Bedürfniß der Sprache genöthigt werden, von unendlichem Räumeund unendlicher Zeit zu sprechen, so sollen wir wissen, daß diesdichterische, bildliche, ja nicht buchstäblich zu nehmende Ausdrückesind. Die Kategorien(Begriffe von Quantität und Qualität,Ursächlichkeit, Möglichkeit, Nothwendigkeit:c.) finden mit Rechtebenfalls nur auf Erfahrungsgegenstände Anwendung, welchedieselben uns aufdrängen. Sie bedeuten gar nichts und führenuns nur in unlösliche Widersprüche, sobald sie vom nicht End-lichen, nicht Erfahrungsgemäßen ausgesagt werden. Es istSchwindel mit Worten und oft genug Selbstbetrug, wenn mannoch immer mit Spinoza das Denken und die Ausdehnung,oder mit Kant eine sittliche Weltordnung, oder mit Hegel dieabsolute Idee, oder mit Schopenhauer den unbewußten Willenals das Grundprinzip aller Dinge, das erste Bewegende hin-stellt.Etwas ganz Anderes aber muß es genannt werden, wennman die vielen verschiedenen Stoffe und Kräfte möglichst aufeinen oder wenige zurückführt. Ja, der denkende und forschendeMensch hat ein unabweisbares Bedürfniß, die Einheit in denvielen Dingen, die erste Ursache in einer langen Reihe vonWirkungen, Ordnung und Gesetz in der Mannigfaltigkeit derErscheinungen zu suchen und zu finden. Das ist das Verfahrender Wissenschaften, welche auf beweisbare Erfahrung bauen.Jede neue solche Erfahrung und jede darauf gegründete denk-richtige Schlußfolgerung gewährt höchste Befriedigung, eröffnetaber zugleich den Ausblick auf neue Räthsel, und darin liegtdas reine Glück, welches alles ernste wissenschaftliche Strebenmit sich bringt. Fertig zu sein mit aller Forschung— diesesBewußtsein könnte der Mensch gar nicht ertragen. Allein damithat es eben gute Wege; es ist dafür gesorgt, daß die Bäumenicht in den Himmel wachsen. Wer aber, auf seine Geisteskraftvertrauend, in das Ueberfinnliche flüchtet, um aus der Zerglie-derung und Wiederverknüpfung von Begriffen und Worten, welchestets bloße Spielmarken bleiben, das reine Gold ewiger, unbe-dingtcr, grundlegender Wahrheiten zu Prägen, der verwüstet nichtnur seine Kraft, die ihm nicht allein gehört— er hilft des-potische Gesellschaftseinrichtungen stützen. Man fühlt sich ver-sucht, über sein Streben zu lachen, daß er sich wie Münchhausenam eignen Schöpfe aus dem Sumpfe ziehen will; man muß ihnwarnen vor der Gefahr, welche das Geltendmachen angeblicher„unbedingter Wahrheit" für die Menschheit mit sich bringt. Erhat kein Recht, die gesunde Nahrung, welche die Gesellschaft ihmbietet, blos mit den Ausscheidungen seines Körpers zu vergelten;er soll ihr nützen durch beweisbare Früchte seines Denkens. DieGesellschaft der Zukunft kann keine spekulativen Philosophendulden, sowenig als Giftmischer; oder vielmehr ihre Mitgliederwerden von selbst sich ohne solchen Schwindel mit hohlen Wortenehrlich ihren Lebensunterhalt verdienen wollen.Der menschliche Geist ist auch ohne alle spekulativen Ausflügein das übersinnliche Gebiet bewundernswürdig in seinen Lei-stungen, und wenn erst alle Menschen sich am Verständniß,Genuß und Fortschritt derselben betheiligen können— welchereiche Quelle reinsten Glücks wird ihnen sprudeln!Um das Ergebniß unserer Untersuchung zusammenzufassen,müssen wir sagen: Die Beschränftheit unseres Geistes ist ebensogut auch keine Beschränktheit. Innerhalb desjenigen Gebietesder Erkenntniß, in welches wir eingeschlossen sind, weichen dieGrenzen unablässig weiter zurück, weil unsere Sinne durch neueWerkzeuge geschärft, unsere Beobachtungs- Methoden verbessert,unsere Verstandesschlüsse durch neue Versuche und die Wechsel-seitige Unterstützung der verschiedenen Wissenschaften mit ihrenneuen Forschungsergebnissen berichtigt werden. Außerhalb diesesGebietes haben wir, d. h. hat die jugendliche Menschheit sichein übersinnliches Gebiet erträumt und mit unwirklichen Gestaltenund Erscheinungen angefüllt. Sie hat es gethan und thunmüssen, weil sie in Gegensätzen zu denken gewohnt ist, am Gegen-satz erst denken lernt, und weil ihre sinnliche Beobachtung undihre Verstandesschlüsse noch sehr mangelhaft waren, während dochdas Streben nach Erkenntniß Befriedigung suchte. Durch dieunlösbaren Widersprüche, in welche dabei ihre Gedanken sichverwickelten, ist fie dahin gedrängt worden, ihre einzig wirklichenErkenntnißmittel zu verbessern und ihren kindischen EinbildungenS mißtrauen. Indem sie sich auf das einzig Erkennbare be-ränkte, wurde ihr Erkenntnißkreis nicht enger, sondern stetsweiter. Indem sie ihre früheren Träume als Träume verwarf,wurde ihre beweisbare und beglückende Wirklichkeit, ihr Taglebennur immer reicher. Sie begann einzusehn, daß der Dichter mitUnrecht singt:„ein Wahn, der mich beglückt, wiegt eine Wahr-Demimonde-Poeste.(Schluß.)Außerdem sind diese neuesten Blüthen an dem alten Wun-derbaum deutscher Lyrik dazu bestimmt, den jungen Mädchen,welchen er jetzt in löblicher Selbsterkenntniß zuruft:„Blonder Schatz mit Lockeuhaaren,Ter Du hängst noch an der Pflicht,Keusch die Tugend, Dir zu wahren,Engelsköpfchen, lies mich nicht.Böses wirst Du bei mir finden,Was vorher Du nie gedacht":c.in späteren Jahren zu einer angenehmen Emotion zu dienen.„Engelskopf mit blonden Haaren,Glaube mir, die Tugend schmerzt,Ist sie etwas reif an Jahren,Hat sie jeden Kuß verscherzt.Denn, ach dann fragt fie vergebens,Ob es keinen Räuber giebt,Der sich für den Rest des LebensSterblich noch in fie verliebt.Wo Du gern dann abgegangenVon der Tugend strengem Pfad,Bleibst Du in den Dornen hangen,Denen sich kein Räuber naht.Dann greif still zu diesen Blättern,Du begreifst mein Lied vielleicht,Das mit seinem lust'gen SchmetternSeine Liebe nicht verschweigt."Weibliche Tugend ist also unssrm„Dichter" ein Gräuel, einelächerliche Dummheit und er gibt unfern jungen Mädchen mitklassischer Unverblümtheit den Rath, sich dieses lästigen Besitzesso rasch als möglich zu entledigen.Man begreift nun wohl das zustimmende Kopfnicken, mitdem wir auf S. 253 lasen:Ich warf euch kühn den Handschuh hin,Wohlan, beginnt zu schreien,Weil ich ein wenig anders bin,Solch' einer von den Freien,heit auf, die mich zu Boden drückt." Denn der erkannte Wahnmacht bereitwillig der erkannten Wahrheit Platz.Was von den Gespenstern und der Teufelsfurcht, kurz vonjedem Aberglauben gilt, daß sie nicht beglückender Wahn sind,sondern den Geist zu Boden drücken, und daß ihre Vernichtungim klaren Denken eine Erlösung und Bereicherung des Geistesist, das gilt von allem llebersinnlichen. Das gilt vom Unend-lichen, vom schrankenlosen Räume, von der ewigen Zeit, von derersten Ursache, vom Weltzweck, von der sittlichen Weltordnung,von der Schöpfung, vom Absoluten oder Unbedingten, vom stoff-losen Geiste und vom geistlosen Stoffe, von der ersten Bewegungund von der schlechthinigen Vollkommenheit. Alle diese Begriffesind dichterisch, und es entspricht ihnen keine Wirklichkeit. Sieim eigentlichen Sinne auffassen, verwickelt uns nicht nur inunlösliche Selbstwidersprüche, sondern macht uns auch unfähig,die Wirklichkeit, welche in uns hereinscheint, zu zergliedern, be-greifen und benutzen.„Ein Mensch, der immer spekulirt,Ist wie ein Thier auf dürrer Heide,Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt,Und rings umher liegt schöne grüne Weide."Allerdings hat Hegel Recht mit dem Worte: Der Widerspruchist die Seele der Dinge. Rur muß man hinzuverstehen, daßdies blos vom lösbaren Widerspruch gilt, von demjenigen, welcherin unserem Denken der Dinge ist, und welcher den Reiz abgiebt,der uns zu seiner Lösung unaufhörlich antreibt. Ein Gedanke,der nicht blos scheinbar und theilweis, sondern wirklich in allenseinen einzelnen Bestandtheilen sich widerspricht, ist— Unsinnund eine Mahnung zur Umkehr im Denken. Solche unlösbareWidersprüche sind in allen übersinnlichen Begriffen, wie wir sieoben ansgezählt, zu finden. Und die idealistische Spekulation istgänzlich aus solchen zusammengesetzt.Mit diesem theoretischen Idealismus viel zu glimpflich ver-fahren zu haben, das ist der einzige Vorwurf, den wir derLange'schen Geschichte des Materialismus machen.Sozialpolitische Ueöerficht.— Es kriselt fort in Berlin, Paris u. s. w. Der Var-ziner Mac Mahon hat wieder einmal die Flinte ins Korngeworfen: er will vor dem nächsten Frühjahr nicht zurückkommen— die„Friktionen" find zu heftig— die unglücklichen preußi-schen und Rcichsminister wissen nicht, was sie thun sollen, dieorganische Gesetzgebung stockt, für den Reichstag werden keineVorlagen gemacht, Niemand weiß, wie es um die in letzterStunde noch angeknüpften Verhandlungen zur provisorischen Er-Neuerung des deutsch. östreichischen Handelsvertrags steht, Niemandweiß, wie es sich mit den in Ausficht gestellten Steuerreformenverhält und ob es mit der„wirthschaftlichen Umkehr" Ernst istoder nicht— kurz Niemand weiß,„wer Koch und wer Keller" istund wir stecken in schönster Kanzlerkrise, Ministerkrise, Ne-gierungskrise, wenn man anders die absolute Regierungs-losigkeit eine Regierungskrise nennen kann. Die Regierungs-lofigkeit(über welche die Herren Reichsfreunde jetzt so wehmüthigklagen) heißt auf griechisch Anarchie— daß unser deutscherReichskanzler ein solches Talent für den Bakunismus bethätigenwürde, hätten wir ihm nie zugetraut. Besseren Muths scheintder Versailler Bismarck zu sein— wenigstens zeugen dieSpäße, welche er sich mit der Kammermajorität erlaubt, vongutem Humor. Sein deutsches Vorbild ging etwas gröber zuWerk. Jndeß das Grobe und die Grobheit kommt vielleichtnoch. Freilich nöthig ist's kaum. Diese bieg- und schmiegsamen„Republikaner" sind in das kleinste Mausloch hineinzutreiben.Was für Leute es find, das zeigt sich recht deutlich bei Gelegen-heit der Pariser Neuwahl an Stelle des doppelt gewählten Grcvy,welcher das Provinz- Mandat angenommen hat. Es galt, einenpassenden Candidaten zu finden. Man berieth lang. Und auf wenhat man sich zuletzt geeinigt? Auf den gesinnungslosesten, Wetter-wendischsten aller lebenden Politiker, nicht bloß Frankreichs, son-dern der Welt, also unsere deutschen Nationalliberalen mit ein-geschlossen; auf die politische Wetterfahne pnr exvellenee;auf den Mann, der seit 40 Jahren jedem Regime gedient, nachjedem Lüftchen den Mantel gedreht hat— auf die verkörpertePrinziplosigkeit und Rechnungsträgerei: auf den ersten allerpolitischen Seiltänzer und Windmacher, Herrn Emile vonGirardin. Das nackte Faktum spricht Bände. Die Wahlkennzeichnet die Wähler. Und in der That eine geeignetere Per-sönlichkeit hätte die Mischmasch-Partei des OpportunismusDer nicht katzbuckelt jeder ZeitVor jeder großen Nase,Und stets verfolgt die HeiligkeitIn der modernen Phrase.Schreit zu, schreit zu! Denn, wie ihr wißt,Könnt ihr mir doch nichts nehmen,Der Käfer, der bestimmt für Mist,Braucht drob sich nicht zu schämen.Wir sagten uns froh überrascht:„Mistkäftr ist gut, sehr;ut sogar!" und wir waren dem Sinne des Verses nach gewißlerechllgt, anzunehmen, daß derselbe nur eine(sehr zarte undduftige) Umschreibung des alten Satzes sein solle, daß über denGeschmack nicht zu streiten sei. Leider ergiebt sich aus der Fort-setzung, daß unser„Poet" seine Gedanken nicht logisch zu for-muliren und zu ordnen liebt, denn er wendet den„Mistkäfer"plötzlich auf seine Gegner an, und es scheint, daß er die Tugendfür„Mist" erklären will, indem er weiterreimt:„So wühlt denn zu, wie er getrost,Müßt ihr euch so ernähren,Weiß ich, weshalb ihr euch erbost,Auch mir nicht zu erklären.Für euch der Mist— die Freiheit mir,Ich dächte, das wär' gründlich,Genügt es nicht, sag' ich's statt hierNoch einem Jeden mündlich."Wir verzichten wirklich darauf und bitten den Herrn Ver-fasser dringend, uns bei diesen mündlichen Erklärungen ja zuübergehen—; wir geben gern zu, daß seine Verse an„Gründ-lichkeit" nichts zu wünschen übrig lassen; es giebt freilich auchunergründliche Sümpfe und in einem solchen scheint uns derHerr Verfasser bis über die Ohren zu stecken. Die Höflichkeitverbietet uns, diesen Sumpf näher zu bezeichnen.Der Herr Polizeiarzt(wir wiederholen nochmals, daß esuns in diesem Falle beim besten Willen unmöglich ist, denPoeten von seiner Lebensstellung zu trennen— nie hat einMensch weniger seinen Beruf verfehlt) möchte uns am Endevorwerfen, daß wir von dem reichen Diner, das er uns vorsetzt,nur in den cynischen Delikatessen herumstochern, statt auch diepidoes äe rösistance zu berühren, die öfters eingeschoben find,wollten wir unerwähnt lassen, daß er ein großer Demokrat vor(nicht finden können, als Herrn Emile Girardin, den pwsonifi-zirten Opportunismus. Kuriositätshalber theilen wir nachfolgendeAuszüge aus zwei Reden mit, die Viktor Hugo, das Prasen-Monstrum und die Monstre-Phrase, und Gambetta der Dicke ineiner Wählerversammlung für Girardin hielten. Ersterer:„--Der Kampf hat begonnen und jetzt müssen auch wir bis ansEnde gehen. Ich für meine Person erkläre Ihnen: ich werdebis ans Ende gehen! Dies vorausgeschickt, ist nichts leichter,als die uns vorliegende Frage zu lösen, die Ihnen gestellt ist.Sie kämpfen.(„Mit Worten bis auf den letzten Mann"wie weiland der„tobte" Duncker gesagt. R. d. V.) Nun habenSie eben einen Deputirten zu wählen, das ist einen Kämpfer.Suchen Sie ihn nicht, er ist schon gefunden. Er steht vorIhnen: es ist Emil v. Girardin. Sie werden keinen kräftigerenKampfgenossen, keinen Namen finden, der eine schlagendereund bestimmtere Bedeutung hätte. Seit dem 16. Mai ist Emilv. Girardin nicht einen Tag von der Bresche der Gerechtigkeitund Freiheit gewichen. Er hat in allen Formen seine uner-schöpfliche Beredsamkeit, seine strafende Logik und alle Blitze undDonner seines lichtvollen Geistes verschwendet. Emil v. Girardinist ein großer Kämofer des großen Kampfes. Ich stimmefür ihn. Stimmen wir Alle für Emil v. Girardin! Wer fürEmil v. Girardin stimmt, stimmt gegen die persönliche Regierung.(Stürmischer Beifall.)Und Gambetta: Niemand kann besser die politischenAnschauungen des 9. Arrondissements vertreten, als Emil vonGirardin, der ausgezeichnete Mann, welcher dem Un-willen des Landes einen so beredten Ausdruck gegebenhat. Lassen Sie mich denn mit dem Rufe schließen, welchenderselbe Emil v. Girardin in einem denkwürdigen Momente,nach dem 24. Februar 1848, ausgestoßen hat: Vertrauen,Vertrauen, habt Vertrauen!"Das ist denn doch selbst der nationalliberalen„MagdeburgerZeitung" zu arg. Sie bemerkt zu diesen Saturnalien der Ge-sinnungslosigkeit:„Girardin also an Stelle des makellosen Grevy republikaui-scher Candidat von Paris und von den beiden angesehenstenMännern der französischen Demokratie auf den Schild erhoben!Wir lassen den Privatcharakter des Mannes ganz bei Seite,wollen aber aus seiner öffentlichen Laufbahn nur folgendeKleinigkeiten erwähnen: Girardin hat vermöge des publizistischenEinflusses, den er im Jahre 1843 besaß, das Meiste dazu bei-getragen, daß Ludwig Napoleon Bonaparte am 10. Dezembergegen Cavaignac und andere Republikaner zum Präsidenten derRepublik gewählt wurde. Girardin war im Jahre 1870 mitdemselben Eifer für die Politik seines intimen Freundes EmilOllivier und das Plebiszii vom 8. Mai thätig; Girardin waralso der Pathe und der letzte Helfershelfer des Kaiserreichs—ohne uns weiter dabei aufzuhalten, daß er während der ganzenDauer desselben der Hausfreund der Tuilerien und namentlichdes Palais Royal(Prinz Napoleon!) gewesen ist und sein Namebei allen Ausgeburten des damaligen Gründerschwindels obenanstand. Und dieser Mann wird jetzt von dem Dichter der„Chati-ments" und dem Verfasser der„Histoire d'un Crime" von demTribunen von Tours und Bordeaux als eine Grundsäule derfranzösischen Demokratie angepriesen; dieser verhängnißvolle Fäl-scher des allgemeinen Stimmrechts von den berufensten Männernder Republik dem allgemeinen Stimmrecht als würdigster Ver-trauensmann empfohlen! DikKeile est satyram non scribere."Mit diesem nationalliberalen Fußtritt entlassen wir fürheute die Herren„Republikaner".— Nachdem der Culturkampf im preußischen Abgeordne-tenhause ausgetobt hat, geht man mit„affenartiger Geschwin-digkeit" über die einzelnen Etatposten hinweg, indem man die-selben natürlich genehmigt. Es ist sogar der außerordentlicheFall vorgekommen, daß die dauernden Ausgaben für das Ver-waltungsgericht ohne eine dahinzielende Regierungsvorlage vomAbgeordnetcnhause auf den Antrag Gneist's aus eigener Jnitia-tive in der Sitzung vom 10. Dezember erhöht worden find.—In derselben Sitzung wurde über den Bau eines Polytechnikumsin Berlin berathen; die Regierungsvorlage im Einverständnißmit der Commission hat den Platz dazu zwischen Berlin undCharlottenburg bestimmt, dagegen erhob sich Herr Ludwig Löwe,der im 6. Berliner Wahlkreise unterlegene Reichstagscandidat,und schlug zwei andere Bauplätze vor(neben der frühern Eisen-gießerei und bei der Arttlleriekaserne am Kupfergraben). Wirkennen nun allerdings das Terrain nicht näher und wollen auchdem Herrn ist und für Freiheit, Toleranz u. f. w. bedeutend„indie Aepfel haut", ja sogar(armer Schiller!) ein pomphaftesOpus zum 10. November losläßt.„Wir lauschen feierlich dem Glockenschlage,Wo sich der Gott mit seiner Welt vermählt,So fragt euch denn an seinem Sarkophage,Ob wir's verdient, daß er zu uns gezählt."Wir fürchten nicht, uns einer Voreiligkeit schuldig zu machen,wenn wir diese Frage, soweit es sich dabei um den Verfassereines Gedichts handelt, das also anhebt:„Götterweibchen, süßes, schlankes,Als du so vor mir gesessenAuf der weichen OttomaneMit den Augen wollustsprühend"entschieden und bedingungslos verneinen. Wir hätten demVerfasser seine„pieces de rösistance" mit großem Vergnügenerlassen; es ist immer verdrießlich, Gedanken und Anschauungen,die sich da und dort mit den unsrigen berühren(wennschon wirfie muthmaßlich niemals in so jammervolle Verse bringen werden),von einem Manne aussprechen zu hören, mit dem an einemTische zu sitzen für uns zu den nicht eben zahlreichen mora-lischen und physischen Unmöglichkeiten gehören würde, die wirkennen.Es erübrigt uns noch, einige Worte an den Epilog zuknüpfen, mit dem wir entlassen werden und in dem uns, damitwir es ja nicht vergessen, nochmals feierlich wiederholt wird,daß er„nur offen sang, was ihm im Herzen brannte,Statt heuchlerisch, wie wir, es zu verschweigen."Es scheint, als habe sich der Herr Poet von den Krittkernkeiner besondern Freundlichkeit versehen(und wie Figura zeigt,hat diesen„ahnungsvollen Engel" sein Vorgefühl nicht betrogen),denn er beginnt:„Nun weiß ich schon, wie ihr mich krittsirt,Wenn ihr den tollen Krimskrams solltet lesen,Das ist, sprecht ihr, ein rechter Narr gewesen,Der sich mit Versemachen amüsirt."Das Wort„Krimskrams" will uns doch etwas zu glimpflicherscheinen, uns summt vielmehr ein Wort wie„tollgewordene