Gegenständen in Betracht kommenden Fälschungen und Ber-schlechterungen hier in ganz vorzüglicher Weise besprochen werden— die meisten dieser Abschnitte wären werth, durch Spezial-abdrücke zur allgemeinen Kenntniß gebracht zu werden—*), somuß doch bemerkt werden, daß dadurch, daß die angeführtenGegenstände sehr eingehend besprochen werden, sonst aber garkeine anderen erwähnt werden, der große Jrrthum erregt wird,daß sich das Gesetz nur auf die angeführten Gegenständebeziehen soll. So sagt selbst ein Fachblatt, die„Pharma-zeutische Zeitung" vom 13. April 1878:„Das Gesetz soll sichbeziehen auf Mehl, Conditorwaaren, Zucker, Fleisch, Wurst,Milch, Butter, Bier, Wein, Kaffee, Thee, Chokolade, Mineral-Wasser, Petroleum, Bekleidungsstoffe, Papier, Tapeten, giftigeFarben, Kinderspielwaaren, Glasur von Thonwaaren, Hausge-räth, Metall und Emaille." Die angeführten Gegenstände sindaber wahrlich nicht die einzigen Nahrungs- und Genußmittelund Gegenstände des häuslichen Gebrauchs, bei welchen Ber-fälschungen vorkommen, und zwar solche, die sehr wohl gesund-heitsschädlich werden können.Bereits in der im Jahre 1873 von dem Schreiber diesesAufsatzes erschienenen Broschüre:„Die Verfälschung und Ber-schlechterung der Lebensmittel" sind eine Reihe anderer Nah-rungs- und Genußmittel besprochen worden, welche auch sehrhäufig verfälscht werden. Es seien von denselben hier nurfolgende erwähnt: verschiedene Stärkemehlarten, wie Sago,Arrow-Root und Tapioca, dann Pökelfleisch, Scbmalz, Heringe,Sardellen, Anchovis, Kaviar; von Spirituosen: Rum, Arac undCognac; dann Käse, Essig, Olivenöl, Mohnöl, Honig, Pflaumen-muß, Rofinen, Mandeln(mit Pfirsichkernen), Capern, Macaroni;von Gewürzen, welche namentlich in gepulvertem Zustande außer-ordentlich oft verfälscht angettoffen werden: Canehl, Cassia,Cardamom, Jngber, Macisblüthen und-Nüsse, Nelken, Piment,Pfeffer, Saffran und Vanille, sowie die einheimischen: Anis,Koriander, Dill, Fenchel, Kümmel, Senf und Wachholderbeeren,endlich Kichorien und Tabak.Wenn auch der Entwurf es unentschieden läßt, ob die ange-führten Gegenstände alle mit unter das Gesetz fallen sollen odernicht, so scheint er doch eine große Reihe anderer Gebrauchs-gegenstände gänzlich zu ignoriren, deren Verfälschungen dennochsehr verhängnißvoll für die Gesundheit werden können, nämlichdie Droguen und Arzneiwaaren. Es ist wahr, dieselben sindbereits einer gewissen Kontrolle in den Apotheken unterworfen;aber erstens ist diese Kontrolle sehr problematisch, indem dieRevisionen der Apotheken fast immer vorher angemeldet werden,wodurch deren Befund gar keine Garantie für den Zustand derMaaren im Allgemeinen bietet. Andererseits werden Droguenund Arzneiwaaren heutzutage nicht allein in den Apotheken ver-kaust, sondern in speziellen Droguenhandlungen und vielen Ma-terialhandlungen.Schreiber dieses ist selbst Apotheker und Droguist und wirdwahrlich nicht unnöthigerweise die öffentliche Aufmerksamkeit aufdiesen Gegenstand richten. Aber gerade hier wäre eine Kontrolleoft um so nöthiger, als das Publikum selbst nur in seltenenFällen die Güte der empfangenen Maaren beurtheilen kann, unddie keineswegs seltenen Verfälschungen oft um so nachtheiligereFolgen haben müssen, als sie meist für Kranke gebraucht werden.Beispielsweise sei hier erwähnt, daß häufig Verfälschungen vor-kommen bei Kopaiva- und Perubalsam, Kacaobutter, Angelica,Baldrian, Biebergeil, Chinarinden und Chinin, Galgant, Ja-lapenwurzel und-Harz, Lakritzen, Lycopodium, Moschus, denmeisten ätherischen Oelen, Salep, Sarsaparilla und Sennes-blättern, und zwar auch hier am häufigsten, wenn dieselben inpulverisirtem Zustande gekauft werden. Es kommen z. B. großeSendungen, centnerweise, Lycopodium aus Ungarn in den Handel,*) Als eines hierbei mitunterlaufenen Jrrthums ist zu erwähnen,daß sogenannte Eiernudeln mit Pikrinsäure gefärbt sein sollen. Dasist aber in keinem Fall anzunehmen. Pikrinsäure hat, was sonderbarerWeise von den in der Commission sitzenden bedeutenden Chemikernübersehen sein muß, einen so intenftv bitteren Geschmack, daß auch diegeringste Beifügung derselben zu Nudeln solche ungenießbar machenwürde, wie Schreiber dieses sich durch einen Versuch(1: 10,000) überzeugt hat. Eine künstliche Gelbfärbung der Nudeln und Macaroniwird allerdings sehr vielfach vorgenommen, doch wendet man dazu,wie auch zum Färben von Liqueuren, ein nicht bitteres Anilinprä-parat, das sogenannte Safsransurrogat, an, was auch von denHerren Gehe u. Comp, in Dresden bestätigt wird.Aus Hcuchelland.Stille Beobachtungen eines Berliners in London.(Fortsetzung.)Gesagt, gethan— Abends war ich in Exeter Hall. Ich fanddie weite Versammlungshalle bereits mit einem sehr fashionablenPublikum gefüllt. Bescheiden wie ich bin, dränge ich mich natür-lich sofort bis in die vordersten Reihen vor, um Alles genau zusehen.Da saßen denn, amphitheatralisch geordnet, einige Hundertkleiner Jungen und Mädchen, alle uniformirt. Aber— selt-famer Anblick— die Uniform schien sich nicht nur auf die Klei-dung, sondern auch auf die Gesichter zu erstrecken. Es lag aufallen ein uniformer Ausdruck von geistiger Stumpfheit und In-dolenz, der mir Neuling einen ganz eigenthümlichen Eindruckmachte. Wohl kein einziges hell und munter dreinblickendesKindergesicht, kein einziges Kinderauge, von dem sich hätte sagenlassen: hier spricht ein eigener freier Menschengeist heraus.Man sah es diesen Gesichtern gar wohl an, wie die armenKindergemüther von Anfang an systematisch„in spanische Stiefeleingeschnürt werden", bei Bibel, Haselstock und Hafergrütze.Die heuttge Gesellschaft, die nichts umsonst giebt, macht sichfür das Bischen Fraß, das sie all' diesen armen Beglückten vor-wirst, mit Profit bezahlt, indem sie das Beste, was sie haben,den freien Menschengeist, mit Berechnung in ihnen erstickt,tödtet.Mir war nur unbegreifttch, wie man all' diese stumpfen,apathischen Gesichter von einander unterscheldet; sie sahen sich soähnlich wie die Eier. Ich bemühte mich immerfort. die Kindervon der Rückseite zu sehen, überzeugt, es habe jedes auf demRücken seine Nummer aufgenäht.Bor den Kindern, auf einer Bühne, saßen dann Leiter, Vor-stand, Protcktsren des Vereins, in den ersten Bänken im Saaleselbst, also dort, wo ich stand, die ganze hohe Gönnerschaft-c.Ach, und das sah Alles so gottgefällig und selbstzufrledenaus. Wenn diese Lords und Ladies und Baronets und dl. P. s(Parlamentsmitglieder) hinüberschauten auf die Reihen der Be-glückten und ihre Angehörigen— denn auch solche befanden sich,demüthig dastehend, im Saale— da sah man es ihrem zustie-de-. en Lächeln förmlich an, wie sie derweil zu sich selbst sagten:Oh, was sind wir doch für edle, gute Menschen!Es ist wahr, es sind das dieselben Leute, die zu Hause ihrenFeldtaglöhner, ihren Fabrikarbeiter auf's Schonungsloseste aus-beuten, aushungern, es ist das dieselbe Gesellschaft, die, wie ihrpottischer Ankläger sagt:welches auch nicht ein Körnchen wirklicher Lycopodiumpillen ent-hält. Moschus ist zuweilen so raffinirt verfälscht, daß es abso-lut unmöglich ist, dies mit Sicherheit festzustellen.— Bei denGebrauchsgegenständen wäre noch Dinte zu erwähnen gewesen,welche von manchen Fabrikanten, um das Schimmeln zu ver-hüten, unverantwortlich stark mit Queckfilbersublimat versetzt wird,wodurch Vergiftungen oder Gesundheitsbeschädigungen sehr leichterfolgen können.— Das wären einige Einwendungen, welchewir an dem Gesetzentwurf zu machen haben.Sehen wir nun zu, wie sich der Reichstag zu demselben ge-stellt hat.Von dem demokratischenMbgeordneten Payer bis zu demPosener Polizeipräsidenten v. Staudy fand der Entwurf vonkeinem einzigen der zum Wort gelangten Redner der verschiede-nen Parteien unbedingte Zustimmung.(Fortsetzung folgt.)Aus Berlin.-- den 4. Juli.Pfui der Schande! So ruft in der„MagdeburgischenZeitung" ein„braver Patriot" aus, weil die Liberalen zur Be-kämpfung der Sozialdemokraten den Geldbeutel nicht ziehen undOpfer für die heilige Sache des Liberalismus bringen wollen.Es hat sich was zu opfern— der Liberalismus will nur neh-men, er will etwas haben. Warum ist denn eigentlich der deutscheSpießbürger liberal gewesen? Weil der Liberalismus Mode war,und weil man unter seiner Maske das Schäfchen besser insTrockne bringen konnte. Jetzt ist der Konservatismus an derMode— der deutsche Philister wird conservativ, er kann jadabei mehr verdienen. Opfer bringen, wofür? fragt er— ichstimme immer mit der Majorität, und da brauche ich keine Opferzu bringen. Haben die Liberalen denn noch immer nichtbegriffen, daß die Hödel- und Nobilingattentate sie getroffenhaben, daß der Liberalismus erschossen worden ist? Konservativoder sozialdemokratisch wird bald schon die einzige Parole lauten,und Opfer bringt das Volk nur für eine große und schöne Idee,das weiß auch die Magdeburgerin, deshalb die großartigenSammlungen zu den nächsten Wahlen in den Kreisen der hiesigensozialdemokratischen Arbeiter.Unsere Wahlvorbereitungen werden von der Polizei viel-fach behindert; doch das schadet nichts, die Spannkraft unsererParteigenossen wird dadurch nur erhöht. Bei der Flugblätter-vertheilung sind dieselben schon derart eingeschult, daß sie dempfiffigsten Polizisten und dem gröbsten Hauswirth nicht mehr indie Fmger gerathen. Durch allerlei Denunziationen gelingt esder Polizei hin und wieder wohl, eine Privatwahlbesprechung un-serer Parteigenossen zu„sprengen"; aber was nützen solche„Heldenthaten"— ein bischen Aufregung, die, wenn unsere Ge-nassen, wie ich behaupten kann, besonnen bleiben, lediglich unszugute kommt. Bon jeher war ja die Polizei unsere eifrigste,wenn auch unfreiwillige Bundesgenossin.„Gegen das Treiben der Sozialdemokratte wird auch eineneue Maßregel der Regierung in Bezug auf die Frei-zügigkeit getroffen, die sich gegen das„Vagabundenthum"richtet"— so erzählen hiesige offiziöse Zeitungen. Wir sind'sherzlich zufrieden, wenn man das„Vagabundenthum" vernichtet;aus jedem gebesserten Vagabunden wird ein Sozialdemokrat, derVagabund selbst aber ist immer einer der besten und treuestenStützen der herrschenden Gesellschaft.Der bekannte freiconservative Abgeordnete Stumm ist derKomplicenschaft mit Nobiling dringend verdächtig— denn erhat beim Abschied aus der letzten Session des Reichstags zueinem Parteigenossen, der sich der Abstimmung bei dem Lehmann-Gesetz enthalten hatte, wörtlich gesagt:„In vier Wochen sehen wir uns vielleicht hier wieder, nach-dem das scheußlichste Verbrechen besser gelungen seinwird; dann wird aber die Nation mit unerbittlicher Strengeüber Ihre juristischen Nörgeleien zur Tagesordnung über-gehen!"Andere Leute, die Aehnliches geredet haben, sind als ver-dächtig verhaftet worden. Das zweite Attentat hat nur der con-servativen Partei, welcher der Abgeordnete Stumm angehört,Nutzen verschafft. Welche herrliche Kombination für den HerrnTcssendorf, der leider auch conservativ ist.— Doch Scherz beiSeite! Weit davon entfernt, die conservative Partei der Ur-„Den Armen giebt an der KirchenthürUnd sie gestern erst bestahl."Es ist wahr, die, welche hier gar s» zärtlich besorgt sind umdas Wohl des Volkes, wären die ersten, nach„Flinte und Säbel"und Kartätschen zu schreien, wenn das Volk einmal selbst sichum sein Wohl zu sorgen anschickte.Im Ernst: Kein traurigerer Anblick, als wenn man denProletarier mit demüthigem Kopfhängen vor dem Reichen da-stehen und sich bewohlthätern lassen sieht. Der zum Bewußtseinseiner selbst gekommene Proletarier müßte gerade nichts Belei-digenderes, Entwürdigenderes kennen, als all' diesen ihm mithochmüthiger Protektormiene hingeworfenen Bettel.Wir haben nicht zu betteln, wir haben zu fordern!Erst stehlen sie mit Scheffeln, dann schenken sie mit Löffeln.Ich lese mit Bedauern, daß sich jetzt, das englische Beispielnachäffend, auch in Deutschland das Muckerthum unter hoherProtektion aufgemacht hat, um mit Gottesfurcht und Nickelmünzeim Volke auf Gimpelfang auszugehen. Hoffen wir vom gesundenSinn des deutschen Volkes, daß es diese würdigen Männer nachVerdienst behandelt, d. h. sie mit Hohngelächter zum Tempelhinauswirft.Die Gesellschaft, die alte Sünderin, treibt es mit ihremWohlthätigkeitsschwindel wie die meisten alten_ Sünder: Siewerden fromm, stiften milde Werke, um das böse Gewissen zubeschwichtigen, sich von der Hölle loszukaufen. Nutzt euch aberAlles nichts: Der Teufel holt euch doch!Aber wir sind ja in Exeter Hall.Wie ich einttat, war man gerade beim Absingen heiligerLieder— ohne das geht es nun einmal nicht im frommenHeuchelland. Die Textbücher waren im Saale käuflich. Auchan mich kam der fromme Himmelsmanna-Verkäufer heran. Wassollte ich machen? Der gute Jüngling sah mich so gottesfürch-terlich an— ich kaufte ihm ein Liederbüchlein ab.Nachdem dieser Genuß glücklich überstanden war, folgten dieFestreden. Ich unterlasse es, den freundlichen Leser damit auf-zuhalten, und versichere ihm nur, daß alle Redner der unbeding-testen Zufriedenheit mit sich selbst und der Bewunderung überdas Gottgefällige ihres Werkes unverholensten Ausdruck gaben,auch Jeder seiner besonderenjParquetloge im Himmel so gut wiesicher schien.Der letzte Redner schloß mit einem Hoch auf„unfern allver-ehrten Präsidenten und Begründer des Vereins". Auf diesesStichwort erhob sich der Lehrer der Schule, wandte sich gegendie Kinder und commandirte nun mit einem Taktstock ein drei-heberschaft des zweiten Attentats beschuldigen zu wollen, bin ichjetzt doch zu der Ueberzeugung gekommen, daß Nobiling, der dieWirkung des ersten Attentats gegen die Sozialdemokraten wohlkannte, als grimmiger Antisozialist das Verbrechen begangen hat,lediglich um die Sozialdemokcaten an's Messer zu lie-fern. Dem Fanatiker kam es dabei gar nicht darauf an, ober zugleich einen von ihm geschätzten Mann tödten könne, da erwohl wußte, daß ein blindes Feuern keinen Erfolg gegen dieSozialdemokratte erzielen würde.„Ehren-Duncker" ist wieder völlig zu Ehren bei derFortschrittspartei gekommen. Bei dem letzten Stiftungsfeste des„Großen Berliner Handwerkervereins"(fortschrittlicher Tendenz),dessen Vorsitzender Duncker noch immer ist, hielt derselbe auchdie Festrede, in welcher folgender bezeichnende Passus vorkommt:„Angesichts der traurigen Verhältnisse, der inneren Zer-rüttung, in welcher wir uns jetzt befinden, kann ich daraufhinweisen, daß schon in der Festrede von 1861 meinerseits aufdie Gefahren hingewiesen worden, welche jetzt vor Aller Augenliegen, und wie damals, so wiederhole ich auch heute, daß nurdurch die stetige Arbeit, das stetige Ringen nach Bildung undErkenntniß, nach Vervollkommnung aller sittlichen und gei-stigen Eigenschaften im Menschen eine Äesserung auf diesemGebiete erreicht werden kann."Der„sittliche" Duncker! Und die braven fortschrittlichenHandwerker, ivelche sich von diesem Herrn über„Zerrüttung"und„Sittlichkeit" vorpredigen lassen müssen! Es ist übrigensunverzeihlich von den Herren Fortschrittlern, daß sie bei dergroßen Kandidatennoth, die bei ihnen herrscht, nicht den HerrnDuncker im 6. Berliner Wahlkreise als Reichstaascandidatenaufstellen.Die Viktoria auf der Siegessäule soll um einen halbenMeter in schiefe Position gerathen sein— allgemeine National-trauer Hierselbst— polizeiliche Haussuchungen nach dem Atten-täter— grimmiges Geschimpfe auf die Sozialdemokraten, ausderen Reihen der fluchwürdige deutsche„Kourbet" hervorge-gangen ist, welcher nächtens an der Siegessäule emporgeklettertund der armen Siegesgöttin den kleinen Zehen am linken Fußemit einem Brecheisen abgestoßen hat, wodurch das Frauen-zimmer in's Wanken gerathen ist. Hoffentlich werden sie denAttentäter nicht abfassen.Sozialpolitische Uebersicht.— Der Aufruf des„Vorwärts" an die Arbeiter, inwelchem ihnen der Rath ertheilt wird, lieber Alles zu unter-schreiben und Alles zu versprechen, als sich von fanatisch bru-taten Arbeitgebern aufs Pflaster werfen zu lassen, hat dieBilligung aller gerechten und vernünftigen Menschen, selbst imgegnerischen Lager erhalten. So erklärt zum Beispiel der„Nürnberger Anzeiger", nachdem er den Aufruf abgedruckt hat:„Das ist die zwar sehr traurige, aber logisch unanfecht-bare, naturgemäße und nothwendige Folge der„libe-ralen" und„fortschrittlichen" Hetzereien wider die Ar-beiter, welche man durch Gewaltakte, wie sie„Ehrenkurier"(das Reptilblatt„Fränkischer Courier" R. d.„B.") in seinemfamosen„Selbsthilfe"-Artikel(der durch die ganze liberal-reaktio-näre Presse die Runde gemacht hat R. d.„V.") vorschlug, zurHeuchelei, zum Wortbruche und zur Lüge zwingt. Wie tiefsind wir doch in Deutschland gesunken, im Lande der„Treuund Redlichkeit", im„Volke der Denker",— und zwar gesunken,nicht durch die„sozialistischen" Ausschreitungen, sondern durchdie Gewaltthätigkeit und das aller Humanität undEhrlichkeit hohnsprechende Gebahren unseres Herr-lichen Scheinliberalismus."Gerade weil nun der Aufruf„logisch unanfechtbar, natur-gemäß, nothwendig" und wirksam ist, erheben dagegen Die-jenigen, deren infames Attentat auf die Gewissensfreiheit er ver-eitelt hat, ein entsetzliches Geschrei und wollen uns der Jmmo-ralität anklagen. Die Elenden! Unser Dresdener Parteiorgan,die„Volkszeitung" fertigt sie trefflich ab, indem sie sagt:„Gewaltig verschnupft hat in höheren Kreisen der Aufrufdes„Vorwärts" an die Arbeiter, den auch wir abgedruckt haben,betreffend die Unterschrift zu geben, wenn an sie das Verlangengestellt wird, zu unterschreiben, daß sie keine Sozialdemokratensind. Namentlich scheint die Stelle:„gebt euer Ehrenwort,maliges„ebeer"(Hoch), das die Kinder kurz und trocken, mitder Präcision eines deutschen Studenten- Salamanders exekutirten.Ich ward da im Geiste weit weg versetzt, über das Meer, indie heimathlichen Gefilde, hin nach dem herrlichen Potsdam, derUrheimath des preußischen Unteroffiziers, dort, wo die Garde-Lieutenants blühen und der Korporalstock wild wächst.Es mag einige Jahre her sein. In Potsdam war großeMilitärfestlichkeit. Auch meine Wenigkeit war unter den Zu-schauern. Ich stand in der Nähe einer Gardekürassier-Abthei-lung. Der commandirende Offizier ritt die Front ab, befahlfluchend und schimpfend das und jenes, dann mit echtem Lieute-nantsgeschnarre:„Wenn Se..... kommt, ruft ihr alle: JutenMorjen,...." Hierauf wieder endloses Fluchen und Schimpfen,Stoßen und Zerren, weil„der dritte Mann im sechsten Glied"nicht genug„stramm" fitzt und beim„fünften Mann im viertenGlied" das Pferd die Nase zu weit vorstreckt. Dann wieder ander Tete:„Also wie werdet ihr sagen, ihr verfluchten Esels?"Ein mürrisches:„Juten Morjen,... ging durch die Reihen.Unsere Zeitungsrepttle wissen bei solchen Gelegenheiten nichtgenug Aufhebens zu machen über das herzinnige:„Juten Morjen",das da ertöne. Wie's gemacht wird, davon sagen sie nichts.An diese Szene werde ich seither immer erinnert, wenn ichsolche Ausbüchc von eingeprügeltem Enthusiasmus sehe, wie siedie armen beglückten Kleinen der„I�nttonnl HekuASs for horneleasand destitute children and Chichester and Arethuaa trainingships" auf ihrem„annual Meeting" in Exeter Hall zu Londonzum Besten gaben.Auf diese begeisterten Ovationen erhebt sich nun der geehrtePräsident— es war der bekannte Lord Shaftesbury, derDalai-lama oder, um in dem jetzt so überaus beliebten Türkischzu sprechen, der Scheich-ül- Islam des gesammtcn englischenWohlthätigkeits- und höheren Volksbeglückungsschwindels. Fana-tischer Mucker und Reaktionär, spielt er sich nichtsdestowenigerals Arbeiter- und Volksfreund auf, stiftet fromme Hilfsvereine,fromme Asyle, baut fromme Wohnungen(siehe oben) u. s. w.—-also die rechte himmlische Demagogie, das Urbild und ewigunerreichbare Ideal unserer Stöcker.Mylord also erhebt sich und spricht. Die dürre, langeschwarze Figur, das finstere, verlebte, bleiche Gesicht, die ab-stoßende, monotone, bellende Sprache verrathen schon von Weitem,wenn auch vielleicht nicht den Menschenfreund, so doch jedenfallsden Mucker. Er sprach viel, Se. Lordschaft. Er sprach von derGottgefälligkeit und Berdienstlichkeit deS Werkes und wie derHerr jedem Vereinsmitzliede für jedes gerettete Kindelein einengroßen Posten in's Credit des himmlischen Hauptbuches eintrage.