gelangen oft zu ganz ähnlichen Schlüssen. Wer immer Reformenstudirt oder anempfiehlt, die in irgend einem Punkte die gesell-schaftlichen Einrichtungen berühren, kann sich freiwillig einenSozialisten nennen oder wider seinen Willen so genannt werden.Für die Leute aber, welche die Verwaltungsbehörde des So-zialismus schuldig erklärt hat, soll es kein Versammlungs- undVereinsrecht mehr geben, kein Recht zu schreiben oder zu drucken,keine Freiheit der Arbeit und des Gewerbes, keine Freizügigkeit,ja, man könnte beinahe sagen, kein Eigenthumsrecht; alle Bürg-schaften des gesellschaftlichen Zustandes in den gesitteten Ländernsollen für diese Parias wegfallen.--„Man kann jetzt nicht mehr daran zweifeln, daß der deutscheReichskanzler sich hartnäckig an diesen Entwurf klammert, der indem vorigen Reichstag nicht durchgedrungen war und jetzt indem neuen mit erheblichen Verschärfungen, aber allem Anscheinenach mit geringeren Aussichten aus einen besseren Erfolg ein-gebracht werden soll. Indem die öffentliche Meinung von Europadiesen Entwurf betrachtet, dem es an Maß und Ruhe gebricht,ist sie einigermaßen erstaunt über die Eigenliebe des Autors,über die väterliche Befangenheit, vermöge deren seine Mißgestalteinem Staatsmanne verborgen bleiben kann, bei welchen mannach den erfreulichen Schwankungen(erfreuliche Schwankungen!der echte Gambetta! Red. d. B.) seiner politischen Laufbahn undnach seinen so außerordentlichen Schicksalen derartige Aushilfe-mittel nicht hätte erwarten sollen. Wenn irgend wer, dachteman, von allen Vorurtheilen der Kaste und Erziehung, von allenBeschränktheiten des Parteigeistes frei sein, wenn irgend wer sichnicht vor Gespenstern fürchten sollte, so mußte es Herr v. Bis-marck sein, welcher Fürst und Kanzler eines ungeheuren Reichsgeworden ist. Lohnte es wohl der Mühe, das Banner derCivilisation, der deutschen„Kultur" so hoch zu halten, um nachunendlichem Gezerre zu einem Gesetzentwurfe zu gelangen, welchergegen die Grundsätze verstößt, die allen civilisirten Völkerngemein sind?"Das englische„Weltblatt", die„Times", der wahrhaftigkeine Feindschaft gegen Fürst Bismarck imputirt werden kann,widmet der Vorlage einen Leitartikel, in dem es unter Andermheißt:„Die Vollmachten, welche Fürst Bismarck vom Reichstageverlangt, könnten unter Umständen für die Sicherheit des Staatesnsthwendig werden, wir sagen jedoch keineswegs, daß fie noth-wendig sind. In England würden fie ungeheuerlich erscheinen.In Deutschland wird man sie wohl nicht günstiger beurtheilen.Vor allem legen sie die Rede-, Preß- und Versammlungs-freiheit ganz in das Belieben des regierendenMinisters.Sic sind zweifellos gegen den Sozialismus gerichtet. Wer hataber zu definiren, was Sozialismus ist? Ein sogenanntes Tri-bunal, in welchem sich ein mächtiger Minister immer eineStimmenmehrheit sichern kann. Ein solches Tribunal kannsozialistische Lehren oder Tendenzen in Büchern finden, welcheman gewöhnlich als treffliches Material zur Disposition betrachtet.Von Stuart Mill's Werk über die„Politische Oeconomie" zumBeispiel ist schon häufig gesagt worden, daß es sozialistischeLehren enthalte, weil es die utopistischen Systeme einiger Reformerin sympathischer Weise bespricht: Stöße deutscher Bücher überdieselben Fragen würden ähnlichen Folgen ausgesetzt sein, weilsie die Möglichkeit einer Aenderung der gegenwärtigen sozialenRechtsordnung erörtern. Ein deutscher Denker wäre schlimmdaran, wenn er sich nicht über ein halb Dutzend Methoden aus-lassen könnte, durch welche das menschliche Elend auf dem Wegeeiner Ausgleichung der Vermögensverhältnisse vermindert werdensoll. Das Buch von Karl Marx über das„Kapital" müßte ausden Buchhandlungen verbannt werden, obwohl nicht einer unterzwanzig Arbeitern im Stande ist, seinen abstrusen sozialistischenArgumentationen voll technischer Ausdrücke zu folgen. SogarPhilanthropen würde es schlecht bekommen, wenn sie den Nach-weis liefern wollten, daß der Staat im Stande sei, die Lageder Armen in den Verkehrscentren zu verbessern, die Stättender Verbrechen und Laster zu beseitigen. Vorschläge zur Ein-führung der englischen Armengesetze würden, wie wir fürchten,als entschieden sozialistische behandelt werden. In der That,ein energischer Minister würde, unterstützt von einem schüchternenund gehorsamen Gerichtshof, sehr bald jeder Diskussion übersoziale Fragen ein Ende gemacht haben, mit Ausnahme der-jenigen, welche den jetzigen Zustand der Dinge absolut vertheidigt.Es ist unschwer zu beweisen, daß eine solche Unterdrückung deröffentlichen Meinung ein ungeheures Uebel wäre. So weit dieUnterdrückung wirksam wäre, würde sie manche werthvolle Dis-kussion ebensogut verhindern, als manche unglücklichen Vorschläge.Sie würde jene Originalität beseitigen, welche das Salz desnationalen Lebens ist. In anderen Fällen würde sie wider-Oberst Rüstow.Eine Depesche meldet uns die Mittheilung des„SchweizerVolksfreund" in Basel, daß sich Oberst Rüstow erschossen habe;eine zweite Depesche, die uns eben beim Schreiben dieser nekro-logischen Skizze von einem unserer schweizerischen Correspon-denten aus Zürich zugeht, meldet einfach, daß Rüstow gestor-ben sei und Sonnabend Nachmittags seine Beerdigung statt-finde.Wilhelm Rüstow war den 25. Mai 1821 in der ProvinzBrandenburg geboren. Siebzehn Jahre alt trat er in den Mi-litärdienst ein und verrieth eine außerordentliche Begabung. Von1841—49 diente er in der preußischen Armee als Ingenieur-lieutenant und war insbesondere beim Festungsbau in Posenthätig. Hier, sagt man, habe er sich zuerst mit der Politik ernst-lichcr befaßt, der er dann in der Folge eine ungewöhnlicheTheilnahme widmete. 1848 finden wir ihn von der revolutio-nären Bewegung ganz ergriffen. Er schreibt die Broschüre„DerMilitärstaat vor und während der Revolution", worin er fürden bürgerlichen Charakter des Militärs plaidirt und die be-stehenden Institutionen in schärfster Kritik bloßstellt. DemselbenZwecke ist 1849 die Schrift über die Vereidigung des Heeresauf die Verfassung gewidmet, in welcher er gegen den conserva-tiven Grafen von Arnim- Boitzenburg in die Schranken tritt.Rüstow wurde dafür vor ein Kriegsgericht gestellt und zu meh-reren Jahren Festung(nach einer andern Angabe zu 1ö JahrenZuchthaus) verurtheilt. Er konnte jedoch entkommen und begabsich in die Schweiz, wo er seitdem gelebt hat. Nach der Thron-besteigung des jetzigen Königs von Preußen blieb er von derAmnestie ausgeschlossen.Rüstow hat sich in doppelter Richtung hervorgethan: alspraktischer Militär und als Militärschriststeller. Es war 1360,daß er mit Garibaldi die Expedition in Sicilien mitmachte, imRange eines Obersten und Generalstabschefs. Bei den Opera-tionen am Volturno hatte er ein wichtiges Commando. In derSchweiz, deren Bürger er geworden war, indem er sich in Bauma,Kanton Zürich, ein Bürgerrecht erwarb, nahm er eine hervor-ragende Stellung als Offizier der schweizerischen Armee ein. Erwurde Brigadeoberst und hat sich zumal durch seine Vorträge,spenstige Geister in gefährliche verwandeln. Spekulative Mei-nungen sind oft wie Schießpulver; je mehr man es zusammen-gepreßt, desto größer wird seine explodirende Kraft. So würdendie Dinge sich ganz besonders in Deutschland gestalten, dessenBewohner mehr Neigung zum philosophischen Denken, wenn nichtmehr Geschicklichkeit dazu haben. Seine Denker ersannen schoneine Menge Systeme, welche, wenn sich praktische Männer ihrerbemächtigt hätten, den Staat zerstört haben würden. Auf alleReligionen, alle moralischen Satzungen und sozialen Institutionenhat sich diese furchtbare deutsche Analyse wie Mehlthau gelegt.In Wirklichkeit haben sie jedoch durch diese metaphysischen Stürmewenig gelitten, weil die destruktiven Systeme sich selbst in denleeren Raum endloser Diskussion erschöpften, oder indem einSystem die Uebertreibungen der anderen korrigirte. Das Er-gebniß wäre aber vielleicht ein anderes gewesen, wenn mandiesen Theoretikern das freie Wort abgeschnitten hätte und wennVerschwörungen an die Stelle der Theorien getreten wären.Ein praktischer Staatsmann darf manchmal freilich nur auf dasNächsie sehen, wenn es sich darum handelt, ein unmittelbardrohendes Uebel zu bekämpfen. Er mag beispielsweise vorüber-gehend die Labeas corpus-Akte suspendiren, um einer Ver-schwörung oder einem Aufstande zuvorzukommen. Vielleichtgelingt es dem Fürsten Bismarck, einigermaßen den Beweis an-zutreten, daß jetzt ein solches Bedürfniß vorliegt. Vielleicht ister vorbereitet zu beweisen, daß Deutschland von communistischenPutschen bedroht sei; daß die Agitatoren alles aufbieten wollen,um die Gesellschaft über den Haufen zu werfen; daß sie denMeuchelmord organifiren wollen; daß die letzten traurigen Tageder Pariser Commune nur ein Vorspiel seien von den Greueln,welche Deutschland zu erwarten hätte, wenn es die sozialistischenAufwiegler nicht niederzuwerfen und zu knebeln vermöchte. Aberes wird eines Beweises bis zur Evidenz bedürfen, um die libe-ralen Abgeordneten an die Existenz einer solchen Gefahr glaubenzu machen, da fie sehen müssen, daß die Waffen, welche derKanzler gegen die Sozialisten verlangt, gegen sie selbstgebraucht werden können. Leider gewähren in dieser Be-ziehung die eigenen Ideen und Gewohnheiten des Kanzlers nichtdie geringste Garantte. Er ist ein großer autokratischer Staats-mann, aber selten hat ein Minister von seiner Bedeutung sowenig parlamentarische Fähigkeiten besessen, oder wenig-stens eine so offene Geringschätzung der Volksvertretungan den Tag gelegt, als er. Er scheint ein eingewurzeltes Miß-trauen in die Methoden der Ueberzeugungskunst oder Verachtungfür ihre Langsamkeit zu hegen. In dieser Beziehung steht erauf einem der Politik Cavour's direkt entgegengesetztem Stand-punkt. Dieser hat sich grundsätzlich geweigert, unter dem Be-lagerungszustand zu regieren, und er war von der Ucberzeugungdurchdrungen, daß die parlamentarische Diskussion, wenn sie auchoft langsam von Statten geht, doch schließlich der rascheste Wegder Gesetzgebung ist, weil sie zugleich die Ideen umwandelt undGehorsam erzwingt."(Fortsetzung kolqt.)Die Harburger Unruhen.Die liberalen Blätter ließen sich vor einigen Tagen tele-graphiren, daß die vereinigten Sozialdemokraten und Welsenin Harburg am Abende der Stichwahl großen Tumult undgrobe Excesse verübt hätten.— Bei der Stichwahl hatten sichallerdings unsere Parteigenossen mit den Welsen vereinigt, weilder freisinnige Welfe Graf Grote versprochen hat, gegen dieAusnahmegesetze zu stimmen, während der reaktionäre„libe-rale" Grumbrecht ein eifriger Anhänger der Ausnahmegesetze ist.Bei solcher Sachlage müßte unsere Partei ja aus lauter Eselnbestehen, wenn sie eine andere Stellung einnähme.Wir wollen nun zunächst hier einen ziemlich objektiven Be-richt des„Hamburgischen Correspondenten" über die HarburgerBorgänge geben.„Es ist leider am Sonnabend Abend in Harburg anläßlichder dortigen Stichwahl zum Reichstag zu argen Excessen undBlutvergießen gekomtnen. Die welfische und die soztaldemokra-ttschc Partei hatten sich vereinigt, um gemeinsam den Candi-baten der elfteren, den Grafen Grote, gegen den bisherigennationalliberalen Vertreter des Wahlkreises, BürgermeisterGrumbrecht durchzubringen. Nachdem schon im Laufe desTages widerholt Mißhandlungen solcher Personen, unterAndern eines Eisenbahnbeamten und eines Fabrikantenvorgekommen waren, welche widerrechtlicher Beeinflus-sung von Wählern zu Gunsten des liberalen Candi-baten beschuldigt wurden, sammelten sich nach Schluß desWahlakts große Haufen an, welche ihrer Freude über den Aus-die er als Lehrer in der Militärschule zu Thun hielt, großeVerdienste um das Milizwesen der schweizerischen Republik er-worden. So oft die Armee bei Kriegen der Nachbarnationenkriegsbereit gemacht werden mußte, stellte man ihn auf einenwichtigen Posten, 1870 in die Abtheilung des Generalstabs fürTruppenbewegungen.Eine größere Bedeutung allerdings hat Rüstow als Militär-schriftsteller erlangt. Er ist einer der Wenigen auf diesem Ge-biete, die es verstanden haben, neben den Fachmännern, welcheihn stets als Autorität gelten ließen, auch die weiteren Kreiseder Gebildeten zu interesfiren. Rüstow war ungemein fruchtbar;er verstand es, einfach und klar zu schreiben, und seine Dar-stellung verrätst ein äußerst vielseitiges Wissen. Vor allem hater wohl das Feld der Kriegsgeschichte bebaut, in welcher er,tüchtig in den Sprachen, in der Universalgeschichte und inder Politik, ein reiches und selbstständiges Wissen erworbenhatte.Zu seinen früheren Schriften gehören:„Die Lehre von derAnwendung der Verschanzungen", welche 1.353 erschien, und dieim gleichen Jahre veröffentlichte Beschreibung des Feldzugs von1805 in Deutichland. Um diese Zeit gab er auch„Die mili-tärischen und vermischten Schriften Heinrich v. Bülvw's" herausund einen Auszug aus den zum Theil verschollenen Schriftendieses Militärschriftstellers. 1855 erschien„Di- griechischen Kriegs-schriftsteller", etwas später die Erläuterung zum gallischen KriegeCäsar's. Diese beiden Werke, wodurch das militärische Ver-ständniß für die Kriegskunst der Alten gefördert werden sollte,edirte Rüstow in Verbindung mit seinem Freunde, dem Philo-logie- Professor Kochly. Die Commentare von kundigster Handsind auch dem Schulunterricht sehr zu gut gekommen. VielRedens machte 1857 die Schrift Rüstow's über den Angriff aufdie Krim und den Kampf um Sebastopol. Auch fallen in diesePeriode Schriften, welche speziell für die schweizerische Armeeabgefaßt worden sind, desgleichen„Der Krieg und seine Mittel",„Die Geschichte der Jnfamerie", ein Werk, das als bahnbrechendbezeichnet worden ist. 1853 gab Rüstow„Die Feldherrnkunstdes neunzehnten Jahrhunderts" heraus; er schildert hier vomJahre 1792 ab alle militärischen Leistungen. Noch dasselbe Jahrbrachte ein militärisches Handwörterbuch und die„AllgemeineTaktik". In letzterem Werke untersuchte der Autor den Einfluß! fall der Wahl in der Stadt Harburg, woselbst Grote 2093,Grumbrecht 1339 Stimmen erhalten hatte, in tumultuarischerWeise Ausdruck gaben. Verstärkt durch zahlreiche Auge-trunkene, wie sie an Sonnabend-Abenden nach der Lohn-auszahlung an die Arbeiter die Straßen zu beleben pflegen,durchzogen die Haufen, die Arbeiter-Marseillaise und dassogenannte Hannoveranerlied singend und Hochs auf denPrinzen Ernst August und Grafen Grote ausbringend,mehrere Straßen der Stadt, um schließlich vor dem Gebäudedes„Harburger Anzeigers" und dem Hause des BürgermeistersGrumbrecht Posto zu fassen, wo binnen Kurzem fast sämmtlicheFensterscheiben eingeworfen wurden. Die Aufforderungen dernur etwa 10 Mann stark am Platze befindlichen Polizeimann-schaften zum Ruhehalten und Auseinandergehen wurden mitHohngelächter und Pfeifen, ihre Versuche, die Menge ausein-ander zu treiben mit Steinwürfen beantwortet. Auch nachdemnoch einige Polizisten und Gensdarmen zur Verstärkung herbei-gekommen, vermochten die Organe der öffentlichen Sicherheitnichts gegen die immer mehr angewachsenen und anfgeregterwerdenden Massen auszurichten, sahen sich vielmehr selbst baldernstlich bedrängt. Zur Unterstützung der Polizei versuchte jetztdie durch ihre Alarmsignale zusammenberufene freiwillige Feuer-wehr einzuschreiten, indem sie die Wasserstrahlen einiger Feuer-spritzen auf die Menge richteten. Für einen Augenblick schiendas wirksam, bald aber kehrte die Masse in erneuter Wuth zu-rück und überschüttete die Feuerwehrleute mit einem wahrenHagel von Steinen, durch welchen auch mehrere Feuerwehrleuteernstliche Verletzungen erhielten. Jetzt blieb nichts anderesübrig, als das Militär einschreiten zu lassen. Leider war dasin Harburg garnisonirende Bataillon des 75. Regiments zu denManövern ausgerückt und hatte nur ein kleines Wachtdeparte-ment von 20 und einigen Mann zurückgelassen) so daß nur 1Unteroffizier und 12 Mann zur Unterstützung der inzwischenarg ins Gedränge gerathenen Polizeimannschaften zur Verfü-gung waren. Diese kleine Anzahl vermochte dem durch stunden-lange Straflosigkeit übermüthig gewordenen Pöbelhaufen nichtzu imponiren, vielmehr wurde das Militär gleichfalls mitSteinen überschüttet, von denen mehrere Soldaten getroffenwurden. Eine darauf abgegebene blinde Salve hatte keinen Er-folg und sah das Militär sich gezwungen, scharf zu feuern, waSdenn endlich die Pöbelmasse auseinander trieb. Die Zahl derVerwundeten auf Seite der Tumultuanten beläuft sich auf circa30, von denen einer in wenigen Minuten seinen Geist aufgab,während zwei seitdem verstorben sind. Einer der Tumultuan-ten wurde in dem Augenblick niedergeschossen, als er,nachdem er unmittelbar vorher einen Polizeiofficianten durcheinen Steinwurf am Kopf schwer verletzt hatte, sich bückte,nm nochmals einen Stein aufzuheben. Die auseinandergesprengte Pöbelmasse zerstreute sich zwar, durchzog aber nochlängere Zeit in kleineren Schaaren die Stadt und die Auf-regung hielt fast die ganze Nacht an. Erst das am SonntagMorgen 8 Uhr in Harburg wieder einrückende, von dem Bor-gefallenen telegraphisch benachrichtigte Bataillon des 75. Regi-ments vermochte die Ruhe vollständig wieder herzustellen, nach-dem mehrere Zusammenrottungen noch am Sonntag Morgenmit Kolbenstößen hatten auseinandergetrieben werden müssen.Das Bataillon wurde in summarischer Weise einquartirt, wo-bei die bekannten hervorragenden Führer der wel-fischen Partei vorzugsweise bedacht wurden; zahlreichePatrouillen mit scharf geladenen Gewehren durchzogen währenddes gestrigen Tages die Stadt und sicherten die wiederherae-stellte Ruhe."Schon aus diesem Berichte geht hervor, daß die Sozial-demokraten an dem Aufruhr nicht betheiligt waren, denn lächer-lich ist es, wenn man die„Arbeitermarscillaise" singen und zu-gleich Hochs auf den Prinzen— nach anderen Blättern aufden König— Ernst August ausbringen läßt. Das Hoch derSozialdemokraten hätte sicherlich anders geklungen.— Daß bru-tale Wahlbeeinflussungen, Hinschleppen der Arbeiter wie zurSchlachtbank seitens„liberaler" Buben den Anlaß zu solchenbeilagenswerthen Vorfällen gegeben haben, ist allseitig erwiesenund kennzeichnet den„Liberalismus" in seiner elenden Ver-sumpftheit. Die„Berliner Volkszeitung" schreibt über die Ver-anlnssung:„Der erste Anlaß zum Conflict bot sich schon am Nachmit-tage dar, als der an der Hannöverschen Bahn angestellte Bahn-kommissar Tabor im Wahllokal erschien. Ihm wurde vonSeiten der Sozialisten und Welsen zum Vorwurf gemacht, daßer die ihm untergebenen Arbeiter mit von außen leichterkennbaren Stimmzetteln für Grumbrecht versehe»und sie unter Androhung der Entlassung genöthigtdes veränderten Jnfanteriegewehrs auf die taktischen Fragen. 1859beschrieb Rüstow den italienischen Krieg.Schon mit der genannten Darstellung des Krimkrieges hatteder Autor ein Feld betreten, auf welchem er in der Folge her-vorragend thätig werden und das Interesse der polittschen Kreisewie der militärischen fesseln sollte. Rüstow besprach die Vorgängein der Krim, ohne ihren Abschluß zu erwarten. Zur Zeit desFeldzuges der vereinigten Franzosen und Piewontesen gegen dieOesterreicher bildete er diese Schreibweise noch mehr aus, erfolgte den Ereignissen schrittweise und ließ seine Darstellung inkurzen Zwischenräumen, während die kriegerische Aktion ihrenFortgang nahm, erscheinen. So hatte die lesende Welt den Vor-theil, einen militärischen Führer zu besitzen, während noch ihreganze Theilnahme an den militärischen Operationen hing. Dendänischen, preußisch-österreichischen, deutsch-französischen Kriegund noch jüngst die Kämpfe im Orient find von Rüstow nachsem-r eigenartigen Methode �behandelt worden. Dabei wußtedieser Autor seine militärische Schilderung in einen weiten Rahmenhinzustellen. Er beschrieb nicht einzig Gefechte und Schlachten;die ersten Lieferungen seines Werkes gaben immer eine aufklä-rende Uebersicht über die politische, ethnographische und militä-rische Situation; er legte die Kriegsursache klar, charaterisirtedie Heeresmacht der streitenden Parteien und verband mit derAufzählung der Fakten ein scharfes kritisches Urtheil. Man hatRüstow darob getadelt, daß er Schriften, welche den Ansprucherhoben, Fachschriften zu sein, so schnell fertigte, nicht erst,nachdem die Ereignisse sich völlig abgespielt, ein um so klareresBild von ihnen zu geben trachtete. Aber wie man auch hierüberdenken mag, so viel darf kühn behauptet werden, daß er inseiner Art ein seltenes Talent besaß. Er ordnete Verwirrtesmit rascher Klarheit, gruppirte gut, schrieb flüssig, knapp, an-schaulich, und gerade, was er an Notizen und Urtheilen allge-meinerer Natur dem Militärischen beimischte, verrieth einenkenntnißreichen, scharffinnigen, geistig hochstehenden Mann. DaßRüstow seine Ausführungen oft mit scharfen polemischen Be-merkungen glaubte würzen zu müssen, haben ihm ebenfalls Vieleübel genommen. Man kann ihn sich aber ohne die Kundgabeseines lebendigen und streitbaren Temperaments nicht wohl vor-stellen, und mehr als über die Form sind wohl die Betheiligtendarob böse geworden, daß er Fehler aufzudecken sich nicht scheute