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Nr. 300.

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements-Preis für Berlin : Vierteljährlich 3,30 Mart, monat lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit bem ,, Sonntags= Blatt" 10 Pfg. Boft- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Poft Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Int. Instituut

Soc. Geschiedenis Amsterdam

Vorwärts

8. Jahra.

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fern spred- Anschluß: Amt VI, Nr. 4106.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Ein Spiegel.

Mittwoch, den 23. Dezember 1891.

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Expedition: Beuth- Straße 3.

Heut zu Tage werden Weiber und jugendliche Arbeiter Verkehrsmitteln und ihrer niedrigeren Kultur durften zwar beim Bergbau in großem Maßstabe angewendet. Das geldwerthige Waaren, aber nnter sorgsamen Beschränkungen Wer weiß nicht, daß die rheinisch- westfälischen Unter- mittelalterliche Bergrecht fennt nur männliche Arbeiter, zum Schuße der Grubenarbeiter hingegeben werden. Nie nehmer, und unter ihnen vor Allem die Grubenbarone, nicht einmal über Tage wie das jetzt bei uns alltäglich ohne Zustimmung des Bergmanns, stets zu den Markt­eines der gefährlichsten und mächtigsten Hemmnisse der dürfen Weiber schaffen. Die jugendlichen Arbeiter galten preisen waren die Waaren zu reichen. Und nur Arbeiterschuh- Gesetzgebung sind, daß von ihnen in erster Reihe als Lehrlinge und wurden zur eigentlichen Bergarbeit nicht jene Werkbesizer durften Lebensmittel in Anrech­der erfolgreiche Widerstand gegen jeden Versuch, die Lage zugelassen. Aber auch erwachsene Arbeiter durften nur iung auf den Lohn gewähren, welche ihren Ar­der Arbeiter zu verbessern, geleistet wird? Sie sind es, dann in den Gruben arbeiten, wenn sie die nöthige Stärfe beitern auch die unentbehrlichen Werkbedürfnisse( Talg, welche despotisch über die Bergleute verfügen und dabei sich und Leibeskraft" dazu besaßen, wie es in der alten Gisen u. s. w.) unentgeltlich verabfolgten. Ausdrücklich ver­noch geberden, als ob es keine glücklicheren, besser ge- Schemnitzer Bergwerks- Ordnung heißt. Und dies wird wie boten waren die Lohnzahlung in Schankhäusern, der Aus­Lohnten, besser behandelten Leute gebe, als die Gruben- folgt begründet:" Damit also die Jugend verschont und schank geistiger Getränke seitens der Bergbeamten und in proletarier. durch solche schwere Arbeit, die ihre Kräfte noch nicht er den Gruben. So bereits 1453, dann 1513. In der sozialen Geschichte Deutschlands und Desterreichs tragen und ausstehen mögen, nicht verdirbt und zu keinem find die Bergarbeiter die ersten gewerblichen Arbeiter, welche wohlmögenden Alter nicht kommen können." Welche Rück mit eigenen, selbständigen Forderungen, mit einer urwüchsigen sicht auf die Arbeitskraft im schwarzen" Mittelalter! Bewegung auf den Schauplatz getreten sind; wir erinnern und Professor Dr. Menzel, der die sozialen Gedanken im nur an die Rolle, welche sie im Bauernfriege gespielt haben, Bergrecht" in Grünhut's Zeitschrift für das Privat- und besonders in dem damaligen Brennpunkte deutscher Berg öffentliche Recht der Gegenwart in trefflicher Weise be­werks- Industrie, in Tyrol. Es versteht sich, daß sie gerade handelt hat, sagt mit beißender Fronie: Wie würdig am entschiedensten vorgingen, damals als die Morgenröthe flingt diese entschiedene Sprache gegen die vielfach ver­der bürgerlichen Wirthschaftsweise am Horizonte aufstieg, flausulirten Beschlüsse der internationalen Arbeiterschutz­weil sie zuerst mit dem industriellen Kapital in Widerstveit Konferenz von 1890!"

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Entlassen konnte der Arbeiter nur auf Grund einer Kündigung werden und die Kündigungsfrist fiel mit der Lohnperiode zusammen. Zur rechten Zeit in richtiger Münze war der Lohn zu zahlen, zur Durchsehung ihrer Forderung bestand ein schleuniges Verfahren. Schon im Jahre 1208 verbietet die Tridentiner Bergordnung die Beschlagnahme der Werkzeuge und des Arbeitslohns.

Für eine ganze Anzahl dieser sozialpolitischen In­ftitutionen hat die moderne Vergarbeiterschaft erst zu fämpfen, obwohl wir's doch so herrlich weit gebracht". Das Proletariat an der Wende unseres Jahrhunderts führt feinen Kampf unter anderen Bedingungen, als die tyroler Bergleute des sechzehnten Jahrhunderts. Heute steht die damals nur im Keimzustande vorhandene Klasse auf der Höhe ihrer Entwickelung, sie führt den Klassenkampf, der der Grubenlords- Herrlichkeit und ihrer Grundlage, dem Kapitalismus, ein für alle Mal ein Ende bereiten wird. Einstpeilen aber mögen die Herren vom bergbaulichen

geriethen, weil sie in erster Linie mit kapitalistischen Unter- In der Kuttenberger Bergordnung von 1300 war ein nehmern zu thun hatten. Sie hatten damals ihren Arbeiter Arbeitstag von 12 Stunden, jedoch mit sechsstündiger Unter­schuh, der ihnen aus dem Mittelalter überkommen war, zu verbrechung, figirt. Später jedoch herrschte der Achtstundentag, theidigen, einen Schuß, der mit der Scheidung zwischen zu Zeiten sogar der Siebenstundenta g. Nach der Kapital und Arbeit im Bergbau bedroht war und der Zer- Ferdinandeischen Bergordnung von 1553 durfte am Sonn­sehung anheimfiel. abend nur eine halbe Schicht, d. h. vier Stunden, gearbeitet Es ist aber angebracht, gegenüber der breiten Schwatz- werden. Was die Ueberschichten betrifft, so verbietet die schweifigkeit der Lobredner heutiger teutscher Sozialreform nou Joachimsthaler Bergordnung von 1518 den Arbeitern, ohne Oben und Angesichts der periodisch wiederkehrenden Gruben Bewilligung des Bergmeisters in demselben Bergwerk oder Verein ein wenig in diesem Spiegel ihr edles Wesen deutlich Katastrophen einige der sozialpolitischen Gedanken und in zwei Bergwerken mehr als eine Schicht zu ver- erkennen! Thatsachen im Bergrecht früherer Tage hervorzuheben. Die fahren, daher auch mehr als einen Lohn auf Jämmerlichkeit der heutigen Zustände und die stiernackige fich schreiben zu Lassen. In dem Vergleichs­Scheu der heutigen Kohlenherren gegen Alles, was den Ar- Protokoll, mit welchem der berühmte Bergarbeiter­beitern ersprießlich ist, tritt dadurch um so heller hervor. ausstand zu Joachimsthal von 1525 beendet wurde, wird

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Bekanntlich wird die bergmännische Arbeit immer ge- an diesem Grundsatz feſtgehalten, jedoch auf Bitte der Der Begriff des graben Unfugs fährlicher, je intensiver die Grubenarbeit betrieben wird, je Arbeitervertreter für eine kurze Uebergangszeit den armen hat endlich eine Interpretation gefunden, welche sich mit tiefer die Schächte gehen. Ungesunde Lust, Explosions- zum besten" die tägliche Leistung von zwei Schichten aus: ben Voltsempfindungen besser deckt, als die bisherigen Aus­gefahren, schlagende Wetter, unerträgliche Hitze, unterirdische nahmsweise gestattet; für die Zukunft ist dies strengstens legungen der Gerichtshöfe. Der Redakteur des Boten Wässer bedrohen Leib und Leben des Bergmanns . Und es verboten. ist charakteristisch, daß die Grubenlords zwar alle tech- Was die Feiertage betrifft, so ist ein Feiertag in der aus dem Riesengebirge " war wegen" groben Unfugs" angeklagt, den er durch Abdruck cines Artikels: nischen Fortschritte benügen, welche die Produktion steigern Woche ohne Einfluß auf den Lohn; fielen zwei in eine Der Zar irrsinnig" begangen haben und verwohlfeilern, daß sie aber um Ventilationseinrich- Woche, so wurde der eine entlohnt, der andere vom Lohne follte. Das Schöffengericht zu Hirschberg sprach den tungen und ähnliche Dinge sich höchstens gezwungen und abgerechnet; zu den hohen kirchlichen Festen fand selbst diese Angeklagten frei. Der vorsitzende Richter, statt den dann ungenügend kümmern. In der Bergordnung von Ratten- Abrechnung nicht statt. berg aus dem Jahre 1463 findet sich die Bestimmung, daß Gegen das schmähliche Truckunwesen, das schon sehr es ja so bequem lag, unbesehen Folge zu leisten, unter­Entscheidungen des Reichsgerichts und anderer Gerichte, wie die Gruben allenthalben mit der nöthigen Zimmerung ver- frühe sich einschlich, hat man sehr bald Front gemacht. warf dieselben vielmehr einer scharfen Kritik und sprach sehen sein sollen, auf daß die Leute an ihrem Leib und Der Grund und Eckstein aller Truck Verbote: infolge derselben ein freisprechendes Urtheil. Die Begründung Leben nicht Schaden empfangen." Die Joachimsthaler Die Arbeiter haben den Lohn in baarem Gelde zu desselben verdient in weitesten Kreisen bekannt zu werden. Bergordnung- Joachimsthal ist der berühmte böhmische erhalten" findet sich schon in der Kuttenberger Bergordnung Das Urtheil führt aus: Grubenort von 1548 sichert eine gute Grubeninspektion; von 1300. In den Bergordnungen der böhmischen Länder die Berggeschworenen haben in bestimmten Zeiträumen die war die Hingabe von Waaren oder Lebensmitteln anstatt Gruben zu befahren. Es gab dafür auch besondere Beamte, des Geldlohns selbst mit Zustimmung der Bergleute streng die Einfahrer. untersagt. Ju den Alpenländern mit ihren schlechten

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Feuilleton. .

Nachdrud verboten.]

Von Edna Fern.

13. Oftober.

Liebe!

14. Oftober.

Ich möchte Dir etwas

Liebe!

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" Wenn der Gerichtshof eine Schuld des Angeklagten cla erwiesen nicht ansah und folgeweise zur Freisprechung gelangt, so waren hierfür lediglich rechtliche Gesichtspunkte ent scheidend. Es war zunächst Stellung zu nehmen zu einer Frage,

die Sprache doch so natürlich, wie die Charaktere, die er Leben ein beneidenswerth schönes, inhaltreiches. Seit vor uns leben läßt. mich erweckte, führe ich wieder ein ernsteres, bewußteres Aber was habe ich da gesagt von sittlichem Untergrund"! Leben. Doch weiß ich, daß ich gegen vieles absichtlich die Ist das nicht blos eine leere Redensart? Was ist jittlich? Augen verschließe. Im innern Leben geht mir's, wie in Ist es das Befolgen von Satzungen der Religion, der meinen äußeren Gewohnheiten- ah, ich werde nicht weiter Staatsgesetze, der von unserer Umgebung anerkannten Ge- von mir sprechen, das ist ein egoistisches Objekt! bräuche? Dann wäre jeder einzelne Mensch unsittlich.- Daß man wenigstens ich als einer davon- so

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Nun, fürchte nur

Es hat ein Freund von mir einmal im Freundeskreise ge- gern von sich selber spricht! Ich möchte nicht zugeben, sagt:" Unter uns ist keiner, der ehrlicher Weise sagen daß es immer der bare Egoismus ist. fönnte, er habe in seinem Leben noch nie etwas gethan, Aber wovon soll man schließlich sprechen? Go wofür er Zuchthausstrafe verdient hätte." Niemand lange man nur sich selber verklatscht, mag es noch wagte, ihm zu widersprechen. Er meinte aber zugleich da- gehen. Es will mich bedünken, als ob der ganz besonderes sagen, und kann nicht dazu kommen. mit, daß Jeder von uns in seiner unfittlichen That", in kluge Egoist am feltensten von sich selber spräche; Das Vorhaben und Nichtdazukommen erinnert mich an seinem Berbrechen" gerechtfertigt war, vielleicht so sehr so- der versteht dann um so besser, andere zum Verplaudern" meine ersten philosophischen Regungen als Schüler. Ich gar, daß das Verbrechen" eine Belobigung verdiente, weil zu bringen. Ein solcher Egoist muß aber wenigstens war lange gläubig" gewesen, bis ich mich mit Hilfe eines geschehen unter Umständen und Beweggründen, welche auch mir gegenüber sehr vorsichtig mit dem Lob sein, denn es albernen orthodoxen Religionsunterrichts mühsam ent- das Lafter zur Tugend machen können. Und umgekehrt macht mich ängstlich und mißtrauisch. gläubigte. Ich fing an, selbständig zu urtheilen und nahm kann die Tugend ein Lafter sein und die Sittlichkeit ein nicht, mich zu loben,! Dein Lob ist meine Nahrung, und mir oft vor, das, was mich erregte, niederzuschreiben. Eines Verbrechen. Nichts ist an sich sittlich oder unſittlich. Das ich effe gern viel und gut. Du bist ja auch kein solcher Tages schrieb ich in mein Tagebuch: Was ist der Zweck wird es nur durch das Bewußtsein und durch das Egoist. Du bist mein rechter Kamerad, mein Spiegel des Menschen??- Damit hatte die ganze Philosophirerei Motiv.-- auf einmal ein Ende. Ich konnte nicht weiter; zu dieser Rechen- Aufgabe fehlte mir der Ausah.- Wenn man einmal in's Plaudern gerathen ist, kann ( Später hab' ich's doch wieder probirt, aber- 21. Oftober. man nicht so leicht wieder aufhören. Liebe! Man hat sich immer noch etwas zu sagen, und wenn Seute habe ich wieder etwas von R. V. der Sohn der andere Part gar nicht widerspricht, glaubt man sich Der Marchese gelesen. Alles, was er schreibt, ist traurig, ausgezeichnet zu unterhalten. Dein geduldiges Zuhören ist aber es ergreift durch seine einfache Naturwahrheit. Das an meinem Weiterschwatzen Schuld. Ah, könnte ich in Fe's muß er Alles wirklich selbst miterlebt haben. V. braucht Augen einen dankbaren Blick sehen, der mir sagt, daß ich nicht grelle Farben, um den sittlichen Untergrund in dem mit gütigem Urtheil verstanden worden bin. Trozdem daß ich fern von ihr bin, ist doch mein Proletariat zu malen. So lebhaft, wie er schildert, bleibt|

Liebe!

-)

5. November.

bild.

12. November. Liebe! Den ganzen Tag habe ich Dir Geschichten erzählt und feine ist auf's Papier gelommen.-- 20. November.

Liebe.

Mit heftigem Kopfschütteln, gestikulirenden Händen, mit allen Zeichen der Mißbilligung, des Widerspruchs, hatte ich die losen Blätter gelejen.

Dann sprang ich auf, faltete sie unordentlich- hastig zu­sammen und sagte: