nopel" als ein überaus schwieriges Ding auffaßten und vor den Fähigkeiten der russischen Armeeleitung wenig Respekt zeigten. Da begannen die Operationen. Die Russenfreunde waren überrascht, entzückt. Der Uebergang bei Galatz war ein„Meiste- stück", der Uebergang bei Sistova ein„Bravourstück", das Bom- bardement, welches eine Strecke von 70 Meilen einbezog und beide Donauufer von Widdin bis Ismail nutzlos verwüstete, war „großartig". Und als die Russen auf dem rechten Donauufer standen, da begann unter allseitiger Bewunderung das Sturm- laufen der Kosaken gegen Süden. Bulgarien wurde von Ost nach West und von Nord nach Süd durchzogen; die Dobrutscha war bald in den Händen Zimmermanns, dessen Kolonnen vor Silistria , Basardschik und Mongolin erschienen. Der Großfürst Thronfolger wurde zum Strategen ernannt und sollte Rustschuk schleunigst zu Falle bringen; seine Kolonnen reichten von Pirgos bis Osman Bazar, die Jantra, der Lom, Rasgrad — Alles wurde besetzt, die Kosaken waren überall. Die Kolonnen des Großfürsten Rikolaj, der bereits in Kischeneff zum Strategen er- nannt worden war,„eroberten" Plewna , Lowatz, Selvi, Tirnova , Gabrowa, Schipka, Hoinköi. Abdul Kcrim Pascha lag rezungs- los mit seiner Armee bei Schumla. Also vorwärts! General Gurko wurde zum selbstständigen Strategen ernannt und mit 40,000 Mann nach Thracien entsendet. Neue Siege, neue Er oberungen; Kasanlyk, Jeni- und Eski-Zagra, Karabunar waren bald besetzt. Die Russenfreunde klatschten in die Hände und riefen enthusiastisch: Meisterhaft! und der schlaue Jgnatieff glaubte schon, daß der Moment der Niederwerfung gekommen sei.— Die Situation war äußerlich über alle Maßen glänzend. Man hatte nur ein paar Tausend Türken bei Sistova und Noko- polis geschlagen, und war schon im Besitze des nördlichen Bul - gariens, des Balkans, eines Theiles von Thracien . Wie stellte sich aber diese äußerlich so vortheilhafte Sachlage bei eingehender und näherer Betrachtung dar? Die Administration war elend, die Lerzettelung der Streitkräfte eine beispiellose, die Brücke von Sistova eine ungenügende Verbindungslinie, die Operationslinie viel zu lang, die Angriffsfront zu breit, die Rückzugslinie nicht gesichert. Die russischen Strategen hatten an Alles gedacht, nur an den Feinds nicht! Die Politik war allein maßgebend, die militärischen Erwägungen waren Nebensache. Das Bulgarenvolk wurde insurgirt, das türkische Eigenthum verwüstet, Fürst Tscher- kasky war Gouverneur. So lange kein Türke in Sicht war, bewährte sich die russische Strategie unvergleichlich. Da kam Mehemed Ali, dann Osman, endlich Suleiman, und mit dem Auftreten dieser drei Männer hatte es mit den Eroberungen und mit der russischen Strategie seine guten Wege. In Plewna zeigten sich„einige" Türken; ein Paar Brigaden wurden dahin entsendet, um die rechte Flanke frei zu machen und diesen wich- tigen in Folge der famosen Balkanoperation aber wieder auf- gegebenen Straßenknotenpunkt zu„säubern". Siehe da! die russischen Brigaden kamen mit blutigen Köpfen nach Bjela. In Folge dessen wurden zwei Corps gegen Plewna dirigirt, aber auch diese erlitten eine furchtbare Niederlage. Wie kam das? Die russischen Feldherren hatten vergessen, daß die türkische Armee ihren linken Flügel in Widdin hatte, sie hatten keine Ahnung, daß Osman gegen Plewna aufgebrochen ist, sie wußten nicht, daß 50,000 Türken ihren rechten Flügel bedrohen. Die Eni- täuschung war bitter; es begann eine allgemeine Rückwärts- concentrirung, das Hauptquartier ging mit gutem Beispiele voran, alle Nachschübe wurden gegen Plewna dirigirt, die ganze Armee mobilisirt, die Garde aus ihrer süßen Ruhe aufgescheucht, die Armee Zimmcrmann's reduzirt und an den Trajanswall zurück- gezogen, wo sie unter dem entsetzlichen Klima hinsiecht! Während die russischen Strategen ihre Aufmerksamkeit Osman Pascha zu- wendeten, wurde Gurko von Suleiman Pascha aus Thracien hinausgeworfen, und zu allem Ueberflusse erschien auch Mehemed Ali, um die verzettelten Streitkräfte des Czarewitsch in einer Reihe von Gefechten zu schlagen, über den Lom und schließlich an die Jantra zu werfen. Ohne daß sie es recht wußten, waren die russischen Generäle in die unnatürlichsten und gefährlichsten Positionen gedrängt, eine Frontveränderung folgte der anderen und heute stehen zwei russische Heere Rücken an Rücken zusammengedrängt an der Jantra und vor Plewna, während ein Theil der Armee die schmale Linie Bjela- Tirnowa- Gabrowa- Schipka in der denkbar ungünstigsten Defensivstellung zu be haupten hat. Die Armee des Großfürsten Thronfolgers wurde in kleinen Kämpfen geschlagen, die Armee vor Plewna erlitt große Niederlagen und das eigensinnige Bestreben der Behaup- tung des Schipkapasses kostete 10,000 Mann und wird unzweifel- Haft ebenfalls zur schmählichen Niederlage führen. so wollen wir hoffen, daß die ihr zum Grund: liegende Theorie nur die des Herrn Stieber und ihm ausschließlich angehörig sei. Ungesetzlich ist der mildeste Ausdruck, den man für dies Versah- ren brauchen kann. Man sieht aber daraus, zu welchen Hand- lungen der Eifer für sein Ziel den:c. Stieber zu verleiten vermochte. Auf die Aussagen der Eidesleister wurde Wurm arrctirt. Die bei ihm gefundene Proklamation, ein Machwerk von hohlen Redensarten, schien dem:c. Stieber ein geistvolles Werk, und «r gründete darauf sogleich die für die Vergrößerung der Wich- tigkeit seiner Entdeckungen sehr ersprießliche Präsumtion, daß für den Wurm'schen Wahnwitz in den gebildeten Ständen versteckte Theilnehmer vorhanden sein müßten. Er sah sich um nach geeigneten Leuten dazu. In hiesigen Schenken, die er fleißig besucht hatte, und in welchen viele invalide Urtheile zum Besten gegeben zu werden pflegen, hatte er von einem hier bestehenden Gewerbeverein gehört und nicht minder von Schlöffel's und Wander's darin gehaltenen Reden. Sie sollten nach dem Ausspruch von Leuten, deren Sprachwiffenschaft kaum die richtige Bedeutung der Worte kennt,„revolutionär" gewesen sein. Schlöffet, der in dem Ruf eines freisinnigen Mannes steht, hatte sich überdies neuer- lichst durch eine bei dem gerade versammelten schlesischen Pro- vinziallandtag eingereichte Petttion um Beantragung der Auf- Hebung der Disziplinargesetze vom 29. März 1844 und um Ertheilung einer Habeas-Corpus-Akte stark in's Gerede gebracht. Was war also natürlicher, als bei dem Suchen nach einem Bor- steher der Wurm'schen Verschwörung*) auf Herrn Schlöffet zu verfallen. . ich mich 1853 in Hermsdorf a. N. niedergelassen hatte, traf ich bei einem Handwerker, bei dem ich etwas bestellen wollte, einen Mann, im Gespräch begriffen. Ich wartete dies ab und fragte den Handwerker, wer der Mann sei. Ich war überrascht, von dem Mann in einfacher Arbeiterkleidung so richtige Urtheile in einer so gebildeten Sprache zu vernehmen.„Es war dies", lautete die Antwort,„der bekannte Tischler Wurm aus Warmbrunn. Ee lebt jetzt hier und be- �"Len eine kleine Pension." Hier sprach ich denn den Mann, dessen Name dama!« so viel genannt wurde, zum ersten Mal; aber eS erwachte sogleich der Gedanke in mir, mich einmal mit ihm zu unterreden, um zu versuchen, ob ich einiges Licht über zweifelhafte Punkte erhalten könnte; ober ein unmittelbarer Berkehr hätte ja nur Aus allen Operationen leuchtete der nackte, ungeschminkte Dilettantismus hervor. Die Russen haben keinen einzigen Stra- tegen; die Generale sind Haudegen, welche das Menschenmaterial gar nicht schonen, den Werth des Mannes nicht zu schätzen wissen. Tausende und Tausende durch gänzlich verfehlte Taktik nutzlos zur Schlachtbank führen. Bravour geht ihnen über Alles, Verstand, Ueberlegung, militärisches Wissen— sind die Dinge, welche dem russischen Hauptquartter ganz fremd sind. Die Truppen sind brav und muthig; sie verstehen aber nicht von den neuen Waffen Gebrauch zu machen. Ihre Waffe ist das Bajonnet, bis sie aber zum Gebrauchs desselben kommen, sind ihre Reihen durch das mörderische Feuer des kaltblütigen Gegners niedergeworfen. Die Artillerie hat gute Geschütze, bedient die- selben aber schlecht, so daß die türkische Artillerie mit halben Mitteln einen größeren Erfolg erzielt. Woran liegen diese Fehler? An der geringen Jntellegenz der Massen, welche die Wirkungen und Bortheile der neuartigen Waffen gar nicht be- reifen, und an den Offizieren, welche insgesammt eine mangcl- afte fachmännische Bildung genossen haben. Aus diesem Offiziers- corps sind theils im Wege der Protektion, theils„durch Dienst- zeit" die russischen Feldherren von heute herausgetreten, die in den Geist moderner Kriegführung nicht eingedrungen sind und das Höchste geleistet zu haben wähnen, wenn sie das Exerzier- reglement kennen und einige militärische Bücher gelesen haben. Das echte Talent, das durch andauernde Studien geläuterte und geschärfte Urtheilsvermögen, der richtige durch praktische Versuche geübte Blick fehlt ihnen. Nicht jeder Großfürst oder Prinz muß ein Feldherrngenie sein, und die alten Sieger aus dem Kaukasus und aus Polen , vom Amour und Tschakend sind mit der Zeit nicht vorwärts gegangen und leben nach wie vor in den Er- innerungen der Stoßtaktik und des Bajonnetangriffs. Sie finden sich in neuen Situationen nicht zurecht, und seitdem die türkischen Paschas unerwartete Operationen vornehmen, wächst die Ver- wirrung im russischen Hauptquartter. Gegen einen Osman Pascha , der sich ganz unbemerkt an den Großfürsten Nikolaj heranschlich, der das Terrain mit vollendeter Geschicklichkeit ausnützte, von der modernen Waffe einen groß- artig wirkungsvollen Gebrauch machte und die taktischen Fehler des Gegners mit Erfolg auszunützen verstand, sind die Herr- schaften in Poradim Zwerge. Und gegen einen Mehemed Ali, der es verstand, auf allen Punkten durch glänzend ausgeführte Flankenmärsche und Concentrirungen mit Uebermacht zu erscheinen und den Gegner ohne Hauptschlacht, sondern nur durch kleine Nadelstiche, aus allen Positionen hinauszuwerfen und zu einer fortgesetzten„Concentrirung nach rückwärts" zu zwingen, sind die russischen Generalstäbler jugendlich unerfahrene Cadetten. Jn�Afien wie in Europa hat die russische Strategie Bänke- rott gemacht und die russische Militärmacht ist auf ein Viertel- jahrhundert, vielleicht auf ein halbes Jahrhundert zertrümmert. Correspondenzen. Aerkin, 26. September. Gestern Abend hielt Parteigenosse Grottkau im Saale des Handwerkervereins vor einer sehr zahl- reichen Versammlung einen Bortrag über die Grund- und Bodenfrage. Redner führte aus, daß die Arbeit und der Grund und Boden mit seinen natürlichen Produkten die noth- wendigen Quellen aller Werthe seien. Der Privatbesitz des Bodens bilde also ein Monopol gegenüber Denen, die keinen Theil an diesem Besitze haben. Die höhere Cultur des Bodens rechtfertige den dauernden Besitz desselben nicht, wie man behauptet habe, denn diese höhere Cultur mache sich schon durch den höheren Ertrag bezahlt. Redner zeigte sodann, wie auch die Errichtung von Produktiv-Assoziationen(im Privatbesitz ) nichts an dem Charakter des Monopols ändern würde. Jede neue Erfindung, jeder Culturfortschritt erhöhe den Werth des Bodens, also den Privatbesitz . Unter den heutigen Verhältnissen erhöhe ferner die Verdichtung der Bevölkerung alle zehn Jahre den Werth des Bodens um ein Drittheil. Bei einer eventuellen Expropriation des Privatbesitzes am Boden würde sich also der Gesammtwerth (Expropriationspreis) des letzteren durch die stete Verbesserung der Cultur und die Verdichtung der Bevölkerung höchstens in 30 Jahren rcproduziren. Diese Idee der Umwandlung des Privat- besitzes von Grund und Boden in Gemeingut sei übrigens weder neu, noch erfordere ihre Verwirklichung eine Aenderung der Gesetz- gebung, da jeder Staat das Expropriationsrecht im Prinzip bereits besitze, dessen Anwendung nur verallgemeinert, rcsp. dem gegebenen Zweck entsprechend modifizirt zu werden brauche. Redner zeigte, daß bereits bei vielen alten Völkern(Griechen, Wurm wurde also von?c. Stieber vernommen und mit eini- gen Suggestivfragen alsbald darauf gebracht, Schlöffeln, den er persönlich gar nicht kannte, als denjenigen zu bezeichnen, den ihm ein verstorbener Verschwörer, ohne Schlöffel's Namen zu nennen, blos unter der Bezeichnung eines„Fabrikbesitzers" als Mitverschwornen genannt habe. Daraufhin hielt der Herausgeber der„Beittäge für das Gelingen der praktischen Polizei" eine Haussuchung bei Schlöffe!, nahm dessen sämmtliche Papiere in Beschlag und bewirkte sogar dessen Verhaftung; er, der Polizei- agent, auf eigene Gefahr, ohne Zuziehung eines richterlichen Beamten, ohne Gefahr im Verzuge. (Fortsetzung folgt.) — Ueber den Sparapostel Schulze- Delitzsch wird dem Chemnitzer Parteiorgan folgende Mittheilung gemacht: Es war kurze Zeit, nachdem mittelst einer Dotation dem ehemaligen Kreisrichter von Delitzsch aus Bolksmitteln eine Villegiatur in einer der schönsten Straßen der nächsten Umgegend Potsdams geschenkt wurde, als es Letzterem ge- fiel, diese seine Besitzung zum Schutze gegen das profane Einblicknehmen anderer Sterblichen mit einer hohen Maurer nach allen Sellen zu um- geben. Ein Maurerpolier und mehrere Gesellen waren mit der Aus- führung dieser Arbeit betraut worden. Schulze-Delitzsch überwachte mit ziemlicher Gewissenhaftigkeit den Beginn und Schlug der Arbeiten an jedem Morgen und Abend, munterte auch durch geistreiche Hindeutung auf andere fleißige Arbeiter die Leute auf, stets pünktlich um 6 Uhr Morgens zu erscheinen und controlirte Abends um 7 Uhr das Ver- lassen der Arbeit. Einmal— es war ein schöner Sommerabend, den Arbeitern lief infolge mehr als angestrengter Thätigkeit der Schweiß von der Stirne— tritt gegen 6 Uhr Schulze-Delitzsch zu den Leuten heran und giebt dem Maurerpolier Schulze zehn Silbergroschen mit den Worten:„Maurer , es ist heute ein so schöner Tag, lagern Sie sich im Kreise und lassen Sie sich einen kühlen Trunk von diesem Gelde Gerüchte erzeugen können; es sollte gelegentlich geschehen. Aber Wurm starb nicht lange darauf, und ich habe ihn nie wieder gesehen, aber von einem Gespräch, das ich ihn habe führen hören, die Ueberzeugung gewonnen, daß der Mann viel zu gescheidt war, um eine schlesische Republik, zwischen Oesterreich und Rußland , machen zu wollen. Ich zweifle auch, daß eS in irgend einem schlesischen Jrrenhause einen ein- zigen Insassen giebt, der solche Zwecke verfolgt. Wenn der Gedanke nicht in Stieber's Kopf entsprungen ist, so ist er doch gewiß der ein- zige praktische Polizist, der ihn glaubt. Solcher Aberglaube macht der „praktischen Polizei" wenig Ehre. W. I. • Juden, Germanen) der Boden Gemeingut war. Dieses Prinzip herrschte noch im Anfang des Mittelalters und Spuren desselben gehen bis in die Gegenwart hinein. Zum Schluß entwickelte Redner die nothwendigen Folgen der Privatausbeutung des Bodens: entweder Großbetrieb mit steter Verminderung und dabei Knechtung der Ackerbauarbeiter, oder aber Kleinbetrieb unter stetem Kampf mit Hunger und Elend.— Lebhafter Bei- fall wurde dem Redner am Schlüsse seines Vortrags zu Theil. Bertin, 22. September. Wir empfangen nachstehende Zu- schrift: In Nummer III bringen Sie unter sozial- politischer Uebersicht einen Artikel, woselbst Herrn Professor Böhmert das ehrende Zeugniß ausgestellt wird, einmal einen vernünftigen Gedanken gehabt zu haben, indem derselbe die Mitwirkung der Frauen bei Versammlungen und Festen als beilsam für die Männerwelt hinstellt. Sie knüpfen hieran die Bemerkung, daß die Sozialdemokratie diesen Umstand schon längst erkannt habe; nur die preußische Polizei resp. das preußische Versammlungs- recht nicht. Dieser letztere Passus bedarf einer Berichtigung in- sofern, als hier in Berlin die össentlichen Versammlungen, welche von Sozialdemokraten einberufen, sehr stark von Frauen besucht werden, welche den Verhandlungen mit gespanntester Aufmerksam- keit folgen, und es übt deren Anwesenheit in den Versammlungen die von Ihnen bezeichnete Wirkung aus.— Inwieweit die Behörden in den Provinzen den Anforderungen der Neuzeit und des Gesetzes in dieser Beziehung Rechnung tragen, mag man aus dem Umstand ersehen, daß in vielen Fällen erst unter un- gemeinen Schwierigkeiten die„Erlaubniß" resp. Bescheinigung zu einer Versammlung zu erhalten ist, an denen sich nur Männer betheiligen dürfen. Ich brauche wohl nicht erst hervor zu heben, daß die„Vergünstigung", daß Frauen in den Versammlungen anwesend sein dürfen, erst unter vielen Schwierigkeiten erobert wurde, daß viele Versammlungen deshalb aufgelöst worden sind, aber die Sozialdemokraten waren wie immer so auch in diesem Fall hartnäckig und behaupteten das Feld. Infolge dessen be- suchen die Frauen schon seit Jahr und Tag die Versammlungen und wir haben durch die Anwesenheit derselben ein dankbares Publikum.— Mögen die Behörden in den Provinzen in dieser Beziehung von dem Berliner Polizeipräsidium lernen und dem- selben nachahmen. H. G. Stettin.(Dienstboten haben keinen Zutritt!) so lautet der Anfang einer Notiz in Nr. 112 des„Vorwärts". Wunder- bar oder aufsehenerregend kann die dort mitgetheilte Thatsache aber keineswegs sein, denn was dort aus Groß-Warnitz bei Oldesloe mitgetheilt, ist z. B. in Pommern , und nicht nur auf dem Lande, sondern auch in den Städten, vollständig gang und gäbe. Jeder, der Kotzebue's„Unsere Kleinstädter" für ein Phantasiegebilde hält, dem kann die Unrichtigkeit dieser Ansicht ad ocuIos demonstrirt werden.— Während z. B. dem Unter- offizier, und wäre er vorher sonst was gewesen, der Zutritt zu allen„Vergnügen" freisteht(mit Ausnahme der der aristo- kratischen Kreise), liest man dort fast jedesmal bei Arrangements von Concerten :„Dienstmädchen haben keinen Zutritt!"„Knechte und Gesellen" weiß man sich auf andere Weise fern zuhalten, ohne es ausdrücklich zu verbieten. Einmal haben diese ihre„Geliebten" (ohne die geht es nun einmal nicht ab) aus dem Kreise der „Dienstmädchen", andererseits ist aber auch das Entree(gewöhn- lich 50 Pf.) so hoch, daß es zu dem Verdienste dieser Leute in keinem Verhältnis steht, denn ein Lohn von 6—7 Mk. wöchent- lich, bei freier Kost und Logis, d. h. einer Schlafstube unter dem Dache, ist dort etwas außerordentliches. Die Gesellschaften, Clubs und Vereine selbst wissen sich„diese Elemente" fern zu halten, entweder hat der Borstand allein zu entscheiden, ob Je- mand aufnahmefähig ist oder nicht, oder es existirt in diesen Ge- sellschaften die Ballotage, und in den meisten Fällen gehört eine Zweidrittelmajorität dazu, aufgenommen zu werden. Der einzige Ort, wo„diese Elemente" aufnahmefähig sind, sind Krieger- vereine, denen die„CrLme der Gesellschaft", soweit sie Soldat gewesen, gemeinhin als„Ehrenmitglieder"� aus denen häufig auch der Vorstand gewählt wird, angehören. Wie gesagt, in keinem Theile Deutschlands ist der Klassen- unterschied, oder richtiger gesagt der Kastengeist, so ausgeprägt, wie gerade in Pommern . Ist es doch Thatsache. daß z. B. der„Handwerkcrverein" in Stolp in Pommern , nachdem er eine Mitgliederzahl von circa 6—800 erreicht hatte, das Eintrittsgeld erhöhte, um den Ein- tritt zu erschweren, trotzdem der Majorität jener Versammlung, in welcher dieser Beschluß gefaßt wurde, ausdrücklich von Seiten der Minorität entgegen gehalten wurde, daß man mit diesem Beschlüsse nur den Arbeitern und Handwerkern den Eintritt er- schweren wollte, sonst Niemandem. Ist es doch ferner Thatsache, holen." Da? waren die Worte des komischen Onkels. Gleich darauf erschien eine vorher angekündigte Deputation des Handwerkervereins aus der Sophienstraße in Berlin , zu welchem Zwecke, hat der Schreiber dieses nicht erfahren können, bei Schulze-Delitzsch und eS machte angesichts der lagernden Gruppe der Sprecher der Deputation die Bemer- kimg:„Seht, daZ ist der richtige Volksmann, so behandelt er die Ar- beiter, während andere im Schweiße des Angesichts Sklavendienste ver- richten müssen. Ein Hoch Herrn Schulze-Delitzsch !!"— Tief gerührt hört es der Volksbeglücker an, weint Krokodils -Thränen und vermeint wirklich ein guter Mann zu sein.— Doch die Kehrseite des Tableaus! Es ist unterdessen 8 Uhr Abends geworden. Die Deputation ist nach Hause zurückgekehrt. Mit den Worten:„So, Maurer, jetzt wollen wir das Versäumte nachholen!" veranlaßte Schulze-Delitzsch d«e armen sich erholt Habenden bis circa 9 Uhr nachzuarbeiten. — Verfall des Kleingewerbes und des Handwerkes. Be- deutsam ist die Thatsache, daß nicht allein eine große Zahl Bemittelter Gewerbe betreiben, die sie nicht erlernt haben, sondern daß eine be- deutende Zahl Handwerker zu Beschäftigungen gegriffen, die ihrer „Zunftehre" sehr entfernt stehen, z. Ä. Kamm- und Bürstenmacher, welche es vor einigen Jahren noch unter ihrer Würde hielten und von dem Gewerk ausgeschlossen wurden, wenn sie in einer Fabrik arbeiteten. Namentlich zeigt das die Zusammensetzung des Personals des Berliner Droschkenfuhrwcsens und des Institutes der Dienstleute: Unter den ca. 4009 Droschkenkutschern ist nur der vierte Theil„professionirter Rosse- lenker", dagegen gehört die Hälfte dem Arbeiterstande an. Bon den Dienstleuten und Droschkenkutschern sind 450 Handwerker; und zwar: 11 Bäcker, 14 Schlächter, 16 Seifensieder, 9 Gerber, 24 Schuhmacher, 13 Sattler , 12 Seiler, 16 Tischler, 15 Hutmacher , 18 Stellmacher, 11 Böttcher, 7 Drechsler, 12 Schmiede, 24 Schlosser, 13 Klempner, 2 Conditoren, 20 Schneider, 16 Buchbinder, 14 Weber, 8 Zinngießer, 4 Kammmacher, 4 Goldschmiede, 3 Müller, 10 Ziegler, 4 Kalkbrenner 3 Gürtler, 6 Kupferschmiede, 4 Gelbgießer, 8 Buchdrucker, 8 Glaser. 5 Gärtner, 6 Schiffer; der Rest gehört anderen Handwerken an. Kunst und Wissenschaft hat ein Contingent von 11, die Juristerei von 2, der Handel von 6 Köpfen gestellt. Da die Bureaukratie in mehreren, der niedere Adel in einigen und das Priesterthum in einem Exemplare ver- treten ist, so repräsentiren die Droschkenkutscher und die Dienstleute der Residenz alle Stände der sozialen Gesellschaft. Immerhin ist das „Rosselenkerwesen" ein ehrlicher Erwerb und besser als das Betteln, Betrügen und Stehlen. Man ersieht aber hieraus, wohin unsere schöncn, als golden erhofften Zeiten führen. Die liberalen Blatter, welche an den Verfall des Handwerks und der Kleingewerde nicht glauben wollen, können sich diese Ziffern hinter die Ohren schreiben.
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2 (3.10.1877) 116
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