auf eilte Bestellung zu warten. Der Nationalliberale comins il faut hat SZJNEN Wünschen zuvorzukommen. Was Bennigsen gesagt, das wissen unsere Leser, ohne daß wir es ihnen zu sagen brauchen: wie er es gesagt, das ist das Bemerkenswerthe.„Tadellos saß thm Rock und Höschen", auch die Krawatte war tadellos geknüpft, du weiße Weste hätte dem Oberkellner des„Kaiserhos" nicht zur Schande gereicht, und die Stimme war ölig wie die des Pastor Stöcker. Und so sprach er eine Viertelstunde lang vre rotnuüo—„mit rundem Mund" das übliche„tönende Nichts". Es war vortrefflich auswendig gelernt, und nur zweimal trat eine kleine Stockung im rieselnden Wortfluß ein.— Er ist fertig. Großer Moment. ER erhebt sich.„Ich habe Ihnen nichts Neues zu sagen, und spreche blos deshalb, damit man nicht glaube, ich habe etwas zu verschweigen." Dies wurde im Laufe der beinah ein- stündigen— Plauderei über die orientalische Frage und Alles, was dazu gehört und nicht dazu gehört, mit peinlicher Wortgetreuheit genau dreimal wiederholt, und es ist in uuoe„die Antwort des Fürsten Reichskanzlers auf die Orientinterpellation". Mehr bat ER nicht gesagt— außer allenfalls noch, daß ER und Andrassy wie zwei Brüder verkehren, die keine Geheimnisse vor einander haben(ob es dem„Bruder" Andrassy nicht in die Ohren ge- summt hat?), daß die Dardanellen eine reine Lappalie sind— -i la„Bischer. Herzegowina" und ähnliche Geiftreichigkeiten, die freilich der gemaleu Argumentation, durch Nichtssagen zu be- weisen, daß man nichts zu verschweigen hat,— das Wasser nicht reichen. ER sprach sehr schwach, mit klangloser Stimme, und machte überhaupt auf seine Bewunderer einen deprimirenden Eindruck. Sie hatten den„kaputen Mann" schon ganz vergessen, und sich einen kraftstrotzenden„Percy" oder„Achilles " vorgestellt der das deutsche Reichsschwert stolz schwingen und der Welt ihre Bahnen vorzeichnen würde. Und statt dessen diese abgemagerte Gestalt, die nicht einmal die Kraft hatte während der ganzen „Rede" zu stehen, und diese bis zur Kleinlautigkeit bescheidene und zahme politische Wochenstubenplauderei! Die Enttäuschung war zu groß— das von einigen Heiß- spornen beabsichtigte Bertrauensootum wandelte sang- und klanglos in den Orkus des reichstäglichen Papierkorbs. Um ihnen die Bitterniß etwas zu versüßen, verschänkte Herr Hänel ein Fäßchen seines bekannten Syrups, der diesmal indeß nicht so flüssig war wie sonst— auch dieser Waare scheint die Verfälschung sich bemächtigt zu haben. Wie dem aber sei, als richtiger Fortschrittler hat Herr Hänel dennoch das Kunstf ück zu Wege gebracht, Herrn Bennigsen in dem Wettrennen um die Palme der Servilität glänzend zu schlagen. Herr Bennigsen möge sich hüten, daß ihm der„Vieekanzler" von seinem talentvolleren Collegen nicht vor der Nase weggeschnappt wird! Nach dem Syrup der Essig. Abwechslung muß sein. Kein scharfer, kräftiger Essig. Ziemlich schaal und abgestanden— wie der Kulturkampf, den auch Herr Windthorst müde ist. Nur ein paar Tropfen waren recht beißend, sogar mit etwas Scheide- Wasser untermischt. Und als sie nach dem Stuhl hingespritzt wurden, auf dem der Gewaltige thronte, da übergoß ein bläu- liches Roth SEIN erdfahles Antlitz und der Zorn, der nach dem lateinischen Sprichwort den Dichter macht, hatte IHN beinahe zum Redner gemacht. Heftig sprang ER auf und es gelang IHM mehrere Sätze ohne zu stocken vom Stapel zu lassen. Bethusy Huc gratulirte IHM zu diesen und anderen Thaten in einer zum Unglück nicht gut memorirten Rede. Der vielver- kannte Staatsmann in spe, der an einer bedauerlichen Gedächt- nißschwäche leidet, blieb seiner Gewohnheit nach stecken und wurde von den eigenen Genossen schnöd ausgelacht. Armer Bethusy! Er ist wirklich nicht so harmlos, wie die Welt meint; er hat eine gewisse Begabung, allein leider noch hundertmal mehr Pech, und seit er„den Strom der Zeit an der Stirnlocke gepackt", hat das Pech sich an seine Sohlen geklebt und läßt mit unerbittlicher Regelmäßigk.it ihn in jeder Rede, durch welche er sich denWeg zu einem Minister- oder Gesandtschaftsposten ebnen will, jämmerlich stecken bleiben. Widmen wir ihm eine Thräne des Mitgefühls. Und betrachten wir den Mann, der, nachdem Bethusy Huc in seines Nichts durchbohrendem Gefühle zusammenklappt, auf die Rednerbühne eilt. Es ist Komierowski, ein Pole. Die Polen des deutschen Reichstags sind in eigenthnmlicher Lage. Sie sind eingebannt zwischen die Szylla der Gesinnungslosigkeit und die Charybdis des Hoch- und Landesverraths. Das muß im Auge behalten werden. Komierowski verlangte, daß der bevorstehende Congreß sich der Polen in Rußland erbarmen möge. Das Haus hörte ihn eisig still an. Und der Pudel gewordene Löwe von Calbe , der nächstfolgende Redner, konnte sich nicht versagen, dem Die Folgen der czarischen Reformen. Skizzen über die Ausbeutungsfortschritte in Rußland in den letzten Jahren. (Aus der neulich erschienenen russischen sozialistischen Revue„Vorwärts" fWperods Bd. V. London .) (Fortsetzung.) IV. Also neunhundertvierundsechzig Millionen Rubet (mehr denn 2 Milliarden Mark) perschlingt jährlich die russische Staatsmaschinerie. Und was erhält das Volk für die mit seinem Blut und Schweiß geschaffenen Gelder? Nichts! Aber nicht nur das, die russische Staatsmaschinerie hemmt auch noch jeden Fortschritt und die Produktivität des Volkes, sie befestigt die Sklaverei und schützt die Interessen der prioilegirten Klassen. Aber das scheint dem unersättlichen Ungeheuer noch nicht ge- nügend. Diese Milliarden Rubel stillen sein Verlangen keines- Wegs. Alles das, was die Regierung dem Volk gütigst über- läßt, nehmen ihm die Helfershelfer der Regierung, die Kapita- listen, die Börse, die Finanzmänner— überhaupt alle Diejeni gen, die mit dem Strom schwimmen. Und das Mittel, das die guten Leutchen die Finanzmänner— dem heißhungerigen Patienten verordnen— dieses Mittel heißt: Staatskredit. In den schon längst vergangenen Zeiten machten die Regie- rungen Staatsanleihen nur ausnahmsweise, die erst dann zu nahmen, als die Finanzmänner die Anleihen in ein„System" brachten. Wahr ist es, daß auch schon früher das Streben nach Beraubung seines Nächsten existirt hatte, aber die Mittel zu diesem„edlen" Gewerbe waren nicht vollkommen. Erst mit der Entwickelung des Kapitalismus entwickelten sich auch dessen Eon- sequenzen. Wie bekannt, besteht das Streben des Kapitalismus nicht in Produzirung nützlicher Artikel, sondern in Heranbildung und Aneignung der Mehrarbeit. Die Absicht des Kapitals ist— das Aufhäufen. In seinem natürlichen Streben nach Aneignung und Anhäufung findet das Kapital einen Hemmschuh in der von ihm künstlich geschaffenen Beschränktheit der Bedürfnisse der Massen, die die Ueberproduktion und deren Folgen: die Krisen, die Fallissements, die Verschlingung des einen Kapitals durch das andere bedingt. Das Kapital geht zu Grunde durch sein � noch nicht tobten, doch todtwund daliegenden Polen den obligaten !— Löwentritt zu geben. Der sozialistische Abgeordnete, der nun zum Wort kam, führte die Debatte wieder auf den Kernpunkt zurück, geißelte die Politik der deutschen Regierung, die er für den rusfisch-türiischen Krieg und dessen Folgen verantwortlich machte, plaidirte energisch für die Wiederherstellung Polens , bezeichnete den moralischen Bankrout der europäischen Staatsmannschaft als einzige erfreu- liche Errungenschaft der Orientkrise und führte aus, daß der Congreß höchstens einen faulen Frieden zu Stande bringen könne. Wa: werden auf Liebknecht's Rede zurückkommen. Wäh rend einiger Theile derselben, namentlich bei d?m Passus, be- treffend Polen gerielh Fürst Bismarck in starke Aufregung und zerknitterte krampfhaft das Papiers, welches er in der Hand hatte. Er ließ sich zu einer Erwiderung fortreißen, die er indeß an die Adresse Komierowski's richtete und ihm aus dem Saale her- aus den kritischen Zuruf: Kalauer! zuzog. Wir fürchten, wenn Fürst Bismarck einmal stellenlos werden und seine Dotationen u. s. w. verlieren sollte, würde er beim„Kladderadatsch" nicht mehr zu verwenden sein. Noch pro korma ein kurzer aber nicht guter Epilog des Herrn v. Helldorf— und die Haupt- und Staatsaktion war zu Ende. Ohne Ovation für den Fürsten Bismarck, weshalb die reichstreuen Volksvertreter in keineswegs„gehobener Stim- mung" nach Hause, oder richtiger ins Wirthshaus abzogen. Es war 5 Uhr geworden. Also 4'/z Stunden hatte man nöthig gehabt, um dem Reichstag zu sagen, daß man ihm nichts zu sagen habe. Es ist doch ein herrlich Ding, dieser Parlamen- tarismus, besonders die preußisch-deutsche Spielart. — Auch in Wien und Pest gab es in diesen Tagen Orientinterpellationen. Ergebniß: nachzulesen in unserem Bericht über die deutsche Jnterpellattonskomödie. Sonst ist über den Stand der orientalischen Frage nichts mitzutheilen. Der„Congreß" scheint gesichert zu sein, womit natürlich nichts erreicht wäre als eine Vertagung des europäischen Kriegs. — Entsendung von deutschen Arbeiterdelegirten zur Pariser Weltausstellung. Die„Sozialdemokratische Cor- respondenz" schreibt: „Die am 24. Februar in Gotha stattfindende Gewerk- schafts-Conferenz bietet die beste Gelegenheit, die Beschickung durch Arbeiterdelegirte in die Hand zu nehmen. Wenn es ihr gelingt, eine namhafte Anzahl von Gewerkschaften zu bestimmen, Depmirte nach Paris zu senden, dann hat sie eine That voll- bracht. „Auch glauben wir, daß gerade die Anregung zur Beschickung der Pariser Weltausstellung ein einigendes Band um die Eon- ferenzdelegirten schlingen wird, da ja die eigentliche in Gotha zu lösende Frage, die Centralisattonsfrage, doch vermutlich Anlaß geben wird, die Geister auf einander platzen zu lassen. „Die Beschickung der Pariser Ausstellung aber ist geradezu vorzugsweise eine Gewerkschaftssache; die Vertreter der ein- zelnen Branchen können nicht nur in ihrem und ihrer Gewerkschaft Interesse Fachstudien machen, sondern ihnen ist es auch leicht, mit den französischen und auswärtigen Fachgenosseu Anknüpfungspunkte zu finden, die für das Gewerkschaftswesen in Deutschland immerhin von Vortheil sein können. Hiezu rechnen wir vorzugsweise eine eventuelle Besprechung über die Jmporti- rung fremder Arbeiter bei ausbrechenden Strikes. „So möchten wir unseren Vorschlag den Vertretern auf der Gewerkschafts- Conferenz einer eingehenden und wohlwollenden Erwägung ganz besonders empfehlen. „Zu dem großen Friedensfcste, welches diesen Sommer an der S'ine gefeiert wird, ein leuchtendes Gegenstück zu den bar- barischen wilden Kriegsorgien an der Donau , am Balkan und in Armenien , müssen auch die deutschen Arbeiter Stellung nehmen, sie werden es thun, indem sie mit Liebe und Freudig- keit ihren Brüdern jenseits der Mosel die Hand reichen, im Be- wußtsein, daß die Arbeiter der Kulturländer im Stande sind, die Geschicke der Nationen zum Guten zu wenden." So die„Sozialdemokratische Correspondenz". Wir schließen uns diesem Vorschlage voll und ganz an. — Ein heldenmüthiger Kulturkämpfer. Zu einem Offizier in Altona kam jüngst ein GyPsfigurenhändler und bot demselben Büsten des Kaisers, Kronprinzen, Bismarck u. s. w. an. Der Offizier wollte aber nichts kaufen, da sein Zimmer mit der- eigenes WachSthum. In dieser Eigenschaft des Kapitals lieg sein ganzer Widerspruch, den C. Marx in seinem„Kapital" hervorhebt, und dieser Widerspruch birgt in sich den Keim dez Todes des Kapitals und die Bürgschaft auf Erfolg für die Gegner des Kapitals. Die Kapitalisten fühlen, wenn nicht bewußt, so doch in- stinktiv die organische Krankheit deS Kapitals und find bestrebt, je nach ihren Kräften, ihr entgegenzuwirken. Ein natürliches Mittel dazu ist der Verbrauch eines Theils des„Mehrwerths" außerhalb der Produktion— nämlich es verbrauchen ihn selbst die Eigenthümer des Kapitals, am meisten aber die Börsenjobber und deren gutgenährte und hoffnungsvolle Söhnchen. Aber wie unsinnig die Vergeudung seitens der Bourgeoisie auch sein mag, dennoch kann diese Vergeudung die große Masse des Mehrwerths nicht aufzehren, ksolens volens müssen die Kapitalisten„Er- sparnisse" anhäufen, die im Conkurrenzkampf entweder zu Grunde gerichtet werden oder sich noch mehr vergrößern. Um aber diesem vorzubeugen, griffen die Kapitalisten zu einem sehr sonderbaren Ausweg, nämlich sie suchten solche Leute auf. die genöthigt sind, diese„Mehrwerthe" unproduktiv zu gebrauchen und dem Kapitalisten dafür Prozente zu zahlen. Solche Leute sind die Steuerzahler. Das System der Staatsanleihen ist als das beste und richtigste Mittel, diese Ausgabe zu erfüllen, erkannt worden. Der Staat bekommt als Anleihe bedeutende Summen, die er zumeist unproduktiv anlegt, oder er verwendet sie nur zu solchen Zwecken, die allein dem Kapitalisten nutzbringend sind. Die Kapitalisten gewinnen mehr und mehr bei solchen unproduktiven Vergeudungen des Staates, dazu bekommen sie noch in Form von steuern ihre sicheren Prozente und Abschlagszahlungen. Und so sehen wir, daß die Staatsanleihen die natürlichen Berbün- deten des Kapitals in seinem Kampf um's Dasein ausmachen und ihm zur Fristung seines Daseins dienen helfen. Hätten keine Staatsanleihen existirt, so würden sich Krisen und Ueber- füllung des Waaremnarktes öfters und öfters wiederholt haben. Der Tempel des gesetzlichen Raubes und der Ausbeutung— die Börse— trägt auch viel zur Vermehrung der Staatsschulden bei. Dank den Staatsschulden, die in letzter Zeit fabelhafte Dimensionen angenommen haben, konnte sich die moderne Spe- kulation breit machen. Die Börse, nur um ihr eigenes Interesse besorgt, unterstützt diese Anleihen und fängt durch ihr verfüh- rerisches Angebot die Regierungen in ihren Netzen, aus denen l artigen Figuren bereits reichlich versehen war, musterte jedoch mit einem flüchtigen Blick die Waare und fragte den Händler i plötzlich:„Wer ist denn das, den Sie da stehen haben?"„Las- ! falle!" war die Antwort...Was kostet er?"„Eine Mark!" Der Offizier griff mit einer Hand in die Tasche, mit der andern öffnete er das Fenster, und als der Händler das Geld in die Hände bekam, war der Lassallckopf auch schon ergriffen und mit solcher Gewalt gegen die Wand des Nebengebäudes geschleudert, > daß die Stücke wie Spreu im Hofe herumflogen. Nun ist der Sozialismus sicherlich vernichtet�— Wie wäre es, fragen wir bei dieser Gelegenheit, einem Sozialdemokraten ergangen, der den hohlen, gypsernen Kopf einer Büste des Kaisers an der Mauer zertrümmert haben würde. Majestätsbeleidigungsklage, 6 Monate Gcfängniß! Und das Betragen des„gebildeten" Lieutenants provocirte ja geradezu zu solchen Handlungen. — Im sächsischen Landtage hat man eine Steuerreform eingeführt. Unser Parteigenosse Freytag beantragte, als Steuer- minimum 500 Mark festzusetzen, damit nicht der direkte Hunger — besteuert würde. Die„klugen, satten Leute" aber, die sich in der Majorität im Landtage befinden, stellten das Minimum auf ein Einkommen von 300 Mark fest. Man sieht da wieder recht deutlich, daß in allen„Volksvertretungen" der Geldsack regiert. — Aus der Schweiz . Ein feiger, meuchlerischer Ueberfall wurde am 3. Februar in Zürich an Arbeitern verübt. Es ist bekannt, daß die dortigen Spengler sich schon seit mehreren Wochen im Ausstande befinden; diese nun hatten an dem ge- nannten Tage zu einem erlaubten Zwecke Parouillen ausgestellt, das paßte aber den Arbeitgebern nicht, sie fielen in Gemeinschaft mit einer Anzahl gediegener Raufbolde über die nichts Arges ahnenden Arbeiter her und mißhandelten dieselben mit Todtschlä- gern und ähnlichen Mordwaffen auf die scheußlichste Weise. Die Polizei war, wie das in solchen Fällen ja immer zu geschehen pflegt, passive Zuschauerin. Zu bedauern ist nur, daß die Ar- bester unbewaffnet waren, sie hätten den rauflustigen Arbeitgebern sonst gründlich die Wege gewiesen.— Die Aussperrung der Spengler dauert noch fort. Der Zuzug ist fern zu halten.— Ein Correspondent im„Grütlianer" führt in einem bemerkens- werthen Artikel die Thatsache an, daß in Basel vor Neujahr 200 Säcke(das wären etwa 700 Ctr.) Getreide in den Rhein geworfen worden seien! Das ist unsere herrliche Gesellschaftsordnung. Das Volk hungert— und zum größeren „Profit" der Getretdespekulanten muß das Brod verderben und ins Wasser geworfen werden. — Aus Paris wird unterm 13. Februar gemeldet, daß der Minister des Innern das für einige ausländische Zeitungen er- lassene Verbot der Verbreitung in Frankreich ausgehoben habe. Zu den verbotenen Zeitungen gehörte bekanntlich der„Vorwärts". Ob auch für ihn das Verbot jetzt aufgehoben ist, wissen wir nicht. — Der Londoner Steinhauerstrike hat mit einer voll- ständigen Niederlage der Arbeiter geendigt. Es ist den Meistern gelungen, so viel fremde Arbeitskräfte herbeizuziehen, daß alle Stellen über und über besetzt werden konnten. Ob die englischen Äewerkoereinler die Lehre beherzigen werden? Dann wäre diese Niederlage ein Segen für die Arbeiterwelt. — Leo Xlll. hat?!o novo abgelöst; er nannte ficb früher Cardinal Pecci. Der Name erinnert zugleich, und stammt auch wohl davon ab, an pecus das Vieh und peeunia das Geld. Der neue Papst wird wohl auf die quadrupede Dummhest und auf die Peterspfennige gleich seinem Vorgänger weiter spetu- liren. — Um den Bann zu lösen, in den der„Erbfreund" das wirthschaftliche Leben der preußischen Ostprovinzen durch die Grenzsperre gelegt hat, befinden sich in Petersburg schon fest mehreren Wochen deutsche Spezial Bevollmächtigte, welche mit der' russischen Regierung über Milderung der mannigfachen Erschwernisse, unter denen der wirthschaftliche Verkehr Deutschlands mit Rußland leidet, verhandeln. Kürzlich ist nun der„National- Zeitung" ein Schreiben von der preußischen Ostseeküste zugegangen, welches sich sehr kleinlaut ausspricht. Darnach soll feststehen, daß die deutschen Spezial-Bevollmächtigten so gut wie gar nichts erreichen werden. Etwas anderes war von dem„Erbfreund" nicht zu erwarten; eher fällt die chinesische Mauer, als daß Rußland die Grenzsperre aufgiebt. Bei dieser Gelegenheit sei nur ein Ausweg, der des Bankerotts, möglich ist. Die Vörie läßt sich aber von diesem Bankerott- Gespenst nicht abschrecken. Jeder Börsenjobber ist nur um seine eigene Person besorgt und denkt, daß seine Person, im Fall c ner Katastrophe, sich dem Unglück entwinden werde. Er hofft, seine werthlosen Papiere noch vor einer Katastrophe seinem„Nächsten" abzusetzen; ihn geht es gar nichts an, ob der Staat im Stande sein werde, seine Schulden zu bezahlen; ihm ist es nur daran gelegen, „Profit" beim Verkauf der Staatsobligationen zu machen. Seine Devise ist:„�.prez noua le döluge"— nach uns die Sündfluth. Wahrlich, man sollte diese Devise in feurigen Lettern am Ein- gange eines jeden Börsenpalastes anbringen. Nur daraus, daß die Mitwelt diese Devise schlechthin acceptirt, ist es zu erklären, daß Staaten wie die Türkei , Rußland , Oesterreich u. a., deren Insolvenz einem Jeden einleuchtet, sich noch eines Credits seitens aller europäischen Börsen erfreuen. Auch die„gelehrten" Finanziers haben eine geistreiche Theorie zur Entschuldigung des Staatsschuldenmachens erfunden. Sie erklären, daß vermittelst der Anleheii die Regierungen die Lasten der Ausgaben für allgemein nützliche Unternehmungen auf eine ganze Reihe von Generationen vertheilen. Die Regie- rungen schaffen damit eine große Wohtthat, wie der jetzigen so den künftigen Generationen, indem sie die ersteren von einem Theile der Ausgaben für Unternehmungen, deren Wohlthätigkeit erst de» künftigen Generationen zufallen werde, befreien, wäh- rend sie den letzteren die Möglichkeit verschaffen, die Früchte dieser Unternehmungen zu genießen. Gäbe es keinen Staatskredit, so wäre auch der Held von Sedan und auch seine früheren Hcldenthaten unmöglich gewesen. Für unsere Finanzmänner ist es ganz unwesentlich, was wir einfachen Sterblichen dadurch zu leiden haben:— daß wir, das Volk— gäbe es keinen Staatskredit— nicht gezwungen wären, Jahrhunderte lang den Kapitalisten Abgaben zu zahlen; für sie ist auch unwesentlich, daß, dank den Staatsschulden, der moderne Militarismus möglich geworden ist. Selbstoerständlich wollte das russische Reich bei seinen refor- matorischen Anläufen nicht hinter dem Jahrhundert zurückbleiben. Es überträgt auf seinen Boden jedes Unkraut, welches auf ge- schichtlich vorbereitetem Boden des Westens wuchert, und bedenkt gar nichts ob dieses oder jenes Unkraut für seine Entwickelung nöthig sei. Der russische Kapstalismus hat noch keinen solchen
Ausgabe
3 (24.2.1878) 23
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten