anderer Völker zu wahren im Stande sei; und zum Beweise dessen, wie schwer das russische Volk mißhandelt und gepeinigt wird, sei hier der Auszug aus einem Briese wiedergegeben, den ein abgesetzter russischer Staatsanwalt an dieRußkoje Oboßjenie" (Russische Rundschau) gerichtet hat. Dieser Brief beweist mehr, als wir, die russischen Sozialisten, zu sagen in der Lage wären. Er lautet folgendermaßen: Herr Redakteur! Die im Folgenden angeführten grausigen Thatsachen haben in mir schon öfter den Gedanken wachgerufen, mir ein anderes Vaterland aufzusuchen, um nicht mehr Zeuge zu sein von Greuelscenen, wie ich sie erlebt habe. Ich gab meinen Borsatz aber stets wieder auf, nur um meinen Posten nicht zu verlassen. Da aber alle meine Bemühungen, den von mir entdeckten Uebelständen abzuhelfen, fruchtlos blieben, so bringe ich sie hiermit an die Oeffentlichkeit, vielleicht daß dann Wandelung eintritt. Seit dem Jahre 1871 war ich als Staatsanwalt bei dem Orenburger Gouvernements-Gerichte angestellt. Als solcher mußte ich alle Gesetzesausführungen und-Verletzungen überwachen, was ich auch sehr gewissenhaft that. Meine Strenge im Ueberwachen der Gesetze führte mir viele Feinde unter der ganzen Orenburger noblen" Gesellschaft zu. Auf Anordnung des Justizministers hatte ich die Revision der Gerichtsinstitutionen des Orenburger Gou- vernements vorzunehmen, wozu ich 4 Monate bedurfte; während dieser Zeit war ich überall von Bittenden umlagert. Jetzt erst sah ich das ganze Elend. Ich sah Richter, die Gesetz und Gerechtigkeit verhöhnten, ich sah, wie die Polizei brutale und ungestrafte Gewaltthätigkeit gegen Schwache verübte. Alle Bit- tenden waren fest überzeugt, daß es in Rußland keine Gerechtigkeit gäbe. Es schmerzte mich sehr, diese Leute vom Gegentheil nicht überzeugen zu können, aber es gelang mir doch, Hunderte von Jnhaftirten zu befreien, die jahrelang unschuldig im Kerker ge- schmachtet hatten. Die ganze Orenburgernoble" Clique bestand aus den ver- werflichsten Leuten, von welchen man nur mit Ekel sprechen kann. Sie trieben förmlichen Handel mit dem Gesetze, wodurch es ihnen möglich war, große Reichthümer zusammenzubringen. Sie stiften überall unsägliches Elend, gegen das sie unempfindlich sind, und wehe dem, der ihnen hindernd in den Weg tritt. Da alle diese Niederträchtigen unter sich solidarisch waren, so wurden alle ihre Verbrechen und Vergehen vertuscht. Ich warnte den Oren- burger General-Gouverneur vor diesen Leuten, aber der nahm die Sache nicht ernst. Um das Loos der Sträflinge einigermaßen zu erleichtern, forderte ich für dieselben mehr Lust und Licht, vergebens. Ich finde keine Worte, um die durch die Strafanstalt empfangenen Eindrücke zu beschreiben. Hunderte von Jnhaftirten fanden dort ihren frühen Tod. Schrecklich und schmerzlich war es, die Jammergestalten anzusehen. In Lumpen gehüllt lagen neben- einander auf dem feuchten Boden Betrunkene und Schwindsüchtige; die Zimmerdecke drohte zusammenzustürzen; die mit Stützpfeilern versehenen Wände waren feucht und mit dem Blut der zerdrückten Wanzen bedeckt. Die Luft war zum Ersticken. Im Gefängniß- Lazareth sind nicht mehr als 56 Betten, und die Kranken wälzten sich auf dem schmutzigen Boden, nicht selten neben solchen Leidensgenossen, die bei lebendigem Leibe verwesen. »Ich gestehe, daß ich hier nur einen verschwindend kleinen Theil von dem erzähle, was ich dem Minister über die vor- gefundenen Zustände schrieb. Ich will noch kurz der zwei letzten Ereignisse, infolge deren man mich absetzte, Erwähnung thun. <zm Städtchen Jlezky-Gorodok, 50 Werst von Orenburg , befindet sich ein Gesängniß für die Katorga- Deportirten. Gefängniß- vevwalter ist ein wegen Plusmacherei abgesetzter Kreisrichter, der, wie die Orenburger Behörde meinte,für Geld zu allem fähig ist". Man kann sich leicht das Loos der ihm anvertrauten Sträflinge vorstellen. Als rch auf meiner Revision dieses Ge- fängniß besuchte, erfuhr ich, daß man hier die Sträflinge en masse prügele. Man erzälte mir, daß vor zwei Monaten auf dem öffentlichen Platze des Städtchens im Beisein des Gefängniß- Verwalters und seiner Gehilfen und unter Zusammenlauf einer großen Menge viele von den Jnhaftirten so geprügelt worden seien, daß sie das Bewußtsein verloren hätten. Nach dieser Prügelexekution wurden sie mit einem Strick an den Füßen ge- bunden und nach dem Gefängniß geschleppt.Für uns sagte mir einer dieser Unglücklichen giebt es nur noch einen Trost, das ist die Hoffnung, daß uns Gott unsere aus Erden begangenen Sünden vergeben werde, wenn man uns hier so unmenschlich züchtigt. Für uns ist alles verloren; es giebt für uns keine Rückkehr in das bürgerliche Leb m, und darum müssen wir uns gehorsamst fügen und dulden! Wir wissen sehr gut, eS wäre Unsinn, uns gegen die Gefängnißbehörde zu wehren, sogar mit einem Worte. Wir sind in der Gewalt von Unmenschen und Ungeheuern, von denen unser Loos abhängt." Und doch konnte ich den Leuten nicht helfen. Ich stand vereinzelt, die ganze Orenburgernoble" Gesellschaft war gegen mich. sind erfunden, um sich der unliebsamen Menschen, welche meist poli- tische Gegner des genannten Ministers sind, zu beseitigen. Dreihun- dert dieser Opfer der Willkürherrschast wurden zum Tode verurtheilt, von welchen auf Verwendung der fremden Consuln 72 zu zehnjähriger Gefänguißstrasebegnadigt" wurden. Die anderen werden im Namen derOrdnung" und desRechts" gemordet werden. Serbien verdient es, in die Reihen derCulturländer" aufgenommen zu werden. Auf Wunsch der Hamburger Liedertafel Lassallea" hat Genosse Jak. A udorf, der Dichter derArbeiter-Marseillaise", .J Liebe:Wie sie so sanft ruh'n:c." einen andern Text ® t5'? dessen Mittheilung auch wohl den anderen Liedertafeln erwünscht ist, und den wir deshalb nachstehend zum Abdruck bringen. G r a b l i e d. Melodie: Wie sie so sanft ruh'n. ffL b?t®rö6er rief uns die Freundespflicht, theures Leben zerbrach die Todeshand. Schmerz so groß, «: der Erde Schooß Em liebes Wesen hinab wir senken! Die Ihr im tiefsten Weh um die Verstorb'nen weint, Stillt Eure Thranen sucht in der Liebe Trost! Senkt Euer Leid hinab In dieses stille Grab. Wer weiß, wie bald auch schlägt uns're Stunde. Und die Ihr trauernd nun die Hand voll Erde hebt Thränenden Aug's hinab m diese Gruft, Laßt jede Zwietracht Sinken in Grabesnacht, Laßt unS in Liebe der Tobten gedenken! Die gewöhnlichen Strafen in diesem Gefängniß sind folgende: Man bindet den ungehorsamen Sträfling an einen Bock und verabreicht ihm mit einer in salzigem Wasser geweichten Dorn- ruthe 35-135 Hiebe. Einer unmenschlichen Züchtigung unter- liegen auch alle Diejenigen, die den Gefängnißwärter und seine Gehilfen zufällig einmal mitDu"*) anstatt mitSie" anreden. Ueber das Gefängnißlazareth sprechen sich alle Sträflinge sehr ungünstig aus:Dort ist, meinen sie, ein Jeder des Todes sicher!" Der Arzt beschuldigt die Kranken der Verstellung, wofür man sie züchtigt und zur Arbeit anhält. Selbstverständlich schrieb ich alles das an den Justizminister, und infolge dieses meines Vorgehens wurde ich als Aufwiegler erklärt und im ganzen Gouvernement als Skandalmacher ver- schrieen. Die ganze Clique verschwor sich jetzt gegen mich, und so wurde eines Nachts bei mir durch einen mir unbekannten Obrist und den Orenburger Polizeidirektor in Begleitung vieler Soldaten strenge Haussuchung gehalten. Nach der erfolglosen Haussuchung, die auf Befehl der Iii. Abtheilung vorgenommen wurde, erklärte mir der Obrist, daß ich per Telegramm aus Petersburg von meiner Stellung als Staatsanwalt abgesetzt sei. Ich mußte mich fügen. Einige Tage nach diesem Vorfall mußte ich auch auf Befehl des Obristen die Stadt verlassen, auch las ich zu meiner großen Verwunderung imRegierungs - boten" meine Amtsentsetzung, die auf mein eigenes Ansuchen erfolgt sein sollte. Um meine Demission habe ich aber niemals nachgesucht. Ich begab mich sogleich(es war im Jahre 1875) nach Petersburg , um mir Aufklärung über diese Vorkommnisse zu verschaffen, aber bis heute ist es mir nicht gelungen, solche zu erlangen. N. Pawlow-Sylwansky, gewesener Staatsanwalt im Gouvernement Orenburg.". Aus diesem Brief können wir nur einen Schluß ziehen, nämlich den, daß Rußland für ehrliche, menschlich fühlende Männer keine Stätte ist. br. 3?rag, 25. März. Wiederum ist eine von jenen Spar- banken in die Brüche gegangen, die nach dem Schulze-De- litzsch'schen System zwar wie Pilze aus dem Erdboden geschossen find, aber in der jetzigen Krachzeit auch wie Pilze unter dem rauhen Tritt der gegenwärtigen ökonomischen Mißverhältnisse wieder verschwinden. Es ist der Bezirks-Spar- und Vorschutz- verein d:r Stadt Arnau, der den Weg alles Fleisches gegangen ist. Begreiflicherweise hatte sich der Interessenten, die sich zum größten Theil aus der Landbevölkerung rekrutiren, eine tiefe Erregung bemächtigt, und da in Geldsachen bekanntlich die Ge- müthlichkeit aufhört, so ist es auch gar nicht zu verwundern, daß sich eines schönen Morgens eine nahezu aus 800 Menschen bestehende Menge vor dem Geschäftslokale des genannten Spar- und Vorschußvereins ansammelte, um über den Verbleib der Spareinlagen direkte Aufklärung zu verlangen. Was weiter geschah, will ich nach demPrager Abendblatt" berichten, dem ich aber die Verantwortung für seine Mittheilungen überlassen muß.Als Niemand von den Ausschußmitgliedern erschien, steigerte sich der Groll der Leute derart, daß er sich in Thät- lichkeiten Luft machte. Namentlich erbittert zeigte sich die Menge, in welcher wild gestikulirende und lärmende Weiber das große Wort führten, gegen jene zwei Männer, welchen sie die Haupt- schuld beimaß, daß ihre Ersparnisse als gefährdet zu betrachten seien, nämlich gegen den Bezirksobmann Herrn Steffan und den Vereinskassirer, den gewesenen Bezirksvertretungs- Sekretär Herrn Müller. Nachdem die in die Sparkassenkanzlei einge- brochene Menge daselbst nichts vorgefunden, drang ein starker Haufe in die Wohnung des Herrn Steffan ein, zertrümmerte Thüren, Fenster, Einrichtungsstücke:c. und verlangte unter wil- dem Geschrei von Herrn Steffan, der im Bette lag, die Zurück- zahlung der Spareinlagen. Herr Steffan wurde mit Verwün- schungen überhäuft, aus dem Bette gezerrt, angespieen, geohr- feigt, mit Todtschlagen bedroht, die Kleider wurden ihm vom Leibe gerissen und es wäre wohl zu einer noch viel schlimmeren Katastrophe gekommen, wenn nicht rechtzeitig eine Abtheilung Gendarmerie erschienen wäre, welcher es durch gütliches Zureden schließlich gelang, die aufgeregte Menge zu entfernen. Bor der Gendarmerie war auch schon der k. k. Bezirkssekretär Herr� Stumpf in Steffan's Wohnung eingetroffen, der mit den Gendarmen die gefährlichsten Angriffe auf die Person Steffan's abwehrte, so daß Letzterer an Körper und Gesundheit keinen Schaden er- litt. Aus Steffan's Wohnung hatten sich die Tumulwanten noch in jene des Vereinskassirers Müller begeben und dort gleich- falls wild gehaust. Fenster und Thüren wurden eingeschlagen, Möbel und Oefen zertrümmert und Müller überall gesucht, zu seinem Glücke aber nicht aufgefunden. Nachdem der aufgeregte Haufe in dieser Weise sein Müthchen gekühlt hatte, trat Beruht- gung ein und kam es auch seither nicht zu weiteren Excessen. Mittags traf der k. k. Bezirkshauptmann von Hohenelbe , Statt- haltereirath R. v. Brechler, im Orte ein, ertheilte der Volks- menge Aufklärung über die Angelegenheit und beruhigte die Leute namentlich wegen der Spareinlagen." DasPrager Abendblatt" theilt dann weiter mit, daß noch am selbigen Abend eine Ablheilung Militär in Arnau eintraf und daß die Ruhe dann nicht weiter gestört worden sei. Unter dem Drucke der Militärgewalt wird dieBeruhigung" der Ge- prellten wohl eine nachhaltige sein; betreffs der Spareinlagen dagegen wird das alte Sprichwort:Wo nichts ist, hat selbst der Kaiser sein Recht verloren" um so sicherer zur Geltung ge- langen, als der Bezirksobmann Steffan und der Kassirer Müller am 20. März verhaftet worden sind, welcher Umstand darauf schließen läßt, daß die Herren Verwalter mit den Spareinlagen zu ihrem Nutzen nicht sonderlich sparsam umgegangen sein mögen. Aerkin, 28. März. Wegen der Auflösung der am 17. März in den Lokalitäten desTivoli" einberufenen Versammlung hatte der Einberufer sich beschwerend an das Polizeipräsidium gewandt, von demselben aber den Bescheid erhalten, der Polizeilieutenant habe nur im Jntereffe der Versammelten gehandelt, weil, da das Versammlungslokal überfüllt war, leicht ein Unglück hätte geschehen können. Mit diesem Bescheide konnte der Abgewiesene natürlich nicht zufrieden sein, und so hat derselbe sich nunmehr mit einer Befchwerde an den Minister des Innern gewandt. In derselben wird auseinandergesetzt, daß das Verfahren des be- treffenden Polizeibeamten und oer dieses Verfahren billigende Bescheid des Polizeipräsidiums mit dem Gesetz unvereinbar find. Es wird ferner angeführt, daß die Versammlung aus erwach- senen und disvofitionsfähigen Personen bestanden habe und daß Niemand in dem starken Besuche eine Gefahr für Leben oder Gesundheit erblickte. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre von Sette der Versammelten gewiß darauf aufmerksam gemacht worden. Wo also Niemand eine Gefahr erblickt, soll auch der Polizeibeamte nicht das Recht haben zu erklären:Ihr seid in Gefahr, weil Ihr in zu großer Masse erschienen seid: Eure Versammlung ist aufgelöst!" Der Beschwerdeführer weist darauf *) Hier muß bemerkt werden, daß das ruffische Volk alle Leute hoch wie niedrig, sogar den Kaiser mitDu" anredet. hin, daß, wenn sich die Polizei ein solches Vorgehen gegen die Conservativen erlauben würde, dies weder diese noch der Mi- nister gutheißen würden. Wenn der Polizei eine derartige Be- fugniß eingeräumt würde, könnte in Zukunft z. B. der Beamte erklären:Die Hitze und der Tabaksqualm hier im Saale wirke» auf Eure Lungen zerstörend ein; die hier eingeschlossene Luft i ist Stickluft. Ihr könnt ohnmächtig werden, jedenfalls zieht Ihr Euch Affektionen der Athmungsorgane zu. Eure Sicherheit und Wohlfahrt ist demnach gefährdet. Die Versammlung ist deshalb aufgelöst." Der Minister wird ersucht, das Verfahren des Po- lizeibeamten für ungesetzlich zu erachten und den Bescheid des Polizeipräsidiums zu rektifiziren. Die Beschwerde ist in einem würdigen aber entschiedenen Tone abgefaßt. DieVolkszeitung", deren Macher reaktionären Wind wittern, moquirte sich darüber, daß dieBerliner Freie Presse" zu dem Erlasse des Polizeipräsidiums nichts hinzugefügt hat; sie nahm den Mund voll und meinte, daß, wenn unser Organ nichts zu sagen habe, sie(dieVolkszeitung") dies thun würde, und nun citirte sie den tz 5 des Vereins- und Versammlungsgesetzes. Selbstverständlich bedürfen wir der Unterstützung derVolks- zeitung" nicht, da unsere Genossen es sehr gut verstehen, ihr Recht zu wahren, wie die Beschwerde an das Ministerium be- weist. Es ist vorauszusehen, daß das Ministerium einen ab- schlägigen Bescheiderlassen" wird, sowie daß die Angelegenheit selbst vor dem Landtage, wohin sie ohne Zweifel dann kommt, kein Glück haben wird. An diesen Resultaten ist aber die Partei derVolkszeitung", dieFortschrittspartei", mitschuldig, weil sie gegen die Einführung des freien Vereins- und Versamm- lungsrechts war und ist(siehe Unterschristsverweigerung des Dr. Max Hirsch ) und in der Polizei den besten Rückhalt erblickte. Die Fortschrittspartei hat stets mitgestimmt, wenn es galt, die Rechte des Volks zu verkümmern und zu beschneiden, und des- halb haben ihre Organe kein Recht, in heuchlerischer aber dabei sehr zahmer Weise die Polizeimaßregeln zu tadeln. Unsere Ab- geordneten werden dafür sorgen, daß das Borgehen, welches man gegen uns in Anwendung bringt, vor dem Volke in das richtige Licht gestellt wird; sie werden dafür sorgen, daß das gesammte Volk erkennt, auf welcher Seite das Recht, auf welcher die nackte Gewalt ist; sie werden aber auch dafür sorgen, dem Volke Jene zu zeigen, welche der Gewalt Vorschub geleistet, sie großgezogen haben. Unter diesen Letzteren befindet sich auch die Fortschrittspartei. chkauchau, 21. März. Die hiesige Weberinnung hatte sich der verdienstlichen aber auch mühevollen Aufgabe unterzogen, eine Lohnstatistik für Webearbeiten festzustellen. Zu die- fem Behufe wurden Anfangs Oktober v. I. an sämmtliche selbst- ständige Weber Fragebogen vertheilt. Wenn auch, wie voraus- zusehen, ein Theil der Weber nicht in der Lage war, zu jener Zeit über die Einnahmen und Ausgaben eines Jahres Bilanz zu ziehen, so war es andrerseits befremdlich, daß dem Vorhaben von vielen Seiten geradezu antipathisch begegnet wurde. An- dere wieder waren zu bequem, dem an sie gerichteten Ersuchen um Ausfüllung des so kam es, daß bei ens Beachtung zu schenken. Und holung der Fragebogen kaum die Hälfte derselben zur Ablieferung gelangte, unter denen sich aber auch solche befanden, deren Angaben auf Glaubwürdigkeit keinen Anspruch erheben konnten. Obgleich nun die noch verbliebenen, richtig ausgefüllten und auf Glaubwürdigkeit vollkommen An- spruch habenden Listen kaum den dritten Theil der in Glauchau existirenden Stühle und Werkstellen repräsentiren, so ist doch die Arbeit insofern nicht eine vergebliche gewesen, als aus derselben noch ein Anhalt über die Existenz der Weber und den Stand des Webergewerbes zu ziehen ist. Die zu beantwortenden Fra- gen bezogen sich in erster Linie auf die Zahl der Stühle in den Werkstellen, die Zahl der darauf geferttgten Stücke, den für die- selben vereinnahmten Lohn, die gehabten Ausgaben, die zu zah- lenden Steuern, die Zahl der von dem Ertrag lebenden Familien- glieder und die Zeit der Beschäftigung. 456 Listen aus der gleichen Zahl Haushaltungen mit 768 Stühlen ergaben folgendes Resultat und zwar: höchst. Jahresverdienst niedrigster Durchschnitts- Steuer a. d.) höchste Werkstelle f nie- incl. Schulgeld'drigste Sa. d. Familienglieder Gesammtbetrag d. Ein- nähme ergiebt pro Kopf p. I. P.Woche Gesammts. der Steuern pro Werkstelle pro Kopf Die Stärke der Familien beziffert auf 18, 9 und auch 10 Köpfe. Die Arbeitspausen betrugen in der großen Mehrzahl 45 Monat pro Jahr. Ungefähr 2 Mark also hat im Durch- schnitt der Mann wie das Kind, die Mutter wie der Säugling wöchentlich zu verzehren gehabt. Daß bei einem solchen Stande der Dinge von einer Selbstständigkeit der Webermeister kaum noch die Rede sein kann, ist einleuchtend. Zwar wußten wir längst, daß die Weber im Großen und Ganzen ein elendes Da- fein fristen, aber es galt endlich einmal ziffermäßig die Welt der Thatsachen festzustellen, und das ist, so glauben wir, durch obige Zahlen gelungen. Aber nicht allein für uns haben wir die Zahlen ermittelt, auch Jene mögen sie zur Kenntmtz neh men, die die Lage der Weber noch immer als eme erträgliche darzustellen dreist genug sind. Hederan, 26. März. Am 23. März wurde hier eine von mehr als 400 Personen besuchte Volksversammlung abgehallen, in welcher Genosse Kayser aus Dresden das Referat über­nommen und sich dieser Aufgabe in bekannter Weise entledigte. Die politische und wirthschaftliche Lage Deutschlands wurde vom Redner auf das trefflichste beleuchtet und ganz besonders wurden die theoretischen und praktischen Ziele der Nationalliberalen einer satyrischen Besprechung unterzogen. Nachdem Kayser geendet, meldete sich ein Arbeiter, Namens Rudolph, zum Wort und vertrat die Anschauungen der Conservativen. Durch die Ein- führung der Arbeitsbücher, welche er sehr wünsche, werde der ante Arbeiter" in seinem Fortkommen unterstützt und gesichert; auch wünsche er unter den Arbeiternreine Zucht" undfromme Sitte" und kam zum Schlüsse, daß diese schönen Dinge nur im Christenthum und durch das Christenthum zu haben sind. Rur mit Mühe konnte der Vorsitzende die Kundgebungen des Unwil- lens der Anwesenden hintanhalten. Kayser hatte keine schwere Mühe, den Gegner zu widerlegen, was unter der lebhaftesten Zustimmung von Seiten der Versammlung geschah. Noch ein- mal kam Rudolph mit seinerEntgegnung", wurde aber von Kayser gehörig heimgeleuchtet. Zur Charakteristik dieses Men-