■finb, und bisher regelmäßig Unterstützung bezogen, so herrscht doch, wie man sich denken kann, großes Elend, was jedoch der Entschlossenheit der Strikenden keinen Abbruch thut. — Unser Breslauer Parteiorgan, die„Wahrheit", hatte die Ehre, am 29. September von der Polizei confiscirt zu werden, und gelang es der letztern, ca. 3500 Exemplare mit Beschlag be- legen zu können; aber wie das mitunter zu geschehen pstegt— die Confiscation wurde vom Gericht wieder aufgehoben. Und wer tragt nun den sich auf eine nicht geringe Summe belaufen- den Schaden für den Geniestreich der Polizei?— nach unsern heutigen Rechtsgrundsätzen natürlich die„Wahrheit". — Logik des Staatsanwalt Rümpel in Chemnitz ' „Ich halte Sie für einen Mitarbeiter der„Chemnitzer Freien Presse" und für ihren regelmäßigen Correspondenten(wenn es auch nicht zutrifft, und wenn ich es auch nicht beweisen kann), daher müssen Sie der Verfasser dieses oder jenes Artikels sein! Ferner müssen Sie der Verfasser sein, weil er unter einem Zei- chen erschienen ist, welches auch Sie für Ihre Artikel bereits denützt haben! Dann aber sind Sie mir als Atheist bekannt, und weil jener Artikel die Heuchler und gewerbmaßige Frömmig keit angreift— was bei mir„Religionslosigkeit" der Sozial- demokratie bedeutet— so müssen Sie der Verfasser sein! End- lich haben Sie in einer andern Anklage meines Collegen Man- goldt gegen Sie Beschwerde gegen den Gerichtsstand Chemnitz erhoben, weil die Richter politisch befangen seien, das heißt für mich, Sie haben den Richtern Parteilichkeit vorgeworfen, des- halb müssen Sie auch der Autor des incriminirten Artikels sein!" So spricht, dem Sinne nach, der genannte Staatsanwalt in Chemnitz zu unserm Genossen Klemich in Dresden , den er sich als Verfasser eines angeklagten Artikels iin„Nußknacker" zu Chemnitz auserkoren hat. In dem betr. Artikel werden Mac Mahon , Cassagnac, französische Präsekten, Richter, Maires, kurz die feilen Creaturen des französischen Staatsstreichlers wegen ihrer Parteilichkeit im Amte angegriffen und die lieben Chem- nitzer beziehen die Geschichte wieder einmal auf sich. — In Erfurt stand am 4. Oktober der Vorstand des Deutschen Tabakarbeiter-Vereins unter der Anklage, gegen Z 8 »I. a gesündigt zu haben. Die Anklage stützte sich auf folgende angebliche Beweise: 1) Eine Rede des Dr. Dulk, gehalten zu Eßlingen , 2) eine Rede, gehalten von dem Cigarrenmacher Landrock zu Potsdam im Zahre 1873, 3) eine Rede, gehalten von dem Cigarrenarbeitcr Jahncke auf einem Stiftungsfest des Deutschen Tabakarbeiter-Vereins zu Wandsbeck, 4) auf die Aeußerung des Delegirten der Generalversammlung dieses Ver- eins zu Bremen , L. Lingner:„Die Wahl im Berein nach Kreisen sei ihm nicht sozialdemokratisch genug", und 5) darauf, daß nach Ansicht des Staatsanwalts der„Botschafter" das Organ des Vereins sei. Der Staatsanwalt beantragte: für jedes der drei Vorstandsmitglieder 15 Mark, eventuell 3 Tage Haft, und außerdem Schließung des Vereins zu Erfurt und Schließung des Vereins in ganz Preußen(!) Der Gerichtshof er- kannte auf 30 Mark Strafe cvent. entsprechende Haft für jedes der drei Vorstandsmitglieder. Die Schließung lehnte der- selbe ab. Aus Heuchelland. Stille Beobachtungen eines Berliners in London , II. (Fortsetzung.) Ihr sagt, dieser Uebergang vom Feudalismus in modern- bürgerliche Zustände könne ebenso gut auch vom Türken selbst ausg-ssührt werden, der durchaus nicht so culturunfähig sei, als seine bösen Verleumder ihn hinstellen wollen und der sich zum Beweise ja sogar schon eine„Volksvertretung", mit Respekt zu melden, zugelegt habe. Ihr irrt mit jener Behauptung. Warum? Auch dieses Argument wird Euch nicht neu sein,— es ist gleichfalls aus unserer eigenen Rüstkammer geholt: Weil Revo- lutionen niemals von den Herrschenden, stets nur von den Be- herrschten ausgehen können! Der Türke, der sich bei der be- stehenden„Ordnung" in seinem Staate so wohl besindet, er soll diese Ordnung freiwillig, ohne Zwang, abschaffen, den verachteten leibeigenen„Giaur" freigeben, ihn mit sich selbst auf die gleiche Stufe stellen, ihm Rechte einräumen, die seine„Rechte" kürzen, ja vernichten? Ich dächte, dazu kennen wir die Herrschenden zu gut!__ Und wir sehen es ja auch. Schon vor 40 Jahren und noch eimnal vor 20, wurde eine„Verfassung" erlassen, beidemal er- wies sie sich als der reine„Utz". Neuerlich verlangte das ge- sammte Europa wieder ernstliche'") Reformen vom Türken. Und was that er? Er wagte lieber, Europa zum Hohn und Ruß- land und seinen Spießgesellen zur Freude(?), einen verzweifelten Kampf"), bei dem es sich für ihn um Sein oder Nichtsein hau- delt, als daß er sich zu jenen Reformen verstand. Und was der„kranke Mann" nicht zugeben wollte, das soll der siegreiche Türke freiwillig gewähren? Das glaubt Ihr selber nicht. Ihr sollt es sehen— der siegreiche Türke wird gar frech und heraus- fordernd werden und Europa noch viel zu schaffen machen. Aber selbst wenn der Türke jetzt wirklich an ernste Reformen ginge,— wie er es nicht thun wird— so wären sie ja auch nur eben der von Euch so sehr verdammten Revolution der Rajah zu ver- danken, welche die stinkende Pfütze endlich aufrührte! Und nun dieser angerühmte Culturdrang des Türken! Beim Barte des Propheten!— ich gebe nicht viel dafür. Von ihrem ersten Austreten in Europa an hat diese wilde fanatische Asiaten- Horde nur von Krieg und Raub und Mord gelebt.'�) Jahrhundertelang hat sie Europa in permanentem Kriegszustand er- halten, unsäglichen Jammer über den Osten des Erdtheils ge- bracht, seine herrlichsten Landschaften, wohl die schönsten und naturreichsten Europas , verwüstet und verödet, sie aus dem cultivirtesten zum zurückgebliebensten Theile Europas gemacht.'�) Wir haben im Türken eben den letzten jener wilden Völker- stämme zu sehen, die, wie die Hunnen und Mongolen— während des Mittelalters aus dem Innern Asiens hervorströmten, es mit Blut und Grauen bedeckend. Und selbst jetzt noch, wo er, wie alle Eroberer, an seiner eigenen Fäulniß und Entartung zum „kranken Mann" geworden ist(und das ist er trotz seines neuer- lichen Kriegsglücks, das mir nur von Neuem zu beweisen scheint, wie wenig die„Cultur " und„Sittlichkeit" und der„Schulmeister" dabei zu thun haben und wie wenig ein Volk Ursache hat, sich auf derlei etwas zu Gute zu halten), auch jetzt noch existirt er nur von der Plünderung und Erpressung an jenen unglücklichen Völkern, die sich seiner fluchwürdigen Herrschaft noch nicht zu entringen vermochten. Der rechte Türke verachtet die Arbeit, er lebt vom Raube an seinen„Rajah", seiner„Viehheerde"— ich dächte, das allein genügt, um der Partei der Arbeit zu zeigen, w o ihr Platz ist in diesem Kampfe. Und was die unterjochten Völker haben luden müssen unter der Herrschaft des wtlden Asiaten, das lehrt uns der Rückblick auf eine lange, lange Vergangenheit. Ihr, die Ihr die jetzigen Vorgänge so gerne mit den„russischen Hetzereien" abthut, Ihr übersehet neben vielem Andern auch noch eine Kleinigkeit: die Geschichte. Erinnert Euch doch nur der Geschichte jener uu- glücklichen Länder. In all den Jahrhunderten, seitdem der Türke darin haust, von der Schlacht am Kossowopolje, und das ist jetzt seine 500 Jährchen her, bis heute, also lange, lange bevor von russischen Hetzereien auch nur die Rede sein konnte, hat ja der verzweifelte Kampf gegen den verhaßten„Turcsin" gar nie- mals aufgehört,") ist ja die Revolution förmlich in Per- manenz gewesen in jenen Ländern— bald schwach fortglimmend, bald hell auflodernd, immer und immer wieder in Strömen Blutes und entsetzensvollen Unthaten erstickt und doch immer und immer wieder von Neuem emporflammend. Daß Europa jahrhundertelang all den Leiden der unter- jochten Völker ruhig zusah und noch heute wieder über den lastigen Störenfried rasonnirt, der sich erkühnt, wegen seiner lumpigen Person, blos weil er auch gerne Mensch werden möchte, unsere Ruhe zu stören und uns so viel unnützes Kopfzerbrechen zu verursachen— darin sehe ich eine schwere, schwere Ver- schuldung, die sich vielleicht nur zu bald an uns rächen wird. Es hängt dieses feindselige Verhalten, meiner Ansicht nach, wenn auch des jetzigen Geschlechtes vielleicht gar nicht mehr bewußt, mit jener verächtlichen, auf langer Unterjochung bassirten Gering- fchätzung zusammen, welche der Westeuropäer, vorzüglich der Germane, von jeher gegen den Slaven hegte und die sich so drastisch in der Thatsache kundgiebt, daß der Westeuropäer für den Ausdruck des niedrigsten Grades der Knechtschaft keine bessere Bezeichnung fand als die— des Slaven!(Das Wort Sklave, frauzös. Esclave, engl. Slave , italien . Schiavo , stammt be- kanntlich von dem Völkernamen Slave .) So sehr sind wir von Alters her daran gewöhnt, daß der Slave Sklave ist!'") Da wir gerade von der Geschichte sprechen: Ihr nennt die Grcuelthaten der Türken an den besiegten Insurgenten russische Verleumdungen, ja ich las sogar einmal die Meinung, dergleichen sei den Türken gar nicht zuzutrauen. Nun, über jene Vorgänge ist vor dem Geschrei der Parteien das Unheil der Geschichte noch nicht gesprochen; es läßt sich deshalb darüber vielleicht noch hin und her streiten, obwohl sie von einem so unverdächtigen Zeugen wie die vertürkte englische Regierung bestätigt und an- erkannt sind. Aber blickt doch zurück in die Vergangenheit und ermesset danach, ob der Türke jener Thaten fähig war. Ich erinnere hier nur, um in unserm Jahrhundert zu bleiben, an jene grausenvollen Griechenmassacres im Anfang der Zwanziger Jahre, bei welchen an 30,000 friedliche, schuldlose Menschen ermordet wurden, die einen einzigen Schrei der Entrüstung durch ganz Europa , vorzüglich, gerade wie jetzt auch, bei der braven Britennation wachriefen und schließlich, unter dem enthusiastischen Beifall der Völker(nicht der Regierungen), zur Befreiung Griechenlands führten.'") Das Alles gerade wie leutel") Werden wir uns wirklich so viel mattherziger erweisen, als unsre Eltern?'") Und— um in der Werthschätzung des türkischen Cülturdrangs fortzufahren— wir sehen es ja auch thatsächlich, daß moderne Entwicklung und moderne Verhältnisse überall erst dann ihren Einzug hielten, nachdem der Türke zur Pforte hinausgeworfen war, daß letzteres sich überall als die unerläßliche Vorbedingung des erstem erwies. Ich habe damit jene kleinen Staatswesen im Auge, die im Laufe unseres Jahrhunderts das türkische Jvch abzuschütteln vermocht haben und in denen sich, wenn auch, ivie selbstoerständlich, noch wirr und unklar, doch ein sehr kräftiges politisches Leben kundgiebt. Ja aus einem derselben haben wir an dieser Stelle schon oft recht lebendige Berichte zu lesen be- kommen, wie� das Volk dort sogar schon zu unserem demo- kratischen Sozialismus durchzudringen beginne und welch u kräftigen Wiederhall unser Ruf nach einer neuen, bessern Ord- nung der Dinge dort finde. Ich meine natürlich Serbien . Habt Ihr hingegen schon etwas vom Sozialismus unten den Türken gehört?'") Ich nicht. Versucht es doch einmal und kommt dem Türken mit Eurer materialistischen Weltanschauung, mit Eurer Leugnung eines vorherbestimmenden Fatums, mit Eurer Leugnung Allah's und seines Propheten, des Paradieses und der 725 Huri's, die für jeden Rechtgläubigen dort zu feinem Zeitvertreib abcommandirt werden, mit Eurem rastlosen streben nach Neuerung, mit Euren Ideen von der Gleichheit aller Menschen, ob Gläubiger oder Giaur, von der Pflicht eines Jeden zu nütz- licher Arbeit u. s. w., u. s. w.— bei Allah !— er wird Euch schön auf den Trab bringen!"") Anmerkungen. 10) Die reaktionären Regierungen Europas sollen„ernstliche Reformen" gefordert haben! Das wäre ja ein Wunder. R. d. „V." 11) Notabene, nachdem er eine Verfassung gegeben, die alle geforderten Reformen enthielt— aber für alle Bewohner der Türkei , nicht blos(wie die europäischen Reaktionsmächte ge- fordert hatten) für einen Theil, der dadurch zu einem, die Türken sprengenden Keil geworden wäre. R. d. „B." 12) Die Türken sind doch„auch" Menschen, so gut wie die Südslaven; dieses Verwerfen einer ganzen Raffe scheint uns nicht recht international-sozialistisch. Bei den Türken muß man unterscheide» zwischen Volk und herrschenden Klassen. Ersteres ist durch und durch brav, letztere— wie überall. R. d. „B," 13) Die Türken sind nicht am Zerfall des byzantinischen Reichs schuld; im Gegentheil, durch diesen Zerfall wurde die Türkenherrschaft erst ermöglicht. R. d. ,,B." 14) Richtiger gesagt: die„Aufstände", welche wir in diesem Jahrhundert erlebt, sind blos die Nachzuckungen jener alten Raffenkämpfe, konnten aber, weil der Rassenhaß nachgerade ziem- lich erloschen ist, in neuerer Zeit, trotz aller Anstrengungen der russischen Agenten, nicht mehr zu allgemeinen Volkserhebungen gemacht werden. R. d. „V." 15) Weil die Deutschen hauptsächlich mit Slaven Krieg führten, und ihre Kriegsgefangenen zu Sklaven machten, wurde das Wort Slave allmählich zur Bezeichnung eines Sklaven. Skiave und Slave ist ein Wort; darin hat unftr geehrter Correspondent Recht. Unrecht aber hat er, wenn er die Ab- neigung gegen die russische Politik auf Abneigung gegen die slavische Rasse zurückführen will. Wir legen an den Slaven genau denselben Maaßstab an, wie an unserer eigenes, wie an jedes andere Volk. Wir bekämpfen in Rußland dieselbe Politik die wir auch in Deutschland bekämpfen. Jedenfalls sind wir frei von Rassenhaß. Ob unser geehrter Correspondent es ist, das wird durch seine Aeußerungen über die Türken zum Mindesten nicht bewiesen. R. d. „B." 16) Hat sich nachher zum größten Theil als russische Lüge herausgestellt. Siehe di- frühere Note. R. d. „V." 17) Ja! Ja! R. d. „V." 18) Hoffentlich etwas klüger! Und nicht zum zweiten Mal auf den russischen Leim gehen. R. d. „B." 19) Wird schon kommen! Wer hatte bis vor Kurzem im xo abeaä-Land, dem Land des stürmischen Vorwärtsdrängens in den Bereinigten Staaten etwas von Sozialismus gehört außer aus dem Munde von Deutschen ? R. d. „V." 20) Unser geehrter Correspondent nimmt sich vielleicht einmal die Muße, den Brief Midhat Pascha's an die französischen Positivisten zu lesen. Und—„Nathan der Weise" wurde vor gerade 100 Jahren geschrieben. R. d. „V." (Fortsetzung folgt.) Correspondenzem Dortmund . Der hiesigen„Dortm. Ztg." schreibt ein Corre- spondent„vom Rhein " folgendes:„Die Thierschutzvereine werden in rheinischen Zeitungen auf eine Thierquälerei aufmerksam ge- macht, die in Bezug auf gemeine Rohheit nur ein Gleichniß in den spanischen Thiergefechten findet, das sogenannte„Hahnen- köpfen" nämlich. Auf den allerchristlichsten rechtsrheinischen Dörfern— in Vingst , Ostheim , Gehöft Höhenburg zc. k.— steht dieses scheußliche Spiel in großer Blüthe. Ein lebendiger Hahn wird in die Erde vergraben, derart, daß nur Hals und Kopf des ärmsten Thiers noch hervorragen, und dann gehen die besoffenen Bauernlümmel wie echte Kannibalen hin und suchen den Kopf mit Knitteln abzuschlagen. Wer ihn sortfegt, hat den Hahn gewonnen. Eine größere Scheußlichkeit, wie bei diesem angeblichen„Spiel" zu Tage tritt, ist kaum denkbar. Der Hahn sucht sich mit aller Gewalt zu befreien und arbeitet mit seinem Kopfe hin und her, und je mehr er sich in seiner fürchterlichen Todesangst anstrengt, um loszukommen, desto schneller werden die Bewegungen des Kopfes und desto größer der wahrhaft widerliche Jubel des rohen Volkes."- Niemand kann etwas dagegen haben, wenn die„rheinischen Zeitungen" auf ein Verbot dieses rohen Spiels hinwirken— aber wenn schon, denn si-on. Außer den„versoffenen Bauernlümmeln" gibt es noch eine Sorte Menschen, di.- man sonst zu der„gebildeten" Gesellschaft rechnet, die aber iu pnueto der Rohheit den„versoffenen Äauernlümmeln" in nichts nackgiebt— es sind die Herren Barone, Grafen und blos in eine Ordnungsstrafe genommen worden war, hält er sich dennoch nur an das erste, nicht rechtskräftige Erkenntniß, in welchem auf Strafversetzung erkannt war Man muß daher diese falsche Anfuhrung als absichtlich an- �en"(Fortsetzung folgt.) — lieber die russischen und rumäncschen Feldlaza- rethe und den Transport der Verwundeten berichtet ein mili- tärischer General-Inspektor des amerikanischen Sanitätswesens folgendermaßen:„Was die rumänischen Feldlazaretbe in der Nähe von Plewna betrifft, so laboriren sie alle an Unzuläng- lichkeit der Bedienungsmannschaften, der Mangel an Uebung und praktischer Erfahrung in den ersteii Grundsätzen der Feldhygieine macht diese Leute halb unbrauchbar, und es ist eine sträfliche Nachlässigkeit des Gouvernements, keine eigentliche reguläre Sa- nitätstruppe herangebildet zu haben. Schmutz, Unordnung und Consusion herrscht daher überall. Die Folge ist, daß die Leiden der Verwundeten in horribler Weise vermehrt werden. Das ein- zige Mittel, um die Blessirten von den Feldlazarethen auf die Heerstraße und von dort zur Eisenbahn zu schaffen, besteht in großen Wagen ohne Federn, welche von Büffelvchsen gezogen werden. Noch nicht 10 Prozent der Verwundeten können sofor- tige Hilfe und Verband erhalten, eine Sache, die von der ge- wöhnlichsten Menschenfreundlichkeit gefordert wird. 24 stunden und länger verbleiben die armen Verwundeten ohne vorlaustgeu Verband und sie möchten fürwahr vorziehen, sofort getödtet zu werden, als solche Tortur zu erleiden. Die russischen Garrnsonlaza- reihe haben wenigstens den Vorzug, daß sie hinreichend mit Be- dienungsmannschaft versehen sind, aber bei den Feldlazarethen selbst fehlt es an Trägern und solchen Personen, die den Ver- wundeten aus dein Feuer in Sicherheit bringen, was allein aus Grund einer militärischen Organisation befriedigend geschehen kann. Ohne Ordnung und Prinzip werden die Blessirten in den Zelten aufgestapelt, ohne daß vorher etwaige Vorkehrung für Comivrt und ausreichende Hilfe getroffen war. Entweder liegen die Ver- wundeten auf alten Feldbetten und Transportstühlen, oder sie werden einfach ohne diese vom Schlachtfelde fortgeschleppt und auf schmutziges und schlechtes Stroh gebettet, mit welchem die Krankenzelte angefüllt sind. Es ist ferner beklageuswerth, daß man nicht dafür gesorgt hat, die nothwendige Nahrung für jene armen Burschen in Bereitschaft zu halten, welche vom Schlachtfeld weggebracht worden sind; daß man zuläßt, wie diese Leute im Todeskampfe röchelnd und heulend während der ganzen Nacht sich selbst überlassen werden, wo doch eine Spende Wasser oder eine kleine Morphium-Jnjeftion ihre unsagbaren Leiden mildern könnte. Die Behandlung der russischen Verwun- beten vom Schlachtfelde bis zur Gorni- Stuben ist eine Schande für ein civilisirtes Volk, eine Sache, für die es durchaus keine Entschuldigung giebt. Wenige überleben die Schrecken dieser Tage und dieser schauervollen Nächte."— Wir haben weiter nichts hinzuzufügen, als daß die Russen sich damit entschuldigen werden, daß sie eben kein civilisirtes Volk sind. — Wie man Soldaten zum Todcsmuth begeistert. Vom General Gorschkow erzählt die„Peterb. Ztg." Folgendes: Eine Granate fiel direkt vor der Schnauze seines Pferdes nieder, welches darnach schnupperte.„Ew. Excellenz! eine Granate!" schrien die Soldaten und machten Halt.—„Was geht's Euch an?" sagte Gorschkow.„Marsch vorwärts! Ich habe emige Tausend Rubel jähr.icher Einkünfte und ein Haus in Petersburg , folglich habe ich etwas, um das es mw lew sein könnte, und doch fliehe ich nicht vor dem Feinde. Aber was habt Ihr! Außer Flöhen habt Ihr gar nichts. Marsch vorwärts!" Die deutsche Rubelpresse druckt diese Ansprache mit großem Behagen nach. — Ein Börsenbericbt über die am 2. Oktober in Chemnitz stattge- fnndene Generalversammlung der Chemnitzer Werkzeug-Masch inen- Fabrik vorm. Zimmermann erzählt Folgendes:„Es waren 6 Aklio- näre, die 341 Stimmen vertraten, sowie 2 Aufsichtsraths-M'tglieder und 1 D.rektor mit 363 Stimmen anwesend. Die Gleichgilligkeit der Aktionäre hat sich bei dieser Generalversammlung wieder einmal in hohem Grade gezeigt. Der Verlauf der Generalversammlung war selbstverständlich ein glatter und wenig interessanter." Zur Charak. lerisirung der Versaminlung mag folgendes Kuriosum mitgethcilt wer den. Nach Ertheilung der Decharge wurde der famose Antrag auf Re- muneration des Aussichtsralhes für das zurückgelegte Geschäftsjahr ge- nehmigt, was indeß N'cht etwa durch die anwesenden sechs Aktionäre, sondern einzig und allein durch die Stimmen des Direk.ois und der beiden Aussichtscathsmitglieder geschah!
Ausgabe
2 (12.10.1877) 120
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten