ist in Dortmund zu einem Jahre Gefängniß verurtheilt worden wegen Privatbeleidigung einiger politischen Gegner!!! Nun, Herr von Bennigsen, sind Sie zufrieden? — Am 29. Juni wurde in Chemnitz in der Expedition der „Chemnitzer Freien Presse" der noch geringe Rest von Kegel's „Freie Lieder" confiszirt und Kegel selbst verhaftet.— Genosse Bollmar wurde am 25. Juni in Lübeck , wo er sich zum Be- suche seiner erkrankten Frau aufhielt, auf Requisition des Dres- -dener Bezirksgerichts verhaftet. Derselbe hat bekanntlich eine lOmonatliche Gefängnißstrafe abzumachen.— Der Einjährig- Freiwillige K. vom zweiten Garderegiment zu Berlin , der früher öfter im Nordklub verkehrte, ist nach 15tägiger Unter- fuchungshaft wieder entlasten worden.— Der Redakteur der „Süddeutschen Bolkszeitung", Genosse Degenhardt, ist in Stuttgart wegen emer ihm zugesandten Correspondenz ver- haftet worden. — Londoner Fomvota. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat, nachdem sie in der Londoner Kiste keine Mordwaffen, son- dern sehr harmlose Gegenstände entdeckt, nun eine Untersuchung wegen verbotenen Lotteriespiels gegen Geib und Genossen (Derosfi zc.) eingeleitet. Jedenfalls wird event. Anklage nur gegen Geib erhoben, da dieser allein mit dem Vertriebe der Loose sich befaßt hatte. Allem Anscheine nach will man aber auch den Loosnehmern außerhalb an den Kragen, wie die Haussuchungen in Elmshorn , Barmen:c. beweisen. Da die Gewinngegenstände jedenfalls beschlagnahmt bleiben, so hat die Aufbewahrung der Verzeichnisse nnd Loose doch keinen Zweck, Wonach sich jeder Loosinhaber richten möge. Corresponsenzen Zürich , 29. Juni. Ueber die am 24. Juni gehaltene Ver- fammlung ist die gefammte liberale Presse in einer Weise her- gefallen, daß wir uns genöthigt sehen etwas ausführlicher deren Verlauf zu schildern. Seidel referirte. Ausgehend von der landläufigen Phrase, daß man unser Zeitalter das der Humanität nennt, wies er nach, daß wir in einem Zeitalter der Barbarei leben. 720/o der Einnahmen aller europäischen Staaten werde für Militär, Höfe und Staatsschulden ausgegeben und nur 28% für Schule, Gewerbe und Handel. Der Krieg ist eine Wissen- schaft, das Todschlagen ein Gewerbe geworden! Hierauf geißelt Redner die schmähliche Haltung des deutschen Bürgerthums, das seinen Rücken krümmt und um Peitschenhiebe fleht, weil unter 40 Millionen Menschen es zwei gibt, die auf den Kaiser schießen. Wieder wie bei Hödel macht man die So- zialdemokratie auch für die wahnsinnige That Nobilings verant- wortlich. Die Sozialdemokratie ist der Prügeljunge der moder- nen Gesellschaft. Attentate hat es aber seit Jahrhunderten schon gegeben, während die Sozialdemokratie erst 15 Jahre existirt. Das Attentat kann, vom politischen Gesichtspunkt aus betrachtet, nur einer Partei, der konservativen, nützen, den Sozialisten aber nur schaden. Letztere stellen den Grundsatz auf, daß unsere Zu- stände Resultate der geschichtlichen Entwickelung sind und also nur von innen heraus verbessert werden können. Die Sozialdemo- kratie tritt ein für Abschaffung der Todesstrafe, bestreitet also der Gesellschaft das Recht zum Morde, wie könnte sie also auch nur im Entferntesten einem Einzelnen das Recht zugestehen, sich am Leben seines Nebenmenschen zu vergreifen? Nachdem der Redner noch weiter ausführlich die intellektuelle Urheberschaft des Nobiling'schen Attentats von der Sozialdemokratie zurück- gewiesen und insbesondere hervorgehoben hat, wie unvernünftig es ist, zu glauben, eine unsittliche Idee könne im Volke Anhang gewinnen, daß es einen Fortschritt geben könne ohne Sittlichkeit, geht er näher auf die Entstehungsursachen des Attentats Nobiling ein. Uebergehend zu der dem Attentat gefolgten Reaktion in Deutschland meint der Redner es könne keinem Zweifel unter- liegen, daß Bismarck vormärzliche Zustände, eine Junkerherr- schaft will und das deutsche Bürgerthum zeigt sich geneigt, Aus- nahmegesetze zu votiren und habe auf den hingehaltenen Köder, das rothe Gespenst, bereits angebissen. Die Reaction ist im besten Zuge. Redner wurden verhaftet, Versammlungen aufge- löst, Majestätsbeleidigungsklagen anhängig gemacht. Bis zum 15. Juni sind schon 180 Jahre Gefängnißstrafe deshalb verhängt worden.(Bis Ende Juni sind circa 400 Jahre Gefängnißstrafe, aus Anlaß der Attentate begangenen Majestätsbeleidigun- gen verhängt worden.) Schließlich präzisirt der Redner noch den Standpunkt der deutschen Sozialdemokratie bei den bevorstehenden Wahlen, zeigt, wie man gern einen Aufstand provoziren möchte, um das Volk niederkartätschen zu können, daß aber die Sozialdemokratie, Dank ihrer Organisation und Disziplin, durch ihre eiserne Ruhe diesen schändlichen Plan vereiteln werde und daß es daher doppelte Aufgabe aller freiheitlich gesinnten Männer sei, dieselbe mate- riell und moralisch zu unterstützen durch Entnehmen der angefertigten Quittungen von 25 Rp. für den Wahlfond der Sozialdemokraten. Mögen sich aber, so schloß der Redner unter lebhaftem Bei- fall, besonders die Arbeiter ihrer großen geschichtlichen Aufgabe bewutzt sein und sich ihrer würdig zeigen, indem sie der guten Sache ihr Opfer bringen. Ohne Kampf kein Sieg! An der Debatte betheiligten sich Beyerer und Greulich. die die Ausführungen des Referenten unterstützten und Robert Reff, der in der verworrensten und confusesten Weise die deutsche Sozialdemokratie schmähte. Wie wenig seine Schmähun- gen fruchteten, zeigte die Abstimmung über folgende Resolution. die mit allen gegen eine Stimme angenommen wurde. „Die heutige Versammlung erklärt ihren Abscheu vor der in Deutschland wüthenden Reaktion namentlich vor den unerhörten Verfolgungen und spricht die Ueberzeugung aus, daß die deutsche Sozialdemokratie gegenüber dem herrschenden Taumel Ruhe und Besonnenheit bewahren wird. Die Ernüchterung von diesem Rausche wird bald folgen und dann kommen durch die Logik ver Thatsachen die sozialdemokratischen Bestrebungen erst recht Zur Anerkennung." Die Versammlung hat gezeigt, daß die arbeitende Bevölkerung Zürichs nicht vom Loyalitätsduscl befallen ist, sondern ihre Stel- lung gegenüber den politischen Borgängen in ihrem Vaterlande begriffen hat. ?rag, 23. Juni. In Bezug darauf, daß Ihr sehr eifrig gelesenes Blatt alle Länder durchkreuzt und mir auf diese Weise 1 Gelegenheit geboten wird, weitere Kreise der Sozialdemokratie � von unseren Verhältnissen in Kenntniß zu setzen, erlaube ich mir » einige Zeilen in Ihrem Blatte für unsere Interessen einzu- RLflehmen. Die böhmische, sozialdemokratische Partei in Oesterreich 'besitzt heutzutage drei Organe, welche sämmtlich in Prag er- scheinen und von denen das Centralorgan„Budoucnost "(Zukunft), die„Delnickö Listy"(Arbeiterzeitung) zweimal und die Agitationsschrift„Organiface" einmal monatlich herausgegeben wird. Daß die Zahl unserer Parteigenossen trotz Verfolgung seitens unserer Gegner fortwährend im Wachsen begriffen ist, davon zeugt am besten die Abonnentenzahl, die von Tag zu Dag wächst. Als ein großes Hinderniß m der Entfaltung unserer Agitation— ich muß dies offen gestehen— ist der jetzt sich zu Ende neigende„heilige" Räuberkrieg Rußlands gegen die Türkei anzusehen, denn die bourgeoifistische Tagespresse, welche dem Czaren das epitdetou ornnuz„Osvododitel"(Erlöser, Messias) beigelegt hat, auf die fabelhafteste Weise ihn zu ver- herrlichen sucht und das Volk vor ihm wie vor einem Götzen das Knie zu beugen zwingt, wirkt durch das tägliche„Volks- erlösende" Geschrei auf die Massen so demoralisirend, daß es dann Keinen wundern kann, wenn man hört und liest, das böhmische Volk sei für den„Erlöser" fanatisirter, als selbst die Türken für ihren Allah Wie kommt es aber, fragt sich's, daß solche Blätter, trotz- dem sie von der Schandwirthschaft in Rußland , von Trepows, Murawiews, welche der Czar belohnt und reichlich bescheert, täglich zu hören Gelegenheit haben,— wie kommt es, frage ich noch einmal, daß die sauberen Blätter für einen Czaren, der seine tüchtigsten Landsleute, wie Tschernischewski u. A., in den Berg - werken des unfteundlichen und Tod herbeiführenden Sibiriens schmachten läßt, zu agitiren sich erfrechen? Das hat einst zur Genüge ein polnffches Blatt aufgeklärt, indem es offen aufge- zählt hat, welche Blätter unserer Nationalen und wie hohe Sub- ventton sie von der russischen und serbischen Regierung gnädigst angenommen haben, um das Volk bei uns für„erlöserische Thaten" eines Alexander oder Milan aufzuregen und zu fana- tifiren. Dazu muß ich noch beifügen, daß sich kein einziges Blatt von diesen aufgerafft hat, um das zu widerlegen. Also gm tacet, consentire videtur. Diese Schandpolitik zu bekämpfen und über den Haufen zu werfen, ist unsere Aufgabe, der wir durch Wort und That nach- zukommen trachten. Daß jene Freiheit, mit welcher Bismarck das geeinigte Deutschland zu beglücken beabsichtigt, bei uns schon seit Jahren„auf den Bergen wohnt", muß ich nicht erst hier erwähnen; unsere Versammlungsrechts- und Preßgesetzes-Ausübung ist ja weltberühmt, dafür nur einige Belege. Zur Schilderung dieser„goldenen Freiheit" will ich mich nur einiger Beispiele bedienen, die insbesondere die Herren Gesellschaftsordner Andrassy und Comp, charakterisiren, und darauf sollte sich Graf A. auch ein Patent nehmen, denn Niemand übertrifft ihn darin, davon bin ich fest überzeugt. Unsere hier erscheinenden Blätter tragen auf jeder Nummer die unsere Preßfreiheit charakterisirende Auf- schrift:„Nach der Confiskation zweite Auflage", und das Cen- tralorgan„Budoucnost " ist heuer, nachdem es 12 Mal erschienen ist, 13 Mal behördlich confiszirt worden Daß das Versammlungsrecht schon längst aus dem Codex Francisci L gestrichen ist, glaube ich mit nachstehendem Beispiel zu bekräftigen. In der letzten Zeit haben unsere Parteigenossen in Stadt und Land Volksversammlungen einberufen, deren Zweck die Besprechung des„allgemeinen, direkten Wahlrechtes" sein sollte. Alle Versammlungen aber wurden auf Grund des kautschuk - artigen§ 6 des Versammlungsgesetzes verboten. Die Einbe- rufer haben sich überall widerrufen. In Brünn sollte zu Pfingsten ein Congreß der mährisch- schlesischen Arbeiter abgehalten werden, aber auch dieser störte die Ruhe der Andrassyffchen Compagnons und wurde deswegen auch verboten. Nun hat der Redakteur der„Delnickö Listy" diese Verbote, deren Zahl über 15 gestiegen ist, gesammelt und hernach in einer Nummer dieses Blattes der Reihenfolge nach, ohne daß dazu eine Bemerkung beigefügt wäre, veröffentlicht. Die Folge davon war, daß dasselbe Loos auch diese Nummer getroffen hat, und zwar wegen„Hetzen gegen die Behörden".— Die Administration des Parteiorgans„Budoucnost " hat eine Einladung zum Abonnement mittelst Plakaten in der Stadt an- schlagen lassen. Diese Plakate wurden rechtzeitig der Polizei- behörde vorgelegt und nachdem dieselbe in der Einladung nichts „Gesetzwidriges" oder„Staatsgefährliches" vorgefunden hatte, wurden die Plakate an den Straßenecken Prags affichirt. Am Mittag waren aber alle Plakate verschwunden, denn die Polizei hat sich's überlegt und die betreffenden Plakate herunterreißen lassen. Nachmittags war in Pcag von einer„Budoucnost " keine Spur mehr— und Andrassy konnte wieder ruhig schlafen. Vor einigen Monaten ist in Dresden eine in böhmischer Sprache verfaßte Broschüre unter dem Namen„diasß idea" (Unsere Idee) erschienen, welche unter uns eine sehr gute Auf- nähme gefunden hat und unter unseren Genossen in Böhmen , Mähren und Schlesien eingeschmuggelt wurde. Dieses unser „Treiben" durfte aber dem wachsamen Auge der Polizei nicht verborgen bleiben, und so entsendete der Gerichtshof, nachdem er die Verbreitung der betreffenden Broschüre untersagt, eine gerichtliche Commission in die Redaktionen der„Budoucnost " und„Delnickö Listy", um den Vorrath an Broschüren zu con- fisziren; aber diesmal hatten sich die Herren ungemein getäuscht, denn die ganze Colportage ging vom Druckorte Dresden aus. Das ist ein treues Bild unserer Verhältnisse, und manche Leute erfrechen sich noch, von Freihett zu sprechen.— nlca. Aus dem 17. sächsischen Wahlkreis(chtauchau-ZLeeranet. Auf Grund von mehrfach stattgehabten Besprechungen der Ver- trauensleute unseres Wahlkreises können wir berichten, daß die Organisation der Wahlagitation rüstig von statten geht. Es herrscht ebenso unter den älteren Genossen, wie unter den frisch aufgerückten Kräften der höchste Eifer und eine Festigkeit und Ruhe, die den Gegnern schweres Kopfzerbrechen verursacht. Weder die theilweise beliebte Lokalsperre, noch sonstige Einschüch- terungsversuche können uns verhindern, für unseren Candidaten W. Bracke nachhaltig einzugreifen, wobei uns die öffentliche Stimmung wesentlich zu statten kommt. Je mehr die Gegner Schimpf und Verleumdung als einzige Waffe gegen uns führen, desto mehr werden die sonst unpolitiichen Kreise vom Ekel über solches Treiben erfüllt, was ganz rückhaltslos in Privatgesprächen wie an öffentlichen Orten geäußert wird. Der Wahltag wird beweisen, ob wir zu viel sagen, wenn wir erklären, noch nie hat uns der Liberalismus so vortrefflich in die Hände gearbeitet, als durch sein neuestes„Schreckensystem". Die Redensart von der„Hebung des Kleingewerks" kennt der Weber ebenso genau, wie der Kleinbauer die Phrase von der„Schaffung eines lebens- fähigen Bauernstandes" längst als Flunkerei kennen gelernt hat. Wie lange hat man nicht schon zu„heben" und zu„schaffen" gesucht? Und waren es denn nicht die herrschenden Parteien, die in ihren Wirthschaftssystemen all die erfolglosen Recepte ver- ordnet und damit herumgedoktert haben?—„So kann es nicht weitergehen!" Das hört man täglich hundertmal und in einem Athemzuge sagen, wenn von der neuesten Rcactions- campagne die Rede ist. Noch schlechter als bisher kann es mit der Arbeit nicht mehr gehen, und wo es hinauswill, das erzählt uns ja die liberale Presse mit der Bedrohung jedes Versuchs, dem Volke zu helfen.„So kann und soll es nicht weitergehen", — das wird unser Wahlkreis am 30. Juli tausendstimmig in die Welt rufen!— Wir find organisirt, Versammlungen abzu- halten, Flugblätter, Aufrufe, die Presse zu verbreiten, und wehrt man uns alles dies öffentlich zu thun, so befitzen wir eine tausendgliedrige Organisation, die von Haus zu Haus, von Stube zu Stube mit Wort und Schrift sich bewegt und um so wirkungsvoller ist. Guten Muthes und ruhigen Sinnes führen wir unsere Sache und— gewiß auch zuni Sieg. Man hat uns fester und enger aneinander gedrängt, und Alles wartet mit Un- geduld des Tages, an welchem das grollende arbeitende Volk in unserem Wahlkreise dem Liberalismus sein„Schuldig" auf die Stirn brennen wird. Bis dahin grüßen wir unsere auswärtigen Genossen mit dem Nachtwachtruf des Seemannes, als Zeichen, daß wir an der Arbeit und guter Dinge sind:„All well!" (Alles wohl!- Alles in Ordnung!) Ans dem 19. sächsischen Wahlkreise. Die Organisatton zum bevorstehenden Wahlkampfe für Parteigenossen Liebknecht ist bereits in gutem Gange. Eine Anzahl von Besprechungen der Vertrauensleute aus den meisten größeren und kleineren Orten hat stattgefunden. Die Berichte über die Stimmung im Wahl- kreise lauten ohne Ausnahme gut. Nicht nur unsere alten Wähler- schaften werden am 30. Juli das Tribunal bilden, welches den Schimpf, den Hohn und die feigen Verleumdungen gegen unsere Partei geziemend richten wird, sondern es werden auch nach Allem, was in der öffentlichen Meinung verlautbart, neue Kräfte aus den Reihen der Kleinbürger-, Bauern- und Arbeiterschaft eintreten. Man begreift allseits, daß das dunkle Werk der Reaktion nicht blos den Sozialismus, sondern selbst die letzten Scheinreste der Volksfreiheit treffen soll. Der unheimliche Alp, welcher Handel, Gewerbe und Ackerbau bei uns jetzt noch mehr drückt als sonst, und der das ganze öffentliche Leben im Bann hält, wird am 30. Juli in einem sozialistischen Wahlsiege eine wohl- thättge Unterbrechung finden, und der stille Groll aller anstän- digen Leute über das feige und schmutzige Gebahren der gegne- rischen Presse und ihrer Zubringer wird in der Wahl Liebknecht's zum Ausdruck gelangen und keinen Zweifel mehr übrig lassen, wie man in unserem Wahlkreise über die Volksrechte und ihre Unverletzlichkeit denkt. Was man auch gegnerischerseits von hier aus erzählen mag, es steht fest, daß die große„Hetzjagd gegen die Sozialen" auch hier nur von den versorgungssüchtigen Herrschaften ausgeht, hinter denen der Geldsack seinen Druck ausübt. Pfarrer, Schul- meister und mittlere Beamte zeichnen sich natürlich vor Allen aus, sich als„tapfere" Pfründenhüter zu zeigen, nachdem man unserer Partei den Knebel in den Mund gepreßt, sie so zu sagen vogelfrei erklärt, unsere Organisation unterbunden, vernichtet glaubt, wirft man sich schimpfend in die Brust, gründet„patrio- tische Bereine", wie die Herren Pfarrer Steininger und Schul- direktor Meier aus Lößnitz , und läßt in der Presse den Tam- Tam schlagen. Eine billige Tapferkeit das! Wir kennen diese Taktik schon von lange her. Damit wird man uns nimmer schlagen. Unsere Organisation ist unzerstörbar, sie beruht i« unseren Grundsätzen und wird sich dieser Kampfweise gegen- über mehr bewähren als je. Man sucht uns das Versammlungsrecht zu schmälern, zu verkümmern, hier eine kleine Probe von den sauberen Mitteln, welche die Presse dazu anwendet, aus Nr. 72 der„Erzgebir- zischen Zeitung", einem Sammelorte verschiedener Berliner Wasch- zettel und anderer„Geheimmittel". Dieses Blättchen schreibt:! „Lößnitz , 20. Juli. In der Stadt geht das Gerücht herum, daß m den nächsten Tagen eine sozialdemokratische Ver- sammlung in hiesiger Stadt abgehalten werden sollte. Nach de« schrecklichen Vorgängen der letzten Wochen, für die selbst der mildestdenkende Politiker die Sozialdemokratie verantj- wortlich machen lmuh!, können wir nicht anders, als unser Erstaunen darüber ausdrücken, daß in unserer Stadt ein Gastwirth so pflichtvergessen und ehrlos fein sollte, sein Lokal für eine derartige Versammlung abzugeben. Sollte sich aber wider Erwarten in der That Jemand finden, so muß es Sache eines jeden gutgesinnten und anständigen Bür- gers sein, ein derartiges Lokal stets zu meiden, gleich- wie eine verpestete Höhle!" „Pflichtvergessen und ehrlos" find also Gastwirthe, welche uns aufnehmen,„verpestete Höhlen" die Lokale, in denen wir verkehren!? Ist das nicht die schönste Acht- und Verrufserklä- rung? Wäre da nicht ein fetter Bissen für den Staatsanwalt, wenn er ihn zu finden die Geneigtheit hätte?! Und trotz dieses Bannfluches der„gutgesinnten" und„an- ständigen"„Erzgebirgischen Zeitung" finden sich hier noch Gast- wirthe, denen unser Geld auch kein Blech ist. Unsere Organisation ist übrigens so sicher und beweg- lich, daß wir ebenso viele Agitatoren als Genossen zählen. Wir brauchen das Wirthshaus nicht, denn Werkstatt, Privatwohnung, Spazierweg, der dunkle Schacht sind uns Raum genug zu unserer Arbeit, die Wähler zu sammeln und unsere Lehren weiter- zutragen. Alle Vorarbeiten sind gethan, unsere Vertrauensleute gewonnen. Werden Versammlungen möglich, so kämpfen wir dort, ebenso arbeiten unsere Presse und unsere Flugblätter, und will man uns diese auch unmöglich machen— gut— dann sind wir so organisirt, daß wir von Mund zu Mund, von Stube zu Stube, allem Drängen und Drücken, allem Schnüffeln und Hetzen den Damm entgegenstellen. Nie war der Geist in unseren Reihen ein besserer, nie der Wille ein einheitlicherer, als zu dieser Campagne, die mit unserem Siege enden muß. Also, Genossen, auf die wohlver« theilten Posten! Befolgt Alles genau, wie vereinbart ist! Königsberg , 27. Juni. Heute Morgen wurde auf Befehl der Hamburger Staatsanwaltschaft bei dem Unterzeichneten eine gründliche Haussuchung vorgenommen. Der Zweck derselben war, die Mitgliederliste Derjenigen zu erlangen, welche zu der in London zu Gunsten der nach Neu- Caledonien Deportirten veranstalteten allgemeinen Verloosung, Loose genommen haben. Wie es mir schien, wird man den deutschen Loosinhabern wegen Spielens in ausländischen Lotterien den Prozeß machen. Zu- nächst galt allerdings die Haussuchung dem nunmehr zur Ruhe gelangten Genossen Karl Just, resp. seinen noch hier befind- lichen Papieren. Als man jedoch weiter nichts fand, als ein Loos, welches natürlich mit Beschlag belegt wurde, mußte ich zunächst dem„Herrn Criminalinspektor Hirsch" meine bei mir getragenen Papiere, Brieftasche zc. ic., zur Durchsicht vorlegen. In einem erst heute Morgen vom Parteigenossen Müller aus Braunschweig erhaltenen Privatbriefe kam das Wort„la commune" vor, worüber sich Herr Hirsch eine Erklärung erbat. Und als ihm diese insofern zu Theil wurde, daß„Nademoisslls la commune" keineswegs mit jenen„schrecklichen" von 1871, sondern mit einer jungen Dame in Braunschweig zu identtfiziren sei, hatte sich der Herr Hirsch so weit beruhigt, daß er mir den Brief zurückgab. Auf die Durchsicht weiterer Privatbriefe ver- zichtete der Herr Criminalinspektor, nachdem ich dem Herrn er- klärt hatte, daß sie nur Privatsachen enthielten. Sonst wurden meine sämmtlichen Effekten durchsucht: Zeitungen, Broschüren, selbst die Geschäftsbücher der Expedition wurden einer strengen Durchficht unterworfen. Das Resultat der Haussuchung außer obengenannten Looses war Nr. 120, Jahrg. 1877 vom„Vor- wärts" und ein Exemplar des„Armen Conrad" Jahrg. 1877: R. S. Mrannschweig, 27. Juni. Der heutige„Volksfreund" schreibt — und es ist dies auch für viele andere Orte beherzigenswerth: In vielen Wirthschaften werden von einer kleinen Anzahl Leute
Ausgabe
3 (3.7.1878) 77
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