nicht untersuchen, welcher Platz am zünftigsten wäre; vielleicht aber wird sich die Redaktion der„Berliner Freien Presse" der Aufgabe unterziehen, nachzuforschen, ob bei diesen gesetz- geberischen Vorschlägen des Abgeordneten Ludwig Löwe ähn- liche Motive vorgewaltet haben, wie bei den Vorschlägen des Stadtverordneten Ludwig Löwe in Bezug auf die Anlegung des neuen Viehhofs zu Berlin . Wir haben nachgerade genug Parlamentarier, die ihren Einfluß dazu mißbrauchen, um Pro- zent- oder Consortialinteresien zu fördern. In welchem Ansehen das preußische Abgeordnetenhaus selbst bei den gemäßigtsten unabhängigen Organen in Deutschland steht, das geht aus folgendem Satze des„Hamburgischen Cor- respondent" hervor:„Im Abgeordnetenhause spielen politische Heuchelei(Fürst Bismarck hat ja dem Worte durch sein groß- sinniges B-kenntniß jeden Zug des Verletzenden genommen) und Komödie weiter."— Also doch— Komödie! — In dem letzten De Camp'schen Feuilleton der „Magdeburger Zeitung" befindet sich folgende Stelle: „Sobald die lodernden Flammen das letzte Kampfsystem, zu dem die Commune ihre Zuflucht nahm, erkennen ließen, erhielten die Corpsführer sämmtlich Befehl, die Soldaten des Aufstandes, die in ihre Hände fielen, auf der Stelle zu füsiliren. Dieser allgemeinen Weisung wurde nur mit Zurückhaltung(!) gehorsamt; die ungeheure Zahl der Ge- fangenen beweist dies mehr als zur Genüge. Gleichwohl haben einige sehr bedeutende Massen-Eekutionen stattgefunden. Zwei davon kann ich nebst den Zahlen mit Sicherheit bezeichnen. Sonntag den 28. Mai, früh, wurden 148 Insurgenten aus dem Gesängniß Mazas, wo man sie eingesperrt hatte, hervorgeholt, auf den Pere-Lachaise geführt, dort unweit der gemeinsamen Grube, welche die Reste des Erzbischofs und der mit ihm ge- tödteten Geißeln barg, in Abtheilungen von zehn Mann auf- gestellt und erschossen. Sie hielten sich bei den Händen und riefen:„Vivo la Commune!" ehe sie lnederstürzten. Drei von ihnen entwichen und verkrochen sich hinter ein hügeliges Terrain in der Nähe; sie wurden ergriffen und ebenfalls getödtet. An demselben Tage und beinahe zu derselben Stunde sah der Rundgang des kleineren Roquettegefängnisses 227 Insurgenten fallen; von diesen haben die meisten, wie mir ein Augenzeuge sagte, geflennt und um Gnade gebeten." Wir nehmen Akt von der im ersten Satz enthaltenen That- fache. Also die sämmtlichen Corpsführer hatten Befehl, alle ge- fangenen Communekämpfer auf dem Fleck füsiliren zu lassen. Bisher wurde das geleugnet: da Herr De Camp das Versailler Material besitzt und sicherlich der Letzte wäre, die Versailler zu verleumden, so müssen wir seine Mittheilung für richtig er- achten. Wer hat den barbarischen Befehl ertheilt? Nur ein Mann kann es gethan haben, der Mann, welcher damals an der Spitze der Geschäfte stand: Herr Thiers. Und diesen Massenmörder, diesen grausamsten und brutalsten Feind des Proletariats hat man uns neuerdings als— Bundesgenossen, als besten Freund zu empfehlen den Muth gehabt!— Der Rest des Berichts spricht für sich selbst. Nur über das angebliche „Flennen und um Gnade bitten" ein paar Worte, die wir dem „Hamburg Altouaer Volksblatt" entnehmen: „So beschimpfen die Maulhelden der„Magdeburgischen Zsi- tung" die tobten Communekämpfer. Diese liberalen Helden, die schon„flennen", wenn Bismarck mit seinem Rücktritt droht und die in ihrem Leben noch nicht den Muth gehabt haben, ein freies Wort zu schreiben, weil sie das Gefängniß fürchten, er- dreisten sich, jene Pariser Insurgenten zu höhnen und von „Flennen" zu sprechen. Solche„liberale" Helden„flennen" schon um Gnade, wenn sie zu der geringsten Strafe wegen Prcßver- gehcns verurtheilt werden; sie„flennen", wenn die Gründer an- gegriffen werden; sie„flennen", wenn sie die Fortschritte der Sozialdemokratie sehen; sie„flennen", wenn von ihnen nur ein Fünkchen von Courage verlangt wird; sie können nur denunziren und verleumden— und da ist es begreiflich, wenn wir finden, daß die Pariser Opfer der„Ordnung" durch den Haß dieser Sorte von deutschen „Helden" geehrt sind." Daß unter den gefangenen Communarden sich auch einige Feiglinge befunden haben mögen, sei zugestanden. Wurde doch notorisch eine ziemliche Anzahl Bourgeois irrthümlich mit gefangen genommen unv füsilirt! Aber das ist durch das einstimmige Zeugniß aller Augenzeugen— Feind wie Freund — thurmhoch über jeden Zweifel hinaus festgestellt, daß die Brunst" in den Ohren. Auch bei„Narr" haben wir innege- halten und uns nach einem Wort umgesehen, das sich besser und vollständiger mit unseres Herzens eigentlicher Meinung deckt; wir müssen indessen darauf verzichten, dieses Wort aus unserer Jeder fließen zu lassen, da wir in's Thierreich greifen müßten. Wir erfahren dann noch einiges recht Pikante über den Kühnen,„der auf der Erde sich sein Leben ganz frei wie Gott nach eigenen Gesetzen" geschaffen(man kann im Polizeistaat unserer Tage doch noch so Manches, wie's scheint). „Das Erz von allen Schlacken rein zu brennen, Im Meer der Liebe ließ ich es verkühlen. Kein Hochgenuß ist mir da fern geblieben, Die schönsten Frauen habe ich genossen, Befriedigt hat mich keine und verdrossen Schied ich mit Lachen endlich von dem Lieben." Es wird uns erlaubt sein, über diesen Punkt unsere ganz «Parten Gedanken zu haben. „Mit Rebenblute füllt' ich meine Becher Und träumte mich in's Reich der Ideale, Begrüßt gar oft vom ersten Morgenstrahle Empfing der Schlaf den seligsten der Zecher." Es würde interessant sein, ein klares Bild von des Herrn Polizeiarzts Idealen zu erhalten, wahrscheinlich gehen wir nicht fehl, wenn wer vermuthen, daß eins derselben ein Zustand der Dinge ist, der keinem Mädchen gestattet, ihre Tugend länger als bis höchstens zum 15. Jahre zu bewahren. Auf die supponirte Frage, warum er seine Lieder,„deren Bater er zwar gewesen, ohne sie doch dann weiter zu beachten" (wir erlauben uns keine Vermuthung darüber, inwieweit der Herr Polizeiarzt diese Maxime auch auf andere Gebiete übertragen hat,„in die Welt gesendet, statt in Vergessenheit sie zu begra- ben", erwidert er mit einer verblüffend geistreichen Wendung: „Gewiß!— Ihr müßt auch schlechte Dichter haben, Damit ihr euch zu euren Guten wendet." Ohne dem Urtheil des Herrn Polizeiarztes über seine dich- terische Begabung auch nur im Mindesten widersprechen zu wollen(es gereicht uns zu einiger Genugthuung, wenigstens in diesem einen Punkte im höchstmöglichen Grade seiner Meinung 8« sein), erlauben wir uns, über die Wirkung, die keine„Be- enntnisse" ausüben werden, eine wesentlich andere Anficht zu Männer der Commune wie Helden gekämpft haben und wie Helden gestorben sind. — Die herrschenden Sittenzustände werden durch eine Correspondenz der Berliner„Volkszeitung" aus Bonn über die soeben beendigten Sitzungen des dortigen Assisengerichts grell beleuchtet.„Fast die Hälfte der Angeklagten, nämlich zehn, hatten Verbrechen gegen die Sittlichkeit begangen, die übrigen 14 standen unter der Anklage des Mordes, tödtlichen Körperverletzung, der Brandstiftung und Fälschung, des Betrugs, Diebstahls und Meineids. Der Präsident des Gerichts, Appel- lationsgerichtsrath Nacken aus Köln , verabschiedete sich von den Geschworenen mit einer Ansprache, worin er ihnen im Namen des Richtercollegiums seinen Dank für ihre Mühe aussprach und sich äußerst günstig über das Institut der Geschworenengerichte ausließ.„Bei den vielen Verhandlungen wegen grober Unfitt- lichkeiten", so fuhr der alte Jurist dann fort,„wird Sie ein Gefühl der Trauer und des Schmerzes beschlichen haben und der Gedanke in Ihnen aufgetaucht sein, daß wir im Niedergange begriffen sind. Wer könnte auch leugnen, daß seit Jahren die� Verbrechen überhaupt und insbesondere die der Unsittlichkeit und der brutalen Mißhandlungen sich vermehrt haben? Unsere Hoffnung auf die Wiederkehr besserer Sitten, auf Rückkehr zur alten deutschen Einfachheit und Reinheit ist jedoch um so mehr begründet, als zu ersichtlich nicht der eigent- liche Kern des deutschen Volks, sondern nur die äußere Schale vom Wurm der Zeit angefressen ist." Wozu die„Volkszeitung" bemerkt: Möge die fromme Zu- verficht sich erfüllen!— Nun, das wünschen wir auch, obgleich wir nichts„Frommes" in den Worten des Richters entdecken können. Jedenfalls faßt er die Sache weit richtiger auf, als der Correspondent der„Volkszeitung", welcher seinen Brief mit einer gedankenlosen Tirade über die„zunehmende Corruption der unteren Volksklassen" begann, als ob es heute nicht schon die Spatzen von den Dächern herab pfiffen, daß die Corruption der„unteren" Volksklassen nur die Folge und obendrein ein schwacher Reflex der Corruption der oberen Volksklassen ist. Da redet der Präsident des Bonner Gerichts vernünftiger.„Der eigentliche Kern des Volks ist gut, nur die äußere Schale ist angefressen." Der„Kern"— das sind die„unteren" Volks- klaffen: das eigentliche, das arbeitende Volk; die„Schale"— die glänzende, vergoldete, unter dem Gold aber faule Schale— das sind die oberen Klassen, die von dem Wurme der Hab- sucht, der Spekulations- und Gründungswuth bis in das Mark zerfressen sind. — Noch ist Polen nicht verloren! Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt:„Die Zeit dürfte nicht fern sein, wo die preußische Regierung es als Pflicht gegen sich selbst und das deutsche Reich betrachten wird, sich der Polen mit demselben Recht und denselben Mitteln wie der Jesuiten zu erwehren!" — Hoffen wir, daß die„Norddeutsche" ihr Versprechen erfülle. Niemals hat der(protestantische und katholische) Jesuitismus in Deutschland auch nur annähernd so geblüht, wie in der gegen- wärtigen Zeit und Dank den von der„Norddeutschen" gepriese- neu„Mitteln". Wenn man so freundlich wäre, dasselbe Rezept auf die Polen anzuwenden, so würde die wunderbare Wirkung nicht ausbleiben und die Wiederherstellung Polens wäre eine vollendete Thatsache. — Die nach Deutschland entsendete Deputation der Londoner Steinhauer, deren Zweck es bekanntlich ist, den Zuzug von deutschen Steinhauern nach London zu verhindern, war am 5. Dezember in Köln . Von Köln begab sich die De- putation nach Mannheim , um von dort aus Baden und die Pfalz zu bereisen, von wo sich der Zuzug nach London beson- ders rekrutirt. Jeder Partei- und Gewerksgenosse wird ersucht, die Deputation in ihrer schwierigen Aufgabe nach Kräften zu unterstützen und unverzüglich an PH. Koch, Neue Welt, 1. 5, 16 in Mannheim , Mittheilung zu machen, wenn er vernimmt, daß ein Agent Steinhauer anzuwerben versucht.— Welche kolossalen Geldmittel die Londoner Stcinhauer aufwenden, um zum Siege zu gelangen, erhellt daraus, daß sie bis zum 4. d. M. bereits 16,000 Pfund Sterling(320,000 Mark) theils zur Unterstützung der Strikenden, theils zur Heimbeförderung der fremden Stein- Hauer verausgabt haben. Bis zum eben genannten Tage sind 173 Iteinhauer nach Hause befördert worden und zwar: 5 nach Dublin, 15 nach Italien , 36 nach Canada , und 66 nach dem haben. Statt sich nach der Lektüre dieser(schlechten) Poesien zu guten zu wenden, um den fatalen Geschmack möglichst bald von der Zunge zu bringen, werden die Patienten des Herrn Ver- fassers(viel andere Käufer wird er hoffentlich nicht haben) sich ohne Zeitverlust auf dem kürzesten Wege zu einer der von ihm gepriesenen Damen begeben und dann wird geschehen, was er in einem Gedicht, das gegen das lächerliche Geschrei über eine Verführung im Beichtstuhl energisch Front macht, also schildert: „Dann muß der alte Adam Feuer fangen Und Satans Lust muß aus der Hölle steigen." Ergeben sich, trotz der Untersuchung durch den Herrn Poli- zeiarzt, schlimme Folgen: was ist's weiter? Der Herr Polizei- arzt heilt, wenn auch nicht gratis, die Wunden, die er indirekt geschlagen, und so trifft sein Buch zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir sind als Lügner entlarvt, die kein Haar besser sind als er, und er erntet als Arzt das Honoear, das dem Dichter viel- leicht versagt ist. Wir sind zu Ende und fragen jeden anständigen Gegner: „Wie ist es möglich, daß ihr uns das Richteramt an solcher Verhöhnung aller Sittlichkeitsbegriffe überlaßt, uns, denen ihr tauseud Mal vorwerft, daß wir die Familie und die Ehe unter- graben?" Wir fragen zweitens:„Ist es gesunder Boden, in dem eine solche Pflanze in saftiger, geiler Ueppigkeit aufschießen kann?" Wir fragen orittens:„Wo bleibt die hochwohllöbliche Polizei, die doch sonst zuweilen auf unsittliche Bücher und Bilder Jagd macht und z. B. die Carnevals-Literatur verdienter Ueber- wachung unterzieht? Hat sie zu viel mit der Sozialdemokratie zu thun?" Das Buch aber, das eine unerhörte Verhöhnung aller an- ständigen Leute ist, und seinen Verfasser überantworten wir dem Richterspruch dieser anständigen Leute. Es giebt ihrer doch noch mehr, als der Herr Polizeiarzt ahnt. R. L. — Die in Frankfurt erscheinende conservative„Deutsche Reichspost" schreibt über den„Vorwärts" Folgendes:„UebrigenZ wollen wir nicht unterlassen, auf das energische Borgehen des sozialisttschen Blattes gegen seine und grobe Unsittlichkeit unserer Gesellschaft aner- kennend hinzuweisen. Wie neulich Eckstein's Traum, so brandmarkt es jetzt die Novelle des Wiener Feuilletoniften Spitzer:„das Herren- recht", die sich nicht entblödet, das mrttclalterliche jus primae noetis zum Gegenstand ihrer Besprechung zu machen. Ebenso wiro in der- übrigen Amerika . Der Rest(53) waren Deutsche . Diejenigen Steinhauer, welche nicht durch die Agenten befördert werden und auf ihre eigenen Kosten nach London reisen, erhalten keine Arbeit, weil man befürchtet, die übrigen möchten verleitet werden. — Am 10. d. M. hat Osman Pascha nach heißem Kampfe kapitulirt. Nähere Nachrichten fehlen noch. Durch den Fall Plewnas wird eine Armee von mindestens 100,000 Russen frei und kann nun zu der neuen Balkan -Expedition verwandt werden, die man übereinstimmenden Mittheilungen zu- folge im russischen Hauptquartier plant. Ob und inwieweit das Ereigniß die Fciedensaussichten berührt, das hängt von Ver- Hältnissen ab, über die uns bis jetzt jede sichere Information fehlt. — Nachdem die Verurtheilungen des Parteigenossen Hasen- clever in Bezug auf ein Gedicht(Märzgedanken) und eine Notiz (Briefgeheimmß), die im„Vorwärts" seiner Zeit veröffentlicht worden sind, zu 8 Wochen Gefängniß auch in zweiter Instanz bestätigt worden find, hat derselbe nunmehr sein Winterquartier im Leipziger Bezirksgerichtsgesängniß bezogen. Briefe an den- selben sind nach wie vor: An die Redaktion des„Vorwärts", Färberstraße 12 II, zu richten. — Genosse Kinski in Mehlauken ist aus dem Gefängniß in Labiau entlassen worden, nachdem er wegen Kreisrichterbe- leidigung eine Gefängnißhaft von 4 Monaten verbüßt hatte. Kinski erhielt die gewöhnliche Gefängnißkost und durfte sich nicht selber beköstigen. Eine doppelte Strafe! — Die amerikanische Parteipresse hat in dem„Phila- delphia Tageblatt" einen abermaligen Zuwachs erhalten. Das Blatt führt das Motto:„Brod ist Freiheit, Freiheit Brod" und erscheint in einem Format, welches unser größtes deutsches Par- teiorgan, das„Hamburg -Altonaer Volksblatt", bei weitem an Größe übertrifft. Das„Philadelphia Tageblatt" kostet jährlich 8, halbjährlich 4, vierteljährlich 2 Dollars und wöchentlich 15 Cents. Des Reichskanzlers königlich bayerischer Leib- gensdarm. (Der Kronzeuge im Münchener Sozialistenprozeß.) München , 4. Dezember. „Es soll Niemand gericht't werden, außer durch seines Gleichen"— das soll ein altdeutscher Rechtssatz gewesen sein, eine Gewissensmaxime unserer Altvordern zur Zeit, wo noch so ein Stück direkter Gesetzgebung vom Volke geübt und danach Recht gesprochen wurde. Sie ist vorbei, diese Zeit; andere Zeiten, andere Leute, andere System: haben sich abgelöst und uns auf eine„Culturhöhe" ge- hoben, von der herab dem schlichten Menschenverstände manchmal schwindeln möchte, wenn er zurückschaut nach der einfachen kal- turnackten Vsrzeit mit ihrem Volks- und Faustrecht, dessen Untergang der beredte Bureaukratenmund nicht genug zu rüh- men weiß. Mag sie auch gewesen sein wie sie will, diese Zeit, mit ihren rauhen und harten Menschengestalten, sie dringt zu uns herüber in unsere dressirt- glatten, süßlich- duftenden und wissenschaftlich- aufgedunsenen Tage, wie ein kühler Luftzug in die Parfüm und Todeskeime bergende Krankenstube. Gewaltig und blutig war das Recht unserer Alten, starr und gerade, wie ihr Sinn, bevor er, vom zerfaulenden, heuchlerischen Römerthum angefressen, seine klügelnden Rechtsformen aufge- nommen. Das„Auge um Auge, Zahn um Zahn" der Ver- gangenheit hat einem„milderen" Systeme Platz gemacht, das dem Scharfsinn seiner Erfinder alle Ehre und seinen Hütern und Pflegern manche schwere Stunde machen mag. Herausge- wachsen aus dem Boden des„Bestimmungsglaubens" einerseits, und anderseits entwickelt durch die Lehre von der„gottgesendete« Obrigkeit", finden wir unser modernes Recht und seine Geschichte häufig Arm in Arm mit Gewalten, über deren Ursprung und Wesen zu disputiren zwar von sehr hohem Interesse, aber nicht immer von praktischen Erfolgen begleitet sein mag. Die große Masse des Volkes weiß und kennt es nicht anders, oder richtiger gesagt, gar nicht. Also rechten wir nicht, sondern selben Weise, wie die„Deutsche Reichspost" schon mehrfach that, gegen die im„Kladderadatsch" und dergleichen Blätter durch Aufnahme von Annoncen protegirte obscöne Industrie angekämpft, und, was wohl der Beachtung werth wäre, Staatsanwälten, die Murh und Geschick hätten, hier vorzugehen, wichtiges Material zur Verfügung gestellt. Es ist ein Zeichen unserer Zeit, daß das Vorgehen gegen die Jmmora- lität vom Sozialismus ausgehen muß, wird man ihm auch im Reichs» tag, wie der„Vorwärts" in Aussicht stellt, den Bortritt in dieser Sache lassen?"— Dasselbe Blatt läßt sich aus Baden schreiben:„Die sozia- listischen Redner wissen oft ihre Themata recht geschickt zu wählen. So hat in diesen Tagen einer derselbe» die unsittlichen Inserate der libe- ralen Zeitungen gegeißelt, um dann die Erklärung abzugeben, daß von allen 66 sozialistiichen Blättern in Deutschland nicht ein einziges An- zeigen von unsittlichen Büchern oder sonstige unsaubere Anzeigen auf- nehme. Etwas bleibt dann immer beim Publikum hängen, um so mehr als die meisten liberalen Blätter längst aufgehört haben, zu fragen, ob das Geld, das sie auf diese Weise verdienen, stinkt oder nicht."— Daß die Herren Liberalen sich über solche Aeußerungen ärgern, ist na- türlich— schadet aber nichts. — Elektrisches Licht. Auf der Eisenbahnstation Lyon wurden zwölf elektrische Lampen aufgestellt und werden weitere zwölf aufgestellt werden. Man glaubt, daß eine Maschine von 24 Pferdekräften aus- reichen wird, um ein Licht zu liefern, welches 2460 Gaslampen gleich ist, 166 Liter Gas per Stunde auf jede Lampe gerechnet.— Das Kriegsschiff Alexandra erhielt elektrische Beleuchtung zu dem Zwecke. Torpedoboote zu entdecken. Die clekttische Lampe wurde auf dem Fock- mast angebracht. Die Auslagen für diese Ausrüstung betrugen 1666 f fund Sterling. Der große Erfolg. welcher mit dem elektrischen icht bereits erzielt worden ist, hat den Ingenieur Jackson bewogen, dasselbe bei seinen Arbeiten bei dem Stobcroß Dak in Anwendung zu bringen. Es werden zwei starke Flammen von einbrechender Dunkelheit bis jum Tagesanbruch erhalten und die Arbeiter werden dadurch in die Lage versetzt, schnell arbeiten zu können. Eine von den zwei Flam- men ist 360 Ellen vom Arbeitsplatz entfernt, und es ist die Beleuchtung so stark, daß man in dieser Entfernung noch ganz gut eine Zeitung lesen kann. E- K. — Selbstmord aus Furcht vor dem städtischen Kranken- hause. Der Gürtler Berthold, der in der Stralauerstraßc zu Berlin auf dem Hofe, 3 Treppen, als Chambregarnist wohnte, war bereits seit längerer Z-it an der Wassersucht leidend. Seine Freunde und Ange- hörigen machten ihn daraus aufmerksam, daß es für ihn besser sei, in das städtische Krankenhaus gebracht zu werden, und regelten die Ange- legenheit so weit, daß er nach dort gebracht werden sollte. Dies regte den Kranken so auf, daß er in einem unbewachten Augenblicke sich durch die Schläfe schoß. Sein Tod war ein augenblicklicher.
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2 (14.12.1877) 146
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