P. S. Nächsien 3. September wird Thiers offiziell zum Hei- ligen proklamirt werden; die Bourgeoisie wird diesem Götzen Orgien feiern. Die Oesterreicher haben entdeckt, daß sie löd.OOO Mann brauchen, um Bosnien und die Herzegowina zu olkupiren". Eine ganz respektable Truppenmacht, aber es fragt sich sehr, ob ausreichend. Trotz des Falles der Hauptstadt von Bosnien dauert der Widerstand fort und dieInsurgenten" sind sogar ihrerseits wieder zum Angriff übergegangen, was sicherlich nicht auf Entmuthigung schließen läßt. Das Bedenk- lichste für die Oesterreicher ist, daß die slavischen Bewohner im besten Einvernehmen mit der türkischen Bevölkerung stehen, -und ebenso wenig wie diese etwas von den fremdenBefreiern" wissen wollen. Diese, jetzt über jeden Zweifel erhabene That- fache liefert beiläufig den conclusivsten Beweis, daß Alles, was weiland die russischen Agenten und deren Düpes(die Geprellten) von Unzufriedenheit der Christen, speziell der slavischen Christen in der Türkei aussprengten, einfach zu diplomatischen Zwecken erfunden und erlogen war wie wir, im Widerspruch mit «inigen mehr gefühls- als realpolitischen Freunden, auf Grund unserer Kenntniß der türkischen Zustände gleich zu Anfang der jetzigen orientalischen Krise behauptet und dargelegt haben. Wir dürfen hier nicht zu erwähnen vergessen, daß die Oester- reicher ihrecivilisatorische Mission" in der bekannten allgemein üblichen Weise bethätigen. Sie haben, nach der Erstürmung von Serajewo und bei anderen Gelegenheiten, zahlreicheIn- surgcnten", d.h. Männer, die der ersten patriotischen Pflicht: Bertheidigung des heimischen Heerdes, genügten, vor Kriegsge- richte gestellt und kriegsrechtlich erschießen lassen. Ob man in Wien an die Consequenzen gedacht hat? Wenn die Berthei- digung des heimischen Heerdes ein todeswürdiges Verbrechen ist, 'dann dürfte Oesterreich , dem von verschiedenen Seiten das Schicksal der Türkei zugedacht ist, vielleicht schon sehr bald in eine gar bedenkliche Stellung geralhen. Russische Wirthschaft.Väterchen" ist aus Petersburg ausgerissen, nachdem es das Standrecht für Rußland prokla- mirt hat. Es wird also künftig der Eine oder Andere, statt halb oder ganz todt geknutet,zu Pulver und Blei begnadigt werden" was unzweifelhaft ohne Ironie gesprochen eine weit mildere Strafe ist und also schon aus diesem Grunde nicht abschreckend wirken wird. Gleichzeitig mit Mesenzow sind mehrere sonstige Personen, die sich besonders verhaßt gemacht, in Charkow , Kiew u. s. w. erstochen worden. Man sieht, das Wort Custine's bewahrheitet sich mehr und mehr, und die russische Regierung hat es durch ihr brutales Unterdrückungssystem glücklich zu Wege gebracht, das von Haus aus weichste und gutmüthigste Volk der Erde zu einerNation von Mördern" zu machen. Nach den neuesten Nachrichten war der Mörder von Mesenzow noch riicht ergriffen, obgleich die Polizei in ihrem Eifer Hunderte von Verhaftungen vorgenommen hatte. Parteigenosse Rudolf Döll in Frankfurt a. M. wurde �zu 1 Monat Gefängniß verurtheilt, weil er in einer Wahl- Versammlunggefährliche Angriffe auf das deutsche Heer" gemacht hat. In Stuttgart ist Paul Lossau zu 1 Monat 9 Tagen verurtheilt; der Verfasser des inkriminirten Artikels 8tuä. iur. Lang erhielt 1 Monat 15 Tage Gefängniß. Zwei saubere Patrone. Nr. 1: ImBayrischen Landboten", der zu München erscheint und im Schimpfen auf alles Anständige und natür- lich auch den Sozialismus das Menschenmöglichste leistet, verübt xjn gewisser Stefan Buch er(Nationalliberaler) einen wahrhaft blut- trunkenen Leitartikel über dieHinrichtung Lehmann-Hödels natür- lich mit obligaten Kothwürfen gegen unsere Partei.Der Kopf ist dem Hödel vor die Füße gelegt" jubelt der Mordspatriot in dithyrambischer Begeisterung.-- Jener letzte Rest mensch- lichen Erbarmens und Mitleids, den man selbst dem tiefgefal- lensten und beflecktesten Verbrecher im Grunde des Herzens zu bewahren pflegt, war dem Buben Hödel gewiß von Jedermann entzogen worden, als man sich durch die unglaubliche Frechheit seines Auftretens bei der Schlußverhandlung überzeugt halte, d�aß auch nicht ein Funken eines höheren Seins in diesem Menschen aufzufinden, sondern Hödel durch und durch von dem bestialischen Zuge jener sozialistischen Lehren beherrscht war. welche dem Mensqen keiner- lei Erhabenheit über das nackte Thierleben zugestehen wollen." Die gerechte blutige Strafe hat dieses sozialdemokra- tische Scheusal getroffen. Dem elenden Verbrecher, der den Werth der sozialdemokratischen Parteigrundsätze durch die Ermordung des ehrwürdigen und milden Kaisers Wilhelm erproben wollte, ist wohlverdienter- maßen der von sozialistischem Wahnwitze angefüllte Kopf v»n den Schultern geschlagen und zu den Füßen gelegt worden. Der Ekel und Abscheu des deutschen Volkes deckt den Eadaver des verruchten Buben zu, ewiger Fluch und Schande umkreist die unheimliche Grube, in die man die Ueberbleibsel des sozialdemokratischen Klempnergesellen verscharrt hat. Ist aber auch der Bube Hödel vernichtet und zerstäubt, so bleibt doch der schwarze Tag des 11. Mai gleich dem 2. Juni unverwischbar auf der Tafel deutscher Geschichte stehen. Dieses Schandmal wischt nicht der Rhein davon ab und tilgt keine kommende Zeit; erschreckt, erstarrt hält uns Europa und die Welt dieses Grausal vor, Mitleid mischend mit herbem einschnei- denden Vorwurf. Der Mordanschlag auf den Kaiser Wilhelm war ein An- schlag auf das deutsche Reich, auf alle Ordnung, auf jeden wah- reu Deutschen; ein furchtbarer Wacheruf der Eumeniden, daß Jeder ungesäumt seine Schuldigkeit thue, damit das Reich, das Baterland gerettet werde vor den Brüdern der Pariser Mordbrenner, vor den Lobpreiscrn der bluttriefenden Commune, vor der sozialistischen Lehre welch- bereits zwei Kaisermörder bei uns erzeugt hat__" Man braucht diese namenlose Rohhe.t bloß ,u zeigen, und sie ist von jedem Menschen gerichtet. Da wir kaum annehmen können, daß ein Mensch ,m Besitz seiner geistigen Fähigkeiten sich so nackt als Bestie hinstellen kann, so wollen wir in christ- licher Nächstenliebe dem Hrn. Bucher dasselbe Benefiz angedeihen lassen wie dem geköpften Lehmann nämlich die Annahme ungenügend entwickelten Hirns. Wir werden hierin bestä- tigt durch die uns gewordenen Mlttheilungen über die Person des pp. Bucher. Derselbe ist 29 Jahr alt und Vorstand eines Kriegervereins; er war päpstlicher Schlüsselsoldat, ehe er Feder- bandit wurde; von Haus ultramontan, wurde er vor einigen Jahren liberal, jetzt nennt er sichdeuffchconservativ". fana- tischer Bismarckanbeter. Der Bismarck'sche Schlüsselfoldat 'läßt allerdings auf keinen normalen Schädel und Schädelinhalt schließen. Und nun her mit Nr. 2! Nr. 2 heißt Ronge, mit Vornamen Johannes, seines Zeichens Deutschkatholik, ja Gründer des Deutschkatholizismus , einesvorachtundvierziger" Vorläufers des heutigenAltkatho- lizismus", einst demokratisch angehaucht, aber längst gesinnungs- bankrot geworden und jetzt wohlconditionirter Bismarcker, der es aber in Folge mangelnder Geschicklichkeit zu keinem ordent- lichen Trinkgeld bringen kann. Auch Clown und Hanswurst kann nicht Jeder sein! Besagter Ronge, Johannes, leistet in seinem zu Darmstadt vegetirenden WinkelblättchenNeue reli- giöse Reform"(äck. 18. August) FolgendesZur Moral der letzten Reichstagswahlen": Das Verhalten der beiden vaterlandslosen und reichsfeind- lichen Parteien, d. h. der päpstlichen und sozialdemokratischen, war bei den diesjährigen Reichstagswahlen der Art, daß sich jeder anständige Mann mit Ekel und Verachtung von ihnen abwenden muß. Es ist an sich eine Unverschämtheit, daß sich Leute in den deutschen Reichstag wählen lassen, welche nichts vom deutschen Reich wissen wollen und die sich hinein- drängen, um das Reich zu untergraben und ans Ausland zu verrathen. Wäre die Mehrheit unseres Volkes schon zu dem Bewußtsein gekommen, daß unsere Nation eine ihren Kräften entsprechende sittliche Culturaufgabe unter den Völkern zu er- füllen hat, daß diese ihre geschichtliche Aufgabe bestimmt ist durch die sittliche Weltordnung(früher Vorsehung genannt), dann würde wahrlich nicht der dritte Theil offen ausgesprochene Reichsfeinde zu Berathern von Reichsgesetzen gewählt werden und man würde solche unmoralische und verrätherische Wahlen mittels Lynchgerichts ungültig machen." In Mainz wurde der Domcapitular und Bisthumsverwalter Mousang mit Hilfe der Sozialdemokraten gewählt und in Offen- bach wurde der sozialdemokratische Agitator Liebknecht mit Hilfe der ultramontanen Geistlichkeit beinahe durchgebracht, welche ihre gläubige Heerde zur Wahl eines Mannes trieb, der den Glau- den an Gott, der Religion und Moral verspottet und die Men- schen nach L. Büchner's Theorie für eine Species Thiere er- klärt, von denen natürlich ein Theil den andern umzubringen oder aufzuzehren berechtigt ist, wenn ihm der Fraß desselben gefällt." So der Pfaffe Johannes Ronge . Was es für ein Bursche ist, das verkündet das obige Pasquill, welches wirzur große- ren Ehre" des Mannes tiefer gehängt und dem Publikum zu- gänglich gemacht haben. Apropos: Hr. Johannes Ronge nennt Liebknecht einen Verspötter der Moral. Sollte besagter Jo- Hannes Ronge vielleicht ein Verwandter des ebenfalls Jo- Hannes Ronge sich nennenden Individuums sein, das in den 50er Jahren zu London das communistische Prinzip derThei- lerei" in des Wortes verwegenster Bedeutung auf die Ehe an- wandte und sich zeitweilig mit einerhalben Frau" begnügte? Um Antwort wird gebeten. Wir erhalten folgende Erklärung zur Aufnahme, der wir dieselbe schon deshalb nicht versagen wollen, weil wir die betr. Notiz derMagdeburgischen Zeitung" theilweise auch gebracht haben: DieMagdeburgische Zeitung" vom 16. August er. brachte unter der RubrikZu den Wahlen" eine Schmähung gegen mich vor, ich werde jedoch nicht den gerichtlichen Weg beschreiten, son- dern nur hiermit meine Erwiderung bringen. Ich gehörte seit 8 Jahren der sozialistischen Partei an und habe ich während dieser Zeit gesucht, diese Parter nach meinen Kräften zu fördern. Wie es überall, so war es auch hier, ich verlor nach und nach meine Arbeit, so daß ich gezwungen wurde, nach Hamburg um eine kleine Unterstützung zur Gründung eines Kleinhandels zu schreiben, bekam aber aus Dank für meine Mühe keine Antwort; ich wandte mich nun an die Calbenser Parteigenossen, aber auch vergebens. Ich fand aber, da ich von meinen Genossen ver- lassen war, doch Leute'), die mir, ohne Mißtrauen zu hegen, zur Gründung eines Geschäfts ein Kapital liehen. Ich fing einen Kleinhandel an, um mein Leben zu fristen; es waren je- doch Parteigenossen, welche mich nicht in Anspruch nahmen, da dieselben dem hiesigen Consumvcrein angehörten und ich keine Dividende zahlen konnte. Der 30. Juli rief mich wieder zur Thätigkeit und viele Bekannte drückten mir die Hand, es wurde in einer abgehaltenen Conferenz einstimmig Fr. Hurlemann als Reichstagscandidat aufgestellt. Die Arbeiter wurden aber an der Wahl des Hurlemann gehindert, da ihre Brodgeber nach der abgehaltenen Conferenz sie sehr kühl empfingen; die Arbeiter mußten sich in fast allen Fabriken und Kohlenschächten ver- pflichten, keine sozialistische Gesinnung zu hegen. Sollten sie dennoch eine solche Gesinnung hegen, so wurde ihnen mit Ar- beitsentlassung gedroht. Dieses half, da am 30. Juli nur circa 1000 Stimmen auf unseren Candidaten gefallen sind. Viele, viele Arbeiter gingen in Folge der Drohung in das liberale und conservative Lager über. Es kam nun zur Stichwahl zwischen Hrn. Trautmann und Hrn. Dictze. Mir ging die Nachricht zu, Hrn. Dietze unsere Stimme zu geben'); ich berief deshalb die Parteigenossen zu einer Besprechung nach Calbe , wo außer Aschersleben Alles vertreten war. Es wurde bei dieser Besprechung beschlossen, für Amtsrath Dietze zu agitiren und die Genossen in Aschersleben zu unterrichten. Es mag dem Hrn. Sozialist-nführer Op..... n zu Aschersleben deshalb zur Nachricht dienen, daß keine Bestechung vorliegt, da die Kosten von einem Herrn) in Folge meiner Rücksprache gedeckt wurden. Sind deshalb die Leute Strolche, daß sie für Dietze agitiren, nun so muß der Herr auch ein Strolch sein, der die Stimmzettel für Herrn Trautmann verbreitete. Ist es etwa eine Schande, wenn die Kosten gedeckt werden, für Dietze zu agitiren»)? Es kostet jeder Partei Geld, kostete doch die Agitation in Calbe - Aschersleben für Fr. Hurlemann vor 2 Jahren 275 Mark, aber dies scheint der Betreffende nicht zu wissen. Was mich aber am meisten in Erstaunen setzt, ist, daß der betreffende Herr einen so scharfen Blick besitzt, um andere Leute durch die Hosen in den Geldbeutel zu sehen«), um genau zu wissen, wie viel Geld sie bei sich haben. Calbe a. d. S., den 22. August 1878. Der Maurer L. Schönian.-)" ') Welche Leute? R. d. V. 2) Bon wem ist Ihnen, Herr Schönian, die Nachricht zugegangen, dem intimen Freund Bismarct's, Herrn Dietze, der für das Ausnahme- gesetz schon seines Gönners wegen gestimmt haben würde, zu wählen, von wem fragen wir, ist Ihnen diese Nachricht zugegangen? Auf eine ehrliche Beantwortung dieser Frage sind wir sehr, sehr gespannt! 3) Jedenfalls auf Ihren Rath, H-rr Schönian. R. d. B. 4) Wer ist dieser Herr, Herr Schönian? R. d. V. 5) Für einen Sozialdemolraien ja! R. d. B. «) Wenn's wirkt ch 150 Tyaler waren, wie dieMagdeburger Zei- tung" angab, so lassen sich dieselben auch nicht so leicht verbergen. R. d. V. 7) Auf alle Fälle scheint der Herr Schönian eine äußerst zweifel- haste Rolle bei der Stichwahl in Calbe -Aschersleben gespielt zu haben. Dies beweist schon sein eigenes Schreiben. R. d. V. Correspondenzett» San Luis (Argentina ), Juli 1873. An die Redaction des Vorwärts". Anbei stelle ich Ihnen ein Packet unsererDeut- schen La Plata-Zeitung" zu*), weil Ihnen vielleicht auch über die hiesige, wenngleich noch sehr schwache Socialistenbewegung zu hören, nicht gleichgültig ist. Anläßlich des Kaiser-Attentat's waren unsere Herren Landsleute vom großen Commerce, natür- lich von der ultra-reichstreuen Färbung in eine wahre Tobsucht gerathen, der Ochs gerieth natürlich sofort in seine allbekannte Manie allesRoth" zu hörnen. Sie sehen aber, daß wir paar Sozialdemokraten nach besten Kräften den Ansturm parirten und uns tüchtig noch immer hcrumbeißen. Dabei sei es doch von unserer Seite der Redaction derDeutschen La Plata- Zeitung" in größter Dankbarkeit gedacht, daß dieselbe unsere Bertheidigung in ihren Spalten zugelassen hat, bestimmt lief dieselbe dabei kein kleines Risico. Nebenbei theilen wir Ihnen mit, daß dem Schreiber jener Artikel mehrfache Beifallsbezeu- gungen, sowohl offen wie anonyme, die mehr oder wenrger enthufiasmirt sich über die Socialdemokratie ergingen, zugestellt wurden. Schade, daß so viele Menschen ihre Parteistellung ängstlich zu verstecken glauben müssen. Von hier aus ist auch in Buenos Ayres der Versuch gemacht worden eine Sammlung zum sozialdemokratischen Wahlfonds zu veranstalten, wir werden Ihnen später darüber Näheres mittheilen. Von fünf hier lebenden Deutschen sind vier erklärte Sozialdemokraten, deren Freude die Lecture desVorwärts", und derNeuen Welt" ist, die regelmäßig eintreffen. Auch unter den Franzosen und Italienern gibt es in Buenos Ayres und Rosario warme und entschiedene Sozialisten. Hoch die Sozialdemokratie!!! Mit genossenschaftlichem Gruße H. E. A. L. Bertin, 27. Aug.(Auch ein Auflösungsgrund für Verjammlungen.) Zum Sonntag Vormittag hatte der Vor- sitzende der Kranken- und Sterbekasse der Maschinenbauer, Meyer, die Mitglieder dieser Kasse zu einer außerordentlichen Generalversammlung berufen. Zweck derselben war eine Ver- ständigung über das Verhalten der Mitglieder gegenüber dem Ansinnen eines Theiles der Arbeitgeber an ihre Arbeiter auf Austritt aus der seit dreißig Jahren bestehenden alten(Zwangs-) Kasse und Eintritt in die neue von den Fabrikanten gegründete. Obschon somit die Versammlung nicht einmal zur Erörterung öffentlicher Angelegenheiten, sondern nur zur Erörterung der Kasieninteressen der Mitglieder bestimmt war, und daher nach dem Vereinsgesetz vom 11. März 1850 eine Verpflichtung zur Anmeldung streng genommen nicht einmal vorlag, war dieselbe dennoch bei der Polizei angemeldet und ward, kaum eröffnet, auch bereits durch den überwachenden Polizeilieutenant aufgelöst. Als Grund soll derselbe, wie uns von sehr glaubhafter Seite berichtet wird, sonst würden wir Anstand nehmen, es nachzu- erzählen, nicht nur auf die angebliche Ueberfüllung des Saales, sondern auch auf die der Hitze wegen offenstehenden Fenster hingewiesen und bemerkt haben, dadurch werde die Versammlung zu einer unter freiem Himmel abgehaltenen, was er nicht zulassen könne, da eine solche der vorgängigen schriftlichen Ge- nehmigung bedürfe. Die BerlinerVolkszeitung" fügt diesem Vorfall folgende trefflichen Bemerkungen hinzu:Wir sind in der That gespannt, einmal aus authentischer Quelle zu vernehmen, ob der Herr Lieutenant diesen Grund in Wirklichkeit angeführt und zum andern wie die höheren Instanzen und schließlich der Herr Minister ein solches Vorgehen der Polizeiorgane aus dem Ver- einsgesctz von 1850 zu rechtfertigen gedenkt. Dies Gesetz kennt als Auflösungsgründe für Versammlungen nur die folgenden: 1) die nicht bescheinigte rechtzeitige Anmeldung; 2) die Erörterung von Anträgen und Vorschlägen in der Versammlung, die eine Aufforderung oder Anreizung zu straf- baren Handlungen enthalten; 3) das Erscheinen von Bewaffneten in der Versammlung, die, der Aufforderung der Abgeordneten der Obrigkeit entgegen, nicht entfernt werden. Noch ist das Sozialistengesetz nur Entwurf, es gilt also noch nicht zweierlei Recht für Sozialdemokraten und andere Leute, und bis dahin verlangen wir und vor allem von den Polizei- behörden der Hauptstadt, daß sie die Gesetze gegen alle Staats- bürger gleichmäßig anwenden. Wenn die angebliche Ueberfüllung eines Saales schon ein Auflösungsgrund oder wenn gar ein offenstehendes Fenster schon einen geschlossenen Raum in einen solchen unter freiem Himmel verwandelt, dann dürfte kaum eine von den zahlreichen Versammlungen, die alltäglich in Berlin und anderswo stattfinden, vor der polizeilichen Auflösung aus solchen Gründen mehr geschützt sein. Aber lieber wollen wir Alle unter das gleiche Caudinische Joch hindurchgehen, als schweigend und mit untergeschlagenen Armen Zustände sich ent- wickeln sehen, wo gegen einen Theil unserer Mitbürger, gleichviel wie weit wir von deren Ansichten entfernt und wie sehr wir oft ihre Handlungsweise tadeln mußten(?) eine andere Logik und ein anderes Recht als gegen uns selbst und die übrigen Staatsbürger in Anwendung gebracht werde. Auch eine sozialdemokratische Wählerversammlung, in welcher Genosse Baumann seine Candidatenrede halten wollte, wurde aufgelöst, weil einige Frauen anwesend waren und weil der Mittelgang des Saales des zahlreichen Besuchs wegen nicht freigehalten werden konnte. Im Lokale und auf der Straße sollen mehrere Verhaftungen vorgekommen sein. Als Dr. Max Hirsch bei den Hauptwahlen zu Gunsten des Abg. Hänel auf seinen früheren(1. Berliner ) Wahlkreis ver- zichten mußte, hielt ihm dieser Entsagung halber Herr Dr. Virchow , der bekannte fortschrittliche Agitator, eine Lob- rede und erklärte, daß ihm sein edler Verzicht unvergessen bleiben solle. Jetzt ist der erste Wahlkreis frei, da Hanel dop- pelt gewählt wurde; derunvergessene" Dr. Hirsch aber wird vergessen und der große Ludwig Löwe zum Candidaten prokla- mirt. Man sieht also, daß nicht allein die Fortschrlttspartei eine Partei der politischen Heuchelei ist, sondern daß auch ihre Führer und Agitatoren vollendete Heuchler sind. Schimpf- Mäxchen aber muß einem trotz alledem leid thun. In einer fortschrittlichen Wahlversammlung hat der fort- schrittliche Abgeordnete Klotz dem Schimpf-Eugen Richter eine Vorlesung über Anstand gehalten. Nach der fortschrittlichen Bvlkszeitung" lautet dieselbe folgendermaßen:Ein Vorredner hatte Herrn Hoffmann als eine geeigneteMittelsperson" em- pfohlen. Mit Rücksicht hierauf erklärte Herr Klotz, daß in der Fortschrittspartei nach dem Ausscheiden der Gruppe Löwe-Berger ein rechter und ein linker Flügel nicht vorhanden sei, daß in Rücksicht auf die Festhaltung ihrer politischen Grundsätze es eine einigere Partei, als die Fortschrittspartei, nicht gebe, und daß Hoffmann, ebenso wie er selbst(der Redner), nicht weniger ent- schieden und nicht weniger fest und treu sei, als Eugen Richter . Der Unterschied zwischen diesem und ihnen sei nur der, daß sie *) Sind nicht angelangt. R. d. B."