öroßartiger Organisation nur verderblich für unsere Sache aus- fallen. Eine möglichst rasche Propaganda und Organisation also — wie unsere Fraktion sie wünscht— i st geboten. Andererseits aber ist die Gefahr, daß eine vorwiegend politische Thätigkeit bei dem Mangel unserer Propaganda-Mittel in die verpfuschenden Hände der überaus zahlreichen und schlauen Gewerbspolitiker falle, nicht zu unterschätzen— und darin haben die gewerkschast- lichen Sozialisten Recht. So haben wir also drei Arbeiterparteien, d. h. drei Par- teien, welche weit überwiegend aus unzufriedenen und zur Macht strebenden Arbeitern bestehen und für die Rechte der Arbeit kämpfen wollen. Unsere kapitalistische Presse findet ihren Bor- theil darin, sie alle drei in einen Topf zu werfen und als „Communisten " zu verschreien; und der unterseeische Draht meldet Alles, wa» er drüben von unserer Arbeiterbewegung meldet, lediglich in diesem Sinne. Das müssen die Leser be- während wir also bereits eine größere ländliche Arbeiter- bewegung haben, als irgendwo in Europa vorhanden ist, und obgleich unsere Farmer durchschnittlich aufgeklärter und selbst- ständiger denken als die europäischen, sind wir doch andererseits hinter der europäischen Sozialdemokratie weit zurück, weil wir eine Nation in buntester Mischung und durch unsere vermeint- liche Selbstregierung in vielfacher Weise zersplittert und ent- muthigt sind. Man erwarte von uns nicht zuviel; wir werden in allen Fortschrittsbewegungen immer nur Nachtreter Europas bleiben. Desto weniger aber wird es Zeit kosten, daß wir Europa nacheilen, wenn dieses uns ein erhebendes Beispiel giebt. Die Bewegung wird sich beschleunigen, wenn demnächst (1. Oktober) die Baarzahlungen wieder aufgenommen werden. T>a die Arbeiterverhältnisse dadurch gar nicht, die Geschäftslage kaum merklich, beeinflußt werden können, so fällt die letzte Prophezeihung unserer kapitalistischen Presse und Polittker, daß nämlich mit der Baarzahlung bessere Zeiten kommen müßten, zu Boden. Es wäre zu wünschen, daß bald hinterher die Greenbackler in die Macht kämen, um uns mit Papiergeld zu überschwemmen und durch schlimme Erfahrungen zu beweisen, daß auch dieses Heilmittel der schlechten Zeiten nicht anschlagen kann. Bor 1880 ist dies nicht zu erwarten, und bis dahin müssen wir unsere Erwartung auf rasche Ausbreitung unserer Propaganda vertagen. In Berücksichtigung der ihr entgegen- stehenden Hindernisse müssen wir mit unseren bisherigen Er- folgen zufrieden sein. Sozialpolitische Uebersicht. — Die orientalische Krisis ist insofern in ein neues Stadium gelreten als Rußland klein beigegeben und sich ent- schlössen hat, der Forderung Englands gemäß, den ganzen Vertrag von San Stefano dem Congreß vorzulegen. Nur will die russische Regierung, um„die Dehors"(den äußeren Schein) zu wahren, dies nicht selber thun, sondern es durch den„ehr- lichen Makler" thun lassen, der auf diese Weise seinem selbstge- wählten Titel weit mehr entsprechen würde, als er fich wahr- sweilich eingebildet hat— ein„Makler" ist bekanntlich bloß der „Agent" eines Anderen, in dessen Auftrag und Interesse er zu handeln hat— gegen eine„Provision". Die„Ehrlichkeit" ist natürlich seine Sache. Auf welche„Provision" Fürst Bismarck rechnet, da« können wir nicht wissen. Vorläufig hat er mit seiner„Gürtelrose" zu thun, die etwas bösartiger ist, als man erwartet hatte. Wie lange die orientalische Frage ihr„fried- liches Geficht" behalten wird, das können wir freilich nicht sagen.— Der deutsche Kaiser soll sich die Schwulitäten seines Petersburger Neffen sehr zu Herzen nehmen, es heißt, er habe neulich geäußert, daß Preußen seinen„traditionellen Bundesge- Nossen" und„Erbfreund" nicht im Stich lassen kann. Das ist indeß offenbar russische Tendenzlüge, denn ein preußischer König und deutscher Kaiser muß wissen, wie infam der sogenannte „Erbfreund" uns Deuffchen und speziell Preußen mitgespielt hat. Wir erinnern nur an den beispiellos schuftigen Berrath nach der Schlacht von Jena und den Tilsiter Frieden. Der deutsche Kaiser ist also durch die, sich als Patrioten aufspielen- Der Osten röthet sich. Im Osten, wo noch nie ein Strahl Der Bölkerfreiheit sich gezeigt; Wo freventlich zur Menschenqual Selbst das Gesetz die Hände reicht; Wo'S Menschenantlitz trägt den Zug, Den finstern Zug vom Schmerz geprägt; Wo auf den Lippen liegt der Fluch, Der sich für Unterdrücker regt; Wo, von der feigen Macht bezahlt, Der schufttge Berräther schleicht; Wo man mit Henkerthaten prahlt, Der Muthigste am Galgen bleicht.— Im Osten, wo man fast verzagt, In GeisteSnacht und Geistesnoth; Wo's nie geleuchtet, nie getagt, Da schimmert jetzt das Morgenroth. Im Osten, wo man frech verhöhnt, Das Völkerrecht und Bölkerwohl, Wo sterbend der Gefang'ne stöhnt, In Kerkerhöhlen, dumpf und hohl. Von jeder Menschenhilfe weitl Und fern vom treuen Mutterherz; Die grause letzte Lebenszeit, Beschwert noch, von der Kette zog:— Wo die Leibeignen man befreit, Zu schwächen nur den Adelstand— Und dann dem Hunger sie gewecht, Verstoßen, ohne Haus und Land; Wo man fich rühmt noch solcher That, Betitelnd sie—„Humanität"— In Wahrheit heißt sie Volksverrath Und Drachensaat, die man gesät. Im Osten, wo so oft noch schlägt, Ein Tigerherz in Menschenbrust; Wo man des Krieges Fackel trägt, Ins Nachbarland, aus Beutelust. Wo man ein Bollwerk hergestellt, Für grimmige Despotenmacht; Wo um ven Herrscherthron gesellt Sich, Habsucht, Bosheit, Niedertracht: Dort ist der Vorkampf nun entbrannt Und fordert unfern Beifallsgruß, den Verbreiter dieses Geschichtchens schrecklich verläumdet, und beleidigt worden.— Sehr übel ist von den deutschen und nichtdeutschen Russen die Demonstration vermerkt worden, welche gelegentlich eines, dem englischen Thronfolger(Prinzen von Wales) zu Paris gegebenen Zweckessens vom Stapel gelassen ward. Die vornehmsten Vertreter der französischen Republik wetteiferten mit dem künftigen König von England in Betheue- rungen der Freundschaft, so daß das Fest zu einer offiziellen Kundgebung im Sinne einer französisch-englischen Allianz wurde— für die Herren Russen und deren Anhängsel allerdings im jetzigen Moment kein sonderlich angenehmes Thema. — Majestätsbeleidigung aus übergroßer Majestäts- Verehrung war das sonderbare Verbrechen, wegen dessen am 3. d. drei in bayrischen Diensten befindliche preußische Unter- offiziere sich vor das Militärbezirksgericht zu München ver- antworten mußten. Die Betreffenden— der Fall ist unseren Lesern sicher noch im Gedächtniß— tranken bei der letzten Feier von„Kaisers Geburtstag" sehr eifrig Kaisers Gesundheit, hatten| dann aber keine Lust, hernach noch Königs Gesundheit zu trinken, nämlich die des bayrischen Königs, ihres neuen Sonverains. Sie huldigten offenbar dem Grundsatz: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir, und erkannten, entgegen dem Spruch:„Weß Brod ich eß, deß Lied ich sing" den Bayern - könig nicht als vollmächttgen Gott an. Diese monotheisttsch- exklusive Kaiserverehrung empörte die loyalen Bayern -Gemüther: ein Prozeß auf Beleidigung der bayerischen Majestät wurde eingeleitet und kam am 3. d. zur Erledigung. Einer der An- geklagten, der seine Harmlosigkeit nachwies, wurde freigesprochen, die beiden anderen zu einmonatlichem Gefängniß und Kassirung verurtheilt. Der Staatsanwalt, der von sittlicher Entrüstung und Loyalität triefte, hatte 6 Monate Gefängniß beantragt. — Ein Soldatenbrief. Bon einem Parteigenossen ist der„Neuen Offenbacher Zeitung" folgender Brief eines zur Uebung eingezogenen Landwehrmannes zur Benützung mitgetheilt worden: Mainz , den 31. April. Liebe Frau und Kinder! Ich will Euch einige Zeilen schreiben über mein Soldaten- leben, welches sehr traurig ist! Wir exerzieren schon zwei Tage, haben aber iveder Geld noch Kost erhalten; doch hat uns der Hauptmann heute gesagt, wir würden morgen, den 1. Mai, für Kost und Löhnung pro Tag 50 Pf. erhalten; für dieses Geld müssen wir uns verköstigen. Wir sind drei- viertel Stunden von Mainz in Baracken untergebracht— da ist es sehr schlecht. Die Uebungen dauern von Morgens Vj? bis Mittags 11 Uhr, von Nachmittags 2 bis W Uhr, und dabei bin ich unter lauter Preußen, weshalb Ihr begreifen werdet, daß ich froh bin, wenn die 12 Tage vorüber find. Schreibe mir gleich wieder ob Du etwas erhalten hast aus .der Kreiskasse. Wenn ich komme, kann ich Euch mehr er- zählen über das-- Leben. Ich grüße Euch Alle herzlich. (Folgt Unterschrift.) Der Brief, welcher in seiner schlichten Sprache„Bände redet", bedarf keines Commentars. — Zum Verhungern zu viel, zum Leben zu wenig. Der Fabrikinspektor für die Provinz Schlesien hat berechnet, daß eine Arbeiterfamilie, bestehend aus Mann, Frau und drei Kindern, das folgende Einkommen bedarf, um nur nothdürftig existiren zu können: für Brod 141 M., das find jährlich unge- fähr 400 Kilo oder monatlich 33,3 Kilo, Kartoffeln 162 M., jährlich ungefähr 4050 oder monatlich 337,5 Kilo, Gemüse 72 M>, jährlich ungefähr 360 oder monatlich 30 Kilo, Fleisch und Fett 252 M., jährlich ungefähr 252 oder monatlich 21 Kilo, Kaffee und Zucker 108 M., Genußmittel 72 M., zusammen Essen und Trinken 807 M. Hierzu Kleidung: des Mannes 55 M., der Frau 35 M., der Kinder 44 M., zusammen 134 M. Stiefel und Schuhe 70 M., Hauszeräth ec. 60 M., Steuern 12 M., Knappschaftsbeitrag 28 M., Wohnung 80 M., Heizung Dort an der Newa eis'gem Strand, Da fiel bereits der erste Schuß. In Petersburg , da eilt' herbei, Die Rächerin mit festem Muth Und badete das harte Blei In fließendem Tyrannenblut. Bald kommt die Zeit, wo sich erhebt, Die Slavenjugend heldenhaft; Das Auge klar, den Geist belebt. Die Hand gestählt mit Elsenkrast. Jetzt gähret noch der dumpfe Groll, Doch bald wird er zum rothen Grimm, Dann heischt Gerechtigkeit den Zoll, Dann geht es den Bedrückern schlimm. (Weh' jedem Reich, wo man brutal, Das Recht zum wirren Knoten schürzt Und Landesbürger unter Qual, In tödtliches Verderben stürzt.) Stimm unfern Gruß und unfern Dank, Du Slavenjugend tapfer, kühn, Mög' Jeder, der noch feigheitskrank, Genesen und für Freiheit glüh'n! Charlotte Westphal. „Sich amüftren." Unter vorstehender Ueberschrift bringt der„Staats-Socialist" ein Feuilleton von P. Gisbert, welches nicht gerade vom christ- lich-sozialen Standpunkte aus geschrieben ist. Dem anregenden Artikel entnehmen wir den letzten Theil: „Verfolgen wir einmal, so hebt der Artikel an, den Ver- lauf des Amüsements eines Menschen, der in Berlin „durch- gehen" will.— �. Mit dieser geschmackvollen Bezeichnung belegt man in Berlin das zweifelhafte Vergnügen, in gemeiner Umgebung die Nacht todtzuschlagen._. Zuerst sucht er irgend eine Kneipe mit„weiblicher Bedie- nnng" auf, die in den Blättern unter den verlockend sein sollen- den Titeln„Bedienung von zarter Hand",—„in- und ausländische Bedienung" k.—„recht aufmerksame und zuvorkom- mende Bedienung" angekündigt wird. Dort genießt er nun das hohe Glück, daß ihm das schlechteste Bier von der unorthogra- phischsten Jungfrau präsentirt wird, die vielleicht vor Wochen noch den Kehrbesen geschwungen hat und jetzt von einer rohen ausgelassenen Männerwelt dazu dresfirt wird, auf die schlüpf- rigsten Äitzchen einzugehen. und Beleuchtung 21,6 M., macht zusammen 1192,6 Mark zur Bestrritung des Hausstandes.— In runder Summe also würde eine schlesische Arbeiterfamilie, bestehend aus 5 Köpfen, 1200 Mark bedürfen, um vor nagendem Hunger einigermaßen geschützt zu sein. Wie gestaltet sich aber d e Sachlage in Wirklichkeit? Derselbe Fabrikinspektor hat ermittelt, daß beispielsweise die im Regierungsbezirk Oppeln in der Textil- Industrie beschäftigten Arbeiter mit einem Wochenlohn von 6, 7— 8 Mark, die Tage- arbeiter mit 8 M., die Weber mit S M. aufgeführt find. Im Re- gierungsbezirk Breslau erhielten die Tagearbeiter im Jahre 1876 wöchentlich 6 M„ in den Spinnereien 7—9 M. Die im Kreise Hirschberg in den Papierfabriken beschäftigten Arbeiter hatten eine Wocheueinnahme von 7— 9 M., die Eigarrenmacher im Kreise Brieg eine solche von 10— 12 M. Hierbei sei noch be- merkt, daß hier nicht die niedrigsten der zur Zeit gezahlten Löhne herausgegriffen sind; die Mehrzahl der Arbeiter hatte eine Ein- nähme von nicht über 6— 16 M. pro Woche, und die Löhne haben inzwischen keineswegs eine Steigerung erfahren. Nach obiger Berechnung sind aber wöchentlich 23 Mark zur Besttei- tung der Haushaltungskosten einer Familie mit 3 Kindern er- forderlich, während in den meisten Fällen nicht die Hälfte dieser Summe verdient wird. Man wird uns nicht den Borwurf machen können, daß unsere Darstellung„tendenziös" gehalten sei; hier sprechen nackte Zahlen, die mehr als ganze Bände be- weisen, daß die Mehrzahl der Arbeiter zum Verhungern zu viel, zum Leben zu wenig verdient. — Daß das Vereins- und Versammlungsrecht Ar- bessern gegenüber nur von Polzeignaden existirt, beweist auch der nachstehend erwähnte Vorfall, der sich in Augsburg zutrug und über den der Augsburger „Volkswille" Folgendes berichtet:„In der am vergangenen Montag bei Holzheu statt- gehabten Versammlung von Mitgliedern des allgemeinen deutschen Schneidervereins stellte der Polizeibeamte Offiziant Ernst, nach- dem die Versammlung bereits zu Ende war, an den Vorfitzenden, Herrn Hahn, das Verlangen, ihm von jedem Redner, der in der Versammlung gesprochen, Vor- und Zunamen, sowie Woh- nung und Heimath des Betreffenden anzugeben. Als der Vor- fitzende erklärte, daß er dies nicht Alles wissen könne, überreichte ihm der Beamte ein Stück Papier , auf welchem die Namen der Redner verzeichnet waren, und verlangte jetzt, der Vorfitzende solle jede dieser bezeichneten Person nach Bornamen, Wohnung und Heimath fragen, diese zu Papier bringen und dann ihm (dem Polizeibeamten) sübergeben. Als der Vorsitzende sich weigerte, dieses Alles aufzuschreiben, löste der Polizeibeamte die Versammlung auf!— Daß derartige Willküratte unmöglich wären, wenn Gesetzesvcrletzungen, die fich die Polizei zu Schulden kommen läßt, streng bestraft würden, leuchtet ein. Wenn aber statt Strafen für Gesetzesverletzungen, in der Regel Belobi- gungen für„regen Diensteifer", wie man die willkürlichen Hand- langen der Polizeibeamten den Arbeitern gegenüber zumeist be- nennt, erfolgen, dann ist es auch nicht zu verwundern, wenn die niederen Polizeiorgane sich wenig um solche Gesetze kümmern, die die Rechte des Volkes garanttren. — Während das offizielle Paris : das Paris der be- fitzenden Klassen und der Ordnungsparteien anläßlich der Welt- au-stellung in einem Meer von Wonne schwimmt und einen wahren Wolkenbruch von Friedens-, Freiheils- und Brüderlich- keitSphrasen über uns losläßt, vollzieht sich in demselben Paris ein Prozeß, der all diese Phrasen zu elenden Lügen stempelt. Wir memen den Prozeß gegen die angeblichen„Internationalen", die neulich verhaftet wurden. Am 4. d. standen zwei der fünf Verhafteten vor dem Zuchtpolizeigericht: der Italiener Eosta und der Franzose Pedoussant. Ersterer wurde zu 2 Jahren, letzterer zu 13 Monaten Gefängniß, beide zu je 500 Frcs. Geld- büße verurtheilt. Die Details der Prozeßoerhandlungen liegen uns noch nicht vor; aber so viel wissen wir, daß die ganze An- klage schon aus dem einfachen Grunde vollkommen hinfällig ist, weil die Internationale, für welche die Berurtheilten Propaganda gemacht haben sollen, gar nicht mehr existirt. — Eine Schmach!„Am Plattenberg", in einem Staats- schieferbruch des Schweizer Kantons Glarus, verunglückten den Man kann nämlich bei solchen und ähnlichen Gelegenheiten die Bemerkung machen, daß der Mann viel roher als die Frau ist und wenn eine Frau gesunken, läßt sich in 999 von 1000 Fällen das Dumas'sche Wort in„cbercbe- l'homme" übertragen. Eine merkwürdige Erscheinung in solchen mit weiblicher Be- dienung gesegneten Kneipen ist auch, daß die„Stammgäste", die fich einer freundlicheren Zuspräche der nicht ganz olympfähigen Hebe erfreuen, meistens aus unreifen, bartlosen Bürschchen und aus sehr, sehr bemoosten Ehemännern bestehen; aus den Leuten also, die des Lebens Kelch erst an die Lippen führen und die „echte Bier-Hebe" noch einer platonischen Zuneigung für fähig halten und denjenigen, die das seltsame Bestreben haben, die thatsächlich längst entflohene Jugend jener unorthographischen Jungfrau gegenüber geltend zu machen und sich so unverheirathet wie möglich zu geberden. Die gereiftere Jugend ist hier seltener zu sehen und wenn sie da ist, dann tritt sie den Nimmersatten Trinkgeld Hyänen, die durchaus immer noch„eine Erlanger " oder(wenn es eine Wein- kneipe ist)„ein Fläschchen Rothspon" bringen wollen und immer zu Gunsten des WirtheS einen gottgesegneten Appetit haben (weiß der Himmel, wieso sie den bekommen!) als das abwehrende Prinzip der gesuuden Vernunft entgegen. Der unreife Jüngling„genirt sich," diesen„Emmy's " und „Hulda's" etwas abzuschlagen und der als unverheirathet geltende untreue Ehemann prahlt damit, ihre Trinkwünsche zu erfüllen, für die sie vom Wirthe ihre Procente erhalten.— Begleiten wir den„Durchgehenden" zu seinem nächsten Bergnügungsziele, in eines der berüchtigten Berliner Tingel- Tangel.— In den Hafenstädten entstanden, wo wüste Matrosen nach langer gefahrvoller Meerfahrt die sogenannten Lebensfreuden bis zur Neige leerem, wo sie von Grog und Gier berauscht, die Stimmen von Frauenzimmern hören und selbst mitbrüllen wollen, find diese Tingel-Tangels auch in das Binnenland vorgedrungen und haben besonders in der„Metropole der Intelligenz" eine Pflege gefunden, die einer besseren Sache würdig iväre. Mancher Matrose würde wohl mit Recht sagen dürfen, daß ihm die Landratten in der Goutirung und m dem in- nigen Berständniß dieser Pflanzstätten der Gesangkunst„über" sind.— Der Durchschnitts- Apparat dieser Kunst-Akademien ist: ein Podium, auf dem ein halb Dutzend mehr oder minder dekolle- tirter geschminkter Damen fitzt, ein Klavier, daß ein verfehlter LiSzt bearbeitet und ein„animirtes" Publikum, das die Refrains der sinnlosen in- und ausländischen Gesänge mitjohlt. Um das Publikum, das sich(leider!) aus jungen Offizieren
Ausgabe
3 (10.5.1878) 54
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