Terrain pro forma dem Spießbürgerthum überlassend, jedoch bilden sie bei dem Hauptcoup ein auszusprechendes Miß- trauensvotum, welches der ministeriellen Partei am nächsten Sonntag den 18. November gebracht werden soll ein Haupt- corps, welches den Ausschlag geben wird. Auf diese Männer darf man mit Sicherheit rechnen. Das Traurige bei dieser Sache ist aber das, daß es sich nur darum handelt, das gegen- wärtige Ministerium zu stürzen; die servile Reichstagsmajorität, aus welcher ein anderes Ministerium, auch nicht besser als Tisza und Consorten, gebildet wird, bleibt, und dann heißt es:los mismos perros con otros colares-(dieselben Hunde mit an- deren Halsbändern). Die hiesige Sozialdemokratie, etwa 910 Tausend Mann stark, so wie auch jene in der Provinz, weniger zahlreich als zu Budapest , verschwindet noch immer im Meere der bloß Nationalliberalen nicht zu verwechseln mit jenen Deutschlands , da die ungarischen Nationalliberalen den Kern des Radikalismus bildet. Uebrigens sängt man sich auch hier in den Abgeordneten- kreisen langsam und langsam mit dem Prinzip des Sozialismus zu befreunden an, so daß ich selber unter drei Abgeordneten zwei gefunden habe, die fich für die Sozialdemokratie erklärt hatten. Wenn Ihr Blatt im Club der Unabhängigkeitspartei gelesen wird, was ganz gewiß geschehen wird, sobald Sie es mir zuschicken, so wie ich auch durch meine Artikel imEgY-tsrtSs" undNäpzüszlöja"(Volksbanner) das Meinige beitragen werde und schon beigetragen habe, der Sozialdemokratie Jünger zu werben, dann zweifle ich nicht, daß es rascher gehen wird, als bis jetzt, zumal wenn sich diesem Prinzipe populäre Namen ge- Winnen lassen. Die Verbreitung unserer Lehren muß in zwei- facher Weise in Angriff genommen werden, in jener Weise, wie es in Deutschland geschieht, durch Arbeitervereine, deren es hier bereits einige giebt. Leo Frankl und Dr. Csillag haben hier schon wahrhaft Wunder gewirkt und das an Zahl ziemlich starke Proletariat aus der Lethargie geweckt. Zweitens durch die Aus- dehnung der Vereine in der Provinz, auf die in Ungarn zahlreichste Kaste, die Landbewohner, ehemals Bauern. Dies wird jetzt in Angriff genommen, der ungarische nicht bloß magyarische Bauer ist zwar nicht ganz Proletarier, sondern ein Zwitterge- schöpf zwischen Besitzer und Arbeiter. Ebenso werden sich die sozialistischen Lehren auch unter dem ungarischen Militär leicht verbreiten lassen. In einem am 12. ds. Mts. unter dem Borsitz des Königs abgehaltenen Kriegsrath, an welchem der Erzherzog Albrecht , der österreichische Kriegsminister Bylandt, der Generalstabschef Frei- Herr v. Schönfeld und der gemeinschaftliche Minister des Aeußeren Graf Andrassy, Theil genommen, wurde die Mobilisirung dreier Armeecorps, nach Siebenbürgen , nach Slavonien und nach Dal- matten, decretirt und ist bereits auch ein Regiment Infanterie von hier nach Zara in Dalmatien am 13. abgerückt. Wahr- scheinlich ist dies eine Demonstration gegen den Szekler- Putsch, ein zu Gunsten Rußlands unternommener Raubzug gegen den türkischen Löwen, um Bosnien zu erhalten, als Schadlos- Haltung für die verlorenen italienischen Länder. D. K. Nachschrift. Die Plakate, welche am 18. ds. eine große Volksversammlung ankündigen, wurden über Nacht von den Werkzeugen der Reaktion abgerissen. Jetzt klebt man sie höher an. Die Gährung ist im Zunehmen. Am Abend des 16. ds. Mts. ist eingeschrieben folgendes Schreiben an Hrn. Dr. Dühring abgegangen: Herrn Dr. Dühring. In einer den verschiedensten Zeitungen zugesandtenErklä- rung" behaupteten Sie:es hätten zur Halbwelt der Sozial- demokratie gehörige Personen die Gelegenheit Ihrer Vertreibung von der hiesigen Universität benutzt, sich wichtig zu machen, oder aber zum Theil davon zu profitiren." Dieser gewundene, völlig unbestimmte Vorwurf ist also gegen diejenigen Elemente ge- richtet, die getrennt von der Sozialdemokratie für Sie einge- treten sind, kann daher auch auf uns bezogen werden und hat diese Deutung im Publikum, speziell in der Studentenschaft, auch thatsächlich erfahren. Wir sehen uns demnach veranlaßt, Sie hiermit um eine unzweideutige Erklärung zu bitten, ob Sie mit jenen Vorwurf das unterzeichnete seiner Zeit für Sie thätig ge- wesene Comitö beziehungsweise welche Mitglieder desselben haben treffen wollen. Wir erwarten eine umgehende Antwort zu Hän- den des mitunterzeichneten Herrn Adam. Berlin , den 16. November 1877." (Folgen zehn Unterschriften der Mitglieder des behufs Leitung einer Agitation zu Gunsten Dühring's im Sommer d. I. thätig gewesenen Eomitös.) Da bis jetzt keine Antwort eingegangen ist. fordere ich hier- mit Herrn Dr. Dühring öffentlich auf, die allerseits erforder- liche Aufklärung durch namentliche Bezeichnung der von ihm ge- meinten Personen zu geben. Die verehrlichen Redaktionen derjenigen Blätter, welche die Erklärung" des Hrn. Dr. Dühring aufgenommen haben, er- suche ich höflichst, dieser Aufforderung ihre Spalten zu öffnen. Berlin 8D., den 19. November 1877. Fr. Adam, Dresdnerstraße 32 lV. daß sich ein reicher Verschwender und Schlemmer keinerlei Ge- wissensbiffe zu machen brauche, ist sehr bezeichnend für den Standpunkt der Redaktion derNational-Zeitung". Zwei Sonette. Sozialis mus. Gemeinschaft wollen weise wir erstreben, Die noch im allgemeinen Kampfe ringen, Fast alle Kräfte schändlich oft verdingen, Für kargen Lohn erhalten kaum das Leben. Gesunde Bildung soll uns einst erheben, Daß wir hinauf zur Menschenwürde dringen; Die volle Macht gesetzlich bald erzwingen, In manch« schöne Schöpfung reich verweben. Gesunde Bildung schmiedet uns die Waffen,! Womit wir überall den Sieg erstreiten, Und nach dem heißen Kampfe nicht erschlaffen. Gesunde Bildung mag uns würdig leiten, Daß gleiche Rechte wir für Alle schaffen, Für Alle reiches Lebensglück bereiten. Wahlfrüchte. (10. Januar 1877.) Die jüngsten Wahlen scheinen mir ein Zeichen, Daß nun die Glückberaubten auch erwachen; Worüber nur verstockte Thoren lachen, Doch aufgeschreckte Feinde schon erbleichen. Die blinde Wuth entflammt schon manchen Reichen, Der Durst nach Rache wider alle Schwachen; Die nun vermeintlich bald, wie junge Drachen, Das Glück und Leben überall umschleichen. Die Todesangst erdröhnt in wilden Klagen, Daß bald Gesellschaslsretter auch erscheinen, Die Strafen wider Volksverführer wagen. Gesunde Bildung muß das Volk vereinen, Daß alle Volksverderber bald verzagen, Den Machtverlust vergebens einst beweinen. Düsseldorf . Kustav Adolf Köttgen. Correspondenzen. Aus dem Kaag, 16. November. Haben Sie dielludilse LinAers" schon gesehen und gehört? fragte mich im vorigen Winter ein hier anwesender Amerikaner, mit dem ich längere Zeit in Newysrk befreundet war. Hier noch nicht, lautete die Antwort, doch ich habe die Gesellschaft oft genug auf Euren Eisenbahnen und Sttaßen-Cars zu erdulden gehabt. Danke schön! Nun, nun, so schlimm ist es nicht; die Leute, die Unter- nehmer, sind klug. Schlau, wie Alles, was den Namen Fisk trägt. Sie wählen den Winter, wo man weniger ausdünstet. Die amerikanischen Broadway-Omnibusse haben sich das Recht reservirt, keine Neger transportiren zu müssen. Und hier reißt sich die Hauto-volöe um die Ehre, ihnen die Hand zu drücken! Eure freien Sclavenhalter auf Java, ich meine die, welche hier wohnen und den Kaffee und Zucker verkaufen, den die armen Teufel pflanzen, ernten und für den europäischen Markt im Herrendienst bereiten müssen, haben ein Comitö gebildet, dadurch erhält der Schwindel Klang und Ansehen. Was doch die christ- liche Liebe nicht alles vermag. Ein Jammer nur, daß man so viel eigene christliche Brüder im Elend umkommen und in Un- wissenheit versumpfen läßt! So'nYankee doodle!" Sänge das Volk noch in einer Bierkneipe, wo es ohnedies stinkt, könnte man sich die Sache wohl gefallen lassen doch: de Auatitms non est disputandum sagt der Lateiner. Fisk und Christenthum , Fisk und Negerbekehrung, ha, ha, ha! Is>our business a hum- bug? das war stets seine erste Frage. dlo, 8lr. No hum- bug, then I have not any use of it, lautete die Antwort, Xo humbug, no use of it! Fisk. Die hiesigen Matadore, die dem armen Javanesen das Blut aussaugen, ihn unter das Thier herabwürdigen und sich von seinem Schweiße mästen, zogen mit diesen Negern in den Kirchen herum und gaben Concerte; in feinen Restaurants wurden ihnen Dejeuners bereitet. Die Frauen und Töchter jenerHerren" stricken Strümpfe für Neger- kinder. Was die christliche Liebe nicht vermag? Zuerst wurden nur die vornehmsten Städte und Kirchen mit den Neger-Con- certen gegen hohes Entree abgedroschen, dann suchten sie die kleineren Ortschaften heim gegen geringeres Entröe und ohne die Protektion des Comits des proprietaires des esclaves Javanois. Es gefiel dendubilee Singers" so wohl in Holland , daß es schien, als wollten sie das Land nimmer wieder verlassen und es wurde den Neger bekehrenden Herren bange ich weiß es aus deren eigenem Munde nicht zu sehr vor der allzu langen christlichen Singerei, als vielmehr und hauptsächlich, weil sie bei der bekannten Liederlichkeit der Neger in einen ganz anderen als Negerduftenden christlich-Fisk-Schwindel-Humbug- Geruch der gottseligen Frömmigkeit kommen konnten. Glücklich für Hol­ land und für jene Herren sind sie abgereist. Werden sie wieder- kommen? Ohne allen Zweifel! Beinahe hätte ich vergessen zu sagen, daß das Amstol-Hotel in Amsterdam anständig" oder rücksichtslos genug war, der Gesellschaft Logis zu verweigern, Er wolle den Gestank nicht im Hause haben, soll der Manager gesagt haben un.d sähe auch nicht ein, weshalb diese Leute nicht in ein Hotel zweiten oder noch besser dritten Ranges gingen. Aber Humbug, Fisk, Negerbekehrung muß ersten Ranges logiren! Jetzt ist die Gesellschaft in Deutschland und ich lese über den glänzenden Empfang, der ihnen dort zu Tyeil wurde. Nun ja, warum sollte Deutschlaud nicht auch in der Negerbekehrung machen";macht" es doch in so vielen andern christlichen und und un christlichen Dingen. Warum sollte es sich nicht b ehum- bugen lassen durch Nashville Fisk-Neger. Is your thing a humbug? No, Sir, then I have not any use of it, Fisk. Ich bin fest überzeugt, daß von dem ganzen zusammengebettelten und zusammengehambugten Gelde kein Pfennig für die Neger- bekehrung verwendet wird. Und wer Amerika und den dortigen Schwindel kennt, wird mir darin Recht geben. Und das ist denn auch wahrlich kein Unglück, das Nichtbekehren nämlich. Dem denkenden und fühlenden Manne blutet indessen das Herz beim Anschauen solch eines frechen Schwindels, wenn er an das Elend der tausende und aber tausende der eigenen Landeskinder Der Zweck heiligt das Mittel. Die Rubelpresse veröffent- licht jetzt ein angeblichesKriegsgebet", das der türkische Schelk nl Islam (oberster muselmännischer Kirchenbeamte) angeordnet habe, und das von fanatischen Hetzereien gegen die Christen handelt. Unglücklicher- weise ist dieses Machwerk schon vor vielen Jahren gedruckt, und sofort auch als Fälschung erwiesen worden, während es umgekehrt feststeht, daß der neue Scheck ul Islam im Sommer d. I. ein Gebet veröffentlichte, welches die Muhamedaner ermahnt, in den Christen ihre Brüder zu erblicken. Den Russen, deren famoses, die reinste Bestialität ausdrücken- des Kriegslied leider von unbestreitbarer Aechtheit ist, paßt es natürlich nicht, daß sie, die Apostel derHumanität", von denbarbarischen" Türken in dieser Weise beschämt werden, und suchen ihnen deshalb die eigeneCivilifation" anzulegen. Ein neuer Westerwelle. Am 17. November ist in Berlin ein 23 Jahre alter Pole, Namens Lujewski, der im Hotel du Nord absteigen wollte, verhaftet worden. Derselbe sollte verdächtig sein, ein Attentat auf den Kaiser beabsichtigt zu haben; ein Revolver sei bei ihm vorgefunden. Nach den neueren Nachrichten ist Lujewski ein großer Schwindler und der Attentatsplan eitel Flunkerei. Etwas verspätet. Wir erhielten vor einigen Tagen einen Zeitungsausschnitt zugesandt, den wir als das Rückblatt der in Thüringen viel gelesenen in Hildburghausen erscheinendenDorfzeitung" erkannten. Folgende Annonce war angestrichen und wir verfehlen nicht, zunächst dem Einsender zu Gefallen, dann aber auch um unsere Leser auf den Lehrer und den Kriegerverein zu Reichsmannsdorf aufmerksam zu machen, das Inserat hiermit wörtlich zum Abdruck zu bringen: Dank dem Herrn Lehrer Hanfs hier, welcher uns gestern bei unseren Sedanfest die ausgezeichnete mit allen Kräften bearbeitete Rede gethan hat. Möge dieser edle Herr in seinem Geiste der Erfahrung und Wissenschaft dem Volke noch recht viel Mal derartige Freude be- reiten. Dieser Tag bleibt ewig ein Tag der Erinnerung. Reichmannsdors, den 3. September 1377. Der Borstand des Kriegervereins." Wenn der Herr Lehrer inseinem Geiste der Wissenschaft" die Rede in ähnlicher Weisebearbeitet" hat, als der löbliche Vorstand des Kriegervereins die deutsche Sprache, dann bedauern wir nicht nur die Wissenschast, sondern auchseinen Geist". denkt, die körperlich und geistig im Elende verkommen. Der Winter steht vor der Thür, der Verdienst des Arbeiters ist schon jetzt karg, wird wo möglich ganz stocken, da heißt es denn den langen Winter frieren, trockenes Brod und dies noch zu wenig, Kartoffeln mit Salz essen, darben, entbehren, Hunger leiden. Hurrah, christliche Nächstenliebe! Hnrrah, Fisk-Humbug, christ- liche Negerbekehrungs-Singerei! Dolphin. Aorst, 15. November. Am 10. d. M. verhandelte der Appell- Kriminal-Senat zu Naumburg a. S. in der Untersuchunzssache wider mich wegenBeleidigung" des Landrath Frhr. v. Müfflinz zu Erfurt . Die Verhandlung endigte mit Bestätigung der ersten Sentenz(3 Monat Gefängniß). Ueber den Ursprung der Au- klage und des richterlichen Versahrens mag folgendes von all- gemeinem Interesse sein. Am 10. Dezember v. I. sollte auf Veranlassung des Arbeiter-Wahlcomites zu Erfurt in Dittelstedt eine Versammlung stattfinden, mit deren Arrangements Genosse Osmann in Erfurt betraut wurde. Zwei Tage vor der Ver- sammlung berief der Landrath den Wirth Süßenguth in D. nach seinem Büreau. S. erklärte darauf durch eine Annonce im E. Anz."(NB. am Tage der Unterredung mit dem Landrath), daß die projettirte Versammlung in seinem Lokale nicht statt- finden könnte. Auf Befragen Osmann's erklärte s., der Land- rath habe ihm die Versammlung bei Strafe verboten. Zufolge dieser Kenntnißnahme besprach ich dies in einer Wählerversamm- lung am 10. Januar, worauf kurz nach der That Untersuchung gegen Osmann und mich wegenübler Nachrede" eingeleitet wurde. Im Audienztermin(16. Juni) schwört der Landrath, dem Süßenguth die Versammlung nicht verboten zu haben, auch hätte er nicht mit Strafe gedroht.(Bei der Unterredung zwischen dem Landrath und S. soll kein Dritter zugegen gewesen sein.) Süßenguth beschwört zu meinem Erstaunen, den incriminirten Ausspruch gegen Osmann nicht gethan zu haben. Von den von mir geladenen Zeugen, Genosse Kühn, Bauchspies und Eggert war letzterer erschienen, welcher eidlich bekundete, Süßenguth habe ihm dasselbe wie dem Genossen Osmann über den Landrath gesagt. Der Staatsanwalt Jesse erklärte: die Möglichkeit sei durchaus nicht ausgeschlossen, daß Süßenguth das in Rede stehende dem Osmann gesagt habe. Der Gerichtshof lehnte meinen Antrag, die Zeugen Kühn und Bauchspies zu vernehmen, ab. Osmann wurde zu einer Woche, ich zu drei Monaten Ge- fängniß verurtheilt. In meiner Appellationsrechtfertigung ver- langte ich Beweisaufnahme eventuell Strafermäßigung. Der Ober-Staatsanwalt plaidirte gegen meine Anträge, auch sei das Strafmaß nicht zu hoch, indem der Richter ja nach§ 186 des R.-Str.-G.-B. auf zwei Jahre erkennen könnte(!); der Kriminal- Senat schloß sich diesen Anschauungen an und erkannte wie oben angedeutet. Soviel über die Gerichtsverhandlungen büder Instanzen, womit ich aber noch nicht meinen Bericht schließe, ohne auf Folgendes aufmerksam zu machen. 1) Landrath v. Müff- ling war Candidat der conservativen Partei. 2) Was veranlaßte den Landrath, Süßenguth über die betreffende Versammlung zur Rede zu stellen? Man könnte erwidern: den S, mit den Be- stimmungen der 1 und 12 des Pr. Vereins- und Versamm- lungs-Äesetzes bekannt zu machen, aber wenn die Behörden alle Unterthanen" sorgsam vor Gesetzübertretungen schützen wollten, und zwar durch derlei Maßnahmen, so wäre ihre Arbeit eine kaum zu bewältigende. 3) Wie kam es, daß Süßenguth direkt nach der Unterredung von seinem gegebenen Versprechen, uns seinen Saal zur Versammlung zu geben, zurücktrat? Es war ihm bekannt, daß die Versammlung angemeldet war. 4) Staats- anwalt Jesse und Landrath v. Müssling waren im Audienz- termine zugegen, als Eggert eidlich bekundete, Süßenguth habe ihm in Gegenwart Kühn's und Bauchspies' gesagt, der Landrath habe die Versammlung bei Strafe verboten. Weshalb sucht der Landrath nicht die Bestrafung des Süßenguth zu erwirken? Eine Verjährung war in diesem Falle nicht eingetreten, vielmehr trat hier§ 69 des R.-Str.-G.-B. in sein Recht. S. hatte sich, wenn der Landrath das ihm zur Last gelegte nicht gesagt, der ..öffentlichen üblen Nachrede" schuldig gemacht, denn nach einem Erkenntnisse des Pr. Ober-Tribunal ist eine Schankstube als öffentlicher Ort im Sinne des Gesetzes anzusehen. S. wird weder vom Landrath, noch von der königl. Regierung zu Erfurt denn auch dieser steht das Recht zu bestrafantragt. Wes- halb nicht? Dies Räthsel wird wohl ewig ungelöst bleiben. 5) Es steht mit unserem mündlichen Verfahren im Widerspruch, Entlastungsmotive umrwägt zu lassen. Alle vom Angeklagten aufgestellten Zeugen sind, sofern sie Sachdienliches bekunden können, zu vernehmen. 6) Vorherbestrafungen wegen politischer Bergehen sollen ein Strafoerschärferungsgrund nicht sein, weil unedle Eigenschaften die Triebfeder zur That nicht waren; eben- sowohl soll, wo so viele Gründe die Annahme rechtfertigen, daß der Angeklagte im guten Glauben gehandelt hat, der erkennende Richter bei Abmessung der Strafe nicht über das Minimum hinausgehen. Doch wozu weitere Erwägungen. Klute. Magdevurg.(Ein Denkzettel für Herrn von Sybel.) Eine am 15. November vom hiesigen Bürgerverein berufene und von über 600 Personen besuchte Versammlung hat folgende Resolution angenommen: In Erwägung, daß der Eindruck eines moralischen Zu- sammenhangs zwischen der Affaire Konitzer, dem Deutschen Verein am Rhein und dessen Ehrenpräsidenten, Abgeordneten der Stadt Magdeburg Hrn. Dr. v. Sybel, weder durch die Er- klärungen des genannten Vereins, noch durch die des Hrn. von Sybel aufgehoben ist; in Erwägung, daß dies auch nicht durch die letztlich in der Magdeburger Zeitung" gegebene, ebenso gewundene, wie des Verhältnisses zwischen dem Hrn. v. Sybel und den Wählern der Stadt Magdeburg unwürdige Antwort des genannten Herrn be- wirkt ist, erklärt die heute tagende Versammlung von Magdeburger Ur- Wählern, daß es eine Ehre für die Stadt Magdeburg nicht ist, eines ihrer Mandate zum Abgeordnetenhause in den Händen des Hrn. v. Sybel zu wissen." Defla«, 18. November. Wie imVorwärts" bereits mit- getheilt worden ist, hat Genosse Pollinger am 13. d.M. eine Gefängnißhaft von 6 Monaten angetreten, und zwar wegen einer durch eine Rede begangenen Gotteslästerung. Es war am 3. Mai 1876, daß wir hier eine Volksversammlung abhielten, in welche. Genosse Wiemer als Referent auftrat. Nach Wiemer ergriff Pollinger das Wort, um sich über das Thema:Religion und Gott" zu äußern. Pollinger bestritt die Existenz Gottes und soll bei dieser Gelegenheit sich eines Gott lästernden Ausdrucks bedient haben, so wenigstens behaupteten die beiden in der Ver- sammlung anwesend gewesenen Gensdarmen, ja ein Feldjäger will sich den Ausdruck sogar sofort in sein Notizbuch eingetragen haben, als er aber das Notizbuch dem Gericht vorlegen sollte, hatte er es leider verloren. Pollinger hatte fünf Entlastung� zeugen gestellt. Vier von den von der Anklage citirten Be- lastungszeugen sagten aus, daß sie die von den Denunziant�.. angegebenen Worte nicht gehört hätten. Aber trotz dieser Aus­sagen und trotz derverlorenen Nottzen" sprachen die Gerichte in allen Instanzen das Schuldig aus.