser sendet uns Nachklänge vom Tübinger Jubiläum. Wir mögen es uns nicht versagen, aus der Schilderung des Königs- festes in Bebenhausen die Mittheil'ung hier vorwegzunehmen, daß der König Carl, welcher sich in leutseliger Freundlichkeit mitten unter den von ihm bewirtheten Studenten bewegte, zu einem anwesenden Theo- logen die Aeußerung that:„Es sind ernste Zeiten; das Beste ist, den kindlichen Glauben festzuhalten."— Aus„indirekten" Gründen wollen wir die gebührenden Bemerkungen für uns behalten. — Ein Delinquent, der sich selber hinrichtet. In Amerika wird das„Hängen" in der Regel so ungeschickt gehandhabt, daß die Delinquenten oft eines langsamen und qualvollen Todes sterben. Ein Mörder, Namens Guidry, der in Neworleans am 25. Juli gehängt wurde, war indeß glücklich genug, augenblicklich zu sterben, infolge des Umstandes, daß er die Anordnungen für seine Hinrichtung persönlich beaufsichtigte. Als Guidry, der ein merkwürdig intelligenter Mörder war, das Schaffet bestieg, besichtigte er sofort den Strick, mit welchem er gehängt werden sollte, und fand, daß derselbe nicht lang genug sei. „Der Fall"— sagt er zu dem Sheriff—„wird nicht genügen. Ich wünsche einen gehörigen halsbrechenden Fall von etwa zehn Fuß Tiefe." Der Sheriff traf sofort die nöthigen Schritte, um diesem Gesuche zu willfahren, und der Strick wurde demgemäß verlängert und dem De- linquenten um den Hals gelegt. Guidry machte sodann nach einigen spöttischen Bemerkungen darüber, daß mau in Amerika nicht einmal' zu hängem verstehe, den Sheriff darauf aufmerksam, daß der Strick zu dicht zusammengezogen und der Knoten an der unrechten Stelle sei. Der Sheriff traf die nöthigen Abänderungen und zog dem Delinquenten die Kappe über das Gesicht. Guidry brach hieraus in ein unbändiges Ge- lächler aus, weil, wie er sagte, die Kappe so dünn sei, daß er durch i dieselbe sehen könnte. Als endlich die Klappe fiel, starb der Delinquent (augenscheinlich ohne Schmerz oder Todeskampf, weil er sich, wie der „Newyork Herald" bemerlt, das Geschäft selber besorgt und dadurch die erste gründlich erfolgreiche Hinrichtung, die seit langer Zeit in den Ver- einigten Staaten staltgesunden, gesichert hatte.— Wir haben obiges Geschichtchen nur nacherzählt, um zu zeigen, welche Roheit und Ent- sittlichung in der Todesstrafe liegt. — Ein offenes Eingeständniß. Ein evangelischer Pfarrer in Kischenew, Namens Faltin, erzähll im„Evangelischen Kirchenblatt" über den Berräther Hassan Pascha, der Nicopolis den Russen über- antwortet hat und sich nun in einer rubelisirten Gefangenschaft befin- det. Wir bringen unseren Lesern den interessanten Schlußsatz:„Mit sichtlicher Freude nahm er das Evangelium in türkischer Sprache an, und liest sehr fleißig in demselben. Die Hälfte hat er bereits durchge- lesen. Möge dasselbe ihm zum Segen sein. Ich fürchte aber, daß es ihm so gehen könne wie dem Tscherkcssenhäuptling Schamyl, der, als er in seiner sürstlichen Gefangenschast in einem Prachteinbande das Neue Testament in seiner Sprache erhielt und es mit großer Aufmerksamkeit durchgelesen hatte, antwortete;„Ich habe euer Religionsbuch durchge- lesen und finde, daß euere Religion eine großartige und schöne ist, aber das eine ist mir ausgefallen, daß ihr eben gar nicht nach diesem Buche lebt. Wenn ihr danach leben werdet, werden auch andere sich zu dieser Religion bekehren."— Das klingt gerade so wie der bekannte Spruch:„Thuet nach meinen Worten, nicht nach meinen Werken." I UM das Fest zu einem recht gelungenen zu machen. Zum Fest- platz war der Mothes'sche Kirschgarten erkoren, in dem ein ' Musikchor und vier Gesangvereine abwechselnd sich produzirten. ;Die Festrede hielt Genosse Liebknecht , der sich nach der „Fackel" folgendermaßen äußerte: Festgenossen! Wenn es mir heute an Stoff zu einer Festrede gefehlt hätte, ich würde ihn auf dem Wege hierher gefunden haben. Schon von der Ferne sah ich die Flaggen in Stötteritz wehen; ich fragte den Genossen, der mit mir ging: Ist das ein Siegesfest, was hier gefeiert wird? Es sieht so aus, wie ein Fest, das unsere Gegner feiern— wie das Sedanfest. Doch, wie wir näher kamen, da sah ich, daß zwischen dieser Feier und der des Sedan- tages denn doch ein großer Unterschied ist. Da standen nicht Inschriften, mit denen die bluttgen Tage eines Schlachtfeldes gefeiert werden, da standen Wahrsprüche, in denen die Arbeit und die Freiheit verherrlicht wurde. Wohlan, das Fest, das wir feiern, ist ein Siegesfest, aber es ist nicht die Feier eines Sieges, der erfochten ist mit den brutalen Waffen von Eisen auf blutigen Schlachtfeldern za Gunsten dynasttscher Interessen, sondern es ist die Feier eines Sieges, erfochten mit den Waffen des Geistes, erfochten für eine große Sache. Am 10. Januar ist dieser Sieg erfochten. Auf der einen Seite standen die Kämpfer für Freiheit, auf der andern die Kämpfer für Volksunterdrückung. Hier in Stötteritz und in diesem Wahlkreise hat der Kampf der Geister ärger getobt als irgendwo in Deutschland — die Männer der Arbeit haben den Sieg davon getragen. Festgenossen! Bei diesem Kampf haben wir so recht sehen können, worin eigentlich die Kraft der Arbeiterpartei liegt. Gegen uns Alles; die Gegner, ausgerüstet mit allen Machtmitteln der Erde — die Männer der Arbeit allein mit ihren nackten Armen, aber bewaffnet mit den Waffen des Geistes traten sie in den Kampf und sie haben gesiegt(Beifall.) Wie war es aber möglich, daß die Söhne der Arbeit den übermächtigen Gegner haben werfen können? Wir, lieben Freunde, wir wissen es, aber für unsere Gegner ist es noch ein unlösbares Räthsel. Jeder Sozialdemokrat ist auch ein muthiger und begeisterter Kämpfer für die große und gerechte Sache, er tritt für sie mit ganzer Kraft ein, die Gegner sind blos einzeln auf dem Platze und kämpfen mit Geld, wo nur die Begeisterung zum Siege führen kann.— Woher aber kommen die Schaaren der Sozial- demokratie?— Seit vier Jahren lastet die Krisis au» Deutsch- land. Da muß Jeder fragen, wenn er die hungernden Men- sehen, das zerstörte Familienglück schaut, woher dies Unglück? Muß das sein? Sind die Menschen zum Elend geboren? Zu sagen, die Menschheit sei zum Elend geboren, ist eine elende Blasphemie! Die Menschheit hat sich durch Arbeit emporge- rungen, sie hat der Natur mehr und mehr Schätze abgewonnen, — aber die Vertheilung der Erträgnisse ist eine ungerechte. Mit den Fortschritten der Cultur haben leider die gesellschaftlichen Einrichtungen nicht Schritt gehalten. Daher schwelgt ein kleiner Theil der Menschen in Wohlergehen; die große Masse des ar- bettenden Volkes liegt im Elend! Müssen wir da nicht eine andere Ordnung der Dinge schaffen, die solche Zustände unmög- lich macht? Ein anderes Bild, meine Freunde! Jeder von Ihnen liest täglich von Thaten, die ihn mit Grauen erfüllen müssen. Dort in der Türkei werden im Namen der Humanität, im Namen des Christenthums, im Namen der Civilisation, alltäglich Tausende von Menschen geopfert— das gebildete Europa , es steht thaten- los da und gebietet dem Morden nicht Halt! Genossen! Eine solche Civilisation hat sich gerichtet; das alte Europa , es hat sich das Todesurtheil gesprochen durch die Vorgänge auf dem asiatischen und europäischen Kriegsschauplatze, gerade so, wie die ökonomische Ordnung der Dinge verurtheilt worden ist durch die Krisis und das Elend der Massen. Freunde, es gilt zu kämpfen, um diese Zustände zu besei- tigen. Der Tag, den wir heute feiern, hat gezeigt, was geleistet werden kann, wenn das Volk aufKitt im Massenaufgebot. Es gilt, das eroberte Land frisch zu bebauen, nicht die Früchte des Sieges wieder preiszugeben. Jeder neu eroberte Punkt muß zu einer Festung der Sozial- demokratie ausgebaut werden, die uneinnehmbar ist. Von diesen Festungen aus inüssen die Züge in's Land ausrücken, um neuen Boden zu gewinnen. Stötteritz ist. eine Festung; es ist eine Burg des Sozialismus im 13. Kreise. Nie soll sie uns genom- men werden! Hier müssen neue Kräfte gesammelt werden, den Kampf und die Arbeit in den Wahlbezirken auf's Neue wieder aufzunehmen. Zu solchem Kampf muß das Fest, das wir heute feiern, Sie alle ermuthigen. Unser Fest ist gleichsam eine Heer- schau der Sozialdemokratie, und wahrlich, Jeder kann stolz darauf sein. Da sind Männer, Frauen und Kinder, da sind die Familien versammelt, da steckt die Sozialdemokratie nicht blos in einzelnen Köpfen, sie steckt in Volke! So laßt uns denn fortringen und weiter kämpfen, neuen Siegen entgegen! Die Sozialdemokratie— das müssen unsere Gegner lernen— wird erst aufhören zu kämpfen an dem Tage, an welchem alle ihre Forderungen durchgesetzt sind. Darum hat Jeder die Pflicht, bis zum letzten Athemzug zu ringen. Und so schließe ich: Thue Jeder seine Schuldigkeit!(Stürmi- scher, langandauernder Beifall.) Nach einer kurzen Pause ergriff Bebel das Wort. Er gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß neben den Tausenden von Männern, die gekommen wären, um hier ein Volksfest zu feiern, sich auch Tausende von Frauen und Jungfrauen eingefunden hätten. Es berechtige diese Thatsache zu der angenehmen Hoff- nung, daß auch in Frauenkreisen die Erkenntniß immer mehr Platz greife, den Freiheitsbestrebungen der Männerwelt nicht indifferent gegenüberzustehen, sondern mit theilzunehmen am Kampfe zur Befreiung des ganzen Menschengeschlechts. Redner fährt fort:„Das heutige Fest hat auch insofern eine hohe Bedeutung, als es uns allesammt auf's Neue ermahnt und' begeistert, auf dem einmal betretenen Wege fortzuwandeln. Möge man uns auch verfolgen, wie man will, möge man uns in's , Gefängniß werfen, so lange man will____"(Minutenlang an I haltender Beifall.) Bebel fortfahrend:„Verehrte Festgenossen! Noch hat man keine Idee mit Gewaltmitteln zu unterdrücken vermocht, noch keine mit kleinlichen Polizeichikanen todt gemacht— über alle diese gehen wir zur Tagesordnung hinweg, wir nehmen sie hin als kleine Mückenstiche, über die wir uns wohl momentan—" (Donnernder Beifall.) Polizeikommissar Winkler: Ich rufe hiermit den Redner zur Ordnung und veranlasse ihn... ich entziehe ihm das Wort! Ich erkläre die Versammlung für aufgelöst! Mehrere Stimmen: Das ist ja gar keine Versammlung! Polizeikommissar: Das Weitersprechen verbiete ich aber. (Zum Vorsitzenden des Festco mites gewendet): Daß ich die Versammlung für aufgelöst erklärt habe, wollte ich Ihnen blos ! sagen. Auf die Einwendung des Vorsitzenden, daß hier keine Ver-
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2 (26.8.1877) 100
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