ein Verständniß habt? Ihr mit Eurer freien Rede, Jtzr mit Eurer freien Schrift, Ihr mit Eurer gesetzlich erlaubten Agi- tation. Ihr seht mit einer gewissen Verachtung auf uns„Bar- baren", aber wartet auch Ihr nur, wenn man Euch so wie uns bedrängt und verfolgt, wenn man Euch aller Freiheiten beraubt, dann werdet auch Ihr zu„Barbaren ", und werdet dieselben Mittel im Kampfe gebrauchen müssen, wie wir sie leider zu gebrauchen gezwungen find. Auge um Auge, Zahn um Zahn! Mit sozialistischem Gruß A. G. S. Sozialpolitische Uebersicht. — Gegen das Bismarck 'sche Ausnahmegesetz werden unzweifelhaft im Reichstag stimmen: das Centrum mit den Welsen— 115, die Fortschrittspartei— 25, die Polen und der Däne Kryger— 15, die Elsässer— 15, die Sozialdemokraten — 9, die Demokraten — 3 Abgeordnete, zusammen 182 Ab- geordnete. Nun beträgt aber die absolute Majorität in einem „vollen Haus" von 397— 199; eS fehlen also an der absoluten Majorität— 17. Die Conservativen zählen im neuen Reichstag 113 Abgeordnete, die wohl sämmtlich für die Vorlage stimmen werden. Zur absoluten Majorität fehlen ihnen 86 Stimmen. Die„Nationalliberalen ", das heißt was sich bisher so nannte, verfügen von Lasker bis hinunter zu Treitschke über 98 Stim- men, die ihnen zuzurechnende„Gruppe Löwe" über 8. Finden fich unter diesen 106 Abgeordneten 17, welche die Vorlage ver- werfen, so fällt dieselbe durch, vorausgesetzt, daß alle Abgeord- neten am Platze sind. Letzteres ist aber unmöglich, weil min- bestens 2 Gegner der Vorlage(Sozialdemokraten), die im Ge- fängniß sind, bei der Abstimmung nicht anwesend sein können. Die Nationallibcralen mit der„Gruppe Löwe" müßten deshalb statt 17 mindestens 19 Gegner der Vorlage �stellen. Ist dies zu erwarten? Eine solche Beantwortung der Frage ist noch un- möglich. So viel steht bis jetzt fest, daß Lasker die Vorlage für unannehmbar erklärt hat, daß der zum rechten Flügel der Nationalliberalen gehörige Abgeordnete Bunsen in einer An- spräche an seine Wähler entschieden Front gegen die Vorlage gemacht, daß das Hauptorgan der badischen Nationalliberalen, die„Badische Landeszeitung", von der Vorlage nichts wissen will, und daß die„Nationalliberale Correspondenz", das Organ des rechten Flügels der Nationalliberalen, sich neuerdings sehr kühl über die Vorlage äußert. Jedenfalls hat eine zur Verwerfung des Gesetzes mehr als ausreichende Anzahl von Abgeordneten begriffen, daß das Ausnahmegesetz ein Strick um den Hals des Liberalismus ist. Aber wird dieser sehr richtigen Erkcnntniß die That folgen? Wir wissen es nicht— mit„unberechenbaren Faktoren" läßt sich nicht rechnen; wir wissen blos, daß die Annahme des Bismarck'schen Knebelgesetzes die Erdrosselung des bürgerlichen Liberalismus wäre, der Sozial- dcmokratie aber zwar Verlegenheiten, doch keinen Schaden bereiten würde.— Erwähnt sei hier noch, daß der in Graz tagende„deutsche Journalistentag", auf dem auch die österreichische Presse vertreten ist, das Ausnahmegesetz in schärfster Weise verurtheilt und als den Tod aller Preßfreiheit bezeichnet hat. — Ueber„Sociales Königthum" bringt der„Staats- Socialist" einen Artikel, dem wir folgende vemerkenswerthe Stellen entnehmen: „Das sociale Königthum, welches wir in Anspruch nehmen, soll vor Allem eine starke Monarchie sein, doch allerdings nicht eine solche, deren Kraft an erster Stelle in einer gesteigerten Geltendmachung der Polizeigewalt zum Ausdruck gelangt, sondern vielmehr eine solche, deren Stärke in ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von den Parteien besteht, deren Schwerpunkt damit in sie selbst fällt, und welche die verschiedenen Parteien dadurch sich dienstbar macht, daß sie dieselben durch Wohlthnn gewinnt. Was mit Zwangs-Maßregeln in dieser Richtung gewonnen wird, darüber hat uns die Erfahrung bereits belehrt. Der internationale Charakter, welchen der ursprünglich durchaus nationale Socialismus in Deutschland angenommen hat, ist das Werk derer, welche polizeiliche Maßregelungen und zahlreiche Preußische Polizei in Bayern . Unter diesem Titel bringt das„Münchener Fremdenblatt'' folgenden interessanten Artikel: Empörend ist es, was wir uns von den Preußen gefallen lassen müssen. Aus Kissingen erfährt man folgende unglaubliche Geschichte, welche einem fich als Kurgast dort aufhaltenden Kauf- mann aus München passirte. Wenn Fürst Bismarck nach Kissingen kommt, folgt ihm nicht allein sein großer Fanghund, sondern auch ein Heer von geheimen Polizeidienern und Beamten, ob- gleich die bayrische Regierung seinetwegen eine namhafte Ver- stärkung der Äensdarmerie anordnet und sogar den Polizei- commissar Gehret von München zu seiner Bewachung abschickt. Das könnte uns zwar gleichgiltig sein, und unsertwegen komme der Fürst das nächstemal mit der ganzen lauenburgischen Armee nach Kissingen . Allein diese preußischen Polizisten haben die Anmaßung, sich für sogenannte„Reichspolizei" auszugeben, welches geradezu empörend ist. Eines Tages ging besagter Kaufmann, in der Meinung, er befinde sich auf bayrischem Boden und könne als bayrischer Staatsbürger hingehen, wohin er wolle in der Nähe des Gradirhauses spaziren, als Plötzlich ein Mensch auf ihn zustürzte und ihn folgendermaßen anschnauzte: Sic hören Sie mal! Sie scheinen ein förmliches Kesseltreiben 'auf den Fürsten halten zu wollen! Seit drei Tagen treiben Sie sich da herum."(Das ist gar nicht wahr; der Kaufmann war zum ersten Mal in seinem Leben in die Nahe des Gradir- Hauses gekommen.) Dann befahl er ihm in eine Laube„hier herein" zu kommen, zog ihn hinein und sagte:„nu setzen Sie sich." In diesem Augenblicke ging der Fürst vorüber, worauf der Mann hinausstürzte und den Kaufmann fitzen ließ. Dieser war natürlich ganz außer sich über die ihm lviderfahrene Be- Handlung. Sein Erstes war, daß er auf einen der vielen um- herstehenden Gensdarmen zueilte und fragte, wer eigentlich der Mensch sei, der sich erlaubt hätte, so mit ihm umzugehen,-rer Gensdarm sagte, es werde wohl einer von seinen geheimen Detectivs sein, welche Bismarck mitgebracht habe. Das müye man sich gefallen lassen. Vielleicht habe er ihn blos vor dem Hunde schützen wollen.— So, das müssen wir uns in unserem eigenen Lande von den Preußen gefallen lassen!!! Die Sache hatte aber noch ein recht gelungenes Nachspiel! Als nämlich der besagte Kausmann jüngst in den Zeitungen las, daß Fürst Bismarck über München nach Gastein gehen werde, vermuthete er richtig, daß der geheime Trabant wieder in seinem Gefolge sein werde. Richtig traf er ihn auch in der Bahnhof- restauration, und nachdem er auf seine Erkundigungen hin erfahren, er sei der preußische Polizeikommissär Krüger (dieser Polizeibeamte hat auch die sozialistischen Congresse in Gotha überwacht und war bei der Hödelaffaire zur Untersuchung kriminalrechtliche Verfolgungen als das geeignetste Mittel be- trachteten, die Sympathieen der unteren Volksklassen zu gewinnen. Auf welchen Grund hin man von einer Steigerung dieser Maßregeln heute einen besseren Erfolg erwartet, ist uns bis dahin unklar geblieben und wollen wir deshalb, so lange es noch Zeit ist, mit dem Ausdruck der Besorgniß nicht zurückhalten, daß man durch gesteigerten Zwang den Sozialismus in sein drittes Sta- dium, in das der Anarchie hinüberführen dürfte. So lange die unteren Volksklassen in der Centralgewalt nichts er- blicken, als den Zwing- und Polizeiherrn der Herr- schenden Gesellschaft, so lange werden sie derselben mit einer dem Maße des Zwanges entsprechenden Feindschaft gegenüber- stehen, und diese Feindschaft wird nur dadurch aus dem Wege geschafft werden, daß man den großen Worten der sozialdemo- kratischen Führer mit reellen Leistungen gegenüber tritt, die überschwänglichen Verheißungen durch konkrete Erfüllungen ent- kräftet und so das Gros jener Partei daran gewöhnt, in dem Königthum wiederum diejenige Instanz zu erblicken, bei welcher es die einsichtigste und kräftigste Vertretung seiner Interessen findet. Dies nennen wir: sich zu einem socialen Königthum ausgestalten. Daß man diesen Zweck nicht durch isolirte Zwangs-Maßregeln und Ausnahme-Gesetze erreichen wird, darüber sollte der Verlauf des„Kulturkampfes", selbst beschränkteren Politikern, keinen Zweifel gelassen haben. Was man dort schließlich erzielt hat, nämlich die katholische Bevölkerung zu einer festen geschlossenen Masse zusammenzu- schweißen, ein gleiches Resultat dürfte auch die zweite Auf- läge des Kulturkampfes gegen die Sozialdemokratie in sich schließen, ein Verlaus, der in dem Maße bedenklicher und ge- fährlicher erscheint, als die in der Sozialdemokratie beschlossene Gefahr in der That die ultramontane Gefahr weitaus überwiegt. Nichts ist gewisser, als daß die Sozialdemokratie Gewalt mit Gewalt erwidern wird, und daß man daher, konsequent durch- geführt, schließlich das heraufbeschwört, was man an- geblich vermeiden will, und was man in sehr zutreffender Weise neuerdings die„Criminal-Justiz der Geschichte" genannt hat. Außerdem sollte man auf allen Seiten nicht vergessen, daß man nicht immer Hammer, sondern, in bekannter Abwechselung, auch zuweilen Ambos ist, und daß man daher in kritischen Zeilen stets wohl thut, sich recht ernsthaft die Frage vorzulegen: wie man es empfinden und was man sagen wird, wenn man die Rolle des Phalereus spielt und selbst in den Ofen gesteckt wird, welchen man für Andere erbaut und geheizt hat." Wir brauchen nicht besonders zu betonen, daß unsere Auf- fassung von der Regierungsform und der Regierungsgewalt eine andere ist, als die des„Staats-Socialist". Auch ist es falsch, daß die„sozialistischen Führer"„überschwängliche Verheißungen" machten. Mit den übrigen Ausführungen aber sind wir ein- verstanden und freuen uns, daß ein hochkonservatives Blatt mit solcher Entschiedenheit und mit so triftigen Argumenten gegen die Ausnahmegesetze eintritt. — Es wird offiziös von Berlin aus geschrieben: „Bekanntlich werden die Berichte der königlichen Fabrik- Inspektoren für das Jahr 1877 im nächsten Monate zur Ausgabe gelangen. Dem Vernehmen nach wird in denselben unter Anderem bezüglich des Haftpflichtgesetzes als Mangel hervorgehoben, daß manche Arbeiter den Fabrikanten nicht ver- klagen, theils weil sie fürchten entlassen zu werden, theils weil ihnen die Mittel fehlen, sich durck einen Anwalt vertreten zu lassen. Es wird dann der Vorschlag gemacht, Fabrikanten- Genossenschaften zur Zahlung der durch Verletzung der Arbeiter entstandenen Schäden zu gründen, sowie Offizialmandatare für unbemittelte Arbeiter durch die Commune» zu bestellen."— Das Uebel ist unzweifelhaft vorhanden; ob aber das vorgeschlagene Heilmittel genügen wird, dürfte sehr zu bezweifeln sein. Das Beste wäre unter den obwaltenden ökono- mischen Verhältnissen, man unterstützte die Gewerkschafts- bewegung; dann würden die Arbeiter aller Branchen bald, wie das in England der Fall ist, in ihren Kassen ausreichende Summen haben, um die Interessen der Arbeiter auch vor Ge- richt wirksam zu vertreten. Doch weit entfernt, die Gewerk- schaftsbewegung, diesen großartigen Versuch wahrer Selbsthilfe, in Leipzig . R. d. V.), ging er frischweg auf ihn zu und stellte ihn zur Rede, wie er sich in Kissingeu eine solche— Ungezogen- heit gegen ihn habe erlauben können. Auch sein Schwager, ein hiesiger Bahnhofinspektor, konnte seine Entrüstung nicht bemeistern und bemerkte dem Polizisten aus Berlin , daß er sein Benehmen gegen einen kranken Kurgast sehr ungeeignet und undelikat finde. (Dem hätte noch etwas ganz Anderes gebührt!) Hierauf soll der Preuße gedroht haben, er werde es dem Fürsten sagen, und der Kaufmann und der Inspektor würden schon sehen, was daraus würde. So, das auch noch!— Nun können wir versichern, daß sich der Kaufmann wenig um die Drohung kümmert; der Preuße kann ihn in Marbach besuchen, wenn er einmal hinkommen sollte; aber dem Bahnhofinspektor könnten hieraus Unannehmlich- leiten erwachsen, welchen wir durch unsere Veröffentlichung vor- beugen wollen. Es ist uns nämlich-zu Ohren gekommen, daß bereits dieser Preußen wegen ein Bezirksamtmann und— ein bayrischer Landrichter! versetzt worden seien. Wir behaupten das nicht für gewiß und bestimmt wahr, son- dern nur als Gerücht, von dem wir hoffen, daß es falsch ist.*) Aber erwähnen wollen wir dies Gerücht doch und sind sehr be- gierig zu erleben, ob vielleicht auch eines preußischen Polizei- menschen wegen der Münchener Bahnhofsinspektor versetzt wer- den wird. Wir werden dann dafür sorgen, daß sich nicht allein die deutsche , sondern auch die europäische Presse ein Wenig mit der Sache befaßt. Vorläufig bemerken wir hierzu Folgendes, was fich die Preußen in Bayern merken können: 1) Wir kennen gar keine Reichspartei, und ein preußischer Polizeicommissar hat auf bayerischen Grund und Boden gar nichts zu befehlen. 2) Die Polizei üben in Bayern die Sicherheitsorgane des Königs Ludwig II. aus, und wer sich außerdem als Organ der Polizei gerirt, maßt sich frecher Weise Befugnisse an, die die Rechte un- seres Königs verletzen. Niemals werden wir dulden, daß ein preußischer Polizeibcamter in Bayern den Herrn spielt. Wir hoffen, daß auf diplomatischem Wege dafür gesorgt wird, daß sich künftig kein preußischer Polizeicommissar mehr erlauben darf, bayerische Staatsbürger, die sich ihrer Gesundheit wegen in Bädern aufhalten, in so unverschämter und empörender Weise zu behelligen. Wenn Fürst Bismarck nach Kissingen kömmt, ist er Badegast, und wenn seine Popularität derart ist, daß er gegen preußische Pistolen Schutz bedarf, so wird ihm die königl. bayerische Polizei und Gensdarmerie solchen Schutz zu jeder Zeit und ausgiebig gewähren. Preußische Polizei aber hat nicht ein Recht, in den Organismus der bayerischen Sicher- heitsbehörden einzugreifen und— kann zu Hause bleiben. Wo- für sendet außerdem die bayerische Regierung eine halbe Com- ♦) Der„Nürnberger Anzeiger", dem wir diesen Artikel entnommen haben, bemerkt hierzu: Ist vollständig wahr! R. d. „B." zu unterstützen, legt man den Gewerkschaften jedes mögliche Hinderniß in den Weg und will sie ganz erdrosseln. — Die Harburger Unruhen gaben den liberalen Blät- tern, voran die„Kölnische", die„Magdeburgische Zeitung" und als Ableger das„Leipziger Tageblatt ", Gelegenheit, ihren gif- tigen Geifer wieder einmal über die Sozialdemokratie auszu- spritzen. Sie brachten diese Unruhen sogar mit den Ausnahme- gesehen in Verbindung, deren Einführung sie nunmehr erst recht für nothwendig erklärten. Jetzt aber bringen alle drei Blätter(das„Leipziger Tageblatt " hinkt etwas nach, da es sich bekanntlich mit der Scheere behilft) fast gleichzeitig eine offiziöse Notiz, die folgendermaßen anhebt: „Der Harburzer Tumult am Stichwahltage hat, so schreibt man uns aus dortiger Gegend, einen ernsten Hintergrund, und die Regierung hat alle Ursache, diesem ihre volle Aufmerk- samkeit zu widmen. Es wird uns glaubhaft versichert, daß nicht etwa die Sozialdemokraten, sondern lediglich no- torische Anhänger und Wühler der welfi scheu Partei es waren, von denen die Steinwürfe und alle andere Ungebühr ausgingen. Diese Leute sind seit Jahren systematisch ausgehetzt worden." Die weiteren Angriffe gegen die Welsen, die nun folgen, interessiren uns nicht. Wir haben lediglich die Notiz abge- druckt,;um die Niederträchtigkeit der liberalen Schandblätter zu zeigen, die auf Commando sich auf die der Regierung gerade unbequemste Partei wie eine losgelassene Meute stürzen. Ja der Provinz Hannover aber sind die Welsen der Regierung gegenwärtig am unbequemsten. — � Liberale Rohheiten. Die in unserer letzten Nummer (Berliner Correspondenz) erwähnte indirekte Aufforderung der liberalen„Mecklenburgischen Anzeigen", unserem alten Partei- genossen, Hofbaurath a. D. Temmler in Schwerin die Fenster- scheiden einzuwerfen, hat ihren Zweck vollständig erreicht. In der Nacht vom 24. zum 25. August sind an dem Demmler'schen Hause(nun zum vierten Male) mit Feldsteinen die Fenster zertrümmert worden. Einige Tage vorher hatte Herr Temmler eine Karte erhalten, in der ihm das Bubenstück schon im Voraus angezeigt wurde. Diese Karte ist der Polizei übergeben worden — aber dennoch wurden die Fensterscheiben eingeworfen. Mcrk- würdig ist, daß nicht ein einziges Mal einer dieser„liberalen" Ordnungslümmel polizeilich abgefaßt worden ist. — Aus Bordeaux erhalten wir vom 20. August folgende Zuschrift: „Eine herzhafte Freude habe ich empfunden beim Lesen der letzten„Vorwarts "-Nummern. Ein derartiger„Rückschritt" des Sozialismus muß alle wahrhaften Volksfreunde erfreuen und berechtigt zu den größten Hofsnungen! Die Wahlkreise müssen in Deutschland doch recht eigenthümlich eingetheilt sein, um auf eine halbe Million Stimmen nur 9 Deputirte zu geben. Ueber fünfzigtausend Stimmen auf einen einzigen sozialdemokratischen Abgeordneten. Das geht doch selbst noch über den Gambetta und Dufaure!— Sei dem wie ihm wolle, die deutsche Sozial- Demokratie hat ein Recht, auf ihre Erfolge stolz zu sein, und ihr kühnes Vorwärtsschreiten muß alle Sozialisten und Revo- lutionäre mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erfüllen. — Hier in Bordeaux steht es um unsere Sache niederträchtig; wir sind hier nur einige Zwanzig, die offen und entschieden zur rothen Fahne halten. Armes Frankreich ! Di« Bourgeois schröpfen es zu Tode. Die französischen Sozialrepublikaner haben jeden- falls schwere Fehler begangen, von denen der größte, meiner Ansicht nach, ich möchte fast sagen in einem prinzipiell unplan- mäßigen Vorgehen bestanden hat. Und das Gezänk unter den Sozialisten hat auch viel geschadet. Doch hoffe ich, daß es in Zukunft besser werden wird. Roth lehrt nicht beten, wohl aber sich verständigen und den einfältigen Pcrsonenkultus loszuwerden. Es find bereits über 80 Jahre her, seitdem der edle Clootz von seiner Guillotine den Franzosen zurief:„ITrimce-Ausm, toi des individus!"(Frankreich , heile dich(befreie dich) von dem Jndi- viduum(dem PersonenkultuSj!) Und heute? Bismarckkultus, Hödelei, Gambettakultus:c. Mit bestem Gruß stets der Ihrige in der gerechten Sache F. St. pagnie Gensdarmen und einen besonderen Polizeicommissar nach Kissingen ?___ —„Auf der Post sind die Briefe so sicher wie die Bibel auf dem Altar!" In der„Thüringischen Volks-Ztg." lesen wir: Diese Behauptung stellte der Generalpostmeister Stephan einst im Reichstage auf, als der Reichstagsabgeordnete Liebknecht wegen fortgesetzter und systematischer Briefstiebereien die Intervention der Gesetzgeber anrief. Das war vor etwa zwei Jahren, und wie steht es heut mit dem„Briefgeheimniß" und der„Bibel auf dem Altar"? Die nachfolgtiide Zuschrift, welche dem„Volkswille" in Augsburg zugegangen ist, mag aus diese Frag: Antwort ertheilcn: „Der Unterzeichnete empfängt seit 10 Jahren in jeder Woche aus Leipzig drei Packete; seit einem Monat sind diese Packete regelmäßig aufgerissen. Wenn dies blos hie und da vorkommen würde, so würde der Unterzeichnete einfach dazu schweigen; doch wenn man 10 Jahre lang Beobachtungen zu machen Gelegenheit hat, so kann man aus diesen auch Schlüsse ziehen. Auch zur Zeit der Sozialistenhetze im Jahre 1870—71 kamen alle Packete von Leipzig und Nürnberg zerrissen hier an, bis Grillcnberger in Nürnberg eine Untersuchung in dieser Angelegenheit herbeiführte. Zweck dieser Zeilen ist, das k. Oberpost- und Bahnamt, dem ein Exemplar dieses Blattes zugehen wird, zur Untersuchung und Abstellung dieser Ungehörigkeit zu veranlassen. Es muß ausdrücklich betont werden, daß ein zufälliges Aufreißen der Packete deshalb als unwahrscheinlich angenommen werden muß, weil seit 4—6 Wochen alle Packete aufgerissen sind. Der Unter- zeichnete glaubt nicht, daß dem Personal in Loco Augsburg eine Schuld beigemessen werden kann, da er dessen Pünktlichkeit und Höflichkeit anerkennen muß, die Beschädigung der Packete scheint vielmehr auf einer Zwischenstation zu geschehen. Der Unter- zeichnete giebt sich der Erwartung hin, daß diese Zeilen ihren Zweck nicht verfehlen werden. I. Endres, Buchhändler und Buchdruckereibesitzer." Gleich Herrn Endres bezieht auch die Expedition der„Thü- ringischen Äolks-Zeitung" in regelmäßiger Zusendung per Packet die„Neue Welt" aus Leipzig . Aber wie in Augsburg so gelangt auch hier in Gotha das Packet fast regelmäßig in zerfetztem Zustande, so zwar, daß von dem Inhalt bequem Einsicht ge- nommen werden kann, in die Hände obengenannter Expedition. Daß das betreffende Packet durch das Schütteln und durch die Reibung mit andern Postsendungen regelmäßig defekt werden sollte, das glaubt selbst kein Postpackmeister, dazu ist die Distanz zwischen Leipzig und Gotha eine zu geringe. Wir wollen hoffen, daß dieses öffentliche Monitum genügt, dem Uebelstand in Zu- kunft abzuhelfen. Wenn nicht, dann wird der Weg der Be- schwerde betreten.
Ausgabe
3 (1.9.1878) 103
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