Sozialpolitische UeSetfichi* — Die Berliner„Volkszeitung" beschäftigt sich in ihrer Mittwochsnummer nrit unserer Antwort auf ihren neulichen Leitartikel:„Demokratie und Sozialdemokratie." Sie meint, wir hätten Unrecht, zu verlangen, daß, wer das heutige soziale Elend erkannt habe und gewillt sei, ihm zu steuern,„mit der Sozialdemokratie Hand in Hand gehen, die Sozialdemokratie unterstützen, Sozialdemokrat werden" müsse. Wer eine Krank- heit, die er erkannt habe, ehrlich zu heilen beabsichtige, werde, wenn er verständig sei, nicht das Rezept irgend eines Quack- salbers, ob es sich auch mit Prunkhafter Reklame als Universal- mittel anpreist, als das einzig rettende Heilmittel anerkennen. Ganz richtig, aber was geht das die Sozialdemokratie an? Haben wir denn ein„Universalmittel" angepriesen? Wir glauben nicht, daß dies jemals geschehen ist, und wir wissen, daß in zahlreichen schriftlichen und mündlich-.n Aeuße- rungen der Gedanke, daß wir das fertige Rezept für die Hei- lung aller gesellschaftlichen Schäden in der Tasche hätten, als unwissenschaftlich und unsinnig zurückgewiesen worden ist. Die Sozialdemokratie studirt die Vorgänge und Erscheinungen auf gesellschaftlichem Gebiet, sie weiß— und das ist nicht ihre Entdeckung, sondern eine allgemein anerkannte wissen- schaftliche Thatsache— daß die heut herrschenden Beziehun- gen zwischen Arbeit und Kapital die Quelle der gesellschaftlichen Mißstände sind, und sie erstrebt, um diese Mißstände zu besei- tigen, eine vernunftgemäße und gerechte Regelung der Be- Ziehungen zwischen Kapital und Arbeit. Wir mischten die„Volkszeitung" fragen, ob sie hiergegen etwas einzuwenden hat? Wenn ja, dann verläßt sie den Boden der Wissenschaft und Humanität. Wenn nein, dann steht sie auf unserer Seite. Ein„unfehlbares Papstthum" haben wir nicht und würden wir nie dulden. Wer ehrlich an der Verbesserung der ökono- mischen Lage des Volks arbeitet, wird stets auf unsere ehrliche Mitwirkung rechnen können. Zum Schluß noch ein Wort. Die„Volkszeitung" beschwert sich über den Ton unserer Erwiderung. Wir möchten die„Volks- zeitung" fragen, ob sie die Sprache billigt, welche von ihren (der„Volkszeitung") Parteigenossen Richter, Hirsch, Bern- stein u. s. w. bei jeder Gelegenheit gegen die Sozialdemokratie geführt wird? Und ob Dem, was die genannten Herren!n puncto der Beschimpfung, Verleumdung und Denunzi- rung politischer Gegner geleistet haben, in der gesammten sozialistischen Presse Aehnliches an die Seite zu setzen ist? Will die „Volkszeitung" gerecht sein— und seit Kurzem befleißigt sie sich eines anständigeren Tones gegen uns, was wir gern bescheinigen — so wird sie des Weiteren nicht in Abrede stellen können, daß die Art und Weise, in welcher sie selbst uns bisher„bekämpft" hat(z. B. in den Bernstein 'schen Artikeln), nicht geeignet war, uns die Sprache ceremonieller Höflichkeit zu inspiriren. Die„Volkszeitung" betitelt ihren neuen Artikel:„Demo- kratie, nicht Sozialdemokratie" und versteigt sich in dem Feuer ihrer Ausführungen zu dem Ruf:„Wir sind keine Sozialdemokraten, weil wir ehrliche Demokraten sind." Wenn es der „Bolkszeitung" gelingt, uns den Nachweis zu liefern, daß irgend eine Forderung der Sozialdemokratie undemokratisch ist, dann wollen wir ihr Recht geben. So lange dieser Beweis aber nicht erbracht ist, gilt unser Satz: Ein ehrlicher Demokrat muß Sozialdemokrat sein. — Aus zuverlässiger Quelle erfährt die„S. D. C.", daß Dr. Max Hirsch den Antrag gestellt hat, ihm in seiner Eigen- schaft als Anwalt der Gewerkvereine ein Jahresgehalt von 3000 Mrk. zu gewähren. Der Antrag wird voraussichtlich heftige Opposition in Gewerkvereinskreisen finden. Nach einer Mit- theilung der Berliner„Post" soll Herr Dr. Max Hirsch all sein Eigen verkauft haben, aber nicht ganz freiwillig. Wenn sich dies bewahrheitet, dann dürfte unsere obige Mittheilung sofort eine passende Erklärung gefunden haben. — Wir erhalten folgende Zuschrift: „Die Berichtigung aus Pforzheim in Nr. 131 Ihres Blattes bedarf einer Richtigstellung meinerseits, als des direkt Angegriffenen und zunächst Betheiligten und zweifle ich nicht, daß Sie im Interesse der Wahrheit auch' mir das Wort an ge- eigneter Stelle einräumen werden und ersuche ich Sie um Auf- nähme folgender Zeilen: Meine Ehefrau offerirte mir durch Ihren Anwalt am 20. und:3. Juni d. I.(wie Sie aus den beigeschlossenen zwei Ori- lieber die Zustände des modernen Theaters. Bon S.-G. Wenn sich eine Gesellschaft in ihrer Auflösung befindet, so kann sich naturgemäßer Weise dieser Auklösungsprozeß nicht nur auf einzelne Theile dieser Gesellschaft beschränken, sondern er muß mit der Zeit den ganzen Körper ergreifen. Sehen wir nun aber den Fäulnißprozeß der modernen Gesellschaft in wirth- schaftlicher Beziehung in progressiver Steigerung sich täglich voll- ziehen, sehen ivir die Macht und mit dieser alle die Schatten- feiten der Kapitalherrschaft vor unserem Auge stetig wachsen, so kann dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen, daß auch einer der besten Theile dieses Körpers: die Kunst, bereits vom Kapital- Moloch ergriffen und damit in den Fäulnißprozeß hineingezogen worden ist. Und in Hinsicht der Kunst ist es die darstellende Kunst, das Theater, dem wir heute einige Beachtung schenken wollen. Die moralische Bildungsanstalt, als welche Aristoteles, Schiller und hundert Andere das Theater betrachteten,— sst das Theater heute am wenigsten, dagegen nur zu oft ein Spekulationsge- schüft und fast vorwiegend ein Institut zur Verherrlichung unse- rer heutigen faulen Zustände. Zwingt schon heute die Kapital- Herrschaft das moderne Theater einerseits, nach außen hin— ein Repertoir aufzustellen, dessen Inhalt nicht die Aufdeckung der modernen faulen Zustände oder die Verdorbenheit der„beste- ren" Gesellschaftsklassen, wohl aber die Fröhnung des sinn- lichen Genusses, der Kitzelung der abgestumpften Sinne der Bour- goisie,— zum Zwecke hat, und zeigt sich uns somit das mo- deine Theater nach außen als ein Zubehör der Kapitalherrschaft; so bildet solches andererseits in seinem Innern nicht mehr und nicht weniger eine Brutstätte des unersättlichen, ausbeutenden Kapitalismus . Gleichwie jedes industrielle Etablissement sein constantes und variables Kapital besitzt, gleichwie ein solches den Ruf seiner Leistungen nur soweit zu erhöhen bemüht ist, als es sich mit seinen finanziellen Interessen vereinbart, also ist's mit dem modernen Theater. Heute müssen beim Theater einige Virtuosen die Anforderungen wahrer künstlerischer Leistungen ersetzen, wäh- rend die Gesammtzahl der Darsteller sich nicht über das Niveau der Mittelmäßigkeit erhebt, nicht zu erheben vermag, da die finanziellen Interessen der modernen Theaterinstitute deren Leiter vermögen, ihre„Kräfte"(in der Industrie heißt es„ihre Hände") ginalbriefen ersehen) Tausend Gulden baar, wenn ich auf meinen Sohn Verzicht leistete, welches Ansinnen ich natürlich zurückwies. Das Urtheil der höchsten Instanz(welches zu Ihrer Ueber- euguug auch im Original beiliegt) ist erst vom 5. Juli d. I. atirt, es geht daraus klar hervor, daß es mir um mein Kind zu thun war, welches seine Mutter für Geld verkäuflich dachte. Meine Forderung von 6000 Mark ist richtig, für diesen Preis wollte ich in die Scheidung willigen, nicht als ob ich meine Ehefrau so viel Werth hielte, sondern weil sie nach derselben wieder Heirathen kann, wodurch sich das meinem Kinde bis jetzt allein zufallende Vermögen, noch m unzählige Theile zersplittern könnte. Um diesen Nachtheil zu verhüten, suchte ich obige Summe demselben sicher zu stellen. Wie besorgt Mutter und Großeltern um das Wohl des Kindes sind, mag daraus hervorgehen, daß mir es diese Leute mit zerrissenen Schuhen und nur mit den allernothwendigsten Kleidungsstücken zusandten; mir ein Beweis, daß Humanität und Bildung nicht überall zu finden sind. Ad. Krafft, Schlosser." — Die sozialistische Bewegung in Vlämisch-Belgien macht seit dem Genter Congreß erfreuliche Fortschritte. Seit den wenigen Monaten, daß die vlämischen Sozialisten und Ar- beitervereinigungen ihre besondere Organisation haben, ist die Bewegung in großartiger Weise gewachsen. Durch die Zurück- ziehung von der anarchistischen Richtung ist ein ganz neues Le- den in die Arbeiterbewegung gekommen, daß den Sozialisten immer neue Anhänger zugeführt hat, die sich der sozialsstischen Idee gegenüber indifferent verhielten, weil die Sozialisten bis- her von allen politischen Agitation Abstand nahmen. Die vlä- mische sozialistische Arbeiterbewegung steht nun vollkommen auf dem deutschen Standpunkt, und liegt ihr fast dasselbe Pro- gramm, wie das der deutschen Sozialisten zu Grunde. Die Agitation für das allgemeine Wahlrecht ist nun in vollem Fluß. Am ersten Sonntag im November fand in Löwen ein General- congreß statt, auf welchem alle Arbeitervereinigungen und sozia- listischen Gruppen der vlämischen Provinzen vertreten waren. Neue Zweigvereine sind vor Kurzem gegründet worden in Me- cheln, Löwen, Kortryk, Vilvorde, Ledeberg. Das Parteiblatt „De Werker"(der Arbeiter) nimmt an Lesern immer mehr zu. Der Parteikalender„De Vlaamsche Lantaarn"(die vlämische Laterne) ist in 3000 Exemplaren gedruckt, und bereits ver- griffen. Mitten in den ultramontanen Heerd hinein bricht sich also die sozialistische Idee Bahn und zeigt den bethörten Arbei- tern den Anbruch einer neuen Morgenröthe der Gerechtigkeit und Gleichheit. — Von englischer Seite schreibt man uns aus London unterm 10. d.: In Folge des öffentlichen Meetings von Eng- ländern und Ausländer, das vorigen Sonntag aus Veranlassung des Maurerstrikes in Newmanstreet statthatte, wurde am vorigen Mittwoch in Nr. 21 Grafton Street, Fitzroy square ein ueues Meeting abgehalten, um den Grund zu einer internationalen Organisation der Arbeiter zu legen. Herr Maltmann Barry, Delegirter(des deutschen Vereins, der jetzt die strikenden Maurer unterstützt) auf dem Genter Congreß, führte den Vorsitz; er erklärte, daß ihm seitens des Genter Congresses und seines eigenen Vereins der Austrag geworden sei, für eine internationale Verbindung der englischen Arbeiter mit den Arbeitern des Eon- tinents auf internationaler Grundlage einzutreten; zu diesem Zweck sei nun die gegenwärtige Versammlung berufen worden. Der Moment sei sehr günstig. Erstens habe der Genter Congreß gezeigt, daß die Arbeiter aller Länder von dem lebhaften Wunsch beseelt seien, sich für gewerkschaftliche Zwecke zu verbinden und in Bezug auf politische Aktion eine einheitliche Auffassung zu erzielen; der Congreß habe zu diesem Zweck bestimmte Mittel und Wege angegeben. Zweitens seien die gegenwärtigen Kämpfe der englischen Ar- beiter mit den Kapitalisten, namentlich die Einfuhr fremder Arbeitskräfte trefflich geeignet, den englischen Arbeitern die Augen zu öffnen und auch dem Verstocktesten die Nothwendig- keit einer internationalen Organisation der Arbeiter klar zu machen. Und drittens könne man jetzt den Rath und die Beihülfe der Häupter der alten internationalen Arbeiterassoziation erlangen, welche sich einige Jahre lang zurückgehalten haben und ohne deren Mitwirkung kein nennenswerthes Resultat zu erwarten sei. Herr Barry meinte, als erster Schritt empfehle sich Wohl die nach Möglichkeit anzustrengen, bis auf's äußerste auszubeuten und die weitere künstlerische Ausbildung links liegen zn lassen. Wie in der Industrie die Fabrik mit ihren Maschinen:c. das constante und die Arbeitskraft der Arbeiter das variable Kapital repräsentirt, so bilden in dem modernen Theater dessen Hallen, Coulissen und Maschinenapparat das rein geschäftliche„constante" und die Kraft der„Künstler" nichts weiter als das„variable" Kapital der Unternehmer. Mit wenigen Ausnahmen ist das „variable" Kapital der Kunst nicht viel besser, wohl aber nach mancher Richtung schlechter daran, als das der Industrie; gleich dem der letzteren sinkt es mit zunehmendem Alter in seinem Werthe, gleich ihm wird es, wenn alt und abgenutzt, vom Unter- nehmer auf die Straße geworfen. Die Abhängigkeit der Künstler von der Kapitalmacht ist eine noch theilweis größere, als die der industriellen Arbeiter, inso- fern der„Künstler" nicht allein durch das Kapitalverhältniß an sich, an die Kapitalmacht gebunden ist, sondern diese Abhängig- keit noch erhöht wird durch sogenannte Contrakte, welche nur zu oft eine Musterkarte von Pflichten ohne Rechte auf Seiten der Künstler und von Rechten ohne Pflichten auf Seiten der Unternehmer sind, diese Abhängigkeit aber gekrönt wird durch ein Agentensystem, das sich an alle Künstler gleich einem Vampyr geheftet, und das in seiner verwerflichen Existenz nur in einer faulen und versumpften Gesellschaft wie jdie heutige zu entstehen und zu bestehen vermag. Gegen vorstehende Ausführungen des modernen Theaters könnten Manche einzuwenden versuchen, daß damit nur die so- genannten Privat-Bühnen, deren Tendenz ausschließlich„Ge- schüft" und„Verdienen" ist— gemeint seien, daß dagegen die Staatsbühnen, sogenannte„Hofbühnen", die Kritik nicht treffe, insofern unter staatlicher Leitung die Kunstinstitute unmöglich zum reinen Profitgeschäft herabsinken könnten. Zur Jllustrirung unserer Ansicht können wir es uns nicht versagen, gerade der Regie einer vielgefeierten und hochgepriesenen„Hofbühne" die heuchlerische Maske abzureißen und ihre elende Ausbeuterlarve den Lesern vorzuführen. Wer kennt nicht die vielgerühmte Mei- ninger Theatertruppe, welche jahraus jahrein auf Kunstreisen (soll heißen: Geldoerdienen) geht und der staunenden Welt die sogenannten„Klassiker" in prächtigster Ausstattung und künstle- rischstem Ensemble zum Besten giebt? Wer hätte noch nicht von deren Primas, dem„kunstliebenden" Meininger Herzog, Bildung eines provisorischen Ausschusses, der sich mit dem in Gent constituirten Bureau in Verbindung zu setzen, und die Aufgabe zu verfolgen habe: englische Sektionen zu gründen und den Beitritt(afütiation) bestehender gewerkschaftlicher und politi- scher Arbeitervereinigungen zu erwirken. Thatsächlich würde der Ausschuß die Funktionen eines brittischen Föderalraths verrichten, allein ehe die Föderation selbst zur Wahrheit geworden sei, könne der Ausschuß diesen Namen nicht annehmen. Nach längerer Diskussion fand dieser Borschlag allseitige Billigung und schließlich wurde der Ausschuß gebildet unter dem Namen „Provisorischer Bundesausschuß der Arbeiteroereinigungen von Großbrittanien und Irland, im Anschluß an das internationale Büreau von Gent. (Provisional federal Cornrnittee of Working- rnen's societies in Great Britain and Ircland, affiliated with the international Bureau at Ghent.)" Der Kern des Ausschusses wurde auf 12 Mitglieder festgesetzt; jede beitretende Sektion oder Arbeitervereinigung hat das Recht, in den Ausschuß zwei Delegirte zu schicken. Die folgenden Herren wurden sofort gewählt: Maltmann-Barry, Busche, Kitz, Mandel, New, Plante, Townshend und Watson. Plante wurde zum Kassirer, Kitz zum Schriftführer, M. Barry zum correspondirenden Sekretär ernannt. Der Ausschuß beschloß, jeden Mittwoch Abend eine Sitzung zu halten: in nächster Woche werden die Statuten:c. ausgearbeitet werden. — Ein französischer Arbeitercongreß soll in Bälde in Lyon tagen. Ueber den politischen Charakter dieses Eon- gresses sind wir einigermaßen im Unklaren, da das Organisa- tionscomitö in einem Aufruf, den es an die republikanische Presse zur Veröffentlichung gesandt hat, sich an„alle französische Staatsbürger" mit dem Ersuchen wendet, durch Betheiligung an einer Subscription das Zustandekommen des Congresses zu ermöglichen. Es heißt in dem Aufruf: „Ein einziger Umstand hält die Ausführung unseres Vorbe- reitungswerkes auf, es ist die Geldfrage. In dieser wichtigen Frage thut uns vor Allem der Beistand der demokratischen Presse Roth, an die wir vertrauensvoll die Bitte richten, zu Gunsten des zweiten Congresses Subscriptionen zu eröffnen. Sie helfe uns den Arbeitern verständlich zu machen, daß unser soziales Werk die Opfer Aller bedarf, und mögen alle französischen Staatsbürger gemeinschaftliche Sache machen und nach ihren Mitteln zeichnen, damit unsere Nation die civilis«- rische Aufgabe erfülle, die der erste französische Congreß der sozialen Aera eröffnet hat. Möge jedes republikanische Organ eine Subscriptton eröffnen, möge jeder Staatsbürger daran Theil nehmen, und wir werden den zweiten Congreß, für den Fortschritt und die Verbesserung unserer Lage um einen Schritt weiter rücken sehen. Wir ersuchen Sie, auch den Aufruf und das Programm der Congreßsachen zu veröffentlichen." Unterzeichnet ist der Aufruf: Für das Comitö Bonjour. Deschamps. Labouret.— Wie gesagt, wir wissen nicht recht, was wir aus diesem projektirten Arbeitercongreß machen sollen, der„alle französischen Staatsbürger" zur Theilnahme an seinen Bestrebungen einladet. Sollte er vielleicht, nach dem Vorbilde von Mäxchen's„Arbeiterkongreß", der mehr und mehr in's sozialistische Fahrwasser einlenkenden Arbeiterbewegung in Frankreich entgegenarbeiten wollen? Wäre schon möglich! — Angesichts der unverschämten Renommistereien der Rubelpresse ist es nöthig, an folgende Thatsachen zu er- innern: Die Niederlagen der Russen vor Plewna allein find von weit größerer Bedeutung als alle türkischen Niederlagen und Schlappen zusammengenommen. Das Fiasko der russischen Mo- bilisation kann nicht aus der Welt geschafft werden. Mit Aus- nähme der jüngsten Operationen im Rücken von Plewna war die russische Militärleitung miserabel. Wenn die türkische Ober- leitung nicht Ende Juli und anfangs August durch die Absetzung Abdul Kerims desorganisirt gewesen wäre, hätte die russische Armee über die Donau zurückflüchten müffen. Die türkischen Soldaten haben sich durchweg den russischen überlegen gezeigt: der eifrigste Lobredner der Russen und Feind der Türken, Archi- bald Fordes, Correspondent der„Daily News"(der beiläufig aus Ekel vor der russischen Wirthschaft das Hauptquartier des Großfürsten verlassen hat), schildert den russischen Soldaten als j tapfer aber dumm, den türkischen als ebenso tapfer und intelli- gent; während ersterer rein maschinenmäßig kämpfe und, sobald ihm das Commando fehle, verdutzt und hülflos dastehe, wisse gehört, der aus Liebe zur— Kunst sogar die schweren Regie- rungsgeschäfte zeitweilig bei Seite legt? Ist es nicht die Mei- ninger Truppe, welche von dem literarischen Lumpenpack der Bourgeoispresse mit„Hosianna" angesungen wird! Und dennoch ist es diese Meininger„Hofbühne", welche so sehr als irgend ein industrielles Fabriketablissement ein Stück Kapitalismus bildet; dieselbe Bühne, deren Ruf in der sogenannten„guten" Gesell- schaft ein äußerst rühmlicher ist, dieselbe Bühne ist in ihrem Innersten ein„spekulatives Geschäft". Nur nebenbei wollen wir der Reklamenpolitik gedenken, welche die Regie derselben dadurch ausübt, daß sie die Reporter mit „Orden" u. s. w. abfüttert und dadurch einmal der fachlichen Kritik die Spitze abbricht, und das anderemal die Lästerzungen, welche über interne Verhältnisse etwa zu plaudern geneigt wären, zum Schweigen bringt, und wollm uns zu dem wenden, was die Leser am meisten interessiren muß: zur Ausbeutung der dramatischen Kunst. Gleichwie die moderne Industrie sich in ihrer Produktion be- Hufs größerer Leistungsfähigkeit bei verminderter Regie auf Spezialitäten legt, so die Meininger Direktion bei ihren Pro- duktionen, indem sie eine geringe Anzahl klassischer Stücke derart zu ihrer Spezialität macht, daß sie innerhalb 5 Jahren nur 9 12 verschiedene Stücke vorführte und so für sich, respektive für deren Besitzer, alle Bortheile der Großindustrie in Spezia- litäten zog, während ihre künstlerischen Kräfte natürlich ebenso sehr alle Nachtheile derselben empfanden, wovon der wichtigste in künstlerischer Beziehung eine virtuose Abrichtung, aber keine vielseitige künstlerische Ausbildung der Individuen war und noch ist..... Nach innen verräth sich nicht minder der kapitalistische Pferde- fuß, insofern der„Kapitalist der rentirenden Kunst" den wesent- lichen Unterschied von constantem und variablem Kapital zu machen versteht, denn während er dem ersteren(der Ausstattung, Garderobe zc.— bei welchem es aus mehrere tausend Gulden einmal nicht ankommt) alle Fürsorge angedeihen läßt, vernach- lässigt er die materielle Hebung seiner Arbeitskräste(des variablen Kapitals) fast über die Maßen, da ihm gleich jedem anderen Großindustriellen die Beschaffung von billigen Arbeitskräften— dank der Conkurrenz der Arbeitskräfte unter sich— keine Kopf- schmerzen verursacht und dieselben Manöver, welche der Bourgeois seineu Arbeitern gegenüber zur Herabdrückung der Löhne an-
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2 (18.11.1877) 136
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