vordrangen und unter der„Gottesgeißel" Attila siebzig Völker,meist slawischen und deutschen Stammes, in ein Eroberer-Reichvereinigten(um 450). Für die Süd- und West-Slawen wieder-holte sich diese furchtbare Ausbeuterwirthschast, als um 900 einTartarensiamm, die Magyaren, in Ungarn einbrach und mitHülfe der dortigen Hunnen ein Reich, auf die Knechtschaft undKriegsfolge vieler Slawenstämme gegründet, errichtete, und alsdie Türken bald nach 1200 in der heutigen europäischen Türkeifesten Fuß faßten und die dortigen Slawen theils unterjochten,theils zu steter Kriegsbereitschaft zwangen. Die entsetzlichsteStaupe aber kam 1227 über die Russen, als die Mongolen-schaaren des Bot» und Oktai das Land gänzlich eroberten und250 Jahre lang auf das Unglaublichste aussaugten.Es bleibt zu erklären, wie dies möglich war. Um 862 nachChr.— so erzählt uns der alte Mönch Nestor— kamen dierussischen Slawen überein, sich die Hülfe der Normannen(Wa-räger, Wäringer, auch Russen genannt) gegen ihre unerträglichenGrenznachbarn, die Mongolen, zu erbitten, angeblich auf denGrund hin, daß sie nicht einig zu sein und sich selbst zu regierenverstünden. Aus der mönchischen Höflingssprache Nestor's in dieWahrheit übersetzt, heißt dies soviel, daß die Slawen aus alt-germanischem Unabhängigkeitstrieb keine staatenbildende Krafterwerben konnten. Die Normannen, welche seit lange einen ge-winnreichen Handel zwischen Ostsee und Schwarzem Meere aufdem Wasserwege über die Düna und den Dniepr betrieben hatten,zeitweilig auch mit Seeraub verbunden, hatten sich seit tausendJahren in Skandinavien zum verwegensten aller Eroberervölkerausgebildet. Sie ließen sich nicht zweimal einladen, setzten sichals Kriegerkaste unter den östlichen Slawen fest, denen sie deneignen Namen„Russen"(Rvthköpfe) beilegten und vereinigten siezu einem Reiche, welches seine Grenzen bald auf Kosten derMongolen ausbreitete und Frieden im Inneren erhielt. Ganzallmählich entwaffneten sie das Volk, welches ohnehin des be-waffneten Friedens müde war, nahmen ihm nach und nach dieeine Hälfte alles Landes, das Gemeindeland, zur Erhaltung ihresLehnsadels hinweg, nöthigten das Volk zum griechischen Christen-thume und mit Hülfe der christlichen Berdummung zum Frohn-dienfte auf dem Lande des Adels und verhinderten die Bildungvon Städten, einer Bürgerschaft und der Künste und Wissen-schaften. Handwerke, Handel und Künste durften blos von ge-duldeten Fremdlingen(Tartaren, Armeniern, Griechen, Zigeu-nern:c.) betrieben werden, und die einzigen Festungen außerMoskau waren die Burgen des Lehnsadels, während die Dörfernie in dichten Gruppen, sondern in langen Linien von Gehöftenangelegt werden mußten. Wir finden genau dieselbe Politik beiden Herrschern aller Slawenstämme wieder, so daß es dahin-gestellt bleiben muß, von wem die Erfindung ausgegangen ist.In Polen soll nach Wuttke's Forschungen ein medischer Lehns-adel sich dem Volke aufgehalst und die Juden aus den Rhein-gegenden(welche ebendamals, um 1280, durch grausame Ver-folgungen von dort vertrieben wurden) ins Land eingeladenhaben, um das Entstehen eines Städtewesens und Bürgerstandeszu verhüten. In Ostdeutschland thaten dasselbe die deutschenEroberer, bevor die Kaiser die Städtegründung zur Stütze ihrereignen Macht gegenüber dem Adel betrieben. In Ungarn thatendasselbe die herrschenden Magyaren, in der Türkei die Türken.Als nun der große Mongolenschwarm(1227) über Rußlandhereinbrach, war das Landvolk bereits ganz entmannt, die Nieder-läge der Großfürsten(fie hatten obendrein das Land unter sichgetheilt) vollständig; die dritthalbhundcrtjährige Ausbeutung durchden Mongolen-Tribut und die vielköpfige Großsürsten-Erpressungvollendete die Leibeigenschaft der Bauern und die Erniedrigungdes Volksgeistes, und die Erlösung vom Landesfeinde konntelediglich dadurch zu Stande kommen, daß die Großfürsten einandermetzelten und beraubten, bis ein einziger ganz unbeschränkter,sklavisch anzubetender Gewaltherrscher übrig blieb.Da die Deutschen im Mittelalter ganz ebensosehr die Leib-eigenschaft und das Faustrecht nnter sich einreißen ließen, so habensie den Slawen, welche weit schlimmer daran waren, in dieserHinsicht nichts vorzuwerfen, und sie verdanken es noch zu erklä-rcnden Ursachen, daß sie die Gräuelwirthschaft des Mittelaltersviel früher abschüttelten, welche in den ostslawischen Ländern beisteter Andauer der Ursachen bis heute das Landvolk in unwür-digen Fesseln und im Elend erhält. Es steht fest, daß die Sla-wen noch gerade genug germanischen Jreiheitsgeist im Bluteererben, um allen Kulturvölkern nachzueilen. Es bedarf nureines genügenden Anstoßes, um den vielhundertjährigen Alpdruckder Entmuthigung und Verdummung abzuwerfen und jenen ent-setzlichen Fanatismus der Rache zu entfesseln, durch welchen dieKosaken(die„Freien", geflüchtete russische und polnische Leib-eigene der südrussischen Steppe) und die Czechen in den Hussiten-kriegen, sowie am Ende des vorigen Jahrhunderts die Serbender Türkei, und ganz neuerdings Monteneginer und Bulgarensich furchtbar für ihre Unterdrücker gemacht haben, von zahlreichenkleineren Erweisen ähnlicher Art gar nicht zu redeu. Wir wissengenau, was wir sagen, wenn wir eine Wiederauferstehung desFreiheitsgeistes und darauf folgende Kulturblüthe unter allenSlawen als ganz nahe bevorstehend verkünden. Und Europawird sie so wenig zu fürchten haben, daß vielmehr für es einneuer Völkerftühling davon zu erwarten ist.Wettstreit und Gleichheit.Die neu erschienene Monatsschrift:„Die neue Gesellschaft"enthält einen Artikel aus der Feder von Dr. A. Schaffte überdie natürliche Zuchtwahl in der menschlichen Gesellschaft, in demausgeführt ist,„daß es ein hoffnungsloses Unterfangen wäre,den Streit aus dem Spiel der sozialen Wechselwirkungen völligauszuschließen, die Aufgabe der zukünftigen Gesellschaft wäre nur,diesen Streit moralisch zu machen."Ein solcher Gedanke hat auf den ersten Blick viel Bestechendes.Wissen wir doch, daß dem Wettstreit der Völker und der einzel-nen Individuen die schnelle Entwicklung der Industrie zu dankenist, und wissen wir doch, daß die Kulturentwicklung von derrohen Bethätigung des Faustrechts bis zur„fteien Konkurrenz"die Tci.denz zeigt, den Kämpf der Menschen moralischer zu ge-stalten, und so kommt man leicht in den Gedankengang des Hrn.Dr. Schaffte: Statt der unter der freien Konkurrenz sich fühlbarmachenden Kapital-Aristokratie:„die�Aristokratie der persönlichenTüchtigkeit anzuerkennen" und den Satz:„Wer der Gesellschaftmehr leistet, soll mehr von ihr empfangen, mehr geehrt werden,soll herrschen" zu unterschreiben.Und doch kann die Sozialdemokratie sich mit diesem Zieledurchaus nicht befriedigt erklären. Was den Gedanken so ver-lockend erscheinen läßt, ist eben der Umstand, daß in der Thatein Fortschritt gegen die bestehenden Verhältnisse darin nicht zuverkennen ist; aber wir, die wir die völlige Befreiung undGleichheit aller Menschen auf unsere Fahne geschrieben haben,wir müssen wohl prüfen, ob i ir durch sorgloses Anerkennen derAristokratie der persönlichen Tüchtigkeit nicht eine neue Ungerech-tigkeit sanktioniren.Solche Ungerechtigkeiten schleichen sich stets als eine ersire-benswerth erscheinende Errungenschaft ein; der Uebergang vomTödten der Kriegsgefangenen zur Benutzung derselben als Sklavenwurde von diesen nicht minder ftoh begrüßt, als der Uebergangvon der Leibeigenschaft zur„freien" Arbeit von den„freien"Arbeitern, welche sich willig den Kapital- Aristokraten, ihren Brot-ebern, unterordneten; heute haben wir die bittere Erfahrunginter uns, bis zu welchem Druck eine ursprünglich als Fort-schritt begrüßte mildere Suprematie empfunden werden kann.—Auch giebt Schäffle selbst zu, daß mit der neuen Gesellschaftunter der Aristokratie der persönlichen Tüchtigkeit nur eine neueEtappe in der Entwicklung gewonnen sein würde, und, wenn dasder Fall ist, nun so liegt die Frage nahe, wozu mit offnen Augenin einen neuen Kampf gehen, den wir vermeiden können, warumnicht das Glück aller Menschen direkt und sofort anstreben?Ist es also, fragen wir, wirklich ein hoffnungsloses Unter-fangen,„den Streit aus dem Spiele der sozialen Wechselwirkun-gen auszuschließen"?Und, nein können wir, nein müssen wir antworten, wenn wirdie Frage in ökonomischer Hinsicht vom radikal- sozialdemokra-tischen Standpunkte beantworten wollen.—Nicht der ökonomische Anreiz der persönlichen Tüchtigkeit,„mehr von der Gesellschaft zu empfangen", als Andere, soll dieBasis der neuen Gesellschaft sein, sondern einzig und allein derEhrgeiz des Pflichtbewußtseins!, ihr mit aller Kraft nütz-lich zu sein und die Freude, ihr viel genutzt zu haben, ohnedafür mehr zu empfangen.Die persönliche Tüchtigkeit wollen wir gern ehren, aber siezu einer neuen ökonomischen Aristokratie zu machen, das sei fernevon uns, das ist nicht nöthig!—Sehen wir uns das Streben eines jungen Mannes an, derin den bürgerlichen Beruf tritt, so werden wir nur eine Ten-denz in seinem Handeln sehen, die des Ehrgeizes, des Pflicht-bewußtscins. Bon Allen, die ihn kennen, als„tüchtiger Mensch"gekannt zu werden, ist sein nächstes Ziel und obgleich er sieht,wie heutzutage Zufall und Unglück oft die tüchtigsten Kräfte imKampfe unterliegen lassen; obgleich er durchschaut, daß durch-aus nicht das Pflichtbewußtsein es ist, das ihm eine Gewähr für! seine Zukunft geben kann, so strebt er doch, diese Eigenschaftenzu erringen, damit man von ihm sage, er sei„ein tüchtigerpflichtbewußter Mensch."—Wenn nun gar diese Eigenschaften die Basis der neuen Ge-sellschaft sind, so wird die seiner Zeit herrschende Moral ebenden ehren, der den Ehrgeiz hat, pflichtbewußt und ohne Selbst-� sucht— zu sein und die Erkenntniß, daß dieses Streben dasGlück der Welt begründet, wird es dem Einzelnen zu größterHerzensfreude machen, im Sinne dieser Moral zu leben.—Das war auch der Grundgedanke, der durch das reine selbst-lose, empfindungsselige Christenthum hindurchklingt: das Strebennach Selbstzufriedenheit ist das höchste Glück, höher als derganze Bettel, selbst einer Milliarde von Dotation!Es ist eben keine zum Nachtheile für die Gesammtheit wer-dende Vergewaltigung des Starken, wenn ihm ökonomisch dieGelegenheit genommen wird, aus seiner Tüchtigkeit Kapital zuschlagen: dieselbe moralische Erkennwiß, welche die rohe Gewaltals Faktor aus dem Streit ausschließt, rechtfertigt auch den Aus-schluß der Suprematie der persönlichen Tüchtigkeit, und die Aengst-lichkeit, mit der wir uns vor einer neuen Aristokratie schützen,wird uns von dem höchsten Gebot, von dem der Gleichheit vor-geschrieben und von der Selbsterhaltungsrücksicht des angestrebtenStaats geradezu diktirt.Wenn rein demokratische Verfassungen die Wiederwahl selbstdes tüchtigsten Präsidenten verbieten, so liegt unter Umständendarin sogar eine Schädigung der Gesammtheit, wenn ein minderBefähigter auf den Präsidentenstuhl berufen werden muß. Aberdoch ist das Gesetz gut, um den Uebergang zu despotischen Ueber-griffen zu verhindern. Ist doch, wie Cicero sagt, jedes Gesetzso lange gut, bis es in schlechte Hände kommt. So würden wir,— selbst den bestrittenen Nachlheft für die Staaisleitung aus derungelohnten größeren persönlichen Tüchtigkeit zugegeben— unsim höheren Interesse lieber diesen kleinen Nachtheilen fügen, alseinen neuen aristokratischen Keim zu schaffen, der schlechten d. h.zu egoistffchen Händen den Dolch tn die Hand geben könnte, denhohen Gleichheitsgedanken— wenn einst durchgedrungen—wieder zu meucheln. 8. I-.Vermischtes.— Die nordamerikanischen Schuhfabriken. Die nordamerikanische Schuhindustrie, deren hohe Entwicklung die Auf-merksamkeit aller Fachkreise seit Jahren auf sich zieht, ist derGegenstand einer ausführlichen, beachtenswerthen Darstellung ineinem Buche von H. A. Schneider, betitelt:„Die Schuhmachereiauf der Weltausstellung in Philadelphia 1876"(Weimar be:B. F. Voigt), dem wir folgende Mittheilung von allgemeineremInteresse entnehmen.Der nordamerikanische Gewerbefleiß hat sich seit Jahren, ge-zwungen von dem hohen Preise menschlicher Arbeit und unter-stützt durch ein treffliches Patentgesetz, die Erzeugung neuerMaschinen zur Erleichterung der Schuhfabrikation, und zwar mitbestem Erfolge, angelegen sein lassen. In Folge davon sind dieHausindustrie und der Kleinbetrieb in der Schuhmacherei in denVereinigten Staaten schon längst durch den Großbetrieb ver-drängt, der zahlreiche Maschinen und Motoren beschäftigt. Dieamerikanische Schuhindustrie stützt sich vorwiegend auf das Kapital,erst in zweiter Linie auf die Arbeit,(?) und liefert mit den mächtigenMitteln, die ihr zu Gebote stehen, auch in technischer Hinsicht dasVollendetste.Der Umfang dieses Industriezweiges ist sehr beträchtlich.Nach den Angaben des Census vom Jahre 1850 wurden in denBereinigten Staaten 11,300 Betriebe für Fertigung von Schuhenund Stiefeln gezählt; darin waren 72,305 männliche und 32,498weibliche Personen, zusammen 104,803 Personen beschäftigt.Bis 1860 hatte die Zahl der Betriebe nicht erheblich zugenommen;sie war nur bis auf 12,500 gestiegen; dagegen hatte eine ansehn-liche Erweiterung der bestehenden Etablissements stattgefunden,und waren die inzwischen neugegründeten meist im großartigstenStile angelegt. Der in den scchsziger Jahren tobende Bürger-krieg, der manchen andern Industriezweig schwer heimsuchte, hattedie Schuhindustrie nicht nur nicht geschädigt, sondern sogar inwirksamer Weise gefördert. So wurden denn bei dem Censusvom Jahre 1870, dem letzten allgemeinen, 26,977 Betriebe fürSchuh- und Stiefelwaren(einschl. der für Schuhmacher-Wcrkzcuge)gezählt, worin im Ganzen 231,552 Personen(186,218 männ-liche, 38,875 weibliche, 6459 Kinder) beschäftigt wurden. ImJahre 1870 wurden über 80 Millionen Paar Schuhe und Stiefelerzeugt, die fast sämmtlich im Jnnlande verbraucht wurden, dadie Ausfuhr sehr unbedeutend ist.Die Neu-England-Staaten, mit Massachusetts an der Spitze,sind die Hauptsitze der Schuhindustrie. Massachusetts allein pro-duzirt etwa zwei Dritthcile aller in den Vereinigten Staatenverbrauchten Schuhwaren. Die Stadt Boston hat, neben starkereigener Produktion, fast das gesammte Commissions- und Handels-geschäft der Branche in der Hand. Von dort aus wurden nachPlätzen außerhalb der Neu-England-Staaten 1870 1,250,000,1873 1,336,000 und 1876 1,521,000 Kisten mit Schuhwerk ver-sandt, von denen jede entweder 2 Dutzend Paar Herrenstiefeloder 5 bezw. 12 Dutzend Paar Damen- bezw. Kinderstiefel faßt.Diese Zahlen deuten auf eine sehr große Produktion, die aberaußerdem noch den eigenen Verbrauch, der bei 3'/- MillionenEinwohnern nicht unbedeutend sein kann, befriedigt. Hauptplätzeder Fabrikation find neben Boston die Orte Lynn, Haverhill,Wuster, Danvers, Brocton u. a. m.Bei den immer weiter gehenden Anstrengungen, die Leistungs-fähigkeit der Fabriken zu vergrößern, ist gegenwärtig die Mög-lichkeit hergestellt, dem Bedarfe in jeder Höhe zu genügen. Demgegenüber ist jedoch die Nachfrage auf dem heimischen Marktenicht gestiegen, sondern herabgegangen, so daß für die amerika-nische Schuhfabrckation der auswärtige, überseeische Absatz einewichtige Frage wird. Bis jetzt hat sich gezeigt, daß die nord-amerikanische Schuhindustrie wohl auf ihrem eigenen Marktelebensfähig ist und hier jeder Concurrenz die Stirne zu bietenvermag, daß sie aber z. Z. noch nicht exportiren kann. Wiegering thatsächlich die Ausfuhr ist, geht daraus hervor, daß ausdem Hafen von New-Jork, der für den Export von Schuh-waren fast ausschließlich in Betracht kommt, im Jahre 1875nur 2721 Kisten mit Schuhen und Stieseln im Werthe von188,058 Dollars und im Jahre 1876 sogar nur 2585 Kistenim Werthe von 129,654 Dollars nach auswärtigen Hafenplätzenversandt wurden; dieser geringe Export erreicht nicht annährendden Import englischer und französischer Waaren, wovon alleinzwei Händler in Boston, nach deren eigenen Angaben, jährlichfür 95-— 110,000 Dollars verkaufen.— Aus obigen Angabenkann man aber ersehen, wie auch in den Zweigen der Industrie,die bislang mehr noch in den Händen des Kleinbetriebs sich be-fanden ein fortwährendes Ringen sich kundgibt, dieselben voll-ständig der Großindustrie zu unterwerfen.— Die Londoner Polizei. Aus dem Bericht des Chefsder Londoner Polizei, des Obersten Henderson, an den Ministerdes Innern pro 1876 geht hervor, daß die Gesammtstärke derzum Schutze der öffentlicben Sicherheit eingesetzten Macht 10,268Mann betrug, eine wunderbar kleine Zahl für eine Einwohner-fchast, die jene des ganzen Königreiche Sachsen noch überragt.Von diesen 10,268 waren 674 in den Docks und Militär-Sta-tionen beschäftigt, 562 in verschiedenen öffentlichen Verwaltungs-zweigen, Eisenbahnen und Instituten und 9032 in der eigent-lichen Hauptstadt. Die Polizeigewalt der Metropole entfiel in21 Oberbeamte, 224 Inspektoren, 907 Sergeanten und 7859Konstabler. Das Gebiet wird in 21 Distrikte getheilt, mit Ein-schluß der Themse von Walton bis Enth. Verhastet wurden indem Jahre 76,214 Personen. Die Zahl der Verhafteten zeigtgegen das Vorjahr eine Zunahme von 3608, und zwar fastdurchweg im Gebiete der Betrunkenheit, denn im Jahre 1875gab es 36,539, im Jahre 1876 aber 38,748 wegen Trunkenheitund Ordnungsstörung Verhaftete. Alle anderen Anklagen zu-sammen zeigten eine Zunahme von 1623, bei einer reißend zu-nehmenden Bevölkerung; die Anklagen schwererer Statur, wie z. B.Raubversuche, zeigen sogar eine Abnahme gegen das Jahr 1875,welches sich unter zehn Jahren durch die geringe Anzahl ernst-licher Verbrechen auszeichnete. Der Bericht konstatirt ferner, daßwährend der letzten 10 Jahre in den Straßen Londons 1135Personen durch Ueberfahren getödtet und 21,827 verwundet wur-den; daß die Polizei während des Jahres 18,881 herrenloseHunde aufgriff, daß 11,805 Personen, darunter 8531 Kinder imAlter unter 10 Jahren, der Polizei als verloren oder vermißtgemeldet wurden. Von den Vermißten wurden 5129 Kinder und779 Erwachsene von der Polizei gefunden und ihren Angehöri-gen wiedergegeben. 103 Erwachsene verübten Selbstmord, und8 Kinder und 140 Erwachsene verschwanden spurlos; die Uebri-gen wurden entweder von ihren Angehörigen gesunden oder kehr-ten aus freien Stücken nach ihrer Behausung zurück.— Die Einnahmen an Zöllen und gemeinschaft-lichen Verbrauchssteuern haben im deutschen Reiche für dieZeit vom 1. April 1877 bis zum Schlüsse des Monats Septem-ber 1877(im Vergleich mit der Einnahme in demselben Zeit-räume des Vorjahres) betragen: Zölle 52,510,410 Mark(—7.650,957 M.), Rübenzuckerstcuer 3,734,976 M.(ft- 1,216.304M.), Salzsteuer 15,679,145 M.(-s- 1.000.603 M.), Tabaks-steuer 346,395 M.(— 13,269 M.), Branntweinsteuer 9,548,552M.(— 961,058 M.), Uebergangsabgaben von.Branntwein47,069 M.(— 9824 M.), Bransteuer 7,588,352 M.(— 175,459M.), Uebergangsabgaben von Bier 416,901 M.(-ft 1571 M.):Summa 82,401,848 M.(— 6,592,089 M.)— Die„Nadel der Kleopatra". Der unter diesem Na-men bekannte, seiner Zeit von Mehemed Ali der englischen Re-gierung geschenkte Obelisk, war bekanntlich vor einigen Wochen,nachdem er Jahrhunderte lang in einiger Entfernung von derKüste halb versunken im Erdreich gelegen, von englischen In-genieuren gehoben und zum Transport nach England zu Wassergebracht. Man hatte zu diesem Zwecke um den Obelisken herum,während er noch auf dem Lande lag, einen großen hohlen, nachbeiden Enden spitz zulaufenden eisernen Cylinder gebaut, dessenGröße so berechnet war, daß er den steinernen Koloß im Wasserzu tragen vermochte und noch weit genug aus dem Wasser her-vorragte, um auf einem im oberen Theile des Cylinders ange-brachten kleinen Deck einigen mit dem Manövriren dieses neu-artigen Fahrzeuges beauftragten Leuten einen einigermaßen sicherenAufenthalt zu gewähren. Nachdem der Cylinder unter mehrfacheilSchwierigkeiten glücklich zu Wasser gebracht, hatte man ihn imDock zu Alexandria an beiden Seiten mit einer Art falschenKiels versehen, um der voraussichtlichen Neigung desselben, imSeegange zu rollen, thunlichst entgegenzuwirken, und war danndas ganze Ungethüm Mitte vorigen Monats im Schlepptau desLiverpooler Dampfers„Olga" von Alexandrien nach Englandin See gegangen. Nach einer zwar langsamen, aber bis dahinglücklichen Reise wurde die„Olga" in der Nacht von Sonntagauf Montag unweit Cap Finisterre von einem schweren Sturmeaus SW. überfallen, infolge dessen die am Bord des Cylindersbefindlichen Leute sich gezwungen sahen, um Hilfe zu signalisiren.Die„Olga" setzte ein Boot mit ihrem zweiten Offizier und 5Mann aus, um die gedachten Leute aufzunehmen, doch kentertedas Boot, und die darin Befindlichen fanden ihren Tod in denWellen. Am folgenden Morgen machte ein anderes Boot der„Olga" einen zweiten Versuch zur Bergung der auf dem Cylin-der befindlichen Mannschaften, der glücklicherweise gelang, woraufdie„Olga" bei fortwährend zunehmendem Sturm den Obeliskeuin 44° 53' n. Br., 7° 52' w. L. loswerfen mußte. Die Befürch-tungen, daß der Obelisk damit auf Nimmerwiedersehen verlorensei, scheint sich jedoch nicht zu bewahrheiten, denn wie ein beiLloyds eingegangenes Telegramm aus Ferro! meldet, ist der-selbe von dem englischen Dampfer„Fitzmaurice" 90 Mellennördlich von Ferrol angetroffen und ins Schlepptau genommenworden.Druck und Verlag der Gcnossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig.