Bom Liberalismus in gewissen Kreisen hat man bis dato nochnichts verspürt, wird wahrscheinlich auch nichts zu sehen be-kommen. Darum zerbrechen wir uns auch nicht unnöthig denKopf, mag oder mögen die Ausnahmegesetze lauten wie fiewollen— wir können es ruhig abwarten. Als Kuriosum seihier noch erwähnt, daß allen Ernstes im„Ausland" der Vor-schlag gemacht wird, sämmtliche Sozialdemokraten Europas nach— Neuseeland zu verpflanzen. Wenn sie nicht freiwillig gingen,dann mit Gewalt. Da hätten die deutschen Panzerschiffe wenig-stens etwas zu thun und brauchten sich nicht die Schädel unter-einander einzurennen!Freilich die liberale Presse muß ihren Lesern Neuigkeitenbringen und zeilenhungrige Reporter erfanden eben etwas. Sospukt Nobiling schon wieder, man versucht angebliche Aussagenvon ihm zu erfinden und als lautere Wahrheit zu verbreiten.Mit einem Wort, fie können ohne Lügen nicht bestehen.— Unerhört. Am Sonntag fand in den Räumen derBerliner Genossenschaftsbuchdruckerei die statutengemäße General-Versammlung der Mitglieder dieser unter dem Handelsgerichtstehenden eingetragenen Genossenschaft mit Solidarhaft statt.Man hatte extra bekannt gemacht, daß an diesem Tage außerden Genossenschaftern Niemand Zutritt zu den Lokalitäten habe.Mitten in den Verhandlungen erscheint plötzlich der Polizei-lieutenant des Reviers mit mehreren geheimen und uniformirtenSchutzleuten und löst die Versammlung auf:„Er habe dazuBefehl, da hier eine politische Zeitung gedruckt werde, auch mden Geschäftsräumen polittsche Broschüren verkauft würden,nehme man an, daß hier eine politische Versammlung stattfinde."Man notirt die Namen aller Anwesenden, nimmt eine Abschriftdes geführten Protokolls und— der Staat war gerettet!—Wir erinnern uns da eines ähnlichen Falles in Borna, wo einLeipziger Genosse behufs Abrechnung und Besprechung vonWahlangelegenheiten mit dem betreffenden Bornaer Einwohnerin einem Wirthshaus ein Glas Bier trank, und plötzlich ein amganzen Körper zitternder Polizeidiener hereintrat und die„Ver-sammlung" für aufgelöst erklärte und die Anwesenden möchtensofort das Lokal verlassen. In dem Gastzimmer waren nochdrei andere Personen anwesend, die die ganze Sache aus sehrnatürlichen Gründen nicht begreifen konnten.— Hier in Berlinkönnte man's auch nicht begreifen, wenn man nicht die Absichtmertte— und darauf geht ja eben Niemand ein. Wir verweisenunsere Leser auf den an der Spitze unseres Blattes gedrucktenSatz und— fie werden auch begreifen.— Ueber die Affaire des„Großen Kurfürsten" scheintnun einiges Licht verbreitet zu werden; die„Hamburger Börsen-Halle" schreibt:„Wie wir erfahren, ist der Spruch der„Havariecommission",welche in Kiel zur Untersuchung der Ursachen des Zusammenstoßes zwischen dem„König Wilhelm" und dem„Großen Kur-fürst" niedergesetzt worden war, ein für sämmtliche betheiligtenOffiziere völlig sreisprechender, und im gleichen Sinne sollsich auch das Marine-Obercommando in Kiel selbst entschiedenhaben. Nach den von der Commission erhobenen eidlichen Aus-sagen hätte sich der Fall wie folgt zugetragen:Als die westwärts steuernde Escadre in der Nähe von Fol-kestone angekommen war, kamen vom Land: aus zwei Kauffahrtei-Segelschiffe gesteuert, welche den Versuch machten, quer vor derdeutschen Escadre vorüberzukommen. Nach einem für die deutscheMarine gegebenen stehenden Befehle haben alle unter Dampfoefindlichen Schiffe der deutschen Marine beim Begegnen andererSchiffe stets so zu steuern, daß fie um dieselben hinten herumgehen, falls nicht die Entfernungen derartige sind, daß jede Ge-fahr beim vorne Borübergehen völlig ausgeschlossen ist. Dem-gemäß steuerten sowohl der„Große Kurfürst", wie der„KönigWilhelm", als die beiden Kauffahrteischiffe quer vorüberkommendfichtbar wurden, nach dem Lande zu, um hinter denselben herum-zugehen. Der ursprünglich dem Lande am nächsten stehende„Große Kurfürst" kam dabei etwas früher von den beiden Schiffenklar, als der mehr nach See befindliche„König Wilhelm", undlenkte ersterer deshalb auch etwas früher in seinen Cours wiederein, als der letztere. Aus dem„König Wilhelm" wurde demnachgleichfalls das Commando gegeben, das Schiff wieder in seinefrühere Stellung zu bringen, und haben alle sechs am Steuerbefindlichen Leute auf ihren Eid ausgesagt, das Commando„Backbord" deutlich gehört zu haben. Trotzdem wurde durch einMenschenwürde, der religiösen Duldung, der Gleichberechtigungvor dem Gesetze und dergl. find aber Kinder der christlichenGemeinde und nur deshalb in s widerchristliche Lager gedrungen,weil sie in dem Baterhause nicht zur rechten Geltung kommenkonnten. Soll man nun auf jenen Standpunkt zurückkehren,welcher diese Begriffe und Gedanken als unchristl-che in die Achterklärt? Ein solcher Conservatismus kann unmöglich heilsamwirken. Eine der Ursachen, warum der„Staats-Socialist" inunseren conservattven Kreisen mit mehr als Mißtrauen betrachtetwird, wurzelt in der oben angegebenen Differenz. Man will,und gerade jetzt erst recht, nicht Evolution auf gesundem christlichen Boden mit Berücksichtigung der bestehenden Verbältnisseund Andeutungen, welche sich aus den gegenwärtigen Mißständenergeben, sondern viel eher eine nach veralteten Anschauungenbemessene Reaktion. Wird dadurch der Revolution vorgebeugt?Ich fürchte, wenn diese conservative Strömung herrschend wird,daß in einem Jahrzehnt die Revolution in gewaltiger Wesse inKraft tritt.".Wir überlassen in diesem Falle unfern Lesern, das Richtigevon dem Unrichtigen zu scheiden; doch Eins muß man demVerfasser zugeben, daß er von dem Standpunkte eines christlichenPfarrers sich der Objettivität befleißigt und sich von allem Zelo-tismus fern hält.Au Piloty.Dies also Deine neuste Pinselei—Ein Sittenbild von wirklich seltner ArtHast Du uns ausgestellt, die Kunst ist frei,Du gibst em packend Bild der Gegenwart.Piloty steht im Dienst der Polizei'Ij". b0j'st doch zu hart-Mem«nffel stockt, hört der Entrüstung Schrei:Em braver Arzt lebendig eingescharrt!Kennst Du das alte Lied„der liebste Buhle»»Mir liegt's im Sinn mit neuen«arianten-Einst Sonne, zählst Du jetzt zu den Trabanten.Berurtheilt wardst Du vor dem Richterstuhle«om Boll— so heiße nun„Pilotyschule»Das große Heer der kleinen Denunzianten. munbegreifliches Versehen das Ruder in der entgegengesetztenRichtung gedreht, und kann nur angenommen werden, daß einigeder am Ruder befindlichen Leute, die den„Großen Kurfürst"auf sich zukommen wähnten, den Kopf verloren und das Gegen-theil von demjenigen gethan haben, was ihnen befohlen war.In Folge davon steuerte der„König Wilhelm" anstatt see-wärts gerade auf den„Großen Kurfürst" ein. Der Comman-deur des letzteren that in diesem gefahrvollen Augenblick dasEinzige, was vielleicht noch Rettung bringen konnte, indem erdie Maschinen seines Schiffes mit voller Kraft vorausgehen ließ,um so vielleicht doch noch vor dem„König Wilhelm" vorüber-zukommen, mindestens aber zu verhindern, daß der„Große Kur-fürst" von dem Sporn des„König Wilhelm" gerade misschiffsgetroffen würde. Ersteres gelang bekanntlich leider nicht, viel-mehr rannte der„König Wilhelm" den„Großen Kurfürst" amBackbord Hinterschiffs an und führte so die Katastrophe herbei.Die Havariecommission ist der Ansicht gewesen, daß das Ver-fahren des Commandeurs des„Großen Kurfürst" das alleinden Umständen entsprechende gewesen sei, und spricht auch ihnvöllig frei.Zur Herbeiführung des Unglücksfalles ist nach der statt-gehabten Untersuchung Zweierlei muthmaßlich von Bedeutunggewesen: zum Ersten, daß der„König Wilhelm" überhauptschlecht steuert; zum Ändern, daß in Folge der Bauart des„König Wilhelm" die am Ruder befindlichen Leute zu niedrigstehen, um einen freien Ueberblick über das außerhalb des SchiffesBorgehende zu haben. Es muß daher für möglich gehaltenwerden, daß die plötzlich in der Nähe des„König Wilhelm"auftauchende Takelage des„Großen Kurfürst", während letzteresSchiff selbst und der von demselben gesteuerte Cours den amRuder befindlichen Leuten nicht sichtbar war, den Einen oderAndern der letzteren in Verwirrung gebracht und das Beispieldesselben dann die andern Leute mit fortgerissen hat."So! Die Herren find also freigesprochen. Die Tobten könnennicht mehr reden.— Ein frecher Junker. Herr von Kardorff, der sichschon so oft innerhalb und außerhalb des Reichstags lächerlichgemacht hat, besitzt die Impertinenz, in einem Wahlaufruf zuerklären:„Ich will Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie,aus deren Reihen Königsmörder wie Hödel und No-biling hervorgehen."— Der Krautverwalter Nobiling istbekanntlich— sein Vater war Rittergutsbesitzer— aus denReihen der Krautjunker hervorgegangen, und wenn trotzdemdieser wachsnäserne Kardorff, der sich in einer solennen Prügeleiseine wirkliche Nase hat abschlagen lassen, es wagt, uns geradeden Nobiling aufhalsen zu wollen, dann müssen wir offen er-klären, daß dieser Mensch frech ist, wie Hödel.— Wo liegt der Jrrthum? In Folge einer Notizder„Chemnitzer Freien Presse" brachten auch wir die Nachricht,daß Genosse Peukert vom Chemnitzer Bezirksgericht wegenMajestätsbeleidigung zu 1'/, Jahren Gefängniß verurtheilt unddie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochenworden sei. Diese Nachricht beruht entweder auf einem Irr-thum, oder aber das Chemnitzer Bezirksgericht hat eine Gesetzes-unkunde an den Tag gelegt, um welche dasselbe von jedemWinkelschreiber bedauert werden kann. Bei einer Majestätsbe-leidigung kann gar nicht die Aberkennung der bürgerlichen Ehren-rechte ausgesprochen werden! Es kann neben der Gefängnißstrafenur noch auf den Verlust der öffentlichen Aemter, sowie deraus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.Peukert war Gemeinderathsmitglied, er hatte ein öffentlichesVertrauensamt. Eines solchen Amtes konnte er allerdings ent-setzt werden— doch steht einer Wiederwahl nichts im Wege.— Rückwärts. Der„Nürnberger Anzeiger" berichtet ausBischofsgrün(bei Berneck in Oberfranken):„Heute ließen sich12 Paar Eheleute, die in den letzten Jahren hier standesamtlichihre Ehe geschlossen hatten, nachträglich kirchlich einsegnen. Denseit einigen Wochen hier im Amte stehenden neuen PfarrerGruber und die Mitglieder des Kirchenvorstaudes und derKirchenverwaltung an der Spitze, bewegte sich mit Beginn desvormittägigen Gottesdienstes der stattliche Zug zur Kirche, wonach Schluß der Predigt, nach einer ergreifenden Ansprache vonSeite des genannten Geistlichen, die feierliche Handlung voll-zogen wurde."— Da sieht man, wie der Liberalismus Propa-ganda für die von ihm geschaffenen Gesetz- gemacht hat. Wennman Derartiges aus protestanttschen Gegenden hört, was darfman sich da erst von den Muckern versehen. Nun, uns kann esgleichgültig sein, wir lassen Jeden nach seiner Fa?on seligwerden.— Klug und weise. Man schreibt der„Deutschen Reichs-Post" aus Mülhausen i. E. unterm 6. Juli:„Zwei Mül-hauser Turnvereine, die„Ancienne"(Alte) und die„Union",sind durch die Regierung aufgelöst worden, weil drei Mitgliederderselben an dem den 9. und 10. Juni zu Paris gegebenengroßen Turnfeste Theil genommen haben. Obgleich die dreijungen Leute mit den ausländischen Turnvereinen und ohneFahne marschirten, ward diese Theilnahme als eine politischeManifestation betrachtet. In den einheimischen Kreisen findetman diese Maßregel gesetzlich, aber— kleinlich."— Daß dasmächtige deutsche Reich durch solche offenbar sürfichtigliche undstraffzügeliche Maßnahmen alle ihm weniger oder gar nicht zu-neigenden reichsländischen Herzen im Sturm erobern muß, dasist klar wie— Tinte!— In den Kohlengruben von Anzin(Frankreich) habengegen 9000 Bergleute die Arbeit eingestellt. Trotz abgesandtenMilitärs u. s. w. nimmt der Strike immer größere Dimensionenan und auch in anderen Gewerken beginnen die Arbeiter sich zurühren, so die Bäckergesellen von Bordeaux, 450 Mann stark,und die Färbergesellen von St. Ch amond bei Etienne, 700 ander Zahl. Die Bergleute verlangen Herabsetzung des Arbeits-tages auf 8 Stunden und 5 Francs pro Tag.— Confiscirt. Nr. 29 des„Sozialist"(Wien) wurdewegen eines Leitartikels, eines Aufrufs zum Unterstützungsfondund einer Correspondenz aus Leoben beschlagnahmt. Natürlichkostete dies eine neue Auflage.— Die in Nr. 83 vom 17. d. M. gemeldete Verhaftungeines dritten Redakteurs der„Halberst. Freien Presse" bestätigtsich nicht. Es sind von besagter Zeitung nur die beiden Re-dakteure Fr. Voigt und Alex. Schlesinger in Haft, der dritte,Krubl, weilt in der Schweiz. Ferner in Haft der Mitarbeiterfür Oschcrslcben, W. Götsch- Die Colporteure der„Halberst.Fr. Pr." Wiedhöfer, Wetterlein und Weber sind seit ein�gen Tagen aus der Haft entlassen: Ersterer ohne daß nach14tägiger Untersuchungshaft eine Anklage gegen ihn erhobenworden wäre, letztere Beiden, nachdem fie 10 Tage wegen Zu-widerHandelns gegen die Gewerbeordnung verbüßt.— Ueber das am 19. d. M. in Brüssel stattgefundeneBegräbuiß eines der ältesten Kämpfer der Sozialdemokratie,eines Bekenners der„freien Idee" von längsther, des daselbstim Alter von 61 Jahren verstorbenen Chemikers ProsperEsselens, berichtet die Brüsseler„Arbeiterstimme". Dasselbefand unter zahlreicher Betheiligung der Gesinnungsgenossen statt.Am offenen Grabe sprach unser Freund vr. De Paepe be-wegte Worte.— In Wahrheit zählt unsere Partei wenig Männerwie Esselens. Er war nicht ein bloßer„Fachmann", sondernein Kundiger in allen positiven Wissenschaften; aber seine repu-blikanischen Sympathien versperrten ihm den Zutritt zu jederAkademie, sowie zu jeder offiziellen wissenschaftlichen Stellung.Seine Vergangenheit war eine ungemein bewegte. Nach demBankett im Prado(1848) wurde er nebst mehreren anderenBürgern wegen Hochverraths zum Tode verurtheilt, diese Strafeindeß, da er es verschmähte, ein Gnadengesuch einzureichen, indreißigjährige Haft verwandelt.— Das Blatt schließt:„ImNamen der belgischen Arbetter, im Namen der Sozialisten imGroßen und Allgemeinen nehmen wir hiermit Abschied vonEsselens als von einem der Pioniere der neuen Gesellschaft."Correspouoenzen>Leipzig. Sonnabend, 20. Juli, fand in der Centralhalleeine Versammlung aller reichstreuen Wähler statt, in welcherHerr Viccbürgermeister a. D. Dr. Stephani über seine poli-tische Stellung referirte. Unter den zahlreichen Anwesenden be-fanden sich mehrere junge Leute unter 18 Jahren, sowie zweiDamen; ein Umstand, der in einer sozialdemokratischen Ver-sammlung dem Polizeicommissar ausgereicht haben würde, die-selbe für aufgelöst zu erklären; hier aber geschah nichts Derar-tiges. Als ver Professor Dr. Windscheid bald nach 8 Uhrdie Versammlung eröffnet hatte, wurde von mehreren Seitendie Wahl eines Vorstandes verlangt, wie es das Gesetz vor-schreibt. Hier aber hatte dieses Verlangen ein wüstes„Hinaus"-rufen zur Folge. Nachdem der ohne Weiteres als Vorsitzenderfungirende Eröffner mit Mühe die Ordnung hergestellt hattehielt Dr. Stephani sein Referat ab und stellte sich darin aufden Standpunkt eines gemäßigten Rückschrittlers. Nach Beendi-gung des Referats machte der Borfitzende den Borschlag, in derDebatte keinem Redner mehr als 10 Minuten Sprechzeit zugewähren. Als sich einige der Anwesenden gegen den Antragerklärten, erneuerte sich das„Hinaus"rufen, ja es kam zu drohen-den Demonstrationen gegen die(sozialdemokratischen) Redner. Unterwachsendem Tumult erhielt unser Genosse Martin das Wortund frug den Dr. Stephani, ob das auch Sozialdemokraten ge-wesen seien, die im Berliner Thiergarten das Attentat aus ihnbegangen hätten. Doch ehe er dies näher ausführen konnte,fiel man von allen Seiten über ihn her und mißhandelte ihnfurchtbar. Todtschläger und Messer wurden hervorgezogen undunsere Parteigenossen verschiedentlich verletzt. Genossen Schiffelriß man die Kleider förmlich vom Leibe. Es war eben nichtgestattet, seine Meinung frei zu äußern. Der Polizeibeamte sahgemüthlich die Rohheit der„Ordnungspartei" mit an und er-klärte erst nach längerer Zeit die Versammlung für aufgelöst.Während die„Ordnungspartei" in ihren Hochs auf den Kaiserund den Referenten kein Ende finden konnte, hatte ein Hoch aufBebel neue Rohheiten zur Folge. Der Vorsitzende mußte leb-Haft daran erinnern, daß die Versammlung aufgelöst sei, ehe dieAnwesenden für gut fanden, den Saal zu verlassen.Areskan. Seit meinem Letzten hat sich hier die Situationnicht sehr verändert, die Parteien stehen sich wie Kampfhähnegegenüber, wartend, wer den Anfang mache. Die armen Fort-schrittler sind wirklich gefoppt. Im Östbezirk müssen sie nun ihrWort halten und dem Nattonalliberalen ihre Stimme geben,während ihr armer Bürgers ganz gewiß nicht im Westbezirk indemselben Maße von den Nationalliberalen unterstützt wird, viel-mehr dieselben in hellen Haufen ins conservative Lager über-laufen und ihre Stimmen dem Bergrath Serlo geben. Höchstenseinige Juden, welche die Angriffe, oder nennen wir's Wahrheiten,die ihnen von conservativer Seite entgegengeschleudert werden,noch nicht verschmerzt, werden für den Auchdemokraten Bürgersstimmen. Hierzu müssen wir des großen nationalliberalen Lichtsund Gründergenie's„Schottländer" gedenken, der ja keinenkleinen Theil von Breslau's Reichthum sein eigen nennt, auchdie Macht zu haben glaubt, die guten Spießer als Stimmviehzu dirigiren, natürlich hinter den Coulissen.— Als Besitzer desGründerorgans„Schlesische Presse" haben seine beiden Redakteure,der große„Bolkswirth" A. Meyer und ein gewisser kleinerBauer, eifrig zu kämpfen für einiges Vorgehen gegen die bösenSozialisten, ja genannte Herren mußten sogar, ganz gewiß aufhöhern Befehl, das Schimpfen ein klein Bischen einstellen(ganzkönnen fie es nicht, denn da läßt die Macht der Gewohnheit sichso leicht nicht brechen), um ein bischen Bauernfang unter nichtganz klar denkenden Arbeitern zu treiben, viel nützen wird esnatürlich nicht.— Was für ein Geschäftsgenie Schottländer,zeigt Nachfolgendes: Hier brannte vor einiger Zeit eine Oel-fabrik ab und kaufte Schottländer die Brandstelle. Da dasMauerwerk noch brauchbar, so ließ er das Gebäude ausbauen,und zwar gründete er eine Buchdruckerei in den Parterreräumen.Was nun aber mit den obern Räumen anfangen? Da, als wennder kluge Mann allwissend, daß in Kurzem die hiesigen Ge-fängnißräume nicht mehr zulangen werden, läßt er die Räumezu Gefängnißzellen mit obligaten schwedischen Gardinen undeisernen Thüren einrichten und vermiethet dieselben für einenganz schönen Preis an die hiesige Gefängnißverwaltung; ob erauch die Arbeitskraft der Gefangenen zu gleicher Zeit gepachtetkonnte ich nicht in Erfahrung bringen, möglich wä« es, daß ereinige Gefangene zu Schriftsetzern ausbilden läßt und dann seineZeitung am billigsten herstellt, so daß er alle' Concurrenten ausdem Felde schlagen kann, denn binnen Kurzem wird es ja garnicht im polittschen Leben auf Gesinnung ankommen, sondern dieGesinnungslumperei floriren. Herr Schottländer hat also nichtblos ein gutes Geschäft, sondern sich auch um den Staat verdientgemacht, so daß bei dem nächsten frischen Kriege gewiß Niemandanders Lieferungen erhält, als dieser große Staatsbürger.—Nächstens mehr von dem Herrn. S.Hannover.(An die Parteigenossen.) Seit Eintritt in dieWahlbewegung haben wir hier wunderbare Dinge erlebt; nichtgenug, daß man von Seiten der Polizeibehörde uns die An-melde Bescheinigungen zu Volks- und Wählerversammlungen ganzentgegen den gesetzlichen Bestimmungen verweigert, so droht auchdie Polizei denjenigen Wirthen, welche uns ihre Lokule zurVerfügung stellen, mit Conzessionsentziehung und anderen Maß-regelungen, und beinahe wäre eS fertig gebracht, daß wir kaumnoch ein Lokal bekommen hätten, um die Mitglieder-Versamm-lungen des sozialdemokratischen Wahlvereins abhalten zu können.Das größte Wunder jedoch pasiirte am Sonntag den 14. d. M.