Abends gegen T'/a Uhr wurde das Urthal verkündet, das auf Bestätigung des erstinstanzlichen Erkenntnisses(3 Monate Gefängniß und Tragung der Kosten) lautete.— Dies der Bericht. Die geheimnißvolle Briefaffaire wird hoffentlich aufgeklärt werden; es scheinen allerhand Enthüllungen bevorzustehen. Wer wohl der Verfasser des anonymen Briefs „von hoher Seite" sein mag? Sehr bekannt muß die„hohe Seite" dem Herrn Staatsanwalt gewesen sein, da sonst das Schreiben„ohne Unterschrift" von ihm nicht als„von so hoher Seite" kommend hätte erkannt werden können, daß er dessen „Glaubwürdigkeit verbürgen" konnte. Die„Magdeburgische Zeitung"— man denke, das Bis- marckischste der Bismarckischen Blätter— schreibt über den Prozeß: .Herr v. Diest -Daber wollte vor dem Kammergericht neue Wahrheitsbeweise mit neuen Zeugen führen. Daß sich der Gs- richtshof hierauf nicht eingelassen hat, ist jedem Unbefangenen ohne Weiteres begreiflich(Oho! Jedenfalls sehr schlimm, wenn wabr. R. d. „V."). und es kommt hoffentlich die Zeit, wo auch Herr v. Diest einsehen wird, daß mit der Ablehnung neuer Zeugenvorladungen der Gerichtshof einen Akt der Toleranz(!) gegen ihn ausübte, denn Herr v. Diest war auf dem besten Wege, sich noch mehr wie bisher zu verrennen, und die Aussagen der von ihm begehrten neuen Zeugen hätten vielleicht eine Strafverschärfung bewirkt. Derr v. Diest , eine unzweifel- hast sittlich beanlagte Natur, hat sich selbst viel zu wenig in Zucht genommen und seine sittliche und logische Ausbildung vernachlässigt. Der frühere Landrath von Elberfeld, der, was wir ihm nicht vergessen wollen, als wackerer Beamter der altpreußischen Schule in Roth und Bedrängniß kam, weil er in seinem rauhen Gerechtigkeitssinn es nicht ruhig mit an- sehen wollte, daß die Söhne hochgestellter Männer sich in seinem Kreise durch unsaubere Mittel von der Militärpflicht befreit hatten, ist nachgerade ein Phantast geworden, und daran wird er noch ganz zu Grunde gehen, wenn er sein Unrecht nicht ein- sieht und nicht energisch anfängt, mehr Kritik an sich selbst wie an Anderen zu üben. Es überkommen den pommerschen Junker plötzlich Weltverbesserungsideen, und weil er findet, daß der Grundbesitz unter der Macht des Kapitals der Bankiers leidet, so ist die Börse und was damit zusammenhängt, die c-msa mali (Ursache des Bösen) in der Welt, und weil der erste deutsche Minister den Junkern nicht ihren Willen thut, so ist auch er von der Kapitalsmacht umstrickt und ein Werkzeug der Jobber. In Wirklichkeit verhält sich Alles anders, aber Herr v. Diest hält an der fixen Idee fest, er sei mit allen seinen Behaup- tungen im Recht. Was sind diese Behauptungen? Reine Phan- tasien. Der Richter erster Instanz zerstörte alle Diest 'schen Truggebilde, und nun kommt Herr v. Diest 'uf den Gedanken, er habe blos in der Wahl der zu vernehmenden Zeugen geirrt, Gravirendes werde statt der Bleichröder und Rothschild der Abgeordnete Dr. Miquel gegen Bismarck aussagen können. Ja, weshalb Miquel? Ein logischer Zchammenhang existirt nicht, denn Herr v. Diest folgt in seinem Wahn, der Kanzler sei der hohen Finanz verfallen, wieder und immer wieder reinen Ein- bildungen. In dem Verhalten des Angeklagten liegt etwas geradezu Gemeingefährliches, und wenn ihm der Strafrichter Gefängniß zuspricht, so thut uns das leid, weil Diest von Hause aus, wie gesagt, eine gute Natur ist, welche, knorrig, wie sie ist, erst mit der Zeit bis zur Gespensterseherei verbitter: wurde; aber weniger gerecht Wird darum die Strafe, die ihn um seiner bösartigen Verleumdungen willen trifft, sicherlich kei- neswegs." Aber von Rechtswegen hätte er in's Irrenhaus gehört— denkt das edle Magdeburger Blatt. Nun, das wäre freilich bequemer gewesen, als die Sache öffentlich vor Gericht zu ver- handeln; vielleicht befolgt man ein andermal den nicht ausge- sprochenen menschenfreundlichen Rath der„Magdeburgischen Zei- tnng". Daß für so„unzweifelhaft sittlich beanlagte Naturen" wie Diest -Daber, die das Pech haben, in gewisse Kreise zu kommen und dort„sittlich beanlagt" zu bleiben, auch den Leuten in gewissen Kreisen zuzumuthen, daß auch sie„sittlich beanlagt" seien— daß für solche Naturen das Irrenhaus der passendste Ort ist, das geben wir der„Magdeburgischen Zeitung" gern zu, der wir zugleich das Kompliment machen, daß sie mit ihrem stillschweigenden Rath und dessen Begründung dem Herr- schenden System einen wahrhaft klassischen Fußtritt versetzt hat, wie dem grimmigsten Reichsfeind kaum je einer gelungen. Uebrigens geht auch aus den Aeußerungen der„Magdebur- gischen Zeitung" hervor, welchen nichts weniger als günstigen | Eindruck die Verweigerung des neuen Zeugenbeweises im un- parteiischen Publikum hervorgebracht hat. Was Herrn Miquel betrifft, so hat er an verschiedene ? Blätter eine Zuschrift gerichtet, in der Alles, wofür er als Zeuge vernommen werden sollte, für„erfunden und absolut unwahr" erklärt wird. Natürlich! An die Parteigenossen! Im Laufe dieser Woche sind die Abrechnungen des Central- Wahlcomitös vom 1. Wai bis 39. September 1877 an die Agenten und Vertrauensmänner versandt worden. Die Partei- und Gesinnungsgenossen werden darauf mit dem Bemerken aufmerksam gemacht, daß die Abrechnungen bei den betreffenden Agenten und Vertrauensmännern zur Einsicht offen liegen. Hamburg , den 26. November 1877. Das Central-Wahlcomitö. Correspondenzen. Audapest, 21. November. Die am Sonntag den 18. No- vember d. I. stattgehabte Volksversammlung in der National- reitschule in der Bank- und Zollgebietaffaire war eine der be- suchtesten, die es jemals hier gegeben; man zählte zwischen 7 bis 8000 Personen, die an derselben Theil genommen. Daß dazu die Budapester Sozialdemokratie ein sehr bedeutendes Contingent lieferte, wußte man im Voraus, dafür haben unsere Parteigenossen Leo Frankel und Julius Kaczander am meisten beizetragen. Diese Frage berührt alle Volksschichten am lebhaftesten, denn wenn der Gesetzesvorschlag der ministeriellen Majorität zum Gesetz erhoben werden würde, dann träfe dies den Säckel der Reichen ebenso wie den der Armen gleich empfindlich, indem hierdurch die nothwendigsten Lebensbedürfnisse um wenigstens 40—50 Proz. stiegen. Auch wäre Ungarn von einer direUen Verbindung und dem Absätze seiner Rohprodukte nach den Nachbarländern, namentlich nach Deutschland , abgeschnitten, was man auch dort fühlen müßte. Die Ungarn wären gezwungen, ihre Produkte an die Oesterreicher zu verkaufen, diese hinwieder schlügen ihre Prozente dazu und vertheuerten sie in Deutschland , andererseits aber hätte auch Deutschland keinen Absatz für seine Fabrikate nach Ungarn , und die Oesterreicher spielten dann die Rolle von Maklern, die vom Käufer und Verkäufer gleichen Profit in die Tasche steckten. Es liegt demnach eben so nn Interesse Deutsch - lands wie Ungarns , daß dieses letztere ein von Oesterreich un- abhängiges Zollgebiet habe, um einen direkten Berkehr beider Länder mit einander zu ermöglichen. Die vorgeschlagenen Resolutionen wurden ohne Widerspruch und einstimmig angenommen. Dem Inhalt nach sprachen sie Folgendes aus: 1) daß der ministeriellen Majorität des Reichs- tages und der Regierung ein Mißtrauensvotum gebracht werde, weil sie das Prinzip einer unabhängigen ungarischen National- bank zum Falle gebracht und Ungarn für wettere 50 Jahre zu einem Contribuenten der österreichischen Bank gemacht. 2) Daß die Volksversammlung ein Veto gegen die Gesetzesvorlage be- züglich des Zolltarifs und eines gemeinschafilichen Zollgebiets einlege. 3) Daß diese Resolutionen durch eine aus dem Aus schusse der Volksversammlung bestehende Deputation den Reichs- tagsabgeordneten sämmtlichcr Budapester Wahlbezirke behändigt werden. Die Zolltariffrage kam bis jetzt im Reichstage noch nicht aufs Tapet, sondern die Codifikation der Kriminalgesetze. Unter diesen ist bereits ein in der Geschichte der Neuzeit bisher unerhörter Borschlag angenommen worden, nach welchem die Preß- Prozesse nicht mehr unter die Geschwornengerichte, sondern unter die anderen Tribunale gestellt werden, wo die Auslegung der Gesetze von der Willkür oder Emsicht solcher Richter abhängt, die nicht aus dem Volke sind, sondern von der Regierung er nannt werden. Dies ist ein Rückschritt, dessen Tragweite unab- sehbar ist. Hierdurch wird dem Einschüchterungssystem, den Ber- folgungen wegen politischer Ansichten ein weiter Spielraum ge- währt. Die Verfolgungen haben bereits begonnen. Namentlich wurden der Hauptredakteur des„Egyetertss" wegen eines Ar- tikels über das Brechen des Briefgeheimnisses, Julius Verkoray und Ernst Mezey, Mitarbeiter desselben Blattes, des Organs der Unabhängigkeitspartei, wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht geladen. Dieser Schlag ist hauptsächlich aus Verkoray und die „Egyetertös" gemünzt, auf den Elfteren, um seinen Eintritt in den Reichstag als Vertreter des Wahlbezirks von Szegled an" möglich zu machen. Endlich hat das ministerielle Blatt„Hon", redigirt von Maurus Jokai , einen der Mörder der unabhängigen Bank, eine Polemik mit der„Egyetertös" begonnen, um dieses Blatt vor den ignoranten Massen der Aristokratie und der Bourgeoisie zu depopularisiren, indem er in einem Artikel:„Eine interessante Allianz" die Unabhängigkeitspartei, weil sie das Wort für die arbeitenden Klassen ergriffen und in den Lindenauer Briefen interessante Mittheilungen über das Wirken der Sozialdemokratie in Deutschland brachte, damit beschuldigt, daß sie mit der letz- teren gemeinschaftliche Sache machte,„Hon" betont namentlich, daß der Parteigenosse Hasenclever(diese Leute erinnern sich nur �dieses Namens aus den Lindenauer Briefen) unter den ungari- . schen Arbeitern Propaganda machen will.„Hon" schließt damit: �„Es ist im Voraus zu sehen, wie diese Aequisition den Nimbus der äußersten Linken vergröß-rn wird." Diese Leute riechen überall Petroleum und sehen Laternenpfähle. D. K. Kamönrg-Ättona. In nächster Zeit wird die gesammte antisrzialisti>che Preßmeute nichts Angelegentlicheres zu thun haben, als über das„Treiben" der hiesigen Sozialdemokraten, besonders über ihr„Treiben" bei den letzten Reichstagswahlen „Enthüllungen" zu machen. Diese„Enthüllungen" wird inan ! als um so„glaubwürdiger" hinstellen, weil derjenige, welcher sie gemacht, em„Sozialdemokrat" war. Die Sache ist, si: möglichster Kürze zusammengefaßt, folgende: Herr Radenhausen aus Altona , der früher eine Zeit lang Reporter beim„Hbg.-Alt. Volksblatt" gewesen, als solcher sich jedoch auf die Dauer nicht halten konnte, weil er es meisterhaft verstand, seine Berichte mit Zoten zu spicken, die dann natür- lich von der Redaction wieder ausgemerzt werden mußten, suchte selbstverständlich von da ab nach einer Gelegenheit, sich für die verlorene Reporterschaft zu revanchiren. Diese Gelegenheit sollte sich ihm denn auch bald darbieten. Nach der letzten Reichstags- wähl wurde er nebst mehreren Anderen als Generalrevisor für Altona gewählt. Als solcher fing er damals schon an, Stänke- reien zu machen, die keinen andern Zweck hatten als den, in erster Linie gewisse Personen und mit ihnen überhaupt unsere ganze Sache zu verdächtigen. Seine Verleumdungen, resp. verleumde- rischen Behauptungen öffentlich aufrecht zu erhaltest, dazu fehlte ihm jedoch der Muth. Als er in einer Versammlung zip Altona über die Wahlabrechnung Bericht erstatten sollte, erklärte er jedoch die Abrechnung für richtig, was Hunderte bezeugen können. Hinterher muß ihn dies jedoch gereut haben. Er suchte die Sache, die durch offene Rechnungsablage und dur si Erklärung der Revisionscommission abgethan war, wieder aufzuwärmen und war un— schuldig genug, zu glauben, die Redaction des„Hain- burg-Altonaer-Volksblalts" gäbe sich zu solchen unsaubern Ma- növern her. Seine„Berichtigungen" wurden zurückgewiesen. Um so verbissener wurde Radenhausen und da er sein Ziel nicht anders erreichen konnte, da er seine Verdächtigungen nicht an- ders an die Oeffentlichkeit bringen konnte, warf er dem Partei- genossen Wintcrfeldt in Altona vor, derselbe habe„wissentlich und absichtlich" das Wahlcomite resp. die Sozialiften Altona's betrogen, indem er sich zweimal 6 Thlr. für Salonmicthe habe zahlen lassen und dem Wirthe nur je 5 Thlr. für Miethe ent- richtet habe. Natürlich klagte Winterfeldt auf diese Anschuldi- gung hin, und das war es gerade, was R. wollte; war ihm doch nun eine Gelegenheit geboten, bei der öffentlichen Ge- richtsverhandlung seine Denunciationen gegen die sozialdemokca- tische Partei anzubringen. Mittwoch, den 21. Nooember, kam die Sache vor dem Amtsgerichte zu Altona zur Verhandlung. Daß, wie wir bereits erwähnt, Radenhausen durch die Beleidigung des Genossen Winterfeldt nur auf eine Klage von Seiten desselben speculirt hatte, um seine Verdächtigungen öffentlich anbringen zu können, beweist der Umstand schon zur Genüge, daß er, trotzdem das Gericht in Folge eines bei den Zeugenaussagen unterlaufenen Jrrthums annahm, er habe Winterfeld nicht absichtlich und wissentlich beleidigt, dennoch zu einer Strafe von 15 Mk. und in die Kosten des Verfahrens verurthcilt wurde. Bon den de- nunciatorischen Angaben Radenhausen's, denen das Gericht, ob- wohl sie mit der eigentlichen Klagesache in gar keinem Zusam- menhange standen, sonderbarer Weise höchst bereitwillig Gehör schenkte, wollen wir folgende besonders hervorheben: Radenhausen erklärte, die Zeugen Reimer und Forschner gehörten einem ver- botenen politischen Arbeiterverein an, der mit der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands , deren Borstand(bis auf ein Mit- glied, welches in Altona wohne) in Hamburg seinen Sitz habe, in Verbindung stehe. Redner überreichte hierbei dem Richter ein Nachwehen des„Eckstein'schen Traumes". Die in Frankfurt erscheinende„Deutsche Reichspost" läßt sich Folgendes schreiben: „Stuttgart , 18. November. Die„Deutsche Dichterhalle", eine literarische Zeitschrift, die sich bisher rühmte, in guten Kreisen Eingang zu haben und die ihrem Charakter als ästhetisches Blatt gemäß vorzugsweise in der Damenwelt ihre Leser hat, wagt es in ihrer Nummer 20 ihren Lesern ein in Verse gebrachtes Mach- werk aufzutischen, das, voll der frivolsten und ekelhaftesten Un- sittlichkeiten, keinen andern Namen verdient, als den einer wider- lichen und über alles Maß schamlosen Zote. Der Verfasser deffelben ist der Redakteur der genannten Zeitschrift selbst; sein Gedicht führt den Titel:„A Dream by Ernst Eckstein ." Zum Beleg unserer Behauptung können wir es nicht wagen, einem anständigen Blatte den Abdruck irgend einer der verfänglichen Stellen des Gedichtes, obwohl dasselbe in englischer Sprache ver- faßt ist. zuzumuthen; wir verweisen auf das Original sowie auf den„Verschämte Unverschämtheit" überschriebenen Artikel des sozialistischen „Vorwärts" und begnüge» uns, dem Herrn Ernst Eckstein auf diesem Wege die bezeichnende Thatsache zur gefäl- ligen Kenntnißnahme mitzutheilcn, daß auf dem hiesigen Museum eine unbekannte Hand beim Lesen seines Gedichtes sich bewogen fand, an demselben in der Weise Lynchjustiz zu üben, daß sie die gedruckte Ueberschrift„A dream" strich und an ihre Stelle die Ueberschrift:„Eine Schw...." einsetzte. Referent konnte dem unbekannten Glossator seinen Beifall nicht versagen. Oder glaubt Herr Eckstein, seinem Schamgefühl damit schon Genüge geleistet zu haben, daß er seinen famosen„Traum", den er dock wohl nicht englisch geträumt hat, in englischer Sprache ver- öffentlichte? Hierüber mag sich England selbst bei Herrn Ernst Eckstein bedanken! Wir aber können nur auf's Tiefste bedauern, daß eine Zeitschrift, die den Namen der deutschen Dichtkunst vertreten will, sich zu solch widrigen Ausgeburten einer niedrigen Phantasie verirren kann, und sind überzeugt, daß Herrn Ecksteins Mitarbeiter an der„Dichterhalle", unter denen sich, wie schon die fragliche Nummer beweist, höchst ehrenwerthe Namen be- finden, höchlich und unangenehm überrascht sein werden, ihren Arbeiten für die„Dichterhalle" in solcher Gesellschaft begegnen zu müssen." Daß lediglich unsere Abhandlung im Feuilleton des„Vor- wärts" die Schuld trägt an der geharnischten Kriegserklärung der „Deutschen Reichspost" gegen E. Eckstein, kann Jeder merken. Dennoch werden die Böhmerts, Unruhs, Ecksteins und Consorten fortfahren zu behaupten, daß wir die Unmoralität förderten. Der Arzt also, der das Uebel entdeckt und heilen will, hat das Uebel verschuldet! Noch wollen wir nicht verfehlen, mitzutheilen, daß die Ver- lagshandlung A. H. Payne in Leipzig demnächst ein Werk her- ausgiebt:„Italiens Kunstschätze." Nachbildungen der Statuen in den Galerien von Rom , Florenz , Venedig :c.:c. Herr Ernst Eckstein wird dazu den erläuternden Text schreiben,„gewissen- hast und unterhaltend". Wir sind auf das Gesudel nicht neugierig, da wir glauben, daß die Erläuterungen unter den Marmorstatuen der Venus zum Beispiel derart sein werden, daß wenn der Marmor lebendig würde, er erröthen müßte. An E. Eckstein. csr. Nr. 135 des„Vorwärts". Was der Dichter auch erschafft, Diesen Zweck muß stets es haben: Den Verstand und das Gemüch Zu erhöhen, zu erlaben. Wer nur schreibt für Ruhm und GUd, Nicht, was nöthig ist der Well, Was sie bessert und veredelt; Wer nur schreibt für die„gemeine" Menge, die belacht das Reine; Wer im Beifall sich gefällt, Den sie jauchzend um ihn wedelt, Müßt ersticken, müßt ertrinken In Kloaken, weil sie stinken. Frankfurt a M., den 22. November 1877. Ludwig Rosenberg. — Ein Beitrag zur Charakierisirung der„gebildeten" Kreise. In den liberalen Blättern wird ganz offen die Frage be- sprachen, rn welchem Bett prinzliche Hochzeilspaare ihre Braulnacht feiern werden. Da lesen wir:„Aus Berlin wird geschrieben: Die Hoch- zeiisfeierlichkeiten unserer beiden Prinzessinnen bringen das Haus Hohen- zollern einigermaßen in Verlegenheit. Selbstoerständlich kann den bei- den Brautpaaren, wenn die Vermählungsfeierlichkeiten und der Hoch- zeitsschmauS vorüber sind, nicht gestailel werden, nach gewöhnlicher Sterblichen Weise den Ehestand zu beginnen und sich in ihr gemein- schaftliches Heim zu begeben. Es muß eben das alte Ceremoniell auf- recht erhalten werden, und dieses schreibt vor, daß die jungen Eheleute die Brautnacht in der alten hoheuzollern'schen Brautkammer, in den alten kurfürstlichen Gemächern auf dem Schlosse zubringen. Wie nun aber? Zwei Brautpaare und nur eine Brantkammer. Es hat sich der Fall bisher noch nicht ereignet, daß im Hause der Hohenzoliern zwei Brautpaare an einem Tage Hochzeit machten. Man hat daher dazu schreiten müssen, eine zweiie Brauikammer herzurichten, und hat hierzu die alle hohenzollern 'sche Privaikapelle neben dem„Grünen Hut" ge- wählt, welche, ganz eingebaut zwisch-n diesem und dem„Hause der Herzogin", neuerbings vollständig restaurirt ist, aber außer einigen Heiligenbildern sonst teiuen Kapellenschmuck besitzt. An diese Kapelle stoßen im zweiten Stockwerke, an der Wafferseite des Schlosses, die so- genanten braunschweigischen Kammern, die zu den Hochzeitsfeierlichkeiten ebenfalls ganz neu restaurirt werden."— Was in den gewöhnlichsten Bürger- und Arbeiterkreisen im Stillen abgemacht wird, das bringt man in der Presse der„gebildeten" Gesellschaft an die Oeffentlichkeit. — Das Auge des Gesetzes wacht zwar, aber doch nicht immer. Die„Hanauer Zeitung" schreibt näm ich unterm 24. Novbr.: „Nachfolgenden Brief, den wir der Kuriosität halber mittheilen, er- hielt ein hiesiger, frühe- in Frankfurt beschäftigter junger Kaufmann: Frankfurt a. M., 21. Novbr. 1877. Im Juli d. I. wurde von Euer Wohlge'ooren c'N Portemonnaie mit Inhalt von 13 M. 53 Pf. gefunden und abgeliefert. Da der Ber> lierer trotz erfolgtet Bekanntmachung dasselbe nicht reklamirt hat so würde naa? hiesiger Uebung Ihnen das Eigenthumsrechi zustehen. Das Fundstück ist jedoch von einem untreuen Beamten, welcher deshalb be» reits gerichtlich bestraft worden ist, unterschlagen worden. Zum Ersatz sind, außer einer Summe von drei Mark, wertere Mätel nicht vor- Händen, und würde dieser aus einem zu mildthätigen Zwecken bestimmten Fonds erfolgen müssen, falls Euer Wohlgeboren nicht etwa zu Gunsten dieses Armer>fonds aus die Rückzahlung verzichten, wie dies in ähn- lichen Fällen geschehen ist. Euer Wohlgeboreu ersuche ich ergebenst, mir hierüber Ihre gefällige Entschließung mitzutheilen. Sollte binnen acht Tagen solche nicht ein- gehen, so würde ich annehmen, daß Euer Wohlgebvren hierdurch in- direkt Ihre Verzichtleistung ausdrücken. Der Polizei-Präsident. Hergen Hahn." Wir hoffen, daß sich selbst Herr Teffendorf darüber freut, daß auch in dieser ernsten Zelt mitunter noch was Heiteres pajsirt. Gekun- denes und auf der Polizei abgeliefertes Geld aus dieser selben Polizei von einem Beamten unterschlagen das streift denn doch so an's Un- gtaubliche, daß Ben Akibas Weisheit kaum dagegen Stand halten dürfte. Doch Spaß bei Seite, ist so was wirklich schon dagewesen?— o—
Ausgabe
2 (2.12.1877) 141
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