federn bloszulegen, je nach Standpunkt und Stimmung gar der- schiedene Gesichter zeigt. Sehen wir zu: „Unter der Republik tragen die Bewegungen vorwiegend einen sozialistischen, unter der Monarchie vorwiegend einen re- publikanischen. einen politischen Charakter." Das klingt ganz plausibel und wird durch die gebrachten Beispiele noch plausibler gemacht. Aber es ist uns ein Leichtes, andere Beispiele zu bringen und dann zeigt sich uns plötzlich ein ganz anderes Geficht. „Unter der Republik tragen die Bewegungen vorwiegend eilken sozialistischen Charakter." In der größten und republikanischsten Republik, in den Ver- einigten Staaten von Nordamerka, haben alle Bewegungen bis vor Kurzem einen wesentlich politischen Stempel getragen und beginnen die Arbeiter erst jetzt, unter der Zuchtpeitsche der Ge- schaftskrisis, sich dem Sozialismus zuzuwenden. An diesem Exempel leidet der Satz Schiffbruch. „Unter der Monarchie tragen die Bewegungen vorwiegend einen politischen Charakter." Das die Theorie. Und nun die Praxis: In der großen Mustermonarchie England trägt die Ar- beiterbewegung seit Jahrzehnten einen durchaus unpolitischen Charakter. In der kleinen Mustermonarchie Belgien war es bis m die neueste Zeit so ziemlich ebenso wie in England; die Arbeiter hatten einen wahren Horreur(Abscheu) vor der Politik, so daß die Bewegung einen ausschließlich„sozialistischen Charakter" hatte. Und im deutschen Reich, das doch fürwahr eine Monarchie vommv il faut ist, dreht sich das ganze politische Leben um die soziale Frage, hat„die Bewegung" einen streng sozialistischen Charakter. Wir sehen, auch in dieser Form leidet der Satz Schiffbruch an den ersten besten herbeigeholten Beispielen. Darnach ist es überflüssig, auf die Argumentation einzu- gehen. Gcnug, Guesde kommt zu dem Schluß, daß, da selbständiges tändeln unmöglich und Enthaltung gleichbedeutend mit dem ieg der monarchistischen Coalition, die französischen Sozialisten stch folglich, aus der Roth eine Tugend machend, zur Berthei- digung der Republik momentan mit den„Mördern" und„Fein- den" alliiren müßten. Wir haben den Stein gesehen, von dem der sonst correcte Gedanken zu diesem Trugschluß abgeprellt ist. Guesde hat zu sehr die Niederlage des Mai 1871 vor Augen, und nicht genug die Umstände, unter welchen sie erfolgt. Er vergißt, daß der„Blutstrom", der uns von jenen„Mör- dern" und„Feinden" trennt, auf ewige Zeiten jede Gemeinschaft zwischen ihnen und uns aufgehoben hat. „Aber um die Republik zu retten?" Zur„Rettung" der„Republik " bedarf es nicht des Zu- sammengehens der Arbeiter und Bourgeois. Was immer die Arbeiter thun mögen, das Gewicht ihres politischen Ein- flusses liegt stets in der Wagschale der Republik , und wenn ihr Votum für wirkliche Republikaner abgegeben wird, wiegt es entschieden schwerer, als wenn es für Männer abge- geben wird, denen die Republik nur ein Nothbehels und das zweckmäßigste Mittel zur Befriedigung ihres Ehrgeizes und ihrer Selbstsucht ist. Den richtigen Weg hat Guesde sich von vornherein versperrt: die selbständige Aktion der Sozialisten. Enthaltung ist Bankrotterklärung. Zusammengehen mit dem Feind ist schlimmer als eine Bankrotterklärung. Selbständige Aktion, sozialistisches, sozialrepubli- konisches Vorgehen der Sozmlisten— das ist die einzige Losung, welche des Proletariats würdig ist, seiner Ehre, seinen Interessen entspricht. An der Wahlurne für die Republik eingetreten, aber nicht für die Bourgeoisrepublikaner! Und kommt wider Erwarten der Staatsstreich, dann, wenn der Kampf möglich, Kampf für die Republik , aber nicht für die Bourgeoisrepublikaner. SozialpolUische Uedelstcht. — Die Schule muß Staatsinstitut werden— das ist gewiß bei den heutigen Verhältnissen, wo das Gemeindewesen noch so im Argen liegt und wo die Verschiedenheit des Wohl- stai:s oder des Mißstandes in demselben so sehr groß ist, ein Ein Stück Geschichte. Defension(Vertheidigungsschrift) in der Untersuchungssache wider Wander. Vom Justizrath Robe(6. d. 9. September 1815). (Fortsetzung.) Als jedoch im vorigen Jahre Regierungen und Volk durch die in Schlesien und Böhmen ausbrechenden Weber- Unruhen auf die Roth der arbeitenden Klassen unangenehm auf- merksam gemacht worden waren, erkannte man die Gefahr, die Nothleidenden sich selber zu überlassen. Man wollte helfen. Man erkannte aber auch, daß zur gründlichen Heilung des Uebels mehr gehöre, als Almosen, die für den Moment nur eine unzulängliche Beschwichtigung, für die Zukunft gar keine Abhilfe gewährten. Die Gährungen des Proletariat- sind das Schreckbild der Zeit; Mitleid und Furcht wirkten zugleich. Als- bald verbreiteten sich über den ganzen Staat Vereine, zunächst für Beförderung des Absatzes der Leinen, dann zur Verbesse- rung des Zustandcs der arbeitenden Klassen überhaupt. Nur über die Wege zum Ziele war man bei den letzteren uneins. Man nahm das Ziel nicht rein und gesondert in's Auge, Par- teien bemächtigten sich der Strömung, um von ihr getragen ihre Nebenzwecke zu erreichen. Man erinnere sich besonders des in Berlin geführten Streits darüber, ob man die Arbeiter durch geistliche oder materielle Speise sätttgcn, ob man in den Ver- einen geistliche oder politische Lieder singen müsse. Zwei Ansichten aber verschafften sich damals besondere An- erkennung und sind von der Staatsregicrung selber getheilt und mehr oder weniger begünstigt worden. Man will auf Äerbesserung des inländische» Fabrikats wirken, damit es mit dem vorgeschritteneren ausländischen an Wohlfeilheit und Güte Concurrenz halten könne. Die Regierung will zu diesem Behuf die Errichtung von Weberschulen befördern und hat beipulsweise in den schlesischen Weberbezirken einzelne Männer mit Geldoorschüssen versehen, die sich die Verbreiiung der Kenntniß zur besseren Be- reitung des Flachses, des Gespinnstes, des Gewebes und zur Kenntniß besserer Bleiche und Zurichtungsweisen unter den Ar- beitern angelegen sein lassen sollen. Auch in Hirschberg sind mit diesen Aufträgen betraute Männer, von welchen ich nur den Kaufmann Kirstein namentlich nenne. Für gleiche Mittel, wie die Regierung sprach sich auch der große, deutsche, meffentlich sehr berechttgter Ausspruch. Die Schule aber ist auch als der wesentlichste Theil der öffentlichen Erziehung anzusehen. Was aus den Menschen werden soll, muß man aus ihnen erziehen, und die Schule ist nicht nur als eine Anstalt anzusehen, in welcher der heranwachsenden Jugend einiges Wissen beigebracht wird, sondern es soll die Schule auch wesentlich mit beitragen zur sittlichen und körperlichen Erziehung der Staats- bürger. Bei unseren heuttgen Schuleinrichtungen kann die Schule gar nicht diesen ihren eigentlichen Beruf erfüllen. Ganz abge- sehen von den jämmerlichen Schullehrergehältern, auch abgesehen von den vielen unbesetzt«'» Lehrerstellen können die einzelnen an- gestellten gewissenhaften Lehrer ihrer Aufgabe gar nicht Herr werden. Nach neuester Statistik kommen nämlich beispielsweise in Preußen auf jede Schulklasse im Durchschnitt 74 Kinder. Da die städtischen Schulen durchweg besser siiuirt sind, so wird man auf dem Lande im Durchschnitt wohl 90—100 Kinder auf jede Schulklasse rechnen. Bei einem solchen Ziffernverhältniß liegt es auf der flachen Hand, daß die Lehrer in den ländlichen Schulen sich mit der Erziehung der Kinder gar nicht genügend befassen können, und daß der Unterricht auf den ländlichen Schulen nur ein äußerst mangelhafter sein kann. Die Kinder sitzen übermäßig lange in überfüllten Schulräumen zum nicht geringen Nachtheile ihrer Gesundheit, und was sie dabei lernen, steht in keinem Verhältniß zu der abgesessenen Zeit und der verkümmerten Gesundheit.— Der Staat muß also eintreten— der heutige Staat aber thut dies nicht; ändern wir ihn, bessern wir ihn, so bessern wir auch die Schule und die Erziehung des gesummten Volkes. —„Mit jedem gebotenen Mittel wollen wir unsere Gegner, die Bourgeois, die Liberalen, die gegenwärtige Re- gierung bekämpfen"— so hat mancher sozialistische Agitator schon arglos gesprochen, aber der Staatsanwalt wies ihm nach, daß unter„jedem gebotenen Mittel" auch die gewaltsame Re- volution, daß die Gcwaltthätigkeit darunter verstanden werden könne, und einige Monate Gefängnißhaft belehrten den Betref- senden, daß er mit„jedem gebotenen Mittel" seine Gegner nicht bekämpfen dürfe. Nun sagt aber die„Deutsche Allgem. Zeitung", das Organ des Ur- Nationallibcralen Professor Biedermann, nachdem es den in Gera stattfindenden deutschen Arbeiter- congreß und die Anschauungen der Böhmert'schen„Sozialisten- stampfmühle" in Bezug auf denselben begrüßt hat. daß sie sich dem Wunsche zu zahlreicher Beschickung des Congresses anschlösse, und bemerkt schließlich noch, daß jedes gebotene Mittel benutzt werden müsse, den Sozialismus, als eine der bestehenden Verhältnissen feindliche Partei zu bekämpfen. Jedes Mittel! Gesetzliche Mittel sind unter anderen: Aufklärung und Wissen- schaff(fehlen bei Hirsch-Böhmert- Biedermann), Lüge und Ver- leumdung(werden reichlich angewandt), Polizei und Richter (sind schon in voller unfruchtbarer Thätigkeit), Hebung der Roth und des Menschenclends überhaupt(sollen nicht angewandt wer- den, weil dann der Sozialismus allerdings vernichtet würde, aber seine Ziele, die man mehr als ihn selber fürchtet, sich ver- wirklichten). Nun gicbt es aber auch noch ungesetzliche Mit- tel, die Partei des Sozialismus zu bekämpf, n, zum Beispiel der Lasker'sche Knüppel in der Hand des Herrn Biedermann --- wir kriechen vor Angst schon in ein Maufeloch, wir jammern um Hilfe nach Polizei und Staatsauwalt---. Doch nein! Pfui Teufel— wir vergessen ja, daß wir nicht in einer liberalen Haut stecken. — Z.um Lasker'schen Rechtsstaat. Vierzig Frei- willige israelitischer Confession, die ihr Jahr im Kaiser- Franz-Regiment und dem zweiten Garde-Regiment abgedient und sich zum Offiziers- Examen gemeldet haben, sind, wie Berliner Blätter melden, sämmtlich zurückgewiesen worden.— Wie sich nun wohl der Israelit Laster mit seinem Rechtsstaat abfinden wird? Wir finden den Vorfall im christlich-germanischen— Bismarckischen deutschen Reiche sehr natürlich! — Die Krebsnatur der Liberalen kommt immer deut- licher zum Vorschein. Auf einem Bankett zu Hannover sagte Herr v. Bennigfen, den man vorher den ersten Führer der Nationalliberalen genannt hatte, wörtlich Folgendes:„Gegenüber der aufreibenden Thätigkeit in Berlin , gegenüber der Schwierigkeit der täglichen Reibung, welche die begonnenen Dinge aufhält und immer wieder hindert, herbeigeführt dadurch, daß die nationalliberale Partei nicht die praktische giouvernementale Initiative besitzt, wodurch naturgemäß auch die Stellung der Regierung schwieriger wird— hat die in Leipzig zusammenkommende Judustrieverein aus, an dessen Spitze bekanntlich Kommerzienrath Kramsta steht. Die zweite sich gelteno machende Ansicht aber ging darauf hinaus, zur moralischen Hebung des Arbeiters ihn mit den besser gebildeten Ständen in nähere Verbindung zu bringen, sein Ver- trauen zu ihnen zu erwecken; ihm einerseits zu zeigen, daß diese seine Roth und deren Abhilfe wohl im Auge hätten, daß er felbst aber dabei die Hände nicht in den Schooß legen, sondern sich mit den sein Gewerbe fördernden neuesten Erfindungen ver- traut machen und selbstthätig und rührig sein müsse. Helsen kann man nur dem, der sich selber helfen will; wer nicht läuft, den holen die Schnecken ein. Auch diese Ansicht scheint von der Staatsregierung begünstigt worden zu fein, denn es entstand der von den Staatsbehörden genehmigte Berliner Centralverein, dessen Theorien die Lokalvereine vergeblich in's Leben zu führen sich bemühten, dafür aber keine Genehmigung erlangten. Viel- leicht weil ihr angegebenes Ziel nicht für das wahre, oder doch nicht für das einzige gehalten wurde. Die öffentlichen Erörterungen darüber hatten die Folge, daß sie die einmal auf die Arbeiter gelenkie Aufmerksamkeit fort- dauernd wach erhielten, und daß sie auch in Hirschberg nicht erlosch, ist, da es in einem Weber- und Fabrikbezirk liegt, sonst sogar der Hauptort des schlesischen Lcinenhaudels war, mehr als erklärlich. Wenn zur Winterszeit die Weberfrauen mit ihren Leinen von Haus zu Haus gehen, und sie, obwohl zu den ge- ringsten Preisen, dennoch vergeblich zum Kauf ausbieten; wenn sie weinend versichern, daß sie mit ihren Kindern seit acht und vierzehn Tagen kein Brod genossen haben, und nur noch von Suppen leben, aus dem in den Mühlen von der Diele aufgekehrten Mehlstaub bereitet; wenn ihre blassen Gesichter und hohlen Augen die Wahrheit bestätigen: so kann diese Aufmerksamkeit hier nie erlöschen. Es konnte also nicht fehlen, daß die durch den ganzen Staat lebendig gefühlte und werkchätig gewordene Theilnahme für die Roth der arbei- tenden Klassen so nahe dem Elend, so nahe an dem Schauplatz gestörter Ruhe, nicht ohne Nachahmunz bleiben konnte. Die nächsten Behörden, landräthliche wie städtische, ermunterten sogar dazu. Als Mittel zum Zweck ergriff man den alten halb ent- schlafencn Gewerbeverein, der sich unter Aufsicht und sogar unter Mitwirkung des hiesigen Magistrats und Polizeivorstandes am lokale Thätigkeit etwas Gesundes an sich."— Auf gut deutsch heißt das: In der nationatl-beralen Partei befinden sich noch einige liberal angehauchte Querulanten, die, wenn sie auch schließlich immer der gouvernementalen Jnittative folgen, doch uerst durch ihre langweiligen Laskeriaden die Gesetzgebung in ie Länge ziehen— dies muß in Zukunft verhindert werden, so daß die nationalliberale Partei bei allen Borlagen sofort: Ja! sagt. Erst Forckenbeck, dann Birchow und nun Bennigsen: Rückwärts! Rückwärts! Rückwärts! — Ein neuer Rückschritt der bürgerlichen Demo- kratie. Aus Mannheim vom 1. Oktober wird der„Frank- furter Zeitung" Folgendes geschrieben:„Nachdem ich Ihnen das Hauptresultat der am Sonnabend beendigten Wahlmännerwahleu telegraphisch mitgetheilt, erübrigt mir sehr wenig über die Wahl zu sagen. Wahlberechtigte sind in Mannheim 6496, von ihrem Rechte Gebrauch gemacht haben 1466; für die nationalliberale Wahlmännerliste wurden abgegeben 815, für die demokratische 621 Stimmen, Wilde waren 30; von den gewählten 232 Wahl- männern gehören 157 der nationalliberalen, 75 der demokratt- schen Partei an. Es ist dies ein weit schlimmeres Resultat, als selbst die Pessimisten unserer Partei befürchtet hatten. Es wäre Thorheit, leugnen zu wollen, daß wir eine entschiedene Nieder- läge erlitten haben, es erübrigt aber, zuzusehen, welchen Ur- fachen dies zuzuschreiben ist, auf daß es in Zukunft besser werde."—„Auf daß es in Zukunft besser werde!" Auch wir wünschen das; aber auch die Ursachen des Rückgangs wissen wir. Die bürgerliche Demokratie, welche in den Banden des Kapitals sich befindet, welche die soziale Gleichheit nicht an- erkennt, hat keine Berechtigung, eine politische Sonderstellung „mehr nach links" einzunehmen— sie gehört zur großen bürger- lichen liberalen Partei, welche das Volk mehr oder weniger mit einigen politischen Freiheiten beglücken, aber es in sozialer Ab- hängigkeit halten will. Deshalb besteht auch ein immerhin scharfer Gegensatz zwischen der wirklichen Demokratie, der sozialen Demokratie— und der bürgerlichen Demokratie. Er- manne man sich, ziehe man die Consequenzen der Frciheitsidee, gebe man der Arbeit, was der Arbeit gebührt, mit einem Worte, werde jeder ehrliche bürgerliche Demokrat ein Sozialdemokrat, und lasse man die Schwankenden zu den Nationalliberalen oder Fortschrittlern laufen, streife man die verderbenbringende Halb- heit ab, dann„wird es in Zukunft besser werden"! — Das neue Organ der französischen Sozialisten, die„Egalite", wird noch im Laufe dieses Monats erscheinen, und zwar in Meaux , einer kleinen Stadt bei Paris , wo die Caution niedriger ist als in der Hauptstadt. Die erste Nummer wird am 21. Oktober ausgegeben. Wir haben nicht nöthig, unsere deutschen Parteigenossen auf die Wichtigkeit dieses Unternehmens aufmerksam zu machen. Wenn Tüchtigkeit der Re- daktion eine Bürgschaft des Erfolgs ist, so kann der Erfolg nicht ausbleiben. — In einer neuen Zuschrift kommt unser rumänischer Correspondent nochmals auf seine Mittheilung betreffs der dem„Erbfreund" zur Verfügung gestellten deutschen Unteroffi- ziere und Soldaten zurück, und erhält nicht nur seine Mitthei- lung aufrecht, sondern stützt dieselbe auch durch weitere Angabe», welche uns den Beweis liefern, daß er nicht leichtfertig ver- fahren ist. Und— um der Sache einmal auf den Leib zu gehen— klingt die Mittheilung denn an sich unwahrscheinlich, oder gar unglaublich? Man wendet ein, die Absendung einer solchen Zahl von Soldaten und Unteroffizieren hätte nicht ohne großes Aufsehen bewerkstelligt werden können. Dieser Einwand ist durchaus nichtig. Wenn die preußisch-deutschen Militärbehörden geneigt sind, oder auch nur ein Auge zudrücken, so ist es eine Kleinig- keit, nicht blos 2000, sondern 20,000 Soldaten und Unteroffi- ziere zur russischen Armee zu dirigircn. Und haben wir etwa Grund, die Geneigtheit der maßgebenden preußisch-deutschen Behörden in Zweifel zu ziehen? Niemand, der die cigenthümliche„Neu- ttalität" unserer Regierung beobachtet hat, wird mit Ja ant- Worten. In der That, wir begreifen gar nicht das Geschrei, welches über die Mittheilung unseres rumänischen Correspon- denten erhoben wird. Ist sie etwa auffallender, compromitti- render, als die notorisch- aktenmäßig nachzuweisende Ab- kommandirung preußischer Stabsärzte in's russische Lager und als das, von der offiziösen„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" registrirte Faktum, daß rumänische Soldaten vor Plewna von preußischen Offizieren in's Feuer zurück- „getrieben" worden sind? Das sind zwei Thatsachen,— von 18. Januar d. I. neu konstituirte. Er hatte also die ortspoli- zeiliche Erlaubniß. Ob die Ortspolizeibehörde diese Erlaubniß ohne Rückfrage bei der Landespolizeibehvrde zu ertheilen er- mächtigt war, ist eine Frage, welche die Mitglieder des Vereins sich gar nicht vorzulegen hatten. Die Ortspolizeibehörde muß selber wissen, was sie erlauben kann. Der erneuerte Verein nahm die in anderen Vereinen einzeln verfolgten Zwecke beide zugleich als Ziel seines Strebens auf. Einestheils also bezweckte er Belehrung der Gewerbstreibcnden über neue Erfindungen, Kunsterfahrungen und Bortheile, andern- theils moralische Hebung der Arbeiter durch Heranziehung und Gewöhnung an eine bessere Geselligkeit. Die Arbeiter sollten die Branntweinhäuser verlassen und bessere Genüsse kennen lernen als die des Bauches. Dieser letztere Zweck war jedoch nicht zu erreichen, wenn man nicht diejenigen Schüler herbeizuzieh n ver- mochte, auf welche es vorzugsweise abgesehen war: Arbeiter, Handwerker, Gesellen, Weber und Spinner. In dem alten Ge- Werbeverein hatte man in dieser Rücksicht eine entmutbigende Erfahrung gemacht— Mangel an Theilnahme. Gelang es dem erneuerten Verein nicht, bei den Arbeitern Lust und Freude an ihm zu erregen,, so war der Zweck verfehlt. Sie, welche sieben schwere Arbeitstage mühevoll durchlebt hatten, konnten unmöglich Geschmack daran finden, am Abend des letzten sich auf eine dürre Schulbank zu setzen, um von Leuten, die, so Z" sagen,„gut reden hatten", zu hören, wie sie bisher alles schlecht gemacht hätten und wie sie es besser machen müßten. Eine solch? mora- lische Selbstüberwindung war Leuten, die ihr Leben lang nur auf Broderwerb hingewiesen gewesen und von ihrer Mühseligkeit bisher nur in materiellen Genüssen Erholung gefunden hatten, nicht wohl zuzumuthen. Es kam also darauf an, ihnen neben der Belehrung auch Erholung und Erheiterung zu gewähren; man bedurfte für sie eines Köders. Der Vorstand des Vereins beschloß daher, neben den rein gewerblichen Borträgen auch andere gemeinnützige halten zu lassen und darin solche zu be- handeln, welche aus dem nächsten täglichen Leben hergenommen, die Theilnahme der Hörer zu erwecken im Stande wären; selbst rein erheiternde sollten nicht verschmäht werden. Namentlich ging man den Lehrer Wander um Vorträge an, und wegen der drastischen Sonderbarkeit seiner spröden, trockenen Erscheinung im Gegensatze zu der neckenden Art seines Witzes, um Vorträge der letzteren Art. Der Borstand des Magistrats und der Polizei
Ausgabe
2 (7.10.1877) 118
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten