herabgedrückt worden, einige vorzügliche Führungs-Atteste ge- ordnet und abgeschrieben, als ein Freund mir die neuesten Zei- tungcn brachte. Auf den ersten Blick bemerkte ich, daß Ludwig Glaser abermals einen dummen Streich gemacht hatte. Es ist zu natürlich; in einer Stadt, die von den Ultramontauen ge- knechtet wird, muß auch dem Leithammel der Liberalen die Kaplansdefensive in den Knochen stecken: Gibt dir Jemand einen Streich auf die linke Wange, so reiche ihm auch die rechte dar. Eben noch hat dieWestfälische Provinzial-Zeituug" eine Ohr- feige erhalten für eine Gemeinheit, die sie auf sozialem Gebiet verübt, und deren Motive, wie ich zu ihrer Ehre annehmen will, nicht in ihrem Charakter, sondern in ihrer bornirten Unwifsen- heit zu suchen sind, so begeht sie eine neue Dummheit auf dem Gebiete der Politik. Dieselbe besteht in einem Leitartikel, der wahrscheinlich nicht von dem Redakteur Glaser geschrieben, denn dazu soll ihm die geistige Begabung fehlen, sondern aus einem jener bekannten Berliner   Leitartikel-Bazare bezogen ist und auch das Abzeichen jener Fabrikate trägt: Billig und schlecht. Erlassen Sie es mir, Stellen aus demselben zu citiren; ich will aus den sechzig gelogenen Zeilen nur die Quintessenz mit- theilen.Die erlauchte Person des russischen   Kaisers will keine Eroberungen machen, sondern nur die Christen von dem Joche des Islam befreien. Deutschland   muß das glauben. Unser Volk muß den Russen sogar dankbar sein, daß sie so lange(sie!) den Angriffen der Türken widerstanden haben. Denn siegen die Türken, so werden sie erst recht nicht aus Europa   gehen." Mit den letzten Worten hat der Verfasser eine Masche seines Schwindelnetzes fallen lassen. Die Türken sollen also doch aus Europa   gejagt werden? Ist das die Vor- bedingung zur Befreiung der Christen, die Garantie, welche Kaiser Alexander fordert? Und wenn die Türken fort und die Christen frei sind, was wird aus der europäischen   Türkei  ? Die geistreiche", gut unterrichteteProvinzial-Zeitung" wird natür­lich prophetisch voraussagen können, daß der Kaiser, wenn die paar Christen ihm etwa sagen werden: Der Mohr hat seine Ar- beit gethan, der Mohr kann gehen mit seinen dccimirten Regimentern gemüthlich nach Hause marschirt, getragen von dem süßen Bewußtsein, die Humanität gerettet zu haben. Sie kann versichern, daß der Czar und Pabst aller Neuffen   die Christen nicht mit der Knute in die orthodoxe Giftbude peitschen, die neuen Provinzen nicht russifiziren und mit russischen Großsürsten besetzen, die Fürsten von Serbien   und Rumänien   nicht zu seinen Vasallen machen wird, und daß der russische   Doppelaar viel zu besonnen ist, um schließlich in die slavischen Länder Oesterreichs  einzufallen, selbst wenn es Deutschland   ihm erlauben sollte. Wenn von Berlin   aus an Carol die Ordre ergeht, die Russen zu unterstützen, j und diese die rumänischen Bundesgenoffen bei Plewna vor die Alternative stellen, den russischen Kugeln sicher, den türkischen wahrscheinlich zum Opfer zu fallen, so geschieht diese Pulverisirung einer Armee nicht, um dem Volke das mili- tärische und politische Selbstbewußtsein zu rauben und es zum gefügigen Werkzeug slavischer Politik zu machen, sondern nur um die Chnsten zu befreien. Gorlschakow ist ein viel zu schlauer Staatsmann, um nicht einsehen zu können, daß der Be- sitz von Konstantinopel   für den russischen Handel werthlos ist, daß es vollständig unsinnig ist, die Stadt am goldenen Horn, den wohlgeschürzten Knotenpunkt zweier Welttheile,' als das Diamantschloß des osmanischen Reiches zu betrachten. Und sollte dem Leiter Rußlands   wirklich einmal in einem schwachen Augen- blicke der Appetit nach einem StückchenVaterland" kommen, so wird er sich auf die Knie werfen und Gott im Namen des europäischen   Gleichgewichts anflehen:Führe uns nicht in Ver­suchung, sondern erlöse uns von cchlem Uebel. Amen." Das Alles kann man zwischen den Zeilen des offiziösen oder offiziellen Artikels lesen, dessen Abfassung ebenso von Berlin  aus commandirt wurde, wie das Losschlagen Rumäniens  . Wenn der Schreiber desselben nur etwas vorsichtiger zu Werke ge- gangen wäre und sich nicht selbst verrathen hätte. Er hat seinen Artikel in den Styx stählender Heuchelei und Servilität getaucht, daß derselbe förmlich davon trieft, doch wo die Hand der wahren Gesinnung ruhte, ist er verletzbar geblieben: Türken 'raus! Mehr Interesse wie die verkommene Politik der Liberalen bietet die Aufnahme, welche die bekannte sozialdemokratische Adresse einiger Studenten unserer Hochschule bei den biederen Münsteranern gefunden hat. Die Wirkung derselben, als sie be- kannt wurde und in alle größeren Blätter der Provinz überging, war wirklich groß. Solch' freie, lichttrunkene Worte waren in Noch allerlei Conservatives. Frankfurt   a. M., 16. September. Vor acht Tagen schied ich von den geehrten Lesern mit der Bitte:Nichts für ungut." Wenn ich ihre Aufmerksamkeit schon heute wieder für ein paar Minuten in Anspruch nehme, so hat dies nur seinen Grund in der allzugünstigen Gelegenheit, sie einmal von conservativen Worten auf di!toThaten" schließen zu lassen. Dg kommt mir nachträglich die Nummer derDeutschen Reichspost" vom 2. September zu Gesicht. An der Spitze des Blattes figuriren 72 Zeilen Poesie:Zum 2. September." Ein Herr, der den ominösen Namen Müller führt, weiß zu er- zählen vondes Reiches Herrlichkeit", vomTag der Gottes  - räche",Festesjubel", vonder Feinde Tücke" k. Das Band der Treue soll uns fest umschlingen Zu unserm Gott und unserm Vaterland!" Da können wir ebenso wie in Nr. 106 desVorwärts"unterm Strich" fragen:was der spanische Gott an dem Tage wohl gemacht hat?" Doch weiter im Texte! Auf der zweiten Seite finden wir Sozialdemokratisches  " und Berliner  August- Conferenz". Ein Correspondent aus Hamburg   macht seinem christlich-conser- vativen Herzen mit einem gewaltigen Stoßseufzer Luft. Das Ding verdient den Namen:Bekenntnisse einer conservativen Seele" und ist wahrlich Werth, den Lesern wortgetreu präsentirt zu werden. Also: Durch die deutsche   sozialdemokratische Presse geht ein Schreckens- und Entrüstungsschrei über die Schwere des Urtheils, welches zu Saarbrücken   über zwei Agitatoren gefällt worden ist. Wir können nicht umhin, diese Entrüstung der sozialdemokrati­schen Organe nicht nur erklärlich, sondern in gewissem Sinne auch berechtigt zu finden. Es ist vollkommen wahr: ganz dasselbe was die beiden Redner den Zeitungsnachrichten zufolge gesagt haben, sagt in mehr oder weniger abweichender Form jede Num mer der verschiedenen Parteiblätter, sagt jeder, bei Festen oder in Volksversammlungen auftretende sozialdemokratische Redner, liegt jeder sozialdemokratischen Resolution oder sonstigen öffent- lichen Kundgebung zu Grunde. Wie kann man nun das Näm liche, was in unzähligen Fällen ganz straflos, ja unbeachtet bleibt, in diesem einen Falle mit solcher Schärfe ahnden? Und doch ist es eine innige, herzliche Freude, ist es ein förmliches Aufathmen, mit dem man die Nachricht von solchen Urtheils- Finstermünster" unerhört, ein Ereigniß, ein unerwarteter Schlag. Aber nicht ein plumper Faustschlag der Staatsgewalt, auch kein jesuitischer Fußtritt, sondern eine von kräftiger Studentenhand elegant geschlagene, prächtig sitzende Tiefquart. In allen Kneipen sprach man von den kühnen Studenten und forschte nach ihren Namen. Verblendet betrugen sich namentlich die ultramontanen Collegen. Ein liberaler Akademiker erzählte mir, es sei wahr- Haft zum Erstaunen, was seine Kameraden, die keine blasse Ahnung von dem Wesen des sozialdemokratischen Prinzips hätten, zusammenflunkerten. Die Einen röchen Petroleum und glaubten an Massenmordmaschinen a la Thomas, die Andern meinten, nun solle es womöglich gleich am kommenden Morgen losgehen; Baron Romberg und Commerzienrath Petersen z. B. würden auf den Markt geschleppt und müßten ihre Reichthümer in gleich- werthigen Theilen an die 30,000 Bewohner Münsters abgeben. Was für einen Begriff müssen die Leipziger   und Berliner   Studenten von solchen Commilitonen bekommen! Dr. Stender scheint Recht zu haben; solche Knaben können gefährlich werden. DieWestfä- lische Provinzial-Zeitung" war vor Schrecken ganzpaff" und konnte nur einige Worte der Neugierde stammeln. DieKöl- nische Volkszeitung" hält eine Mystification, worauf dasMyste- rium der Religion" hindeute, für möglich. Sie begreift nicht, daß das WortMysterium" jedes Mal in ironischem Sinne ge- braucht ist. So kommen die sozialdemokratischen Studenten noch in den Geruch, fromme christliche Sozialisten zu sein. Schlau sind die Ultramontanen doch! Am originellsten hat sich derWestfälische Merkur", das Or- gan der clericalen Adelspartei, benommen. Wenn man ein Pfäfflein, das sich während langer, langer Zeit auf das Strengste kasteit hat, plötzlich in ein Faß süßen, edlen Weines taucht, und im Wein ist Wahrheit, so kann es nicht possirlicher und beut- licher sprechen, wie derMerkur" zum Oberpräsidenten v. Kühl- Wetter. Das Mönchlein schmazt mit den schmalen, weinfeuchten Lippen, streichelt sich den dürren Leib und bespöttelt, mephisto- phelisch lächelnd, Herrn v. Kühlwetter also: So lange in der jetzigen Weise fortregiert und fortgewirth- schaftet und culturgekämpft wird, da wird die Sozialdemokratie immer mehr Anhang finden, da helfen gegen sie weder Roß noch Reisige, weder Gesetzesparagraphen noch Polizeireglements. Viel- leicht denkt aber Herr v. Kühlwetter, daß das Auftreten der Sozialdemokratie unter der akademischen Jugend nur Folge von jugendlichen, unreifen, unklaren Ideen und daß hier durch gründ- liche Belehrung abgeholfen werden könne. Dann wäre freilich nichts nothwendiger, als daß dem Professor der Staatswissen- schaft, von dem man an gewisser Stelle soviel Heil erhofft, der aber bekanntlich seit Jahren kein Colleg zu Stande bringt, cnd- lich einmal zu Zuhöreru verholfen würde. Gewiß, wenn dieser die Studenten in richtiger Weise begeisterte für die großen Ideen von der Erhabenheit des allmächtigen Staats, von der Unüber- trefflichkeit des Polizei- und Säbelregiments, von der Nothwen- digkeit der Steuerschraube, von der Vortrefflichkeit Manchester  - licher Handelspolitik und der unbeschränkten Gewerbefreiheit, dann würden sie ohne allen Zweifel nicht mehr so despectirlich über die Gesellschaft sprechen, welchevor dem Mysterium der Monarchie sich auf den Bauch wirft", undden Helden des- bels Monumente baut", dann würden sie mehr Achtung gewinnen vor derCulturwaffe der Hinterlader". Es scheint also von ungeheurer Wichtigkeit zu sein, daß der Professor der Staats- Wissenschaft fortan viele Zuhörer gewinnt. Vielleicht empfähle sich zu dem Zwecke, daß Staatssttpcndicn nur solchen ertheilt würden, welche bei dem Professor der Staatswissenschaft Vor- lesungen hören, oder daß für die Studenten ein Examen in der Staatswissenschaft eingeführt würde, oder daß man ein Seminar für Staatswissenschaft einrichtete mit hohen Remunerationen für die Mitglieder. Doch wir wollen keine weiteren Vorschläge ma- chen, sondern den Herrn Curator nur auf die Wichtigkeit der Professur der Staatswissenschaft aufmerksam gemacht haben und das Uebrige getrost seiner umsichtigen Fürsorge überlassen." Ich wiederhole es: in vivo veritas. In nüchternem Zu­stande jedoch befällt denMerkur" die alte Schwerfälligkeit und Dumpfheit seines Geistes. Dann poltert er mit deni Curator herum, weil derselbe die Jesuiten   verscheuchte, das theologische Concil auflöste, den einflußreichen Bischof beseitigte, einige neu- protestantifche Professoren anstellte und so den katholischen   Cha- rakter der Akademie aufhob um ihr einen modernen, Wissenschaft- licheren zu verleihen. Diese Reform habe das Entstehen der Sozialdemokratie begünstigt! Der arme Oberpräsident und seine Professoren dauern mich; sie haben diesen schrecklichen Vor- sprächen wie dem Saarbrücker begrüßt, und kann man, trotz des sehr gezwungenen Humors, mit welchem die Sozialdemo- kraten Herrn Tessendorf als ihrenbesten Agitator" bezeichnen, diesem Manne nicht dankbar genug dafür sein, Laß er die An- wendbarkeit der bestehenden Strafgesetze den frechen sozialdemo- kratischen Agitationen gegenüber zuerst gezeigt hat. Die Sache ist die, daß es allerdings thöricht wäre, von strafrechtlichen Ver- urtheilungen das Erlöschen oder auch nur eine merkbare Schwächung der Sozialdemokratie zu erwarten, und daß man es den Sozialdemokraten so wenig wie den Vertretern anderer Richtungen verwehren kann, für ihre Behauptungen und Lehren Propaganda zu machen; daß es aber für die Art und Weise, wie diese Propaganda betrieben wird, eine Grenze giebt, deren Ueberschreitung die Staatsgewalt nicht zu dulden braucht, die jedoch thatsächlich von den sozialdemokratischen Blättern und Agi- tatoren seither in einem Umfange mißachtet worden ist, den man kaum für glaublich halten sollte. Neuerdings beginnen nun die Staatsbehörden sich aufzuraffen und, sagen wir es gerade heraus, eine nur zu lange versäumte Pflicht zu thun. Was dieser Pflichterfüllung aber einen gehässigen Charakter verleiht, das ist, daß sie nicht systematisch und allgemein, sondern nur hier und da und gelegentlich geübt wird. Die Sozialdemokraten haben kein Recht, zu verlangen, daß man sie noch weiterhin in so kind- licher Weise gewähren lasse, wie dies bis vor Kurzem der Fall war, und es auch ferner gewiffermaßen als ein Privilegium der Sozialdemokratie anerkenne, die öffentliche Aufhetzung mit den verwerslichstenMitteln straflos betreiben zu können, während die Ange- hörigen anderer Parteien zuweilen für die harmlosesten Aeuße- rungen in schwere Strafen genommen werden. Insbesondere kann das Geschäft des Lügens, Verleumdens und Verdrehens, welches von den sozialdemokratischen Blättern mit ebenso großer Raffinirtheit wie Unermüdlichkeit geführt wird, nicht beanspruchen, daß die Staatsgewalt sich nicht um dasselbe kümmere oder nichts Anderes darin erblicken soll als dieStimme des Volkes". Aber wenn man Etwas thun will, so thue man es auch ganz: denn sonst kann nicht nur die Wirkung, eine der schärfsten Waffen der Sozialdemokratie zum Mindesten bedeutend abzustumpfen, nicht erzielt werden, sondern die Sozialdemokraten haben sonst auch, wie gesagt, ein gewisses Recht, über Bedrückung und Rechtsun- gleichheit zu klagen. Es wäre ein wahrer Segen und würde sehr zur Klärung der öffentlichen Meinung beitragen, wenn ein- mal nur in allen den Fällen, an denen offenbar eine grobe Ge- fetzesverletzung von jener Seite vorliegt, das Gesetz auch ge- 'Wurf nicht verdient. Weder die philosophischen und mathema- tischen Vorlesungen der Neuprotestanten, noch die von Teufels- furcht befreienden Vorträge des Dr. Karsch, weder die bis zur Langweiligkeit objektiven Geschichtsvorträge Lindner's, noch der optimistisch selbstgefällige, vom realen, determinirten, freud- und leidvollen Leben sich abwendende Pantheismus des sonst edlen und phantasievollen Denkers Dr. Spicker, auf den man es be- sonders abgesehen hat, können speziell zur Sozialdemokratie füh- ren. Ich erinnere denMerkur" daran, daß ein tausendmal radikalerer Philosoph, wie Spicker, David Strauß  , in seinem Alten und neuen Glauben" das Dogma von demMysterium" der Monarchie proklamirte, um den sonderbaren Einfluß, den die Monarchen auf das(dumme) Volk ausüben, begreifen zu können; und fürchtet sich etwa Stroußberg vor irgend einem Teufel? Die Studirenden hat eben das Leben, das harte, grausame, in Contrasten, die spitzer, wie Bajonette, sich stoßende und bre- chende Leben und Sterben aus dem unbarmherzigen Me- chanismus der Monopolisirung geistiger und leiblicher Güter in die allumfassenden, liebevollen Mutterarme der Sozialdemokratie getrieben. Die großartigste und gerechteste Moral der Weltentwicklung, Sozialdemokratismus, hat die stu- dirende Jugend nicht, mit ein oder zwei Ausnahmen, aus öden und trockenen Vorlesungen, in denen sie lernt, daß sie nichts lernt, geschöpft, sondern aus dem außerhalb der Hörsäle wogen- den Kämpfe um das Sein oder Nichtsein, dessen mächtige Tragik sich überall vor ihren Augen entfaltet. Der Oberpräsident mag daher nur ruhig sein; der Curator hat die bösen sozialdemokra- tischen Studenten nicht auf dem Gewissen. DerMerkur" zürnt aber nicht nur dem Oberpräsidenten, sondern auch den Studenten, daß sie vor den Nachtwächterhun- den des modernen Staates sich nicht unter die verdunkelnden Flügel der alleinseligmachenden Kirche geflüchtet. Es geht ein finst'res Wesen um, das nennt sich Jesuit und möchte gar zu gern die Studenten in lange, unbequeme Priestertalare stecken und in akademischen Congregationen und theologischen Convicten behüten, allwo Stagnatton, Versumpfung und dicke Finsterniß herrscht. Die Studenten wollen nichts davon wissen, wollen nicht, daß das arme Volk christliche Demuth übe und sich Gottes unerforschlichem Rathschluß füge, wenn es von übermächtigen Fürsten, Grafen   und Geldbaronen mißhandelt wird, wollen nicht einmal dem Kaiser geben, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist nein, alles Gott, d. i. der ganzen Menschheit. Sie schlagen die Kirchenthüren donnernd hinter sich zu und stür- men jubelnd in die herrlichen Eichenwälder der Sozialdemo- kratie und schlürfen durstig die herzschwellende Frühlingsluft der jungen Freiheit. Darob ist das Kaplansblatt erbost und in seinem Grimme belügt es sich selbst, hält das für schier unmöglich und nennt die Studenten platonische Schwärmer. Diesen Namen darf die Studentenschaft allerdings nicht von sich weisen, sie theitt ihn sogar mit den Ultramontanen. Auch die Sozialdemokraten schaffen heute noch mit Wort und Schrift, die Ausübung ihrer geforderten Rechte würde vereitelt werden durch Staatsanwälte und Mausergewehre. Der Gegenstand ihrer Schwärmerei ist noch nicht Fleisch und Blut geworden, der Gott   noch nicht in Brod verwandelt, er ist noch ein Ideal, man kann sagen, eine Seelen- braut. Aber es ist dieses Ideal kein Phantom, kein goldgerän- dertes Wölkchen, flüchtig flatternd hoch oben am Himmel sondern eine schwere Wolke, dunkel und ernst, die sich tief, tief herniedergelassen und entweder befruchtenden Regen, oder ver- nichtenden Wetterstrahl senden wird. Die neue Aera wird heranrücken mit dem milden, friedfer- ttgenSelig seid ihr", oder mit dem zürnendenWehe euch", entweder sie kommt als Demokratie oderDämonkratie". Wie? das haben unsere Gegner zu bestimmen! Das metaphy- fische Spintifiren hat sich vor dem scharfen Hauch der Erkennt- niß verkrochen und die Philosophie ist vom Himmel auf die Erde gekommen; so zerstören wir die Mythe vom Wohnort der Seligen und tragen all das Glück und Heil des Leibes vom Himmel auf die Erde. Aller Augen werden es sehen, Aller Ohren werden es hören, in aller Menschen Herzen wird es dringen, was Gott   Denen bereitet hat, die ihn lieben: Glück- seligkeit des Geistes und des Leibes. Mit einem Worte, und damit will ich meine Correspondenz schließen:Realität su- chender und findender Idealismus" ist die Losung der Sozialdemokratie. Ja, für diese schwärmen die deutschen   Stu- deuten auch in deß Wortes wörtlichster Bedeutung; sie schwärmen zu Tausenden. M. Br. handhabt würde. Bis jetzt ist das entschieden nicht geschehen; und das Saarbrücker   Urtheil wirkt nur darum in manchen Kreisen so verblüffend, weil man sich an die unglaublichsten Dinge so gewöhnt hatte, daß man deren Gesetzeswidrigkeit gar nicht mehr beachtete." Ob der Hamburger Correspondent derDeutschen Reichspost" unserem Freunde Tessendorf ob der ihm schon wiederholt ge- spendeten Anerkennung eifersüchtig ist wer will das entscheiden. Jedenfalls können wir ihm die Versicherung geben daß er uns vielleicht aus Nächstenliebe für heute dieöffentliche Auf- hetzung" erspart hat!Zahlen beweisen", sagt Benzenberg, und Thatsachen beweisen", sagen wir im Hinblick auf vorstehende Reichspost"-Leistung!! Hier sei nur die kleine Einschaltung erlaubt, daß jüngst in diversen Leitartikeln derReichspost" von einemsüddeutschen Richter", der jedenfalls die Weisheit eines Salomo in den Schatten zu stellen trachtete,«ans pbraso die Einführung der Prügelstrafe empfohlen wurde! Mancher Leser wird vielleicht ungläubig den Kopf schütteln und denken, ich habe etwa Nachts einmal vom Mittelalter geträumt. Pardon, Du irrst, ich habe es mit meinen höchsteigenen Augen gelesen, bin zwar ein So- zialdemokrat, kann aber heute, in Erinnerung an die Grund- steinlegung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald, unmöglich dasGeschäft des Lügens":c. betreiben. Nummer 213 vom 12. September bringt als Leitartikel: Einige Bemerkungen über den Aufschwung der sozialistischen  Presse." Es muß doch nicht mehr gehen mit diesem Todtschwei- gungssystem, wenn man bereits hieraus einen Leitartikel von 96 Zeilen fabrizirt. Die Führer der sozialdemokratischen Bewegung haben längst ihre Presse, d. h. die fortwährende Bearbeitung der Massen durch Schriftwerke, als das wirksamste Mittel zur Förderung und Erreichung ihrer Zwecke erkannt, und deshalb widmen sie derselben unausgesetzt die größte Aufmerksamkeit. Der reißende Aufschwung, den die sozialistische Literatur in den beiden letzten Jahren genommen hat, ist eine der beachtenswerthen Erschei- nungen unserer Zeit und beweist auf das Unzweideutigste die vortreffliche Organisation und die centralisirte Leitung der Partei." Die große Verbreitung desArmen Conrad", sowie die Aus- lassung desVorwärts", daß er nur beiMassenverbreitung" feineMission"(!) erfüllen könne, scheint derReichspost" nicht fehr zu behagen. Gänsefüßchen und Ausrufzeichen hätten übri-