gesetz gestellt zu werden. Fast nirgends wird wohl io leichtsinnig mit dem Leben der Arbeiter umgegangen, wie im Baufache, was ja auch die vorgeführten Zahlen bewiesen haben. Daher rufen wir noch einmal: Was der deutsche Reichstag that, indem er die Bauarbeiter vom Haftpflichtgesetz ausschloß, ist uns ganz unbegreiflich. Sozialpolitische Ueber cht. —„Preußen ist in Deutschland aufgegangen", so jubeln unsere Herren Nationalliberalen fortwährend, besonders in den deutschen Mittel- und Kleinstaaten. Und kommt dann einmal so ein böser Sozialdemokrat und sagt:„Das ist nicht so; Deutschland ist in Preußen aufgegangen; Preußen hat wenigstens die alleinige, unbestrittene Führerschaft"— dann sprechen die Reichsphilister von den sozialdemokratischen Lügen. Wagen sie denn auch von kaiserlichen Lügen zu reden, wenn sie folgenden Passus aus einer Rede des deutschen Kaisers lesen, �>ie er jüngst in Düsseldorf als Erwiderung auf eine Ansprache des Land- Marschalls der Rheinprovinz gehalten hat? Dieser Passus lautet: „Darum denke Ich auch stets mit Genugthuung und Dankbarkeit an die acht Jahre zurück, welche Ich unter Ihnen ver- lebt, und zähle sie zu den glücklichsten Meines Lebens. Als dann die starken Söhne dieses Landes mit denen des alten Preußens zusammen gefochten, geblutet und gesiegt, da gab es kein altes und neues Preußen mehr, sondern nur ein Preußen, eben so wie jetzt durch mächtige Berhältnisse ein einiges Deutschland mit diesem Preußen an der Spitze geworden ist." Das ist doch deutlich—„mit diesem Preußen an der Spitze!" Danach hat sich Preußen nicht geändert, wohl aber Deutschland . Es ist also so und bleibt dabei trotz aller liberalen Reichsesel: „Deutschland ist in Preußen aufgegangen!" — Der alte Thiers ist am 8. d. M. mit großem Ge- prange begraben worden. Der Ministerrath hatte ursprünglich beschlossen, die Beerdigung auf Staatskosten zu veranstalten; da die Wittwe Thiers, die Bedingungen des Ministerraths, unter welchen die Beerdigung stattfinden sollte, aber nicht annahm, so unterblieb die offizielle Feierlichkeit. Es wäre auch schade ge- Wesen um das viele Geld, das das Begräbniß des..Helden- greises" dem Staate gekostet haben würde.— Die Führer- schaft der republikanischen Partei wird dem gemäßigten Herrn Grcoy übertragen werden— Gambetta ifl übergangen worden—; auch, hat man Grevy in dem Pariser Wahlkreis aufgestellt, den Thiers in der Nationalversammlung vertreten hat. Die Jntransigenten und sozialistischen Arbeiter aber stellen dem gemäßigten Republikaner Grövy gegenüber den Radikalen Bonnet-Duverdier, den im Gefängnisse sich bafindenden Pariser Gemeinderath, als Candi- daten auf. Der Tod des Herrn Thiers hat also das unselige Band zerissen, welches die Radikalen bislang mit dem linken Centrum verknüpfte— so hat der sterbende Thiers doch eine gewisse Klarheit geschaffen, er, der lebend so gern Alles durch Schmutz und Heuchelei trübte. Die Nachricht, daß die Radikalen ihre Bande gesprengt haben, stammt aus der in Berlin er- scheinenden„Sozialdemokratischen Correspondenz", die Carl Hirsch aus Paris herausgibt— dieses Aufraffen ist ein guter Ansang und wir sind herzlich erfreut, die Jntransigenten einmal wieder loben zu können.— Daß in Paris in Bourgeois- kreisen die Aufregung über den Tod des Herrn Thiers groß war, ist allzunatürlich, da ja der Oberbourgeois selbst seine Creaturen verlassen hatte. Wie aber die„Kölnische Zeitung " be richtet, herrschte in den Pariser Arbeitervierteln die voll- kommenste Gleichgültigkeit.— Noch sei bemerkt, daß Thiers we- nige Tage vor seinem Tode dem preußischen Feldmarschall von Manteuffel ein längeres Schreiben gewidmet hatte-— der „Republikaner " dem starren Reaktionär!— Daß Thiers durch seine„Staatsretterei" ein sechsfacher Millionär geworden ist, das mag allgemein bekannt sein, deshalb auch die ungemeine Begeisterung aller Börsen- und Jobberblätter für diesen„Ma- cher".— Unser Frankfurter Parteiorgan ruft recht treffend zum Schlüsse einer Betrachtung über den„großen Todten" aus: „Möge die blaue Republik ihm bald nachfolgen!" — Der Fortschritt in immerwährenden Nöthen. Wenn der Fortschritt zum Rückschritt geworden ist und sich trotz- dem immer als Fortschritt gebehrdet, dann wird er einfach hinter die Reaktion geworfen, die doch wenigstens nicht lügt und fälscht Behandlung türkischer Gefangener in Nußland. Die ersten in Jaroslaw vor einigen Wochen angekommenen türkischen Gefangenen aus Moskau , 3<X> an der Zahl, wurden in der Nikolai-Kaserne untergebracht. Als die Nachricht von ihrer Ankunft bekannt geworden war, begaben sich unsere Ein- wohner in großen Massen zu der Kaserne, um ihre Neugierde zu befriedigen, was aber nicht Allen gelang, weil die ganze Masse nicht gleichzeitig in den Kaserneuhof, wo die gefangenen Türken sich gelagert hatten, gelassen werden konnte. Am Abend gegen 7 Uhr verließen die Gefangenen ihren Rastort und bc- gaben sich in langem Zuge durch die Stadt zur Wolga , wo sie der Dampfer„Uspjech" erwartete, welcher beordert war, sie nach Kostroma zu transportiren. Bei dem ungeheuren Zulauf eines verschiedenartigen Publikums konnte diese Ceremonie nicht ohne irgend welche Zwischeufälle vorübergehen. Viele der dem Zuge Folgenden begleiteten die Türken mit Schimpfreden, was seitens dieser mit einem bösen Gesichtsausdrucke beantwortet wurde. Ein Gefangener, dem ein Mehlhändler„Allah-Giaur" zugerufen hatte, hob einen Pflasterstein auf und warf ihn dem Beleidiger an den Kopf. Der Getroffene verschwand in der Menge und konnte von der Polizei nicht aufgefunden werden. Als die Türken den Landungsplatz zum Dampfer pasfirten, spielte sich trotz Ein- schreitens der Polizeimannschaft folgende Scene in meiner Gegen- wart ab: Ein Haufen betrunkener junger Leute, Fabrikarbeiter, welche alle zu den Einberufenen gehörten und mit einem anderen Dampfer auch nach Kostroma gebracht werden sollten, besetzte die Brücke, welche zum Landungsplatz des Dampfers führte, bildete Spalier und ließ für die herankommenden türkischen Gefangenen einen nur engen Durchgang. Als Letztere diesen passirten, er- scholl von allen Seiten der sie umgebenden Masse lautes Schimpfen, das von einem Vorwärtsdrängen begleitet war. Als der Dampfer die Gefangenen aufgenommen hatte und bereits unter Dampf stand, um abzugehen, versuchte der betrunkene Haufe unter dem Geschrei:„Laßt uns sie in der Wolga er- tränken!" sich an Bord desselben zu werfen. Dem die Gefangenen begleitenden Convoi gelang es indeß, solches zu verhindern. Als sich der Dampfer vom Landungsplatze entfernte, eilte die Masse zu dem Capitän ihres Dampfers und forderte von ihm unver- zügliche Abfahrt, um, wie sie sich erklärte, den Dampfer mit den Gefangenen einzuholen und all' diese Kerle in der Wolga zu er- und heuchelt. Aber alles Großthun— selbst wenn Eugen Richter ins Horn tutet— nutzt nichts, und zuweilen bricht sich die Erkenntniß selbst in den eigenen Reihen Bahn. So schreibt jüngst ein Correspondent aus Breslau der Berliner„Volks- zeitung" und jammert, nachdem er nachgewiesen, wie nothwendig eine lebendige Agitation in Schlesien sefl.zum Schlüsse:„Aber— es geschieht eben nichts. Auch hier in Breslau ist Alles still. Der jünger? Wahlverein hat sich wieder aufgelöst, und der ältere rührt sich nicht. Sonst nahmen sich andere Parteien die Rüh- rigkeit der Fortschrittspartei zum Muster; jetzt haben wir von den anderen Parteien zu lernen."— Daß gerade zu derselben Zeit, wo dieser fortschrittliche Nothschrei erschallt, der fortschritt- liche„Gewerkoerein". den Herrn Bojatzky, Reiseprediger des braven Mäxchens, Triumphe und Siege über die Sozialdemo- kratie in Schlesien feiern laßt, ist sehr bezeichnend für, ja für — die ffcch-komische Lügenhaftigkeit des„Gewerkverein". — Zur Verfälschung der Lebensmittel. Aus Glad- bach im Rheinlande wird geschrieben:„Eine von der Polizei veranlaßte chemische Untersuchung der Wurst hiesiger Fleischer:c. hat ergeben, daß dieselbe fast durchgängig durch Mehlzusätze verfälscht war. Da jedoch zwei unserer tüchtigsten- Fleischermeister reine Waare führten, so fällt der oft gehörte Einwand, das Mehl sei zur Herstellung der Wurst unbedingt nöthig, in sich zusammen. Die Hauptursache kann man vielleicht in dem Umstand suchen, daß das Pfund Wurst 80, das Pfund Mehl aber nur 23 Pf. kostet und das letztere zudem noch die Eigen- schaft besitzt, recht viel Wasser, das bekanntlich auch mitwiegt, zu absorbiren, welche Eigenschaft dem Fleisch und Fett fehlt. Die Personen, welche mit Mehl zc. verfälschte Wurst feilgehalten haben, werden sich demnächst vor dem Polizeigericht zu verant- Worten haben."— Was werden die Fleischer in den anderen Städten wohl ein günstiges Urtheil über ihre Polizei fällen, die ganz gemüthlich Mehl Fleisch sein läßt. — Zum russischen Staatsbankerott schreibt die sonst so russcnfreundliche„Weserzeitung":„Ein Berichterstatter über die Lage des Berliner Geldmarktes meldet, daß der russische Finanzministcr, um das zur Kriegführung nöthige Geld anzu- schaffen, den eigentümlichen Weg eingeschlagen hat, die neu gedruckten Banknoten, deren Ausgabe auf dem Kriegsschau- platze kaum noch möglich ist, im Auslande, namentlich an der Berliner Börse zu verkaufen und dagegen Gold, besonders Napoleonsd'or einzutauschen, welche in Rumänien am liebsten genommen werden. Diese interessante Mittheilung findet ihre indirekte Bestätigung in der rapide sich steigernden Ausgabe„zeit weilig emittirter" Papiernoten, welche nach dem jüngsten Aus- weise der russischen Staatsbank, abgesehen von den 735 Mil- lioneu„bilanzmäßiger" Rubelnotcn, die beträchtliche Höhe von 153 Millionen Rubel erreicht hat. Die Gesammtsumme der bi- lanzmäßig und der zeitweilig emittirten Papierrubelnoten be trägt gegenwärtig bereits ca. 900 Millionen Rubel. Da die Ausgabe d:r Rubelnoten in Rußland unbeschränkt ist und in letzter Zeit wöchentlich etwa 10 Millionen in Noten emittirt wurden, läßt sich annehmen, daß Rußland im nächsten Monate 1000 Millionen Rubelnoten besitzen dürfte."— Wenn die ruf- fische Regierung, welche ohne Bewilligung irgend eines gesetz- gebenden Körpers derartige Scheine ins Unendliche hinein drucken lassen darf, bis zu Ende dieses Krieges, der noch in weiter Ferne steht, dieS thut, um sich aus der Geldklemme zu helfen, so kann es sich ereignen, daß später die Besitzer der Rubelscheine, besonders die im Auslande, in die Geldklemme gerathen, da voraussichtlich diese Papierwische den einzigen Werth als Papierwische haben werden. Schade aber ist es, wenn nur ein einziger Deutscher — ausgenommen natürlich die Russen freunde, die sich aber erst recht in Acht nehmen— durch solche russische Schwindelei Schaden erlitte. — VombulgarischenKriegsschauplatz lauten die Nach richten fortdauernd günstig für die Türken. Alle Angriffe, welche die türkische Ostarmee unter Mehmed Ali Pascha unternahm, hatten einen siegreichen Ausgang für die türkischen Waffen, ja es verlautet sogar, daß es Mehemed Ali Pascha durch ein ge- schicktes Manöver gelungen sein soll, sich zwischen die russische Hauptarmee und die Donau zu schieben, was einer ernstlichen Gefährdung der russischen Rückzugsliuie nach Rumänien gleich- kommen würde. Dagegen wollen die Russen gege« die türkische Westarmee unter Osman Pascha einen Sieg davongetragen haben sollj Die letzten Nachrichten über diesen russischen Sieg datiren vom 3. September, von da ab aber herrscht ein sehr verdäch- tiges Schweigen über den russischen Erfolg. tränken. Der Capitän des Dampfers gab angesichts dessen, daß der Haufe nicht zu beruhigen war, das erste Signal zur Abfahrt, obwohl es noch nicht an der Zeit war. Doch die Masse ließ sich damit nicht befriedigen und forderte wiederholt die sofortige Abfahrt, was den Capitän veranlaßte, sich an die Polizei zu wenden, die aber nur durch einige Unterbeamte vertreten war und deshalb bei dem Versuche, einige der Tumultuanten zu arre- tiren, nichts ausrichten konnte. Endlich gelang es einem mili- tärisch gekleideten älteren Herrn— wie es sich später erwies, war es der Ex-Jsprawnik unseres Gouvernements, der sich mit diesem Dampfer an seinen neuen Berufsort begab— die Masse durch einige ruhige Worte zu besänftigen, zwischen ihr und dem Capitän das Einverständniß herzustellen, und bald darauf setzte sich der Dampfer in Bewegung. Der Capitän bemühte sich, durch langsameren Gang den Dampfer aus dem Gesichtskreise zu verlieren, um sg weiteren Unordnungen vorzubeugen. — Ueber die Behandlung des� Viehes bei Trans- Porten sind jetzt folgende neue Vorschriften von der preußischen Regierung ergangen: Die Beförderung von Vieh kann mittelst Tragens, Treibens oder Fahrens stattfinden. Es ist dabei jedoch jede rohe Behandlung der Thiere, insbesondere das Hetzen von Hunden auf dieselben, das heftige Zerren an den Leitseilen, Prügeln mit Knütteln, Stoßen mit Füßen oder Fäusten zu unter- lassen.— Das Treiben oder Führen lahmer Thiere ist nur in denjenigen Fällen gestattet, in welchen eine thierärztliche Be- scheinigunz von dem Treiber oder Führer vorgezeigt werden kann, daß die Thiere ohne erhebliche Schmerzen sich fortbewegen können. Beim Ein- und Ausladen sind die Thiere, wenn die Beschaffenheit des benutzten Fahrzeuges nicht gestattet, daß die Thiere in dasselbe hinein- und herausgeführt oder getrieben werden, zu heben und niederzusetzen, nicht zu werfen. Bei dem Transport mittelst Fuhrwerks dürfen nur solche Thiere gefesselt werden, welche bei freier Bewegung, ihrer Bösartigkeit wegen, ihren Begleitern oder dem Publikum gefährlich werden können. Eine Fesselung, welche den Thieren nur gestattet, auf dem Rücken zu liegen oder bei welcher denselben ein Stützpunkt für den Kopf fehlt, ist unzulässig.— Kälber, Schafe und Schweine dürfen aus dem Transport mittelst Fuhrwerks nicht gefesselt werden. Ein Transport auf Schubkarren ist verboten. — Bullen müssen bei — Aus Nordamerika . Folgende interessante Notiz über die dortige Arbeiterbewegung entnehmen wir dem in Chicago erscheinenden„Vorboten":„Ein erfreuliches Zeichen ist es, daß allenthalben un Lande die Arbeiter zum Klassenbewußtsein kommen und entschlossen scheinen, sich von den alten Parteien loszumachen und als Arbeiterpartei selbstständig einzugreifen. Zu bedauern aber ist es, wenn auch bei der mangelhaften Vorbildung der Arbeiter nicht anders zu erwarten, daß sich allenthalben außer- halb der Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten politische Arbeiter- organisationen gebildet haben und dadurch die Kräfte zersplittert werden und die Gefahr heraufbeschworen wird, daß die Arbeiter von Neuem wieder zur Beute für heißhungrige Fachpolitiker werden. Die Aufgabe der Mitglieder der Arbeiterpartei ist es, allenthalben im Lande, wo sich Fachpolitiker der neuen Bewegung zu bemächtigen suchen, die Arbeiter vor den krummen Burschen zu warnen und die Arbeiter für die Arbeiterpartei der Ver- einigten Staaten zu gewinnen." — Genosse Heinrich Meister in Hannover ist von der Straf- kammer des Obergerichts wegen Beamtenbeleidigung zu 150 Mk. Geldstrafe, event. 15 Tage Gefängniß verurtheilt worden. Der Kronanwalt beantragte 2 Monate Gesängniß. — DurcheineVerfügung des unfern Lesern hinlänglich be- kannten 0r. Rüder sind für Leipzig vier Gewerkschaften Knall und Fall geschlossen worden— und zwar die Gewerkschaft der Metallarbeiter, der Klempner, der Shuhmacher und der Holz- arbeiter. Wie wir vernehmen, gedenkt vr. Rüder seinen Posten als Polizeidirektor von Leipzig zu quittiren, falls diese Schließung, wie das Verbot der freiwilligen Geldsammlungen in Volksver- sammlungen, durch seine vorgesetzten Behörden rückgängig ge- macht werden sollte. Ein Mann von Ehre könnte auch gar nicht anders handeln, und Jeder weiß, daß Dr. Rüder ein Ehrenmann ist wie er im Buche steht. Schwarz— Schwarz-weiß-roth— Roth. Münster , den 2. September. Ueber Münster eine Correspondenz zu schreiben ist für einen Sozialdemokraten eine nicht gerade angenehme und erquickende Aufgabe. Unsere Stadt, die einen abgesetzten Bischof mit einem Schwärm schwarzer, einen Oberpräsidenten mit einem kleinen Heer schwarz-roth- weißer Untergebenen und, mit wenigen, aber rühmlichen Ausnahmen, last ancl loast Studenten hat, deren Intellekt, wie Sie vom vr. Steuder wissen, noch zu schwach- sichtig ist, um die leuchtenden Sterne der Sozialdemokratie er- blicken zu können; diese unsere Stadt hält noch immer mit un- kräuttgster Zähigkeit fest an der guten, alten Parole: In Münster sei es finster. Eine Totalverfinsterung hatten wir am Piusfeste, eine totalere am 1. September zu notiren. Weil der 2. nämlich ein Sonntag, beging man die Feier des heiligen Sedan am 1. September. Natürlich hatten die Ultramontanen mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln gegen das Fest agitirt und dabei den liberalen Gegnern nichts nachgebend, die einfachsten Regeln des Anstandes verletzt, aber nur deshalb, weil die Reichsdiener an diesem Feste den vaterlandslosen, von Rom dressirten Pfaffen gegenüber sich als die vornehmen Kultur- missionäre, die Erhalter der sittlichen Weltordnung aufspielten und den Balken im eigenen Auge nicht sahen, nicht aber, weil der Verthcidigungskrieg gegen Napoleon in einen Eroberungs- krieg gegen Frankreich ausartete; mit letzterer Ansicht stehen wir Sozialdemokraten, zu unserer Ehre sei es gesagt,— allein. Der Sedanzug wurde Heuer von der jungen und jüngsten Generation Münsters, von den Bolksschulkindern gesprungen. Als die Knaben und Mädchen den Marsch zum Festplatze an- traten, regnete es heftig; die zukünftigen Kriegsknechte und Helden- jungfräulein jedoch zogen unter den Klängen einer Massenmord- musik mit militärischer Dreckocrachtung zum Schützenhofe. Hier tranken sie Blümchenkaffee und Limonade und aßen dazu ein Butterbrod mit Nationalliberalismuß bestrichen. Ich wollte nur, Herr Lammers aus Bremen hätte sich die Bewirthung ansehen können, er würde gewiß nicht den berüchtigten Nothstandsarttkel verbrochen haben. Für ein Drittel war gesorgt worden, die zwei übrigen Drittel sahen zu und hatten doch Hunger— wie preußische Stabsoffiziere, sagt man in meiner Heimath. Die Bedienung stellten die„interessanten" Töchter von Regierungs- räthen und anderen Beamten, dieselben Damen, welche einen armen Reisenden mitleidig durch den Hausknecht vor die Thür complimentiren lassen. Inzwischen wurden Spielsachen ausgelost, allen Transportarten mit einer Blende(Kappe) vor den Augen versehen und au den Füßen in üblicher Weise gefesselt werden, um ihr Durchgehen zu verhüten. Jedem dieser Thiere müssen zwei handfeste Begleiter beigegeben werden. Die zur Bcförde- rung von Thieren benutzten Fuhrwerke müssen so geräumig sein, daß die Thiere, ohne gepreßt oder gescheuert zu werden, neben einander stehen und liegen können. Dem gefesselten Vieh ist eine starke Unterlage von Stroh oder anderem weichen Material zu geben. Geflügel jeder Art darf nur in Käfigen, oder anderen lustigen Behältern befördert werden, welche so geräumig sein müssen, daß die Thiere neben einander zum Stehen und Liegen genügenden Platz haben. Der Transport in Säcken und Netzen ist unstatthaft, ferner das Binden der Flügel oder Füße und das Zusammenbinden mehrerer Thiere, sowie das Tragen an den Füßen. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden, insoweit sie nicht durch das Reichs Strafgesetzbuch einer schärferen Ahndung unterliegen, mit Geldbuße bis zu 30 Mark, oder ver- hältnißmäßiger Hast bestraft.— Es ist whr schön und heilsam, daß das Vieh, auch das Schlachtvieh geschont wird, daß strenge Gesetze gegen die Thierquälerei erlassen werden. Wann aber nahet die Zeit, wo auch den Menschen derselbe Schutz angedeiht, wo auch die Menschenquälerei aufhört? Die„Glücksspielbudcn" auf Jahrmärkten, Messen zc. Erlauben Sie, Herr Redakteur, daß ich zu obigem im„Borwärts" vor Kurzem behandelten Thema einen weiteren Beweis für die betrü« gerischen Manipulationen erbringe, die von einer großen Anzahl der Schaubudenbesitzer zur Ausplünderung des Publikums angewandt wer- den. Ich diente im Jahre 1874 in Hanau als Soldat. Alljährlich werden daselbst zwei Messen abgehalten, bei denen es natürlich an so« genannten Glücksbuden und allerlei sonstigen Sehenswürdigkeiten nicht fehlt. Nun war es mir während einer solchen Messe aufgefallen, daß einer meiner Kameraden, mit dem ich in einer Stube einquartiert war, jeden Abend mit einem ansehnlichen Gewinn, der bald aus einer silber- nen Cylinderuhr oder einem silbernen Leuchter u. s. w. bestand, von der Messe heimkehrte. Die Sachen waren durchaus echt. Das„Glück" meines Kameraden reizte mich, und ich ließ mich verleiten, es auch einmal mit der Göttin Fortuna zu versuchen. Sechs Kreuzer(13 Pf.) waren Eiusatz und als Gewinn fielen mir ein paar lumpige Bilder und ein Streichholzbüchschen zu im Werthe von vielleicht 6 Psennigem Das„Glück" meines Kameraden kam mir nunmehr verdächtig vor; ich und mehrere andere Kameraden drangen deshalb in den Glückspilz, uns
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2 (12.9.1877) 107
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